Zahlungsziele von 90 Tagen und mehr - Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr gefährdet Liquidität deutscher Bau- und Handwerksbetriebe
Im Mai 2012 hat das Bundeskabinett den Entwurf für ein „Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr“ verabschiedet, der die Umsetzung der EU-Zahlungsverzugsrichtlinie zum Gegenstand hat. Während die Richtlinie in den meisten Ländern der EU zu einer Verbesserung des Zahlungsverhaltens führen wird, droht hierzulande genau das Gegenteil. „Werden die Pläne der Bundesregierung wahr, dann müssen die Betriebe des Baugewerbes bald damit rechnen, erheblich länger auf ihr Geld zu warten, als bisher“, sagt Dr. Philipp Mesenburg, Leiter der Hauptabteilung Recht im Zentralverband Deutsches Baugewerbe, der gegen die vorgesehene 1:1-Umsetzung der europäischen Richtlinie in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) kämpft.
Ziel der EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug ist die Verkürzung von Zahlungsfristen in Europa, um so die Position der Gläubiger zu verbessern. Im Blick lagen dabei insbesondere Länder wie Griechenland oder Italien, in denen das Zahlungsverhalten von Staat und gewerblichen Auftraggebern oft erheblich zu wünschen übrig lässt. Die Unternehmen müssen dort regelmäßig monatelang auf ihr Geld warten.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Was in vielen EU-Ländern Fakt ist, trifft aber nicht auf Deutschland zu. Bisher sieht das gesetzliche Leitbild im BGB vor, dass eine Leistung sofort abzunehmen und zu bezahlen ist (§§ 271 Abs. 1 BGB, 640 Abs. 1 BGB, 641 Abs. 1 BGB). Der Gesetzentwurf der Bundesregierung fordert nun aber eine „1:1-Umsetzung“ der europäischen Richtlinie in das BGB. Dies hätte zur Folge, dass bei gewerblichen Auftraggebern Zahlungsfristen von mehr als 60 Tagen ausdrücklich vereinbart werden können. Anders bei öffentlichen Auftraggebern: Hier wird die Zahlungsfrist auf max. 60 Tage begrenzt.
„Eine „1:1-Umsetzung“ der europäischen Richtlinie in das BGB wäre aber nach der Richtlinie selbst nicht erforderlich“, sagt Dr. Mesenburg und weiter: „Aus unserer Sicht gibt es keinen Grund für eine Privilegierung der gewerblichen Auftraggeber im Vergleich zu den öffentlichen Auftraggebern. Wir fordern daher, auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr die Zahlungsfrist auf max. 60 Tage zu beschränken. Die Gläubiger von Unternehmen sind – mit Blick auf das Insolvenzrisiko ihres Schuldners – nicht weniger schutzbedürftig, als die Gläubiger der öffentlichen Hand. Die Richtlinie erlaubt es ausdrücklich, für Gläubiger günstigere Regelungen einzuführen oder beizubehalten, als die Richtlinie vorschreibt.“ Wenn es dem Gesetzgeber um eine wirksame Bekämpfung von Zahlungsverzug gehe, müsse er auch für gewerbliche Auftraggeber eine maximale Zahlungsfrist festschreiben. Die schwammige Regelung, die bislang im Gesetzentwurf vorgesehen sei, entziehe den Bauunternehmen in der Praxis massiv Liquidität.
Problem: Abschlagszahlungen und tatsächliche Zahlungsfrist
Verschlechtert würde die Situation für Auftragnehmer insbesondere bei Abschlagszahlungen. Da der Gesetzentwurf, anders als die VOB/B, nicht zwischen Abschlags- und Schlusszahlungen unterscheidet, würden die zuvor genannten Fristen auch bei Abschlagszahlungen Anwendung finden können. Der vom Gesetzgeber mit Abschlagszahlungen (§ 632a BGB) beabsichtigte Ausgleich der Vorleistungspflicht des Auftragnehmers durch schnell zu realisierende Abschlagszahlungen würde hierdurch geradezu konterkariert.
