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Der Sicherheit oder dem Hersteller dienlich?

Systemzertifizierte Luft-/Abgasanlagen

Die Gewährleistung für die Umsetzung von Gesetzen und Normen beim Bau einer Luft-/Abgasanlage trägt der Fachhandwerker.

Störfälle bei Luft-/Abgasanlagen ziehen fast automatisch Gefahren für „Leib und Leben“ nach sich.

Die Möglichkeiten, die Luft-/Abgasführung bei Brennwertgeräten und Kaskaden zu gestalten, haben sich immer weiter vergrößert.

Mit der Weiterentwicklung der Brennwerttechnik stehen gerade in der Bestandssanierung zahlreiche Möglichkeit der Luft-/Abgasführung zur Verfügung – wie z.B. mehrfach belegte Überdrucksys­teme in Mehrfamilienhäusern.

Backhaus: „Rundweg alle namhaften Hersteller stützen die Argumentation Richtung Systemzertifizierung und die Pflicht zur Übernahme von Verantwortung für Gesamtsysteme und Schnittstellen statt nur die Funktionalität einzelner Komponenten.“

Setzt ein Fachhandwerker für eine Heizanlage nicht zugelassenes Luft-/Abgaszubehör ein, verliert das Gesamtsystem seine Zulassung.

Der Aufwand für die Systemzertifizierung einer Luft-/Abgasanlage ist erheblich.

Systemanbieter sollten in der Pflicht stehen, den Fachhandwerker auch über einzuhaltende Randbedingungen bei Planung und Montage hinzuweisen – wie das Problem der Vereisung des Luftansaugstutzens durch eine zu nahe gelegene Entwässerungslüftung.

 

Unterschiedlichste Anforderungen im Objekt, überraschende Installations-Situationen sowie ein steter Wandel der Systemtechnologien – die Märkte und die Einsatzgebiete der Wärmeerzeuger für fossile Energieträger sind so vielfältig wie nie. Kein Wunder, dass dabei gerade in puncto Luft-/Abgasführung auf Sicherheit gesetzt wird. Doch sind rein systemzertifizierte Luft-/Abgasanlagen noch zeitgemäß oder sollte nicht eher der Fachplaner bzw. Fachhandwerker darüber entscheiden, welche Luft-/Abgasanlage er mit welchem Wärmeerzeuger verbaut?

Der Planung und Ausführung einer Luft-/Abgasanlage für Wärmeerzeuger kommt naturgemäß höchste sicherheitstechnische Bedeutung zu. Nicht zuletzt unterliegen diese deswegen einer Vielzahl an Regelungen und Vorschriften. Die Gewährleistung für die Umsetzung dieser Gesetze und Normen trägt in erster Linie der ausführende Fachplaner bzw. Fachhandwerker. Gerade bei den vielfältigen Möglichkeiten der Luft-/Abgasführung kann dies jedoch zu einem echten Risiko werden – bei dem es letztendlich um Menschenleben gehen kann. Aus gutem Grund hatten sich deswegen namhafte Hersteller dazu entschlossen, das Planungsrisiko für ihre Fachhandwerkspartner oder den Fachplaner durch die Systemzertifizierung von Luft-/Abgasanlagen zu minimieren. Dies war vor allen Dingen im Hinblick auf neue Technologien relevant. Denn einfache Gas- oder Öl-Niedertemperatur-Wärmeerzeuger werden kaum noch installiert und im Zuge der Öko-Design-Richtlinie ab September 2015 sogar größtenteils verboten.
Übrig bleibt ein immer differenzierteres Angebot an unterschiedlichsten Technologien, die auch und vor allen Dingen im System verbaut und nur noch selten alleine installiert werden. „Dabei haben alle namhaften Heiztechnik-Hersteller natürlich den gesamten europäischen Markt mit seinen teils völlig unterschiedlichen Bedingungen im Blickfeld“, formuliert dazu Karl-Heinz Backhaus, Leiter Politik, Verbands- und Normungsmanagement bei der Vaillant Group aus Remscheid. „Alleine in puncto Ausbildung und Know-how existieren immense Unterschiede in Europa. Systemzertifizierte Anlagen tragen folglich erheblich zur Erhöhung des Sicherheitsniveaus in Europa bei.“

