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Wasserversorger beantwortet Fragen der IKZ-Redaktion zu den ungeklärten Korrosionsfällen im Versorgungsgebiet Holsterhausen. Die Ursachensuche geht weiter

Das Trinkwasser kann allein nicht der Grund sein. Siegfried Gendries

Die Phosphatierungsanlage wurde in 2014 nur ohne Phosphat für jeweils einige Stunden in Betrieb genommen, um die Anlagenfunktion zu testen. Phosphat wurde dem Vernehmen nach am 21. Januar 2015 erstmalig angeliefert und getestet.

Die verfahrenstechnische Trinkwasseraufbereitung am Standort Holsterhausen erfolgt durch physikalische Entsäuerung und Mehrschichtfiltration.

 

Unter der Überschrift „Die schwierige Suche nach der Ursache“ berichteten wir in Heft 18/2015 über die Ergebnisse des vom Deutschen Kupferinstitut initiierten Expertengesprächs zu den ungeklärten Korrosionsfällen im Versorgungsgebiet Holsterhausen. Als eine mögliche Schadensursache diskutierten die Experten im August dieses Jahres in Bonn die Qualität des bereitgestellten Trinkwassers. Da der Wasserversorger bei dem Gespräch nicht anwesend war und somit keine Gelegenheit hatte, auf Fragen einzugehen, hat die IKZ-Redaktion im Nachgang des Expertengesprächs dort nachgehakt – und vom Unternehmenssprecher Siegfried Gendries Antworten erhalten.

