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Berechnen ist gut, brandprüfen ist besser

Schienen und Rohrschellen in Flucht- und Rettungswegen – Unterschiede des brandschutztechnischen Nachweises

Bild 1a: Eine für die Brandprüfung vorbereitete MPR-Systemschiene der Firma Müpro in einer Brennkammer.

Bild 1b: Nach der Brandprüfung ist die MPR-Systemschiene stark verformt.

Bild 2: Verformung von Systemschienen.

Bild 3: Die tatsächlich gemessene Deformation (schwarze Linie) einer Müpro-MPR-Systemschiene mit 1-Punkt-Belastung übersteigt die nach Eurocode 3 errechnete Verformung (rote Linie) deutlich.

 


Befestigungstechnik wie Systemschienen, Dübel oder Rohrschellen fallen nicht unter die DIN 4102, weil diese sie nicht als tragende Bauteile anerkennt. Somit sind auch ihr Brennbarkeitsgrad und ihre Feuerwiderstandsfähigkeit nicht definiert. Hersteller von Befestigungstechnik müssen Nachweise auf eine andere Art erbringen. Hierfür bieten sich nach aktueller Lage zwei Möglichkeiten an: eine statische Berechnung oder eine praktische Brandprüfung. Letztere gilt als deutlich sicherer – wie aktuelle Prüfergebnisse zeigen.

Man liest und hört es immer wieder: Feuerwehr rettete Bewohner vom Dach eines brennenden Hauses. Das Treppenhaus war aufgrund eingestürzter Decken nicht mehr passierbar gewesen. Auch der verheerende Brand im Düsseldorfer Flughafen, der sich im Frühsommer zum einundzwanzigsten Mal jährte und bei dem siebzehn Menschen ums Leben kamen, war die Folge von groben Bau- und Sicherheitsmängeln gewesen. In den Zwischendecken hatte man leicht brennbare Styroporplatten eingebaut, auf den Einsatz von brandsicheren Baustoffen ganz verzichtet. Sprinkleranlagen hatte es ebenfalls keine gegeben. Es mag solche Auflagen beim Bau des Flughafens in den 1960er- Jahren vielleicht noch nicht gegeben haben, doch man hätte zumindest in den darauf folgenden Jahren bei den erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen die Schwachpunkte im Gebäude identifizieren und beheben, sprich, brandsichere Bauteile einsetzen müssen – konform mit den jeweils aktuellen gesetzlichen Bestimmungen. Denn: Brandabschottungen müssen regelmäßig auf ihre Haltbarkeit und Gültigkeit überprüft werden, sei es bei der Neuerstellung einer Brandabschottung, bei der Nachbelegung eines bestehenden Schotts oder, wie in Düsseldorf, im laufenden Betrieb, also im Lebenszyklus eines Gebäudes.
Bei brandschutztechnischen Bestandsaufnahmen stehen zwei Aspekte im Vordergrund: die brandschutztechnische Einschätzung der Befestigungstechnik hinsichtlich ihrer Feuerwiderstandsklasse sowie die der haustechnischen Installationen hinsichtlich getroffener oder auch nicht getroffener brandschutztechnischer Vorkehrungen. Die Feuerwiderstandsklassen im Blick, sollten Planer und Installateure z. B. überprüfen, welche Materialien eingesetzt wurden, wie es um die tatsächliche Auslastung der Tragkonstruktionen oder auch der Stahlqualität bestellt ist. Beim Check der haustechnischen Installationen geht es für sie darum, wie die Rohr- und elektrischen Leitungen verlegt sind (offen, verdeckt, (un-)fachgemäß), ob Abschottungen von Leitungsdurchführungen durch brandschutztechnische Bereiche führen oder ob die Leitungsanlagen-Richtlinie – LAR (Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Leitungsanlagen) eingehalten wurde. Selbstverständlich gelten derartige brandschutztechnischen Maßnahmen auch für Neubauten.

