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Nur ein Orientierungswert?!

Die Jahresarbeitszahl von Wärmepumpen und ihre Tücken

Systemgrenzen der FAWA-Studie aus der Schweiz.

Jahresarbeitszahlenvergleich der unterschiedlichen Systeme.

Wärmetarife machen beim Strom derzeit etwa 18 ct/kWh aus. Bild: birgitH / pixelio.de

Bernhard Wenzel, Vorstandsmitglied der Klima-Innovativ e.V.

 

Energieeffizienz ist ein wichtiges Thema, Energie zu verschwenden schadet der Umwelt und kostet obendrein Geld. Gerade wenn es um den Einsatz von Strom als Energieträger geht, wird das Thema heiß diskutiert, vor allem beim Einsatz von Wärmepumpen. Die Jahresarbeitszahl (JAZ) gibt hierbei einen Orientierungswert. Doch liegen zwischen Theorie und Praxis manchmal Welten.

Die Effizienz einer Wärmepumpen-Anlage im realen Betrieb wird über die Jahresarbeitszahl (JAZ) ausgedrückt. Das häufig in Werbebroschüren der Hersteller zu findende Verhältnis von 75% Umweltenergie und 25% Strom ergibt eine JAZ von 4.
Jahresarbeitszahlen als Garantie einzufordern oder Prognosen als Messlatte zu nehmen birgt eine gewisse Problematik in sich. Theorie und Praxis klaffen hier meist weit auseinander. Das liegt daran, dass die JAZ nicht präzise formuliert ist und viel Freiraum lässt. Es gibt verschiedene Ansätze, welche Komponenten in die JAZ einfließen sollen, dargestellt in den Systemgrenzen. Die vielbeachtete FAWA-Studie aus der Schweiz führt z.B. drei Systemgrenzen aus:

  • JAZ 1: Wärmepumpe mit Steuerung, Verdichterheizung, Wärmequellenerschließung mit Förder-, Zirkulations- und Entladepumpen.
  • JAZ 2: Wie JAZ 1, zusätzlich Speicherverluste der Heizung.
  • JAZ 3: Wie JAZ 2, zusätzlich E-Heizstab und Umwälzpumpen der Heizungsanlage.


Die in der Studie verwendete Systemgrenze ist die JAZ 2. Besser wäre die Verwendung von JAZ 3 gewesen. Doch die Berücksichtigung der Heizungsumwälzpumpen schafft ein Problem. Der Grund ist die Vergleichbarkeit mit der DIN V 4701-10 (Ener­getische Bewertung heiz- und raumlufttechnischer Anlagen), denn bei fossilen Heizungen werden die Pumpen nicht mitgerechnet. Eine dem tatsächlichen Verbrauch kaum entsprechende, aber immerhin vergleichbare Lösung, wäre eine Systemgrenze, in der ein E-Heizstab, aber keine Umwälzpumpen enthalten sind (JAZ 4). Hier wird schon deutlich, dass JAZ nicht gleich JAZ ist.
Richtig problematisch wird die Sache allerdings, wenn Anspruch auf Realität trifft. Gibt es doch drei Faktoren, die Beachtung finden sollten:

  • Normen zur Berechnung von Jahresarbeitszahlen,
  • Feldstudien und deren Resultate,
  • Einflüsse, um eine hohe JAZ zu erreichen.


Berechnung mit Spielraum
Es gibt verschiedene Normen zur Berechnung von Jahresarbeitszahlen, etwa die VDI 4650 (Berechnungen von Wärmepumpen), deren Werte vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gefordert werden. Unter Berücksichtigung der Spielräume einer Norm lassen sich ganz konform weit bessere Resultate errechnen, als später in der Praxis erreicht werden. Dabei liegt das Problem schon in der Definition, denn eine Prognose der vielleicht zu erwartenden JAZ ergibt lediglich eine Kennzahl. Als Grundlage werden zwar die COP-Werte der zurückgezogenen DIN EN 255-3 (Luftkonditionierer, Flüssigkeitskühlsätze und Wärmepumpen mit elektrisch angetriebenen Verdichtern – Heizen) und DIN EN 14511 (Luftkonditionierer, Flüssigkeitskühlsätze und Wärmepumpen mit elektrisch angetriebenen Verdichtern für die Raumbeheizung und Kühlung) verwendet, das Berechnungsverfahren lässt aber Spielräume zu, z.B. bei den Randbedingungen. Damit lassen sich nicht förderfähige Wärmepumpen in den Bereich der Förderfähigkeit rechnen. Möglich wird das, durch verschiedene Anpassungen:

  • eine günstigere Prognose der benötig­ten Heizwassertemperatur oder der Quellentemperatur,
  • veränderter Warmwasseranteil,
  • Korrektur der Norm-Außentemperaturen,
  • Veränderung des Deckungsanteils bei bivalentem Betrieb über Tabellen,
  • teilparallele statt parallele Betriebsweise.

Gerne verwechselt werden auch die Leis­tungszahl (COP) und die JAZ, eine Vergleichbarkeit ist nicht gegeben. Der COP bezeichnet den thermischen Wirkungsgrad von Wärmepumpen in einem bestimmen Betriebspunkt. Angaben zum COP ohne Betriebspunkte und Nennung der verwendeten Norm (DIN EN 255 bzw. DIN EN 14511) sind generell unbrauchbar.

Ergebnisse kritisch betrachten
Es gibt etliche Feldstudien, die sich mit der Ermittlung von Jahresarbeitszahlen beschäftigt haben, wie die FAWA-Studie, Ziel21 Gruppe Lahr oder die Studien des Fraunhofer Instituts. Eine Vergleichbarkeit ist auch hier schwierig, bedingt schon durch vorgegebene Systemgrenzen und Messverfahren. Auch das Auswahlverfahren der beteiligten Anlagen wirft Fragen auf: Welche Systeme werden in welchem Verhältnis untersucht (Luft, Sonden, Flachkollektoren, Grundwasser, Direktverdampfer)? Welches Alter dürfen die Anlagen haben? Werden sie nach Zufall ausgewählt oder dürfen nur „die Besten der Besten“ teilnehmen? Oder, wie gut gedämmt sind die Häuser und in welcher klimatischen Lage befinden sie sich? Trotzdem lassen die Resultate der Feldstudien bei kritischer Betrachtung Schlüsse zu. Zumindest lassen sich Trends erkennen.
Auch Tools zur Berechnung von Jahresarbeitszahlen sollte man kritisch betrachten. Hier wird meist der COP direkt aus der Geräteauswahl übernommen. So elegant dieser Ansatz scheint, die Ergebnisse stehen im Widerspruch zu den Werten, die bei Feldstudien ermittelt werden. Die Realität wird der Prognose daher nicht gerecht.

