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Monitoring hebt Optimierungspotenziale - Heizen und Kühlen mit Wärmepumpen in einem industriellen Multifunktions-Gebäude: Erfahrungen aus drei Jahren Betriebsüberwachung

Moderne Bürogebäude zeichnen sich durch hohe Ansprüche an eine repräsentative Architektur, hohe Flexibilität im Hinblick auf die Gebäudenutzung und hohe Komfortansprüche aus. Hohe Verglasungsanteile führen dabei jedoch häufig zu nennenswerten äußeren Heiz- und Kühllasten, umfangreiche technische Büroausstattung zu hohen inneren Kühllasten. Der damit einhergehende Energiebedarf erfordert vor allem im Zuge schwindender Rohstoffressourcen und gleichzeitig steigender Energiekosten eine innovative Architektur in Kombination mit zukunftsorientierter Bauphysik und technischer Gebäudeausrüstung auf Basis Erneuerbarer Energien.

Bild 1: Westfassade des untersuchten Multifunktionsgebäudes.

Bild 2: Hydraulikkonzept des Heiz-/Kühl-Systems.

Bild 3: Synchrones Takten der beiden Wärmepumpen.

Bild 4: Auswirkung der Vorlauftemperatur auf die Arbeitszahl.

Bild 5: Rund 70 Messstellen wurden für die wissenschaftliche Analyse in dem Multifunktionsgebäude installiert.

Bild 6: Ausschnitt Heizzentrale mit Wärmepumpe und Heizkreisverteiler.

Georg Häring: "Die Anlagenüberwachung ist der Grundpfeiler eines dauerhaften effizienten Anlagenbetriebs."

 

 

Um das Potenzial von technischer und innovativer Gebäudeausrüstung, die auf Erneuerbaren Energien basiert, im industriellen Gebrauch zu demonstrieren, hat das Institut für neue Energie-Systeme der Technischen Hochschule Ingolstadt im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit und dem Gebäudeeigentümer ein innovatives Multifunktionsgebäude über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg messtechnisch begleitet. Dabei konnten vielfältige Betriebserfahrungen gesammelt, mehrere Problemstellungen identifiziert und gelöst sowie sehr grundlegende Handlungsempfehlungen abgeleitet werden [1].

Das untersuchte Multifunktionsgebäude

Den Ansprüchen an eine repräsentative Architektur, hohe Flexibilität im Hinblick auf die Gebäudenutzung und hohe Komfortansprüche soll das in Bild 1 dargestellte Büro- und Produktionsgebäude gerecht werden. Das Gebäude mit einer Bruttogrundfläche von 3700 m² wird im Erdgeschoss für Fertigungszwecke und in den darüber liegenden drei Stockwerken als Bürofläche genutzt. Das oberste Geschoss dient wiederum Wohnzwecken. Zur Wärmeerzeugung werden zwei monovalent betriebene Wärmepumpen (vgl. Tabelle 1) verwendet, die als Energiequelle Grundwasser aus einem 7 m tiefen Grundwasserbrunnen nutzen.
Im Kühlfall wird zur Raumtemperierung ebenfalls Grundwasser in direkter Verwendung des Grundwasserbrunnens als Wärmesenke eingesetzt. Die Heizung und Klimatisierung des Gebäudes basiert auf großflächigen Niedertemperaturverteilsystemen. In der Grundlast erfolgt die Heizung über die Betonkernaktivierung sowie Fußbodenheizungen. Um Spitzenlasten im Heiz- und Kühlfall abzudecken, wird an der Westseite des Gebäudes eine wasserdurchströmte Heiz- und Kühlfassade eingesetzt. An der Ostseite des Gebäudes erfolgt dies im Heizfall über Wandheizungssysteme. Das hydraulische Grundprinzip der Heiz- und Kühlanlage ist in Bild 2 dargestellt. Bezogen auf die beheizte Bruttogeschossfläche hat das Gebäude einen Jahresheizwärmebedarf von 37,3 kWh/(m² a).