Vorgaben für Flucht- und Rettungswege
Die Installation von brandschutzgesicherten Leitungsanlagen in Flucht- und Rettungswegen verlangt eine gesonderte Betrachtung. Denn Befestigungstechnik wie Systemschienen, Rohrschellen und Dübel gelten nicht als tragende Bauteile im Sinne der DIN 4102, die den Brennbarkeitsgrad von Baustoffen und den Feuerwiderstand von Bauteilen definiert und sie unterschiedlichen Baustoffklassen zuteilt. Derartige Befestigungstechnik, also von der DIN Norm nicht geregelte Bauprodukte, darf gemäß der Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR) in Flucht- und Rettungswegen nur dann eingesetzt werden, wenn die Tragekonstruktion im Falle eines Brandes eine sichere Nutzung der Fluchtwege über einen bestimmten Zeitraum hinweg gewährleisten kann: Gemäß § 40 Abs. 1 Musterbauornung dürfen Leitungen durch raumabschließende Bauteile, für die eine Feuerwiderstandsfähigkeit vorgeschrieben ist, nur hindurchgeführt werden, wenn eine Brandausbreitung ausreichend lang nicht zu befürchten ist oder Vorkehrungen hiergegen getroffen sind.
Auch beim Einziehen einer brandschutztechnisch wirksamen Unterdecke muss sichergestellt sein, dass darüber verbaute Befestigungen brandsicher sind, sodass die Unterdecke nicht durch herabfallende oder sich absenkende Leitungen und Bauteile beschädigt wird. Die Auswirkungen hoher Temperaturen auf die Belastbarkeit von Stahl sollte nicht unterschätzt werden: Die Festigkeit des Materials lässt nach und kann zu massiven Verformungen führen (Bild 1a und 1b).
Bei nicht geregelten Baustoffen erfolgt der Nachweis von Baustoffklasse und Feuerwiderstand über den sogenannten Verwendbarkeitsnachweis, von dem es drei Arten gibt:

  1. Allgemein bauaufsichtliches Prüfzeugnis (abP).
  2. Allgemein bauaufsichtliche Zulassung (abZ).
  3. Zustimmung im Einzelfall (ZiE).


Die Muster-Bauverordnung (MBO) unterscheidet zwischen abZ und abP. Letzteres gilt für nicht geregelte Bauprodukte, für die es allgemein anerkannte Prüfverfahren gibt. Diese führen Materialprüfanstalten durch. Sie stellen auch das abP aus. Dagegen stellt das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) das abZ aus, das für alle nicht geregelte Bauprodukte gilt. Rohrdurchführungen haben meistens ein Prüfzeugnis. Sind mehrere Produkte in einem Kombischott verbaut, dann wird eine ZiE notwendig, die immer die zuständige oberste Baubehörde erteilt.
Es ist durchaus möglich, dass für einzelne Brandschutzprodukte sowohl nationale als auch internationale Verwendbarkeitsnachweise vorliegen. Eine Europäisch-Technische-Bewertung (ETB) enthält nur die Mindestanforderungen für alle EU-Staaten. Von ihr unabhängig müssen Bauprodukte zusätzlich auch landesspezifische Anforderungen und Bestimmungen erfüllen.

Statische Berechnung oder praktische Brandprüfung?
SHK-Installateure sowie TGA-Fachplaner, die Rohrleitungsinstallationen in Flucht- und Rettungswegen einsetzen müssen, sollten aus den oben genannten Gründen die Angaben der Hersteller zum Brandverhalten der Befestigungstechnik genauestens studieren. Damit in einem Brandfall selbsttragende Unterdecken in Flucht- und Rettungswegen nicht durch herabfallende Bauteile und sich absenkende Leitungen beschädigt werden, sind erhöhte Anforderungen für die Befestigung von Leitungsanlagen gemäß LAR 3.5.3. zu erfüllen (Bild 2).

Eklatante Unterschiede bei Befestigungen
Die absolute Tragfähigkeit einer Haltekonstruktion unter Brandlast lässt sich für die klassifizierte Anforderung, also F30 oder F90, relativ einfach berechnen. Schwieriger ist es dagegen, die zu erwartende Verformung der Installation einzuschätzen. Bei selbsttragenden Unterdecken (Zwischendecken bis 3 m Spannlänge) muss die Befestigung deshalb nach Brandprüfberichten ausgelegt und auch darüber ein Nachweis erbracht werden. Wird aber der im Brandprüfbericht vom Rohrhersteller geforderte Abstand eingehalten, sollten die über der Unterdecke befestigten Leitungen diese im Falle eines Brandes weder belasten noch zerstören.
Wie jüngste Untersuchungen zeigen, gibt es vor allem bei Systemschienen zur Rohrleitungsbefestigung eklatante Unterschiede hinsichtlich ihrer Belastbarkeit. Aus diesem Grund muss ihr Brandverhalten nachgewiesen sein. Eine Klassifizierung nach DIN 4102 ist, wie bereits erwähnt, nicht möglich, da Schienen nicht als tragende Bauteile im Sinne der Norm gelten. Hersteller sind deswegen in der Pflicht, entsprechende Nachweise über die Feuerwiderstandsfähigkeit auf andere Art zu erbringen. Nur dann dürfen die Schienen und Rohrschellen in Flucht- und Rettungswegen eingesetzt werden.