IKZ-HAUSTECHNIK: Betrachtet man die Schadensentwicklung in Holsterhausen in den Jahren zwischen 2002 und 2015, so zeigt sich ein signifikanter Rückgang bereits kurz nach der Phosphatierung. Zufall oder Konsequenz: Wie beurteilen Sie dies?
Siegfried Gendries: Dass seit Ende 2014 die Anzahl der Schadensfälle zurückgegangen ist, wie Sie in Ihrer Vorbemerkung feststellen und das Deutsche Kupferinstitut in seiner Presseinformation vom 25. August verkündet, ist zunächst einmal eine äußerst erfreuliche Nachricht. Allerdings mangelt es uns an einer verlässlichen Datengrundlage, um diese Entwicklung zu beurteilen. Wir können auch den angenommenen Kausalzusammenhang zwischen der Inbetriebnahme unserer Phosphatierungsanlage im Februar 2015 und diesem Rückgang so nicht nachvollziehen. Da nach bisherigen Erkenntnissen die Entstehung der Korrosion ein mehrjähriger Prozess ist, kann selbst bei unterstellter Validität der statistischen Daten ein Zeitraum von wenigen Monaten für eine stichhaltige Ableitung kaum nutzbar sein. Insoweit wird abzuwarten sein, ob sich diese Annahme in der Folgezeit durch Fakten bestätigen lässt. Wie würde man dann eigentlich die Tatsache bewerten, wenn wieder Schäden auftreten?
IKZ-HAUSTECHNIK: Welchem Zweck dient überhaupt die Phosphatierungsanlage?
Siegfried Gendries: Die Anlage dient ausschließlich dem Zweck, Rostwasserproblemen im Trinkwasser vorzubeugen. Diese Rostwasserbildungen stammen aus der natürlich und immer entstehenden Eisenkorrosion der Rohrinnenfläche bei ungeschützten Gussleitungen. Das eingesetzte Phosphatprodukt entspricht dem DVGW-Arbeitsblatt W215-1. Die Planungen hierfür wurden zeitlich weit vor dem Zeitpunkt der „Empfehlung des SHK-Fachverbandes“ geplant, da es bei betrieblich notwendigen Änderungen der Fließrichtung des Wassers aber auch bei unvorhersehbaren Ereignissen wie z. B. Rohrbrüchen immer wieder zu Braunfärbung des Trinkwassers gekommen ist. Durch die Phosphatierung werden die mobilen Inkrustationen in eine stabile Form überführt, sodass es in Zukunft nicht mehr zu entsprechenden Einfärbungen kommen soll.
IKZ-HAUSTECHNIK: Sie sprechen das Inbetriebnahmedatum am 2. Februar 2015 an. Laut Informationen der Redaktion soll die Anlage Mitte Dezember in Betrieb gegangen sein. Es wurden sogar Vermutungen laut, dass die Anlage bereits im Oktober in den Probebetrieb gegangen sein könnte.
Siegfried Gendries: Die Phosphatierungsanlage wurde in 2014 nur ohne Phosphat für jeweils einige Stunden in Betrieb genommen, um die Anlagenfunktion zu tes­ten. Phosphat wurde am 21. Januar 2015 erstmalig angeliefert und getestet. Die dauerhafte Dosierung in das Trinkwasser erfolgte erst ab dem 2. Februar 2015. Diese Klarstellung ist deshalb so wichtig, weil Kausalzusammenhang – so wünschenswert er vielleicht wäre – so leider nicht begründet werden kann.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wurde das Wasser im Versorgungsgebiet Holsterhausen in der Vergangenheit schon einmal aufbereitet und wenn ja, in welchen Jahren und mit welchen Zusätzen?
Siegfried Gendries: Die verfahrenstechnische Trinkwasseraufbereitung am Standort Holsterhausen erfolgt naturnah durch physikalische Entsäuerung und Mehrschichtfiltration (Enteisenung des Wassers). Diese Verfahren werden seit Jahrzehnten am Standort angewendet. Das Trinkwasser aus dem Wasserwerk Dorsten Holsterhausen weist seit Jahren eine stabile Qualität auf. Die entsprechenden Analysewerte, die von der RWW-Website jeweils abgerufen werden konnten, belegen dies. Phosphat oder andere Stoffe wurden in der Vergangenheit nicht zugesetzt.
IKZ-HAUSTECHNIK: Blicken wir an dieser Stelle auf die Ursachen der Korrosionsfälle: Inwieweit tragen Sie aktiv zur Aufklärung bei?