Warum bieten Hersteller überhaupt systemzertifizierte Luft-/Abgas­zubehöre an?
Ihren Ursprung haben systemzertifizierte Luft-/Abgasanlagen in der Anfangszeit der gebläseunterstützten Heizwerttechnik. Die Produkte reagierten noch sensibel auf Wind und andere äußere Einflüsse. U.a. musste auch die Luftzahl in Abhängigkeit der Abgas-Rohrlänge angepasst werden. Diese Aufgaben erfüllten die Heiztechnik-Hersteller und übernahmen damit gleichzeitig die Verantwortung über die entsprechende Luft-/Abgasanlage. Darüber hinaus vergrößerten sich seither die Möglichkeiten, die Luft-/Abgasführung flexibel zu gestalten. Beispielsweise entstand auch die Idee der Dachzentrale. Statt auf einen kostenintensiven Schornstein vom Keller zum Dach zu setzen, wurden eher die Gasleitung und der Wärmeerzeuger unter das Dach gelegt. Von hier aus wurde dann ein kurzes Abgasrohr nach außen geführt. Wärmeerzeuger und Luft-/Abgaskomponenten bildeten eine geschlossene Einheit aus der Hand eines Herstellers.
Mittlerweile stehen mit der Weiterentwicklung der Brennwerttechnik gerade in der Sanierung zahlreiche Möglichkeiten der Luft-/Abgasführung zur Verfügung, die immer wieder speziell auf das jeweilige Objekt angepasst werden müssen, wie beispielsweise mehrfach belegte Überdrucksysteme in Wohnhäusern.

Wie bewertet die Branche systemzertifizierte Luft-/Abgaszubehöre?
Naturgemäß unterschiedlich. Während die namhaften Hersteller sich einmütig zu systemzertifizierten Luft-/Abgasanlagen bekennen, sehen dies die Hersteller von Luft-/Abgasanlagen verständlicherweise anders. Sie fordern eine generelle Freigabe ihrer Produkte in Verbindung mit allen zur Verfügung stehenden Wärmeerzeugern.
Fakt ist aber: Fachhandwerker und Fachplaner profitieren von systemzertifizierten Luft-/Abgasanlagen dadurch, dass sie sich in der Planung zurückziehen und auf ihre jeweiligen Kernkompetenzen in der Kundenberatung und Installation konzentrieren können. „Ich setze auf systemzertifiziertes Luft-/Abgaszubehör, weil ich dadurch schlichtweg Planungszeit spare, die der Endkunde ohnehin nur schlecht nachvollziehen kann“, sagt beispielsweise Christoph Freissler, Geschäftsführer der Freissler Installation und Heizungsbau GmbH aus Altena. „Gleichzeitig kann ich verschiedenste Luft-/Abgasanlagen quasi von der Stange nutzen und dabei flexibel auf die jeweilige Installationssituation reagieren – ohne, dass es mich Zeit kostet.“

Wann haftet der Fachhandwerker für falsch ausgelegte und geplante Luft-/Abgasanlagen?
Grundsätzlich trifft den Fachplaner bzw. den ausführenden und planenden Fachhandwerker nicht nur bei unsachgemäßer Installation eine Haftung, sondern auch beim Einsatz nicht fachgerecht nach dem Stand der Technik ausgelegter Luft-/Abgasanlagen. Überdies gilt: Setzt ein Fachhandwerker für eine Heizanlage nicht zugelassenes Luft-/Abgaszubehör ein, verliert das Gesamtsys­tem seine Zulassung und darf nicht in Betrieb genommen werden. Selbst eine vom Schornsteinfeger erteilte Genehmigung oder eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung können daran nichts ändern1).
Ausgehend von den Instruktionspflichten eines Herstellers sollten gerade Systemanbieter aber auch in der Pflicht stehen, nicht nur die Produkte kontinuierlich zu verbessern, sondern auf einzuhaltende Randbedingungen bei Planung und Montage hinweisen. Typisches Beispiel dafür ist die Vereisung und der Verschluss der Luftansaugung eines Wärmeerzeugers durch die feuchte Luft eines nahe gelegenen Kanalentlüfters auf dem Dach. Physikalisch lässt sich diese Vereisung nicht verhindern, wohl aber durch eine entsprechende Anordnung der Elemente im Rahmen der Planung und Montage. Systemanbieter stehen hier in der Pflicht auf solche Sachverhalte hinzuweisen, um daraus resultierende denkbare Störfälle zu verhindern.