Messtechnische Begleitung

Ziel der messtechnischen Überwachung war, die Leistungsfähigkeit der installierten Heiz-/Kühltechnologie zu demonstrieren. Für die wissenschaftliche Analyse des Gebäudes wurden daher im Gebäude über 70 Messstellen verbaut. So wurden über den gesamten Monitoringzeitraum alle im Gebäude abgegebenen und aufgenommenen Wärme- und Strommengen aufgezeichnet. Eine umfassende Beschreibung der eingesetzten Messtechnik, Auswertemethodik und Messzeiträume wird in [1] gegeben. Zur Analyse der Leistungsfähigkeit der Wärmepumpenanlage wurden die dem Grundwasser entzogene Wärmemenge, die abgegebene Wärmemenge sowie die dafür aufgewendete elektrische Energie aufgezeichnet. Darüber hinaus wurden die Wärmeströme aller Heizsysteme untersucht. Weiter wurden, um den Einfluss der unterschiedlichen Heizsysteme auf die Behaglichkeit zu analysieren, an vier verschiedenen Positionen im 1. Obergeschoss des Gebäudes die Raumtemperatur sowie die Raumluftfeuchte aufgezeichnet. Alle notwendigen Wetterdaten wurden von einer Wetterstation auf dem Dach des Gebäudes geliefert.
Um die Effizienz der Wärmepumpenanlage zu analysieren, wurden unter anderem die Arbeitszahlen (Verhältnis der vom Kondensator der Wärmepumpenanlage abgegebenen Heizwärme zur aufgenommenen elektrischen Energie) ausgewertet. Über den ganzen Überwachungszeitraum hinweg zeigte die Wärmepumpenanlage lediglich eine Arbeitszahl von 2,84, was deutlich hinter den Erwartungen an eine Grundwasserwärmepumpe in Verbindung mit Niedertemperaturverteilsystemen zurückbleibt. Dies konnte auf Basis der Messdatenanalyse auf folgende Hauptursachen zurückgeführt werden:

Die Grundwassertemperatur als entscheidende Einflussgröße der Wärmequelle auf die Effizienz der Wärmepumpe blieb während der Heizperiode mit 3 °C deutlich unter den in der Konzeptionierung erwarteten Werten von minimal 9 °C. Dies ist vermutlich zurückzuführen auf den geringen Grundwasserflurabstand von 1,5 bis 2,5 m am Gebäudestandort, sodass offenbar eine Beeinflussung durch Oberflächenwasser vorliegt.
Der Kaskadenbetrieb der beiden Wärmepumpen mit ihren jeweils zwei Verdichterstufen, die abhängig von der Wärmeanforderung stufenweise zugeschaltet werden sollten, wurde mit Inbetriebnahme nicht implementiert.
Die Vorlauftemperatur einiger Heizkreisläufe als entscheidender Faktor der Wärmesenke auf die Effizienz der Wärmepumpe zeigte sich mit bis zu 50
°C deutlich höher als vorgesehen und führte zu Wärmepumpen-Vorlauftemperaturen von bis zu 60 °C. Als Ursache hierfür konnten Nutzereingriffe in die Anlagensteuerung ausgemacht werden.

Im Verlauf des Monitorings konnte jedoch auch nachgewiesen werden, dass bei optimaler System- und Regelungseinstellung Arbeitszahlen von über 4,0 und damit die planerischen Ziele erreichbar sind.

Wärmepumpenkaskade nicht optimiert

Aufgrund der enttäuschenden Effizienz der Wärmepumpenanlage wurde die Regelung der beiden Wärmepumpen im Projektverlauf eingehend analysiert. Auffällig war hierbei ein dauerhaftes, synchrones Takten der beiden Wärmepumpen, wie es in Bild 3 dargestellt ist. Die beiden Geräte werden mithilfe der Heizkurve für die Rücklauf-Solltemperaturen angesteuert.
Die detaillierte Überprüfung der Anlage zeigte, dass die beiden Wärmepumpen mit deckungsgleichen Heizkurven in Werkseinstellung betrieben wurden. Dadurch war das in der Planung vorgesehene kaskadenförmige Zuschalten der einzelnen Aggregate mit ihren Leistungsstufen nicht möglich. Gehen beide Geräte gleichzeitig in Betrieb, steht eine zu hohe Heizleistung zur Verfügung. Das hat zur Folge, dass beide Wärmepumpen auch gleichzeitig nach Erreichen der Solltemperatur wieder ausschalten.
Um die Effizienz der Gesamtanlage zu erhöhen, aber auch aus Rücksicht auf die Lebensdauer der Komponenten, wurden die Heizkurven der beiden Wärmepumpen gegeneinander so verschoben, dass ein kaskadenartiger Betrieb mit ihren je zwei Leistungsstufen sichergestellt war. Allein mit dieser Optimierungsmaßnahme konnte die Arbeitszahl der Gesamtanlage in der Folge um etwa 50 % erhöht werden, was das beträchtliche Optimierungspotenzial der Anlage aufzeigt.