Zwei Nachweismethoden
Für diesen Nachweis bieten sich zwei Möglichkeiten an: eine praktische Brandprüfung oder eine statische Berechnung. Ers­tere führen die Materialprüfungsämter der Länder durch. Gemäß der DIN EN 1363-1 wird dafür ein Brandfall in einer Brennkammer simuliert. Dazu setzen die Fachleute die zu prüfenden Produkte nicht nur einer unterschiedlichen Belas­tung, sondern auch einer kontrollierten Hitzeeinwirkung aus. Das jeweilige Brandverhalten der Schienen wird dokumentiert. Die Prüfergebnisse lassen belastbare Aussagen über die Feuerwiderstandsfähigkeit und Verformungen zu. Die Hersteller verwenden sie als Datenbasis, um Vorgaben zur fachgerechten und brandsicheren Installation machen zu können.
Die zweite Möglichkeit sind statische Berechnungen, deren Basis die DIN EN 1993-1-2 (Eurocode 3) ist. Diese gilt für die Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten und trifft u. a. Aussagen über die Werkstoffeigenschaften von Baustählen unter Brandeinwirkung. Vor allem der Vermerk, dass die in der Norm angegebenen Verfahren auch für kaltgeformte, dünnwandige Bauteile gelten, legt eine Anwendung der Norm bei der Beurteilung des Brandverhaltens von Systemschienen zur Rohrleitungsbefestigung nahe. Derartige rechnerische Aussagen auf Basis der DIN-Norm werden als Nachweis anerkannt.

Gemessene versus berechnete Deformation
Die RAL Gütegemeinschaft Rohrbefes­tigung, eine unabhängige Organisation mit Sitz in Landsberg am Lech, gewährleistet eine hohe Qualität der von ihr überwachten Produkte und Dienstleistungen. Sie hat vor noch nicht allzu langer Zeit die statische Berechnung von Brandverhalten experimentell geprüft. Ihr Ergebnis gibt Anlass zur Sorge: Die so ermittelten Verformungswerte übersteigen die nach DIN EN 1993-1-2 errechneten Werte deutlich. Seitdem empfiehlt die RAL Gütegemeinschaft allen Herstellern, das statische Berechnen eines Brandverhaltens von Systemschienen auszusetzen und stattdessen praktische Brandprüfungen durchzuführen (Bild 3).
Auch Wissenschaftler an der Materialprüfanstalt für das Bauwesen (MPA) Braunschweig kamen zu dem Schluss, dass rechnerische Nachweise auf der Grundlage der Zugspannungsbeschränkungen gemäß DIN 4102 Teil 4 keinerlei realistische Aussagen erlauben. Für die Praxis bedeutet dies: Rein rechnerisch beurteilte Systemschienen für die Rohrleitungsinstallation weisen in einem Brandfall keinen ausreichenden Feuerwiderstand auf. Verformungen könnten daher die Funktionalität einer darunter liegenden Brandschutzdecke durchaus beeinträchtigen.

Autor: Thomas Lehmann, Leiter Technische Verkaufsunterstützung bei der Müpro GmbH

Bilder: Müpro GmbH


 

Neuerungen der MLAR (Auszug)
Die MLAR wurde erstmals 2005 von der Arbeitsgemeinschaft der Bauminister der Länder veröffentlicht. 2016 wurde sie ergänzt und korrigiert. Sie definiert die spezifischen baurechtlichen Anforderungen bei der Abschottung von Leitungsanlagen. Sie gilt nicht für Lüftungs- und Warmluftheizungsanlagen.

  • Erleichterungen für die Leitungsdurchführung durch feuerhemmende Wände (Kap. 4.2): Die Möglichkeit zur Durchführung von „elektrischen Leitungen“ wurde auf „einzelne elektrische Leitungen sowie einzelne dichtgepackte Kabelbündel bis 50 mm Durchmesser“ spezifiziert.
  • Einzelne Rohrleitungen mit oder ohne Dämmung in Wandschlitzen oder mit Ummantelung (Kap. 4.3.4): Hier wurde für die Deckenführung der maximale Leitungsdurchmesser von 160 auf 110 mm verringert. Die Anforderungen an die Rohrabdeckung wurden verschärft.
  • Dauer des Funktionserhalts (Kap. 5.3): Die vorgeschriebene Dauer des Funktionserhalts der Leitungsanlagen von mindestens 90 Min. erstreckt sich nun auch auf automatische Feuerlöschanlagen.

 


 

Anforderungen für verwendete Montage- und angrenzende Bauteile

  • Konsolen müssen an den freien Enden zusätzlich abgehängt werden.
  • Metalldübel müssen über eine europäisch-technische oder eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung und Brandprüfung verfügen.
  • Durch das Setzen von Festpunkten und/oder Einplanen von Dehnungsmöglichkeiten lässt sich das Schadensrisiko minimieren.
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