Welche Arbeitsschritte muss ein Fachhandwerker bei einer nicht zusammen mit dem Wärmeerzeuger zugelassenen Luft-/Abgasanlage durchführen?
Grundsätzlich gilt es, bei der Auslegung einer unabhängig vom Wärmeerzeuger zugelassenen Luft-/Abgasanlage einige Anforderungen mit entsprechenden Angaben zu berücksichtigen (siehe untenstehenden Kas­ten).
Hieraus ergeben sich definierte Produktklassen mit dazu gehörenden Produkteigenschaften. Das Gebäude, das aus unterschiedlichen Materialien hinsichtlich der Brennbarkeit bestehen kann, muss nach dem Einbau der Abgasanlage in Verbindung mit dem Wärmeerzeuger einen jederzeit sicheren Betrieb gewährleisten. Je nach Betriebsart – Über- oder Unterdruck sowie raumluftabhängig oder -unabhängig – muss in Korrelation zu den erforderlichen Produkteigenschaften eine geeignete Hinterlüftung der Abgasleitung gegeben sein. Hierbei ist insbesondere der ausreichende Abstand zu brennbaren Baustoffen relevant. Darüber hinaus sind die maximale Bauhöhe und eventuell unmittelbar benachbarte Luft-/Abgasanlagen von z. B. offenen Kaminen oder Feststoffbrennkesseln zu berücksichtigen.
Eine besondere Bedeutung bekommt hierbei der Funktionsnachweis. Die Geräte müssen druck- und temperaturseitig mit der Luft-/Abgasanlage harmonieren und in allen Betriebszuständen sicher sein. Der Nachweis erfolgt in der Regel nach EN 13384-1 oder EN 13384-2. In der Praxis wird das über handelsübliche Software umgesetzt, dessen Anwendung und Ergebnis bzw. Ergebnisinterpretation ausschließlich in der Verantwortung des Anwenders liegen kann.

Was ist notwendig, um eine Luft-/Abgasanlage für einen Wärme­erzeuger zu zertifizieren?
Der Aufwand für die Systemzertifizierung einer Luft-/Abgasanlage ist erheblich und es würde sicherlich den Rahmen dieses Beitrages sprengen, hier alle Arbeitsschritte im Einzelnen aufzuführen und zu erläutern. Anhand einiger Beispiele lässt sich dies jedoch schnell nachvollziehen. So werden alle Wärmeerzeuger mit Luft-/Abgasführung grundsätzlich z. B. gemäß der einschlägigen Prüfnormen bei unterschiedlichsten kritischen Außenbedingungen bewertet. Dabei müssen die Wärmeerzeuger vor allen Dingen auch bei allen Windbedingungen einwandfrei starten. Die Verbrennung muss dabei schadstoffarm sein und die Geräte müssen im Zweifelsfall auch außer Betrieb gehen. Eine zu hohe Abgasrezirkulation führt zu einer sauerstoffarmen Verbrennung und damit zu einem erhöhten Schadstoffausstoß. Deshalb sind genau auf das jeweilige Gerät abgestimmte Mündungskonstruktionen von entscheidender Bedeutung. Gerade in puncto der möglichen Eisbildung im oder am Abgasrohr werden teilweise sogar die jeweiligen klimatischen Bedingungen für ein optimales Systemdesign berücksich­tigt. Dies geschieht entweder durch mathematische Simulation oder versuchstechnische Verifizierung. Durch die Wahl der richtigen Durchmesser des Abgasweges und der darauf individuell abgestimmten Längen erfolgt dann eine entsprechende Systemzusammensetzung, die auch bei winterlichen Temperaturen Sicherheit vor dem Ausfall der Wärmeerzeugung bietet.

