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"Je komplexer die Anlage, desto schwieriger ist sie zu betreiben" - Peter Hubacher, Ressortleiter Qualitätssicherung bei der Fachvereinigung Wärmepumpen Schweiz (FWS), nimmt Stellung zu Großwärmepumpen

Großwärmepumpen in Mehrfamilienhäusern, Hotels sowie in Gewerbe- und Industriebetrieben können entscheidend zur CO2-Emissionsminderung und zur Kostensenkung beitragen. Allerdings fehlt es vielen Planern an Erfahrungen. Auch sind viele Anlagen zu komplex und deshalb schwierig zu steuern und zu regeln. Zu den Hintergründen äußert sich Peter Hubacher, Ressortleiter Qualitätssicherung bei der Fachvereinigung Wärmepumpen Schweiz (FWS).

Bei der Planung von Großwärmepumpen gibt es noch Handlungsbedarf. Peter Hubacher

 

 

IKZ-FACHPLANER: Der Großwärmepumpe und hier insbesondere der Hochtemperatur-Wärmepumpe wird von Marktforschern ein hohes Marktpotenzial attestiert. Ab welcher Leistung spricht man von einer Großwärmepumpe und ab welcher Heiztemperatur von einer Hochtemperatur-Wärmepumpe?

Peter Hubacher: Die Abgrenzung zwischen Großwärmepumpen und Kleinanlagen hat aus meiner Sicht weniger mit der Größe zu tun, als vielmehr mit der Konzeption der Anlage. Ein Anlagenkonzept mit 100 bis 200 kW für ein Gebäude mit einer bis drei Heizgruppen ist deutlich einfacher als ein Konzept für die gleiche Wärmeleistung mit mehreren Gebäuden in einem Nahwärmeverbund. Somit neige ich dazu, größere Anlagen für nur ein Gebäude nicht den Großwärmepumpen zuzuordnen. Die Frage der Heiztemperatur ist weniger im Rahmen von Groß- oder Kleinanlagen zu sehen, da die maximale Temperaturanforderung eine grundsätzliche technische Anpassung erfordert. Ich beurteile die Wärmepumpen in diesem Bereich eigentlich nach dem Temperaturhub und nicht nach der maximal notwendigen Heiztemperatur. Ab Vorlauftemperaturen von 60 bis 65°C kann man aber sicher von Hochtemperatur-Wärmepumpen sprechen.

IKZ-FACHPLANER: Sie haben umfangreiche Feldtests an Wärmepumpen durchgeführt und sich dadurch als Wärmepumpendoktor über die Grenzen der Schweiz hinaus einen Namen gemacht. Welche Art von Großwärmepumpen wurde von Ihnen und Ihrem Team untersucht und um welche Art von Anwendungen handelt es sich?

Peter Hubacher: Hubacher Engineering hat im Rahmen von zwei BFE-Projekten1) insgesamt 30 Großwärmepumpenanlagen genauer angeschaut und bei 23 Anlagen die technischen Unterlagen geprüft. Bei 20 Anlagen hatten wir die Gelegenheit zur Überprüfung der Betriebsbedingungen vor Ort. Bei diesen Anlagen waren auch mehr oder weniger die Betriebszahlen vorhanden. Dabei handelt es sich um Anlagen für den Wohnungsbau sowie für Gewerbe- und Industriebauten.

IKZ-FACHPLANER: Die Probleme bei Hauswärmepumpen liegen meist in der Dimensionierung, der Hydraulik und der Regelung. Wo liegen die Schwachstellen nach Ihrer Erfahrung bei Großwärmepumpen?

Peter Hubacher: Sicher ist die Dimensionierung einer der kritischen Punkte. Es ist aber speziell auch die hydraulische Einbindung und zwar nicht nur in der Zentrale, sondern genauso die konzeptionelle Planung und die Wärmeverteilung. Sie sprechen aber auch die Regeltechnik an, die leider zu oft unvollständig oder zu wenig auf die Anlagenbedürfnisse angepasst ist. Ich stelle in vielen Fällen fest, dass es keine anlagenspezifische Funktionsbeschreibung gibt, die schlussendlich die Basis für die Regelung darstellt.

IKZ-FACHPLANER: Potenzielle Industrieanwender von Großwärmepumpen kritisierten auf der zurückliegenden Kälte-Klima-Fachmesse Chillventa im Jahr 2012 das fehlende Know-how bei Planern, äußerten Zweifel an der Zuverlässigkeit der Technik und forderten mehr Informationen über den Stand der Technik. Ist diese Kritik auch heute noch gerechtfertigt?