Zusammenhänge erkennen und in die Planung einbeziehen
Eine Wärmepumpe ist ein System aus Wärmequelle, Wärmepumpe und Wärmenutzungsseite. Somit kann das beste Gerät wenig leisten, wenn an den anderen Punkten Fehler gemacht werden. Ein höherer COP führt normalerweise auch zu einer höheren JAZ, trotzdem haben Regelwerke keinen Einfluss auf die Sinnhaftigkeit und Ausführung der Wärmequelle sowie die Qualität bzw. die optimierte Auslegung von Heizflächen und Warmwasserbereitung. Beide Punkte treffen den Planer sowie den Installateur und zuletzt auch den Bauherren. Wer an der falschen Stelle spart oder nicht gut genug plant, hat schon verloren.
Grundlage muss eine genaue Heizlastberechnung nach DIN 12831 (Heizungsanlagen in Gebäuden – Verfahren zur Berechnung der Norm-Heizlast) sein, in der die klimatische Lage und Normtemperaturen verwendet werden. Die Dimensionierung der Wärmepumpe ist darauf abzustimmen. Die Frage, ob es eine richtig bemessene Wärmequelle gibt, kann nur mit nein beantwortet werden. Sie kann nicht groß genug sein. Dies trifft auf alle Wärmequellen zu. Vor allem aber auf die Tiefenbohrung für eine Geothermie-Wärmepumpe: Verdoppelt man die Bohrmeter einer Sonde, so wird die spezifische Entzugsleistung pro Bohrmeter halbiert. Dem Boden wird an der jeweiligen Stelle nur die Hälfte an Wärme entzogen, dass Erdreich bleibt wärmer, dadurch steigen am Ende die Verdampfungstemperatur und die Effizienz. Die kritischen Frost-Tau-Wechsel, die die Abdichtung des Verpressmaterials zwischen verschiedenen Stockwerken des Untergrundes beanspruchen, werden reduziert bzw. ganz vermieden. Hier wird klar, dass auch die Wärmequellen einer ganz genauen Prüfung unterzogen werden müssen. Grundsätzlich sollte immer die Wärmequelle mit dem höchsten zur Verfügung stehenden Temperaturniveau genutzt werden.
Die meisten Fehler aber werden auf der Wärmenutzungsseite gemacht. Entscheidend ist eine angepasste Hydraulik mit einem günstigen Volumenstrom und entsprechender Spreizung. Eine Fußbodenheizung, betrieben mit einer Wärmepumpe (mit geringer Spreizung und hohem Volumenstrom), muss anders geplant werden als z.B. beim Betrieb mit einem Brennwertgerät (hohe Spreizung und geringer Volumenstrom). Heizungspuffer sind – zumindest bei Flächenheizungen – kontraproduktiv, dies belegen Feldstudien* wie die FAWA oder auch des Fraunhofer Instituts. Auch der Einsatz von Einzelraumregelung, wie in der EnEV gefordert, verschlechtert die Effizienz bei Flächenheizungen, da der Selbstregeleffekt verloren geht.
Für den Einsatz von Wärmepumpen im Gebäudebestand mit Heizkörpern gilt Ähnliches: Eine geringe Spreizung von etwa 5K ist vorteilhaft. Die Ergänzung oder Vergrößerung von Heizflächen in kritischen Räumen, z.B. mit Strahlungsheizkörpern, ist empfehlenswert.

Effiziente Warmwassererzeugung
Die Verwendung von Brauchwasser-Wärmepumpen zur Trink-Warmwassererzeugung mag einfach und kostengünstig sein; nicht immer sind die Arbeitszahlen dabei gut. Die Kombination aus Heizungswärmepumpe und Frischwasserspeicher bringt Vorteile bei Hygiene und Energieverbrauch.
Oft krankt es aber am Zusammenspiel zwischen Warmwasserbereitung und Heizung. Ein paralleler Betrieb ist unbedingt zu vermeiden. Kombispeicher zeigen sich oft als nicht sinnvoll, gerade in Verbindung mit reversibel abtauenden Luft/Wasser-Wärmepumpen. Die Schichtung im Speicher ist problematisch.

Fazit
Das Erreichen einer bestimmten JAZ kann in der Regel nicht garantiert werden. Denn, zu viele Parameter können das Ergebnis verändern. Auch kann sie nicht zum Vergleich verwendet werden, sondern liefert nur einen relativen Wert, der zur Einschätzung des Heizsystems in einem bestimmten Haus unter Berücksichtigung der Heizgewohnheiten seiner Bewohner dienen kann. Eine Aussage über die Betriebskosten kann mit der JAZ ebenfalls nicht getroffen werden. Nützlich ist sie hingegen bei der Beantwortung der Frage: Macht eine Wärmepumpe für mich Sinn? Hierbei kann sie als Tendenz genutzt werden. Denn klar ist: Wer Erdgas heute günstig kauft, bekommt die kWh schon unter 5 ct., Wärmetarife machen beim Strom derzeit etwa 18 ct/kWh aus, mit der Anhebung der Ökoabgabe werden es über 21 ct/kWh sein. Eine Wärmepumpe muss dann schon eine JAZ von 4 aufweisen, um bei den Betriebskosten die Parität zu erreichen, von einer Amortisation der Mehrkosten ganz zu schweigen.

Autor: Bernhard Wenzel, Vorstandsmitglied der Klima-Innovativ e.V.

Bilder, soweit nicht anders angegeben: Klima-Innovativ e.V.

www.klima-innovativ.de

*) Mehr Informationen zur Feldstudie des Fraunhofer Instituts finden sich unter www.wp-effizienz.ise.fraunhofer.de/download/wp_effizienz_endbericht_langfassung.pdf.