Siegfried Gendries: Wir erhalten regelmäßig ausgezeichnete Bewertungen der Kundenzufriedenheit. Gerade unsere Transparenz hat dabei einen hohen Stellenwert. Die Kunden erwarten von uns Engagement bei wasserwirtschaftlichen Fragen. Bei an uns herangetragenen Fragestellungen, die außerhalb unseres Kompetenz- und Zuständigkeitsbereiches liegen oder wir nicht selber klären können, suchen wir den Austausch mit externen Experten und Interessengruppen. So sind wir bisher auch bei der Frage der Kupferkorrosion in der Region Dorsten/Holsterhausen vorgegangen. Wir haben das IWW Zentrum Wasser einbezogen, um den Wissensstand zu der Problematik kontinuierlich weiter zu entwickeln. Nach unseren Erkenntnissen gibt es viele Einflussgrößen, die eine Entstehung von Korrosion begünstigen. Das Trinkwasser kann allein nicht der Grund sein. Im Frühjahr 2015 hatten wir im Rahmen unserer alljährlich stattfindenden Installateur-Schulungen unter anderem auch die Schadensprävention im Hinblick auf Kupferkorrosion auf der Agenda und zwei Fachreferenten Gelegenheit gegeben, die Handwerker über die Risiken beim Einbau und Betrieb von Kupferleitungen zu informieren: Dr. Angelika Becker vom IWW und Dr. Hans-Georg Scholzen von der Westfälischen Provinzial Versicherung AG als Fachvertreter der Versicherungswirtschaft. Deren Empfehlungen lauteten u. a. Stagnationen in der Inbetriebnahmephase in einer Hausinstallation zu vermeiden und die richtige Lagerung des einzubauenden Materials sicherzustellen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Gibt es darüber hinaus einen Erfahrungsaustausch mit anderen Versorgern?
Siegfried Gendries: Anfang diesen Jahres haben wir eine Befragung von Wasserversorgungsunternehmen u. a. mit dem Ziel bilateraler Erfahrungsaustausche durchgeführt. Auch wenn die Resonanz aufgrund der offenkundigen Brisanz des Themas unter unseren Erwartungen geblieben ist, haben sich doch eine ganze Reihe ähnlich Betroffener mit uns in Verbindung gesetzt und um einen Erfahrungsaustausch gebeten. Die ersten daraus resultierenden Gespräche sind bereits terminiert. Dabei hat sich auch ergeben, dass das Phänomen bundesweit verteilt auftritt. Etwa im Badischen, in der Rheinschiene, im Ruhrgebiet, im Weserbergland, im Sauerland. Dorsten-Holsterhausen sollte daher nicht als Einzelfall angesehen werden. Was diese Sichtweise eindrucksvoll belegt, ist die Statistik der Versicherungswirtschaft. Demnach gibt es 1,2 Mio. Leitungswasserschäden bundesweit. Kaum zu glauben, dass sich ausgerechnet die Kupferkorrosionsschäden auf das kleine Dorsten beschränken sollen.
RWW ist bestrebt, über den DVGW ein Forschungsprojekt zur Klärung der Thematik mit zu unterstützen. Das Forschungsprojekt „Untersuchungen zur Aufklärung von neuartigen Schäden durch Lochkorrosion an Trinkwasserinstallationen aus Kupfer“ befindet sich in der Beantragungsphase. Im Rahmen des Projektes soll der Stand des Wissens zum Thema Kupferlochkorrosion und eine Ableitung des Forschungsbedarfs als Bestandsaufnahme erfolgen. Wesentliche Schwerpunkte des angestrebten Forschungsprojektes sollen die Bestandsaufnahme bzw. das Screening zur Ermittlung schadensauffälliger Versorgungsgebiete sowie die Zuordnung der Korrosionsarten sein. Eine Gegenüberstellung der Wasserbeschaffenheit und Bewertung der lochkorrosionsbegünstigenden Korrosionseigenschaften der Wässer sollen einen weiteren Schwerpunkt darstellen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Auf dem Expertengespräch waren Sie nicht zugegen. Hatten Sie keine Einladung erhalten?
Siegfried Gendries: Wir waren weder eingeladen oder angesprochen worden und haben von der Veranstaltung erst später aus der Fachpresse erfahren. Dieser Sachverhalt ist nicht unbedeutend, da in der späteren Presseberichterstattung von einer Veranstaltung „unter Einbeziehung der Wasserwirtschaft“ die Rede war. Gegebenenfalls hätten wir mit unseren Erkenntnissen einen Beitrag leisten können. Dass wir erst im Nachhinein davon erfahren haben, hält uns allerdings nicht davon ab, auch weiterhin konstruktiv im Rahmen unserer Möglichkeiten zur Ursachenforschung beizutragen. Dabei ist uns allerdings an einem zielorientierten, konstruktiven Austausch gelegen.
Das vorstehend benannte Forschungsprojekt des DVGW wäre nach unserer Auffassung eine geradezu ideale Plattform, dem Wunsch aller Beteiligten nach Aufklärung der Ursache nachzukommen. Es würde sich zudem dadurch auszeichnen, dass dem DVGW nicht nur das entsprechende Fachwissen, sondern auch die für die Akzeptanz der Ergebnisse erforderliche Neutralität unterstellt werden. Insoweit rufen wir dazu auf, die notwendigen Mittel bereitzustellen, um dieses Projekt beginnen zu können. Auch aber sollte es im Interesse aller Beteiligten sein, die Schadensanalyse durch das IWW, Frau Dr. Becker, mittels Bereitstellung von Asservaten einschließlich der erforderlichen Zusatzinformationen zu unterstützen.

Bilder: RWW

www.rww.de

 


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