Wärmepumpen-Vorlauftemperaturen zu hoch

In der wissenschaftlichen Begleitung wurden bei der fortlaufenden Analyse der Arbeitszahlen auch plötzliche, signifikante Veränderungen bei gleichbleibenden Umgebungsbedingungen festgestellt. Die Ursachensuche zeigte, dass sich die zuvor optimierten und exakt aufeinander abgestimmten Einstellungen der Betriebsparameter sowohl der Wärmepumpen als auch der Verteilsysteme verändert hatten. Beides deutet auf unsachgemäße Eingriffe in die zentrale Leittechnik des Gebäudes hin, was schließlich zu einer wesentlichen Verringerung (Halbierung) der Arbeitszahlen und im Grunde zu einer Aussetzung der beabsichtigten Funktionalität des Gesamtsystems führte. Die Änderung der Betriebsparameter wurde offenbar vom Nutzer auf Basis individuellen Behaglichkeitsempfindens durchgeführt. Bild 4 zeigt beispielsweise, wie sich mit den Vorlauftemperaturen der Wärmepumpen auch die Arbeitszahlen verändern. Bei einer Außentemperatur von etwa 0 bis 6 °C während des gezeigten Zeitraums, war die gemessene Vorlauftemperatur der Wärmepumpen von bis zu 55 °C entscheidend zu hoch für einen effizienten Betrieb der Wärmepumpe und offensichtlich ausschlaggebend für die deutliche Verschlechterung der Arbeitszahlen in diesem Zeitraum.
Diese Beispiele verdeutlichen die Sensibilität komplexer Gebäudeenergieversorgungssysteme selbst gegenüber geringfügigen Änderungen in den Regelungsparametern speziell in Verbindung mit Wärmepumpen. Erfahrungen mit vergleichbaren Gebäuden bestätigen die dargestellte Problematik der korrekten Parametrierung und Regelungseinstellung der Komponenten sowie der Systemabstimmung (vgl. z. B. [2]). Demgegenüber zeigen diese Beispiele aber auch das hohe Potenzial optimierter Regelungsansätze.

Grundlegende Handlungsempfehlungen

Die vielfältigen Erfahrungen belegen die Notwendigkeit einer ausführlichen Inbetriebnahme- und Einregulierungsphase solch komplexer Anlagen, wie sie bereits auch als Konsequenz aus der Analyse vergleichbarer Projekte (z. B. [2]) gefordert wurde. Die aufgetretenen Betriebsprobleme, d. h. des unnötig erhöhten Energieverbrauchs, wären ohne umfangreiche wissenschaftliche Begleitung und Betriebsdatenanalyse höchstwahrscheinlich nicht erkannt und behoben worden. In diesem Zusammenhang bleibt festzuhalten, dass unsachgemäße Veränderungen einzelner Komponenten- oder Systemparameter ohne Berücksichtigung der Gesamtsystemfunktion nicht nur die Energieeffizienz des Gesamtsystems erheblich verringern können, sondern die in Konzeptionierung und Planung ursprünglich beabsichtigte Betriebsweise sogar schnell ad absurdum führen können. Dies ist umso bemerkenswerter, wenn - wie im vorgestellten Beispiel - der Gebäudebetreiber bzw. -nutzer von der technischen Anlage dazu keinerlei Rückmeldung erhält (weder durch eine Anlagenselbstüberwachung noch durch fehlende Heizleistung oder Komfort), sondern eine Rückkopplung im Grunde erst mit der Stromabrechnung erfolgt. Dies zeigt schließlich eindringlich die Erfordernis einer adäquaten, der Komplexität der Anlagen angemessenen Betriebsüberwachung und Betriebsführung. Ersteres sollte hauptsächlich durch die Umsetzung angemessener Selbstüberwachungsstrategien der Anlagenkomponenten und vor allem der Gesamtsysteme realisiert werden, die in anderen Industriebereichen wie etwa dem Automobilsektor bereits Standard sind. Dies kann zu deutlich erhöhter Zuverlässigkeit im Betrieb, unter anderem im Hinblick auf die Energieeffizienz führen sowie die Betriebsführung der Anlagen für den Betreiber vereinfachen und damit verbessern.
Für einen energieoptimierten Betrieb von Gebäuden, wie das in diesem Vorhaben betrachtete Multifunktionsgebäude, sind unabhängig von ihrer Einmaligkeit gewisse "Standards" für Konzeptionierung und Umsetzung notwendig. Nach der Konzeptionierungs-/Planungsphase und der Inbetriebnahme ist besonderes Augenmerk auf die Einregulierungsphase und die weitere Betriebsüberwachung zu legen.