Peter Hubacher: Es ist schon so, dass die Planer nicht immer das notwendige Fachwissen speziell für Wärmepumpenanlagen haben und leider in vielen Fällen die Erfahrung fast ganz fehlt. Hingegen wehre ich mich vehement gegen die Aussage, dass die Wärmepumpentechnik als solche nicht zuverlässig ist. Wo ich Handlungsbedarf sehe, ist bei der Planung, respektive auch bei den Anforderungen an solche Maschinen. Oft will der Planer eine super ausgeklügelte Anlage mit teilweise fast unsinnigen Anforderungen verwirklichen, die der Erbauer der Wärmepumpe aufnimmt oder es zumindest versucht. Das Resultat ist dann eine komplexe Anlage, die schwierig zu betreiben ist und bei der die Anforderungen an die Steuerung und Regelung schlecht planbar und kaum umsetzbar sind. Darum auch hier meine Botschaft, die ich auch bei Kleinanlagen immer wieder zum Ausdruck bringe: "Je einfacher das Anlagenkonzept, desto besser die Effizienz der Anlage." Natürlich beinhaltet der Begriff "einfach" bei Großanlagen schon einen technisch höheren Level als bei Hauswärmepumpen.

IKZ-FACHPLANER: Wie ist Ihre Einschätzung bei Großwärmepumpen: Eher hin zu höheren Leistungen oder zu höheren Heiztemperaturen? In Japan werden Wärmepumpen bereits zur Dampferzeugung von bis zu 165°C eingesetzt. Macht das Sinn?

Peter Hubacher: Wie sich die Wärmepumpenszene weiter entwickelt, ist trotz eines gewissen positiven Markttrends nicht ganz einfach vorauszusagen. Die Tatsache, dass mittels Wärmepumpen mit einer Jahresarbeitszahl von größer 3.0 als derzeitige Minimalanforderung, die Vorgaben zur Reduzierung der CO2-Emissionen schneller erreicht werden können als mit konventionellen fossilen Strategien, dürfte klar sein. Also wird es sich immer lohnen, die Wärmepumpentechnik weiter voran zu treiben. Natürlich ist es möglich, mit einer Wärmepumpe höhere Temperaturen zu erzielen, wie beispielsweise die von Ihnen genannten 165 °C. Die Heiztemperatur einer Wärmepumpe und deren Effizienz hängen lediglich von der Wahl des Kältemittels, vom Temperaturhub und allenfalls von einem mehrstufigen Prozess ab.

IKZ-FACHPLANER: Ein Grund für die Unsicherheit bei Großwärmepumpen könnte auch die Kältemittelfrage sein. Welche Kältemittel haben sich bei großen Leistungen, welche bei großen Temperaturhüben bewährt?

Peter Hubacher: Bei Großanlagen werden oft natürliche Kältemittel, wie beispielsweise Ammoniak (NH3), das vom Einsatzbereich gut liegt, verwendet. Bei diesem Kältemittel sind zusätzliche Vorschriften hinsichtlich Belüftung des Maschinenraums, Explosionsschutz und Mengenbegrenzung einzuhalten, sodass es sich erst bei größeren Anlagen lohnt. Ammoniak ist extrem stark riechend und ätzend und wird deshalb in Zentralen direkt im Wohnbereich kaum eingesetzt.

Hat man einen großen Temperaturhub, wie beispielsweise bei der Trinkwassererwärmung, kann auch CO2 als Kältemittel eingesetzt werden. Solche Anlagen sind bei Sportanlagen oder bei der Prozesswasser-Erwärmung mit großem Temperaturhub interessant.

IKZ-FACHPLANER: Wie schätzen Sie die weitere Marktentwicklung bei Großwärmepumpen ein?

Peter Hubacher: Bereits heute geht der Trend zu Anlagen im Gesamtleistungsbereich von 150 bis 200 kW oder sogar noch höher. Aus meiner Erfahrung ist es aus heutiger Sicht sinnvoller, anstelle einer speziell für diese Leistung gebauten Wärmepumpe mehrere Serienmaschinen mit Leistungen von 50 bis 100 kW einzubauen. Die Vorteile dieser Lösung überwiegen in den meisten Fällen, da die Kosten mehrerer kleiner Serienwärmepumpen eher günstiger sind und die Betriebssicherheit durch die Redundanz besser ist. Bei geschickter Planung kann auch die Effizienz der Anlage sogar leicht besser sein.

Nicht zu unterschätzen ist das Bedürfnis, mit Wärmepumpenanlagen sowohl zu heizen als auch zu kühlen. Speziell in der Industrie liegt hier ein großes Potenzial. Selbst im gehobenen Wohnungsbau ist es in sonnenexponierten Gegenden heute üblich, Wärme und Kälte zur Raumkonditionierung zur Verfügung zu stellen.

Das Interview führte für uns Wolfgang Schmid, Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München.

1) Bundesamt für Energie (BFE), Bern.

 


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