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„Eine anspruchsvolle Kundengruppe“ [Seite 1 von 2]

Mit dem künftigen Nutzer eines barrierefreien Bades über seine Beeinträchtigungen sprechen

Blick ins Büro: 2003 erfolgte der Schritt in die Selbstständigkeit. Der Planer arbeitet mit einem CAD-Programm.

Begehbare Dusche, die von beiden Seiten zugänglich oder befahrbar ist, mit flächigem Rainshower-Deckenelement. Die Bewegungsfläche bietet auch Platz für eine weitere Person, z. B. eine Pflegekraft, die bei der Reinigung unterstützt, oder Eltern, die ihr Kind duschen.

Zu Gast im Rollstuhl: Seminarteilnehmer testen die Fortbewegung auf vier Rollen. Sie erleben, wie sich die Distanzen im Raum anfühlen und welche Greifhöhe ihnen angenehm ist.

In diesem Rollstuhl bieten die Lehnen Unterstützung für Arme und Rücken. Die Toilette wird eigenständig angefahren, der Rollstuhl kann auch unter der Dusche verwendet werden. Solch ein Stuhl ist bei der Planung Thema, denn die Bewegungsflächen im Bad müssen darauf abgestimmt werden.

 

Den Kunden und sein Umfeld einbinden und die persönlichen Fragen nicht scheuen – dazu ermuntert Hans-Peter Matt, Geselle im SHK-Handwerk und Rollstuhlfahrer, bei der Planung eines barrierefreien Bades. Matt ist im Schwarzwald ansässig und seit Jahren selbstständiger Barrierefrei-Berater. Christine Lewin, Redakteurin der IKZ, sprach mit ihm über eigene Erfahrungen, die Kommunikation mit dem Kunden und das wandelbare Bad der Zukunft.

IKZ: Herr Matt, Sie haben 19-jährig 1987 die Gesellenprüfung zum Gas-Wasser-Installateur abgelegt, wurden aber kurz danach durch einen Autounfall querschnittsgelähmt. Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes barrierefreies Bad? Wer organisierte den Umbau?

Hans-Peter Matt: Meine Eltern hätten gerne das Elternhaus umgebaut, aber für mich stellte sich schon in der frühen Reha die Frage, ob ich nicht besser ausziehe und mein Leben selbst in die Hand nehme! Nun bot sich über einen damaligen Schulfreund die Möglichkeit, in eine barrierefreie Wohnung zu ziehen. Das Bad war beige gefliest mit bodenebener Dusche und unterfahrbarem Waschtisch, es war nicht besonders wohnlich. Diese Erfahrungen aus meiner ersten Zeit im Rollstuhl sind u. a. übrigens der Grund, weshalb ich vielen Verunfallten bis heute empfehle, ihr Bad nicht ohne eigenes Zutun oder in Abwesenheit durch Angehörige umbauen zu lassen, sondern selbst mitzuentscheiden und sich tendenziell lieber eine Zeitlang provisorisch zu behelfen.

IKZ: Wie ging es für Sie weiter?

Hans-Peter Matt: Nach 3 Jahren bin ich für meine kaufmännische Ausbildung wieder ausgezogen. Mehrfach bin ich durch Europa gereist, das waren sehr wichtige Erfahrungen. Später habe ich mein neues Eigenheim mit einem Fertighausanbieter geplant und realisiert.

IKZ: Worauf haben Sie bei ihrem eigenen Bad geachtet?

Hans-Peter Matt: In meinen eigenen Räumlichkeiten will ich bestmöglich zurechtkommen. Damals war klar: Es darf nicht nach Rollstuhl aussehen, im ganzen Haus. Das war Scham, ich hätte auch auf etwas Praktisches verzichtet, wenn es vom Design nicht passte. Zwischenzeitlich sehe ich manches entspannter. Z. B. brauche ich persönlich keine Stützklappgriffe, das kommt durch meine hohe Querschnittlähmung nicht in Frage. Am Anfang kamen sie mir auch nicht ins Haus. Stützklappgriffe und der Kippklappspiegel waren für mich das Synonym für das Schlechte: Behinderung, unästhetisch! Aber seit ich vor einigen Jahren mein eigenes Bad sanieren ließ, ist es für den Einsatz von Stützgriffen vorbereitet, man sieht jetzt die Adapterplatten – weil, wenn Freunde im Rollstuhl zu Besuch kommen, kann es sein, dass diese das Hilfsmittel benötigen. Man unterschätzt das oft, dass es in einem Haus ja auch Besuchende gibt.

