Alternative mit Potenzial
Betreiber von Rechenzentren stehen vor der Herausforderung, ein Kältemittel zu wählen, das in ökologischer sowie auch ökonomischer Hinsicht Zukunftssicherheit bietet. Naturidente Kältemittel rücken ins Zentrum der Aufmerksamkeit, darunter Propan (R-290)
Rechenzentren müssen sich der Herausforderung stellen, so umweltfreundlich wie möglich zu sein. Ein wichtiger Faktor dabei ist die Wahl des Kältemittels in Anlagen zur Kälteerzeugung. Denn diese Wahl beeinflusst die Umweltauswirkungen und die Kosten der eingesetzten Kältesysteme maßgeblich. Propan ist eines jener natürlichen Kältemittel, die zunehmend ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken.
Der Bedarf an Rechenzentren nimmt angesichts der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft weiter zu. Damit steigt auch der Bedarf an Klimatisierungslösungen in diesem Bereich. Denn die sensible IT, ohne die kaum ein Geschäftsmodell mehr funktioniert, muss gekühlt werden. Die dafür notwendigen Kälteanlagen brauchen Kältemittel. Die bislang dafür genutzten Stoffe aber sind problematisch. Ein kurzer Rückblick in die Entwicklung der Kältemittelthematik:
FCKW und ihre Abschaffung
In den 1950er Jahren wurden Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) als großer Fortschritt gefeiert. Mit ihrer Ungiftigkeit und Nichtentflammbarkeit galten sie als perfekte Alternative zu älteren Kältemitteln, wie Schwefeldioxid und Ammoniak. In den 1970er Jahren wuchs das Verständnis für Umweltfragen und es wurde erkannt, dass FCKW wesentlich zum Abbau der Ozonschicht beiträgt. Dies führte zum Montrealer Protokoll, durch das FCKW und HFCKW kontrolliert und schließlich in den 1990er Jahren aus dem Verkehr gezogen wurden.
HFKW sind kein nachhaltiger Ersatz
Als Ersatz für FCKW und HFCKW wurde eine weitere Familie von Fluorkohlenwasserstoffen entwickelt: die teilhalogenierten Fluorkohlenwasserstoffe (HFKW). Sie sind ungiftig und nicht brennbar und besitzen kein Ozonabbaupotenzial. Diese Produkte sind heute in der Kühlindustrie weit verbreitet und werden auch in vielen Rechenzentren als Kältemittel eingesetzt. Durch den zunehmenden Fokus auf den Klimawandel und die Treibhausgasemissionen wurde jedoch deutlich, dass HFKW starke Treibhausgase mit einem hohen Treibhauspotenzial (GWP = Global Warming Potential) sind. Daher wurden weitere Vorschriften erlassen, um die Verwendung dieser Produkte schrittweise einzustellen. Die F-Gase Verordnung in Europa etwa setzt auf Reduktion und Verbote. Durch die gesetzlich vorgeschriebene Reduktion der handelbaren Menge, kommt es zu einer Preiserhöhung, was diese Stoffe für Betreiber unattraktiver macht. Der zweite Aspekt der F-Gase-Verordnung sind Verwendungsverbote, die darauf abzielen, die Verwendung von Produkten mit hohem GWP-Wert zu unterbinden und den Gesamt-GWP-Wert von Kältemitteln bzw. deren Inverkehrbringung in der EU im Laufe der Zeit zu senken. Während die F-Gase-Verordnung nur in Europa gilt, hat sich der Rest der Welt auf das Kigali-Abkommen geeinigt. Es spiegelt im Grunde die F-Gase-Verordnung wider, indem es einen weltweiten Ausstieg und Verwendungsverbote vorsieht.
Auch die AVV Klima (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung klimafreundlicher Leistungen) der deutschen Bundesregierung, die Anfang 2022 in Kraft getreten ist, zielt in dieselbe Richtung. Sie enthält eine „Negativliste“ von Leistungen, die von Dienststellen des Bundes nicht mehr bezogen werden dürfen. Dazu gehören Baustoffe, die teilhalogenierte Fluorchlorkohlenwasserstoffe (H-FCKW) und teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (HFKW) enthalten oder unter Verwendung dieser Stoffe hergestellt wurden. Auch Flüssigkeitskühler mit mehr als 10 Kilowatt Nennkälteleistung dürfen hiernach keine Kältemittel mit GWP ≥150 beinhalten.
HFO sind auch keine Alternative
Betreiber von Rechenzentren stehen somit vor der Herausforderung, ein Kältemittel zu wählen, das den gesetzlichen Anforderungen entspricht und in ökologischer sowie auch ökonomischer Hinsicht Zukunftssicherheit bietet. Durch ihre Umweltschädlichkeit und die Regulierung bieten FKW-Kältemittel de facto keine Zukunftssicherheit. Die von der Kälteindustrie propagierten HFO-Kältemittel stellen auch keine realistische Alternative dar. Vor ihnen warnt die Wissenschaft bereits, weil sie in der Natur zu persistenter Trifluoressigsäure (TFA) abgebaut werden, die sich in Oberflächengewässern, im Grundwasser und in den Meeren anreichert. TFA ist bereits in verdünnter Form schädlich für Wasserorganismen und steht in Verdacht, auch das menschliche Zentralnervensystem zu beeinflussen. Darüber hinaus wird Flussspat bzw. Calciumfluorid, welches den wesentlichen Ausgangsstoff der gesamten Fluorchemie darstellt, auf der EU-Liste der 30 kritischsten Rohstoffe geführt, da weltweit nur wenige große Lagerstätten in China und Mexiko existieren.