Werden Luft/Abgasanlagen nach der Gasgeräte-Richtlinie oder der Bauprodukten-Verordnung beurteilt?
Die EU-Gasgeräterichtlinie ist seit dem 1. Januar 1996 in Kraft2). Hier gilt das Systemprinzip und der Verbund einer Anlage zur Wärmeerzeugung – mit allen Bestandteilen. Die Abgasanlage wird damit zum Teil der Feuerstätte im Gebäude und soll als Einheit zertifiziert werden. Es gilt heute die kodifizierte Fassung aus dem Jahr 2009: 2009/142/EG. Am 1. Juli 2013 hat die EU-BauPVO die Bauproduktenricht­linie aus dem Jahr 1988 abgelöst. Hierbei dreht es sich ausschließlich um einzelne Bauprodukte – ohne ihre jeweilige Funktion innerhalb eines Gesamtsystems zu beachten und ggf. seitens des Herstellers auch eine entsprechende Haftung für das Gesamtsystem zu übernehmen. Notwendig ist lediglich ein Verwendbarkeitsnachweis des Abgasrohres als Bauprodukt – z. B. in Form einer CE-Kennzeichnung. Derartige Abgasanlagen werden nach ihrem Einbau als Bestandteil des Gebäudes und nicht als Bestandteil der Feuerstätte bewertet – mit fatalen Folgen für den Hauseigentümer bei einem Störfall, bedingt durch unterschiedliche Verantwortlichkeiten für Planung, Wärmeerzeuger und Luft-/Abgasanlage. Ggf. wurden Wärmeerzeuger und Luft-/Abgasanlage sogar durch unterschiedliche Firmen installiert, was die Rechtslage noch weiter kompliziert.
Dreht es sich bei der Gasgeräterichtlinie in erster Linie also um die Sicherheit von Gesamtsystemen und die Verantwortung aller Beteiligten, wird in der EU-BauPVO vor allen Dingen die Qualität von einzelnen Bauprodukten beurteilt. Würden Luft-/Abgasanlagen ausschließlich nach der EU-BauPVO betrachtet, würde die gültige Gasgeräterichtlinie klar missachtet. Aufgrund fehlender Sachkenntnis haben jedoch sogar bereits vereinzelt Bauaufsichtsbehörden unzulässige Installationen als korrekt bewertet. Insofern ist es auch die Aufgabe der Hersteller, den Markt entsprechend aufzuklären und zu informieren.

Sind systemzertifizierte Luft-/Abgasanlagen teurer als frei verfügbare Produkte?
Die Mehrkosten für eine systemzertifizierte Luft-/Abgasanlage liegen nominal bei ca. 25 %. Bezogen auf ein Standard-Einfamilienhaus ist dies ein Mehrpreis von rund 250 Euro. Im Mehrpreis schlägt sich der Aufwand des Herstellers nieder die entsprechenden Abgaszubehöre aufwendig unter allen Betriebsbedingungen und -zuständen zu testen und sie erst dann für die Verwendung mit dem jeweiligen Wärmeerzeuger freizugeben. Darüber hinaus erfolgt auch die Planung und Systemzertifizierung ja grundsätzlich für jede einzelne Anlage durch den Hersteller. Das spart dem Fachhandwerker wie angeführt Zeit und bringt Sicherheit.

Fazit
Systemzertifizierte Luft-/Abgasanlagen – der Sicherheit oder dem Hersteller dienlich? Diese Frage kann eindeutig zuguns­ten der Sicherheit entschieden werden. Einer Sicherheit, die nicht nur für das planende und ausführende Fachhandwerk, sondern auch die späteren Nutzer der Heizanlage gilt. Ohne Frage sollten und müssen sich auch die Anbieter systemzertifizierter Luft-/Abgasanlagen dem Wettbewerb am Markt stellen – und hier wird der freie Markt auch Lösungen finden, die allen Seiten gerecht werden. Jedoch ist der kostenmäßige Mehraufwand für systemzertifiziertes Abgaszubehör überschaubar angesichts der Effekte in puncto Sicherheit, die dieser nach sich zieht.

1) Urteil des OLG Hamburg vom 13.08.2009 – 3 U 129/06

2) Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, Gasverbrauchseinrichtungen -Merkblatt zur EU-Richtlinie 90/396/EWG, Stand: März 2005

Bilder: Vaillant GmbH

Autor: Martin Schellhorn, Geschäftsführer von Die Agentur – Kommunikations-Management Schellhorn GmbH

 


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