Nachgefragt

IKZ-FACHPLANER: Herr Wenzel, zusammengefasst sehen Sie die Jahresarbeitszahl nur als einen Orientierungswert und nicht als einen Vergleichswert. Heißt das im Umkehrschluss, dass der Planer sein Augenmerk auf das Gesamtsystem, also Baukörper, Heizflächen, Brauchwasserbedarf und so weiter, legen sollte und weniger auf die Effizienz der Wärmepumpen? Also weg vom COP/JAZ als Maß aller Dinge?

Bernhard Wenzel: Als messbare und vergleichbare Größe ist der COP wichtig. Nur besteht eine „Wärmepumpe“ als System auch aus Wärmequelle und Wärmenutzungsseite, das sollte jedem klar sein. Und gerade hier werden die meisten und größten Fehler gemacht. Eine Wärmepumpe benötigt ganz andere Vorraussetzungen wie eine fossile Heizung. Werden diese nicht berücksichtigt und optimiert, kann auch die beste Maschine nicht das volle Potenzial leisten.

IKZ-FACHPLANER: Dennoch ist die Wärmepumpe, mit einem immer weiter steigendem Anteil an Öko-Strom und einer hohen Jahresarbeitszahl, in puncto Ökobilanz ein Vorzeigesystem. Die Anschaffungskosten solcher Geräte stehen aber dem Ganzen eher vernichtend gegenüber. Sind hier nicht die Hersteller gefragt?

Bernhard Wenzel: Der massive Trend hin zur billigen Luftwärmepumpe zeigt deutlich den Kostendruck. Auch wenn die Hersteller in den meisten Fällen selbst der Antrieb sind, um mit vermeintlich günstigen Anschaffungskosten Markt zu machen - fast jeder hat bereits eine asiatische Luft-Wärmepumpe im Programm. Die heimischen Hersteller sind deshalb nicht zu beneiden, weil zu den japanischen Marken jetzt auch chinesische auf den deutschen Luft-Wärmepumpenmarkt drängen, mit Preisen, die der Branche in Europa keine Chance mehr lässt. Dabei sollte der Preis nicht das entscheidende Kriterium sein, um sich für eine Luft-Wärmepumpe zu entscheiden. Es kommt immer auf die individuellen Umstände an. Bei größeren Grundstücken empfiehlt sich der Einsatz von Flächenkollektoren nach dem Prinzip der Direktverdampfung, und das oft zu ähnlichen Investitionskosten wie gute Luft-Wärmepumpen. Beim Vorhandensein von Grundwasser sind die Kollektoren, gerade bei größeren Gebäuden, die bessere Wahl. Bei felsigen Untergründen mit hohen Entzugsleistungen halten sich Bohrkosten zwar meist nicht in einem überschaubaren Rahmen. Die höheren Investitionskosten rechnen sich aber durch niedrigere Betriebskosten bei steigenden Strompreisen schnell. Und die Ökobilanz freut sich auch.

IKZ-FACHPLANER: Durch die EEG-Umlage, die seit Januar 2013 in Kraft getreten ist, erhöhte sich der Strompreis deutlich. Sie meinen, dass sich trotz dieser Steigerung eine Wärmepumpe noch rechnet?

Bernhard Wenzel: Im Grunde ja. Wenn man sich die von den Herstellern angegebene Jahresarbeitszahl als einen Orientierungswert anschaut, steht die 4 im Moment als Stigma für Rentabilität im Wettbewerb mit fossilen Energieträgern. Aber wie schon gesagt, das allein genügt nicht. Bei einer Wärmepumpe zählt immer das Gesamtsystem. Hierbei gilt im vereinfachten Sinn, je einfacher das System gehalten ist und je größer die Wärmequelle und die Heizflächen dimensioniert werden, desto höher ist die Effizienz der Anlage. Und diese braucht man alleine schon, um gegen Preissteigerungen beim Strom gewappnet zu sein.
Es kommen aber noch weitere Faktoren zum Tragen, die eine Wärmepumpe attraktiv machen können. Beispielsweise wenn kein Erdgas verfügbar ist oder eine PV-Anlage mit in die Planung rutscht. Sie sehen, in diesem Bereich gibt es viel zu beachten. Ich rate deshalb grundsätzlich zu einem intensiven Kundengespräch und einer genauen Betrachtung der Anlage beziehungsweise des Objekts.

 


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