Den Fokus auf natürliche Kältemittel legen
Daher rücken nunmehr die sogenannten naturidenten Kältemittel ins Zentrum der Aufmerksamkeit, darunter vor allem Propan (R-290). Propan gehört zu den Kohlenwasserstoffen und ist grundsätzlich seit über 100 Jahren als Kältemittel bekannt, konnte aber in der Vergangenheit nicht eingesetzt werden. Das lag vor allem daran, dass durch seine Entflammbarkeit entscheidende Komponenten in den eingesetzten Kältemaschinen nicht für den Einsatz von Propan geeignet waren, etwa der Kompressor oder Teile der Elektronik, und gesetzliche Vorgaben die Nutzung untersagten. Die technologische Entwicklung sowie Gesetzesänderungen in Europa machen den Einsatz von Propan jetzt möglich, obwohl es hoch-entzündlich ist. Moderne Lösungen ermöglichen die Nutzung von Propan mit geringstmöglichen Füllmengen, wodurch das Risiko auf ein niedriges Niveau sinkt. Mit den entsprechenden technologischen und organisatorischen Maßnahmen ist Propan als Kältemittel sicher beherrschbar.1)
Propan besitzt ein niedriges GWP
Propan hat einen vernachlässigbaren GWP-Wert von 3, ist ungiftig und besitzt kein Ozonabbaupotential. Aufgrund dessen unterliegt es keinerlei Beschränkungen und kann als langfristige Lösung angesehen werden. Grundsätzliche Vor aussetzung sind Maßnahmen zur Risikovermeidung bei der Verwendung entflammbarer Kältemittel. Dazu gehören eine sorgfältige Auslegung der Systeme und die Anwendung von Sicherheitsnormen. Werden diese Aspekte berücksichtigt, bietet Propan, neben seiner Unbedenklichkeit in Bezug auf die Umweltbelastung, eine ganze Reihe von weiteren Vorteilen:
1. Niedriger Preis
Der niedrige Preis von Propan ist zwar nicht der Hauptgrund für seine Verwendung, aber der Unterschied zu synthetischen Kältemitteln ist so groß, dass dieser Vorteil nicht außer Acht gelassen werden darf. Derzeit liegt der ungefähre Preis von Propan bei 15 Euro netto pro kg. Die Preise für HFO-Kältemittelgemische wie R-455A oder R-454C liegen dagegen bei etwa 110 Euro netto pro kg.
2. Hoher Wirkungsgrad
Propan besitzt hervorragende thermodynamische Eigenschaften, die zu einer hohen Energieeffizienz führen. Beispielsweise ist die latente Verdampfungswärme von Propan fast doppelt so hoch wie die der gebräuchlichsten HFKW-Kältemittel. Dies bedeutet einen höheren Kühl-/Wärmeeffekt bei gleichem Kältemittelmassenstrom. Es versteht sich von selbst, dass eine höhere Effizienz niedrigere Betriebskosten und weniger indirekte CO2-Emissionen bedeutet.
3. Große Einsatzbandbreite
Kältetechnik mit Propan als Kältemittel kann in weiten Leistungsbereichen von einigen Kilowatt bis hin zu vielen 100 Kilowatt eingesetzt werden.
Anforderungen für die Nutzung von Propan
Wegen seiner Entflammbarkeit sind bei der Installation und Wartung von Kältemaschinen, die Propan enthalten, besondere Maßnahmen zu berücksichtigen. Propan besitzt eine höhere Dichte als Luft. Sollte also ein Leck auftreten, verdrängt es die Luft und sinkt auf den tiefsten Punkt. Das bedeutet, dass es sich in geschlossenen Räumen ansammeln kann. Es entsteht Explosionsgefahr, wenn das ausgetretene Gas mit einer Flamme, einem Funken oder einer anderen Zündquelle in Berührung kommt. Hierbei sollte allerdings auch nicht unerwähnt bleiben, dass Propan ein nur geringes Zündfenster besitzt. Eine zündfähige Atmosphäre bildet sich nur bei einer Konzentration von 1,7 bis 9,5 Vol. %. Dennoch werden entsprechende Kältemaschinen gasdicht und versiegelt, mit Sicherheitskomponenten ausgestattet, werden in einer nicht explosionsfähigen Atmosphäre genutzt und nur von Personen in Betrieb genommen, die über die entsprechende Erfahrung, Ausbildung und Qualifikation verfügen. Nur Kältetechniker, die eine entsprechend zertifizierte Ausbildung absolviert haben, dürfen Kältemaschinen auf Propanbasis warten und instandhalten. Da Propan immer verbreiteter wird, werden immer mehr Personen für die Arbeit mit Propananlagen geschult. In Europa sind zudem nur Geräte zulässig, die über eine EU-Konformitätserklärung verfügen und somit mit den einschlägigen Vorschriften und Normen übereinstimmen. Der Installations- und Inbetriebnahmeprozess ist im Wesentlichen derselbe wie bei jeder anderen Kältemaschineninstallation, obwohl es besonders wichtig ist, dass eine ordnungsgemäße Risikobewertung für die vorgesehene Position der Kältemaschinen durchgeführt wird.
Propan mit seinen vielen positiven Eigenschaften und den bekannten Risiken ist technologisch beherrschbar, kostentechnisch attraktiv und für die Umwelt ein Gewinn. Es stellt einen Lösungsbaustein für eine Herausforderung dar, die unvermeidlich in Angriff genommen werden muss: der Bau und die Nutzung von umweltfreundlicheren Rechenzentren.
Autoren: Marco Funes, CTO Secon GmbH, und Thomas Rabensteiner, Planung Rechenzentrum bei Prior1
www.secon-gmbh.com www.prior1.com