IKZ: Sie beraten allgemein zur Barrierefreiheit, natürlich auch im Bad. Wie sehen Sie das Thema Badgestaltung in den nächsten Jahren?

Hans-Peter Matt: Wir müssen neue Fragen stellen. Dabei geht es um Raumkonzepte und das Zusammenleben, aber auch um menschliche „Defizite“ und den technischen Fortschritt. In den 1960er, 1970er Jahren hat man sich den Platz angeschaut, die Sanitärobjekte angebracht, und die Wohnung hatte ein Bad, fertig. Heute können Sie viel mehr als früher für die Unterschiede planen. Die einen sind klein, die anderen gebrechlich, die dritten sind über Haltegriffe froh, die vierten kämen allein gar nicht mehr zurecht. Alle sind Badnutzer und wünschen sich einen Wohlfühlraum. Ein erster Grundsatz ist: Der Badplaner sollte so gestalten, dass möglichst keine Barrieren entstehen, bzw. dass sie sich bei Bedarf schnell beseitigen lassen. Die Herausforderung ist: Er plant für Situationen, die noch gar nicht eingetreten sind, z. B. wenn das Familienbad hinter der Wand für mögliche Bedarfe vorbereitet wird. Oder: Er plant für Badnutzer mit ganz unterschiedlichem Bedarf. Im Haushalt mit einem behinderten Mitglied dürfen sich die anderen nicht übergangen vorkommen.

IKZ: Jeder Badumbau beginnt mit der Beratung und dem ersten Planungsgespräch. Das Bad ist immer ein Ort der Intimsphäre, und ein Nutzer mit Einschränkungen muss nach seinem Bedarf gefragt werden, um die beste Lösung zu ermitteln. Worauf sollten sich Badplaner einstellen?

Hans-Peter Matt: Sie geraten in ihren eigenen Schambereich und möchten eher nicht zu intime Fragen stellen. Man hat Angst, Gefühle zu verletzen oder jemandem zu nahe zu treten. Aber so kann ein Beratungsgespräch in eine völlig falsche Richtung gehen. Es wird beim Bad ganz bestimmt um persönliche Themen gehen, etwa ob weitere Personen unterstützend im Raum sein werden, und oft auch um intime Themen.

Es geht darum, den Alltag der Menschen, die später das Bad nutzen, zu beleuchten, zu respektieren, zu verstehen und dann in eine Planung umzusetzen. Ich glaube, das ist etwas, was viele Handwerksbetriebe noch nicht gut können – den Menschen in den Vordergrund zu stellen. Sie haben es mit einer anspruchsvollen Kundengruppe zu tun – selbstbewusste Frauen und Männer, die mit ihren körperlichen Einschränkungen, selbständig zu Hause leben und wohnen möchten.

IKZ: Was bringt dieser Badplaner aus Ihrer Sicht noch mit?

Hans-Peter Matt: Der Handwerker sollte sich mit dem Thema Barrierefreiheit vertraut gemacht haben, insbesondere mit der DIN 18040-2. Er sollte eine Vorstellung von den Einschränkungen haben, Sehen, Hören, kognitiv, motorisch, und die Vorgaben kennen, z. B. für Bewegungsflächen, die Greifhöhen, die Anforderungen an Armaturen, oder auch an Kontraste. Umgebungsflächen, Sanitärobjekte, die Ausstattung bis hin zum Zahnputzbecher, sollten sich optisch abheben. Die Planung für eine Rollstuhlnutzung ist ja nur ein Teilbereich mit bestimmten Anforderungen, z. B. an die Flächen.

 

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