Nachgefragt

IKZ-FACHPLANER: Feldversuche belegen immer wieder, dass die Wärmepumpe ihr großes Potenzial in der Praxis nicht ausschöpfen kann. Worin liegen die Gründe im Allgemeinen und im Speziellen bei dem untersuchten Gebäude?
Georg Häring: Während der Konzeption liegt den Erwartungen über die Effizienz von Wärmepumpenanlagen häufig ein idealisierter Betrieb der Anlage zugrunde. Dieser ideale Betrieb wird in der Praxis aber gerade bei der systemtechnisch sensiblen Wärmepumpe oft nicht erreicht. Bei dem betrachteten Gebäude fand beispielsweise keine ausreichende Einregulierungsphase statt. Lässt man die wissenschaftliche Begleitung einmal außen vor, hätte in diesem Fall aufgrund des nicht vorhandenen Energiemonitoringsystems für alle Beteiligten auch nur schwer überprüft werden können, ob die erwartete Effizienz überhaupt erreicht wird.
IKZ-FACHPLANER: Ist es tatsächlich zielführend, immer komplexere Heiz- und Kühlsysteme zu planen, um die letzten Kalorien einzusparen? Wäre nicht weniger mehr? Vielfach bereiten doch gerade die komplexen Anlagen die größten Schwierigkeiten bei Planung, Bau und auch im Betrieb.
Georg Häring: Bei steigender Komplexität des Grundkonzeptes einer Wärmepumpenanlage steigt entsprechend auch die Komplexität der Systemregelung sowie die Notwendigkeit einer dem angemessenen Planung, Betriebsführung und Anlagenüberwachung. Die Erfahrung am Demonstrationsobjekt zeigt, dass vermeintliche Einsparungen bei ineffizienter Betriebsweise gerade bei Wärmepumpen schnell zum Gegenteil führen können.
IKZ-FACHPLANER: Welcher Stellenwert kommt in diesem Zusammenhang der Anlagenüberwachung zu?
Georg Häring: Die Anlagenüberwachung ist der Grundpfeiler eines dauerhaften effizienten Anlagenbetriebs. Sie ist notwendig für die Fehlererkennung sowie das Aufdecken eventuell vorhandener Einsparpotenziale und damit essentiell auch für einen wirtschaftlichen Anlagenbetrieb.
IKZ-FACHPLANER: Über die Zahl vergleichbarer Multifunktionsgebäude mit Wärmepumpenheizung kann sicher nur spekuliert werden. Es kann aber unterstellt werden, dass viele Anlagen in der Praxis nicht optimal eingestellt sind und dem entsprechend höhere Energiekosten produzieren als erforderlich. Welche Empfehlungen können Sie TGA-Planern und Betreibern von Liegenschaften geben?
Georg Häring:
Hierfür sollte bereits in der frühen Konzeptionierungsphase darauf geachtet werden, dass die Komplexität der Anlage in einem für den Anlagenbetreiber händelbaren Rahmen bleibt. Auch sollten bereits ein Energiemonitoring- oder automatisches Diagnosesystem auf Systemebene vorgesehen werden. Wird die Anlage in Betrieb genommen, sollte vorher natürlich eine vollständige Übergabe der Anlagendokumente und der Betriebsanleitungen für Komponenten und vor allem das Gesamtsystem erfolgen. Außerdem halten wir es für zentral, dass in die Inbetriebnahme alle Beteiligten, wie Planer, ausführende Firmen und der Betreiber selbst eingebunden sind, sowie für das Bedienpersonal der Anlage angemessene Schulungen erfolgen. Nur dann wird während des Betriebs der Anlage das Energiemonitoringsystem aktiv eingesetzt werden. Eine kritische Hinterfragung der Anlageneffizienz sollte schließlich Teil der üblichen Anlagenwartung sein. Hierfür bietet sich beispielsweise ein jährlicher Energiereport an, mit dessen Hilfe der Anlagennutzer die aktuellen Kennwerte mit denen vergangener Jahre, Sollwerten oder Vergleichsgebäuden spiegeln kann.


Literatur:

[1] HÄRING, G.; TRINKL, CH.; ZÖRNER, W. (2011) Messtechnische Analyse der Grundwasserwärmepumpenanlage in einem Büro- und Produktionsgebäude. Ingolstadt: Technische Hochschule Ingolstadt, Arbeitsberichte - Working Papers Nr. 21, ISSN 1612-6483. Download unter www.regin-plus.de/fileadmin/user_upload/Working_Paper.pdf.
[2] VOSS, K. et al. (2007) Energieeffiziente Büro- und Verwaltungsbauten. Analysen und Erfahrungen im Kontext des Förderkonzepts Energieoptimiertes Bauen. Teil 2: Energiekonzepte mit Wärmepumpen. HLH 58 (8), S. 23-27.
Autoren:
Dipl.-Ing. (FH) G. Häring, Dr. Ch. Trinkl & Prof. Dr.-Ing. W. Zörner, alle Institut für neue Energie-Systeme (InES), Technische Hochschule Ingolstadt
Bilder: Institut für neue Energie-Systeme

 


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