Neben den neuen Zahlungsfristen kritisiert der Zentralverband Deutsches Baugewerbe die im Entwurf vorgesehene Abnahmefrist von 30 Tagen, die durch ausdrückliche Vereinbarung noch ausgeweitet werden kann. Entgegen der derzeit geltenden Regelung könnte der Auftragnehmer die Abnahme nicht bereits mit Fertigstellung des Werkes verlangen, sondern müsste zunächst die Abnahmefrist abwarten. Hierdurch müssten die Auftragnehmer auch deutlich länger auf ihr Geld warten, da Bauleistungen der Abnahme bedürfen (§ 641 BGB) und man im Ergebnis Abnahmefrist und Fälligkeitsfrist zusammenrechnen muss. Aus der Kumulation der beiden Fristen ergeben sich für die Auftragnehmer inakzeptable Zahlungsziele von 90 und mehr Tagen sowohl bei Abschlags- als auch bei Schlusszahlungen.
Aufforderung zur Vereinbarung längerer Zahlungsfristen
Vielen Auftraggebern wird man das nicht zweimal sagen müssen. Vielmehr steht zu befürchten, dass Auftraggeber in Zukunft die im Gesetz genannten Zahlungsfristen in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen übernehmen werden. Mesenburg: „Der Gesetzentwurf der Bundesregierung fordert die Auftraggeber geradezu dazu auf, dies zu tun. Denn welcher Kunde zahlt früher als er eigentlich müsste? Insbesondere, wenn ihm der Gesetzgeber die längeren Fristen förmlich anbietet.“ In der Folge müssten die Auftragnehmer viel länger auf ihr Geld warten, und ihren Auftraggebern über mehrere Monate zinslose Darlehen zur Verfügung stellen. Dies weicht vom bisherigen gesetzlichen Leitbild ganz erheblich ab und ist angesichts der geringen Eigenkapitalquote von Bauunternehmen nicht akzeptabel.
Änderungsbedarf
Damit die Bauunternehmen im Vergleich zur geltenden Rechtslage nicht an Liquidität verlieren, müssen nach Ansicht des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe folgende Korrekturen am Gesetzentwurf vorgenommen werden:
- Ausnahmeregelung für Abschlagszahlungen mit kurzer Fälligkeitsfrist (max. 21 Kalendertage) nach Vorbild der VOB/B (§ 16 Abs. 1 Nr. 3),
- Fälligkeitsregelung für den unternehmerischen Geschäftsverkehr analog den Vorschriften für öffentliche Auftraggeber (Fälligkeit grundsätzlich nach 30 Tagen, spätestens nach 60 Tagen),
- Abnahmefrist als Maximalfrist, sinnvoll wäre eine Orientierung an der VOB/B (§ 12 Abs. 1), die zwölf Werktage vorsieht.
Fazit/weiterer Verlauf
Die positiven Auswirkungen der Zahlungsverzugsrichtlinie in einigen EU-Ländern können hierzulande, ohne eine Änderung der aus deutscher Sicht zu großzügigen Fristen, zu einer massiven Verschlechterung der Liquidität von Bau- und Handwerksbetrieben führen. „Speziell im werkvertraglichen Geschäftsverkehr wird der Zahlungsverzug durch den deutschen Gesetzentwurf nicht bekämpft. Im Gegenteil: Durch die vorgesehene Einführung von Abnahme- und Zahlungsfristen wird der Zahlungsverzug weiter gefördert. Und der Bundesrat teilt diese Einschätzung der Bauwirtschaft. Aus der Perspektive der Betriebe im Baugewerbe gilt es daher, eine massive Verschlechterung ihrer Liquidität durch drohende längere Zahlungsfristen zu verhindern“, erklärt Dr. Mesenburg abschließend.
Der Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr wird nun in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages beraten und soll danach im Plenum noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden.
Bilder: Zentralverband Deutsches Baugewerbe, Berlin