Perfekte Raumluft und Gebäudesicherheit
Die Gebäudeautomation im Humboldt Forum (Berlin) ist auf die unterschiedlichsten Anforderungen innerhalb des Universalmuseums zugeschnitten
Als kulturelles Stadtquartier und modernes Universalmuseum lädt das Humboldt Forum im Berliner Schloss Kunst- und Wissenschaftsinteressierte seit rund einem Jahr zum Dialog auf die Spreeinsel ein. Nach acht Jahren Bauzeit erhebt sich das architektonisch herausstechende Gebäude mit seiner kontrastreichen Verbindung aus rekonstruierten barocken und hochmodernen Bauelementen in Berlin Mitte. Für die enorme Nutzfläche von über 40.000 m2 und die Ausstellungsstücke mit einer großen Varianz an Raumluftanforderungen bedarf es eines gut durchdachten Konzeptes für Heizung, Kälte und Lüftung sowie einer passenden Gebäudeautomation. Kieback & Peter hat die Ausführung der MSR-Technik sowie die Entrauchungssteuerung im Brandfall übernommen.
Zentrum für Kultur, Kunst und Wissenschaft
Mit dem im Sommer 2021 eröffneten Gebäude in Berlin Mitte ist ein Ort der Inspiration, des Austauschs und der Aktion entstanden. Das war der Grundgedanke des Trägers des Humboldt Forums, der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss. Das Universalmuseum beheimatet neben einer Ausstellung zur Geschichte des Ortes auch die Ausstellung Berlin Global sowie das Ethnologische Museum und ein Museum für Asiatische Kunst. Besucher können außerdem das Humboldt Labor, ein Projekt der Humboldt-Universität zu Berlin besuchen und zahlreiche aktuelle Kunstwerke, die sich mit den dargestellten Objekten auseinandersetzen, besichtigen.
Herausforderung Raumautomation in den Ausstellungsbereichen
„Was die HLK-Technik betrifft, ist das Projekt Humboldt Forum nicht nur durch seine alleinige Größe mit einer Bruttogeschossfläche von mehr als 96 000 m2 sowie rund 100 000 m3 eingebrachtem Beton und 20 000 t verbautem Stahl ein sehr anspruchsvolles Projekt“, betont Michael Th oma, Leiter Technisches Gebäudemanagement im Humboldt Forum, und sagt weiter: „Auch durch die Unterschiedlichkeit der Objekte und deren diverse Anforderungen an Raumtemperatur und Raumfeuchte ist das Universalmuseum eine echte Herausforderung.“
Um zwei Beispiele zu nennen: Unter den ausgestellten Highlights befinden sich neben den Wandgemälden aus der Kizil-Höhle (Xinjiang China), die dem 6. bis 7. Jahrhundert entstammen, auch ein mexikanisches Baumwolltuch („Lienzo Seler II“), das im 16. Jahrhundert entstanden ist. Beide haben jeweils andere Anforderungen an Raumtemperatur und Raumfeuchte, also unterschiedliche konservatorische Werte.
Während in den Konferenz-, Sozial- und Nebenräumen Teilklimaanlagen für frische und wohl temperierte Luft sorgen und über die Raumautomation zeitlich gesteuert werden können, hat jeder Ausstellungsbereich des Humboldt Forums aufgrund seiner zahlreichen wertvollen Objekte eine eigene Vollklimaanlage (RLT-Anlage). Zusammengerechnet kommt man in dem Jahrhundertbau auf insgesamt 41 Vollklimaanlagen. Die vorgegebenen konservatorischen Werte der Ausstellungsstücke dürfen nur geringfügigen Schwankungen unterliegen.
Temperatur- und Feuchtefühler messen die Ist-Werte in den Räumen und übertragen diese an die Automationsstationen „DDC4000“. Entsprechend der Regelabweichung steuert die DDC dann die Raumwerte. Je nach Anforderung und aktuellem Wert erwärmen, kühlen oder entfeuchten die Register die Zuluft. Für die Befeuchtung sind externe Befeuchter zuständig. Weitere Fühler messen außerdem den CO2-Gehalt der Abluft, um den Außenluftanteil der RLT-Anlage zu bestimmen.
Bedien- und anwenderfreundliches Gebäudemanagementsystem
Zur Steuerung und Überwachung der Raumautomation sowie des gesamten HLK-Systems haben die Experten von Kieback & Peter im Keller die Software „GLT-SW5000N“ auf zwei Servern aufgespielt und attestieren dem Hochleistungs-BMS (Building Management System: Gebäudemanagementsystem) durch seine Echtzeit-, Multiuser- und Multitaskfähigkeit eine sehr hohe Anwenderfreundlichkeit. „Die vollgrafische Bedienoberfläche zeichnet sich durch eine hohe Anlagentransparenz bei der Bedienung, Änderung und Beobachtung von Zuständen, Werten und Ereignissen aus“, sagt Sebastian Zerwer, Projektverantwortlicher bei Kieback & Peter, und ergänzt: „Das Facility-Management-Team des Humboldt Forums kann mithilfe mobiler Endgeräte überall im Gebäude auf das Netzwerk zugreifen und durch die bereit gestellten Daten Prozesse optimieren, energie- und kostensparende Maßnahmen ableiten oder nach bei Stör- und Alarmmeldungen Fehler beheben.“
Die zahlreichen Informationen, die das BMS sammelt, visualisiert und steuerbar macht, stammen von den DDCs (Direct Digital Control), die an insgesamt 46 Automationsschwerpunkten (ASP) installiert sind. Sie erfassen die Daten aller Feldgeräte, z.B. Lüftungsklappen oder Temperaturfühler. Die „DDC4000“ von Kieback & Peter kommuniziert über das Bussystem BACnet und bietet dem Universalmuseum und seinen Mitarbeitern speziell auf ihre Bedürfnisse angepasste Regel-, Optimierungs-, Steuerungs- und Überwachungsfunktionen. Die Zuständigen beim Facility Management können die Automationsstationen auch über einen Farbtouchscreen manuell vor Ort bedienen.
Kalt, kälter, eiskalt
So vielseitig die Ausstellungen und spannungsgeladen die Architektur des Humboldt Forums sind, so facettenreich ist sein HLK-System. Allein die Kälteproduktion passiert in vier Kältemaschinen – diversifiziert nach Hoch- und Niedertemperaturkälte – sowie zwei Wärmepumpen. Auf dem Dach des Universalmuseums stehen sieben Rückkühler, die die überschüssige Wärme aus dem Gebäude an die Umgebungsluft abführen. Sie sind auch für die Betriebsart „Freie Kühlung“ zuständig, die bei kaltem Wetter die Außenluft zur Kühlung verwendet. Fallen die Außentemperaturen unter 0 °C, kann die Freie Kühlung auch für den Niedertemperaturbereich genutzt werden. Neben der Kühlungsfunktion der Fußbodenheizungen findet außerdem die Kälte aus der Geothermie ihre Verwendung.
Die Niedertemperaturkälte für die Klimaanlagen erzeugen in erster Linie zwei Wärmepumpen. Bei Bedarf können zusätzlich zwei Kältemaschinen in Betrieb genommen werden. Eine Besonderheit stellt der Eisspeicher dar: In Sommernächten gefrieren die Kältemaschinen mit –5 °C Wasser zu Eis, das dann zur Zeit des täglichen Hitzepeaks zur Kühlung aufgetaut werden kann. Auf diese Weise entlastet der Eisspeicher die Spitzlastabdeckung beim Stromverbrauch.
Warm, wärmer, heiß
Das Humboldt Forum deckt einen Großteil seines Heiz- und Trinkwarmwasserbedarfs über Fernwärme – das gilt vor allem für die Heizkreise, die eine höhere Vorlauftemperatur als 45 °C benötigen. Für die Temperatur- und Feuchteregelung der Vollklimaanlagen in den Ausstellungsbereichen sind Heizregister zuständig, die insbesondere im Sommer nach dem Entfeuchtungsprozess zur Erwärmung zum Einsatz kommen. Die bereits erwähnte Fußbodenheizung dient zur Erwärmung des Atriums über Wärmepumpen.
Entrauchungsanlage mit hohen Sicherheitsanforderungen
Ein öffentliches Gebäude dieser Größe benötigt auch ein sicheres Brandschutzkonzept. Kieback & Peter übernahm auch die Projektierung des Entrauchungssystems. Vorgegeben waren Entrauchungsklappen mit SIL2-zertifizierten ASi-Controllern. Die SIL-Kennzeichnung bestimmt das Sicherheits-Integritätslevel. Da die ASi-Regler über das Modbus-Protokoll kommunizieren, haben die Gebäudeautomationsspezialisten ein Programm im Gateway geschrieben, um deren Kommunikation mit den DDCs und dem BMS zu ermöglichen. Aus Sicherheitsgründen sind die Entrauchungskanäle mit den Entrauchungsklappen autark von dem restlichen Lüftungssystem verbaut. Damit sich im Brandfall Feuer und Rauch nicht unkontrolliert im Gebäude ausbreiten, wurden dort außerdem etwa 2300 Brandschutzklappen installiert.
Entdeckt die Brandmeldezentrale (BMZ) einen Brand im Gebäude, schickt sie die Informationen über die ASi-Controller an die Entrauchungsklappen und die Entrauchungslüfter. Erstere gehen auf, zweitere werden aktiviert. Außerdem veranlassen die DDCs das Schließen der Brandschutzklappen und das Abschalten der Klima- und Lüftungsgeräte.
Fazit
Das Hochleistungs-BMS schafft die Voraussetzung für einen individuell angepassten, energieeffizienten, wirtschaftlichen und sicheren Betrieb der technischen Gebäudeausrüstung. Ebenso verspricht die installierte Gebäudeautomation auch im Brandfall die Sicherheit von Besuchern und Objekten. Um der enormen Komplexität des Projektes gerecht zu werden, wurden zwischen Dezember 2016 und Mai 2021 etwa 70 DDCs und 285 Schaltschrankfelder an insgesamt 46 ASPs verbaut. Hinzu kamen jeweils 15.000 physikalische und kommunikative Datenpunkte sowie 9 Etagenverteiler und etwa 1900 lokale Vorrangbedienebenen.
Über Kieback & Peter GmbH & Co. KG
Die Kieback & Peter GmbH & Co. KG wurde 1927 in Berlin gegründet. Das Familienunternehmen zählt sich mit weltweit rund 1400 Beschäftigten und 50 Standorten zu den führenden Anbietern für Gebäudeautomation. Mithilfe von Soft- und Hardware vernetzen die Experten gebäudetechnische Anlagen wie Heizung, Lüftung, Klima und Brandschutz zu einem Gesamtsystem. Fachleute betreuen die Liegenschaften von gewerblichen und öffentlichen Kunden über den gesamten Lebenszyklus – vor Ort, über Fernzugriff und zentrale Service-Einrichtungen.