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Insolvenzanfechtung – Gefahr aus der leeren Kasse

Leer waren zunächst die Kassen der Bauträgerfirma, als es darum ging, die Werklohnforderungen der Installationsfirma zu begleichen. Nach langem Hin und Her, Mahnungen, Gesprächen usw. schloss man einen Teilzahlungsvergleich. Kurze Zeit später ging die Bauträgerfirma Pleite. Die Freude des Installateurs, wenigstens einen Teil seiner Werklohnforderung doch noch bekommen zu haben, währte allerdings nicht lange. Dann kam er, der Brief des Insolvenzverwalters der Bauträgerfirma mit der Rückforderung der gezahlten Beträge...

 

Leider ist es nach verschiedenen Urteilen bittere Realität: erhaltene Werklohnzahlungen sind nicht sicher, sondern unter Umständen nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vertragspartners an den Insolvenzverwalter zurückzuzahlen. Das betrifft möglicherweise Zahlungen, die bis zu 10 Jahre vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens von insolventen Unternehmen an Gläubiger geleistet wurden. In jeder achten Insolvenz wird angefochten. Die Grundlage für diesen Vorgang ist das Recht des Insolvenzverwalters, Verfügungen der Pleitefirma anzufechten (siehe Infokasten).
Ziel ist es – so paradox es klingen mag – eine Befriedigung der Gläubiger anzustreben und zu diesem Zweck die Insolvenzmasse anzureichern. Allerdings dürfte es den meisten Insolvenzverwaltern zunächst erst einmal um die Abdeckung der Verfahrenskosten gehen. Böse Zungen behaupten: je größer die Insolvenzmasse, je länger die Verfahrensdauer und demzufolge die Kosten. Sofern dann noch etwas übrig ist, sind Quoten an die Gläubiger zu zahlen. Das Ergebnis sieht entsprechend unbefriedigend aus für die Gläubiger. Aber nach § 129 Abs. 1 InsO kann der Insolvenzverwalter eben nach Maßgabe der §§ 130 – 146 InsO Rechtshandlungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, anfechten.
Die Intention des Gesetzes geht dahin, die Gläubiger nach einer Insolvenzeröffnung gleichmäßig zu befriedigen. Vermögensverschiebungen, die vor Verfahrenseröffnung denkbar und real sind, sollen innerhalb eines anfechtungsrelevanten Zeitraumes revidiert werden können. Kein Gläubiger kann ein Interesse daran haben, dass sein Mitgläubiger bevorzugt behandelt wird, weil der Schuldner diesem – aus welchen Gründen auch immer – Vorteile einräumen will.
In der Praxis ist die Insolvenzanfechtung allerdings inzwischen ausgeufert. Redlich arbeitende Unternehmen bewegen sich über lange Zeiträume in Rechtsunsicherheit und kommen mitunter selbst an den Rand der Insolvenz. Alles vor dem Hintergrund nicht zu kalkulierender Rückforderungsansprüche der Insolvenzverwalter ehemaliger Vertragspartner.

Wann müssen Werkunternehmer um ihren Lohn fürchten?
Insolvenzverwalter werden Vermögensverfügungen dann erfolgreich anfechten können, wenn nach § 129 InsO eine Gläubigerbenachteiligung vorliegt und ein Anfechtungsgrund nach den §§ 130 bis 136 InsO besteht. Die Gründe für Anfechtungen können sehr vielschichtig sein. Immer dann, wenn Gläubiger von der Zahlungsunfähigkeit oder gar vom Insolvenz­eröffnungsantrag Kenntnis hatten, wird der Insolvenzverwalter häufig mit Erfolg Zahlungen anfechten können und zurückfordern. Es muss die positive Kenntnis des Gläubigers vorliegen. Gleichzusetzen mit dieser unmittelbaren Kenntnis ist das Wissen von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen. Also Vorsicht, gerade der Abschluss z. B. von Ratenzahlungen, schleppende Zahlungen oder Vollstreckungsverfahren implizieren dieses Wissen, mit dem dann später Anfechtungen begründet werden.
Wenn einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht wird, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit hätte beanspruchen können, liegt ebenfalls ein Anfechtungsgrund vor. Problematisch ist weiterhin, wenn ein Gläubiger weiß, dass der Schuldner andere Gläubiger nicht mehr oder nicht mehr vollständig befriedigen kann. Dann hat er hinzunehmen, dass er im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Besserstellung im Verhältnis zu den Mitgläubigern erwarten kann.
Nach § 133 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten 10 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen hat. Der Anfechtungsgegner muss den Vorsatz des Schuldners im Zeitpunkt der Handlung gekannt haben. Die Absicht der Gläubigerbenachteiligung muss nicht Beweggrund oder überwiegender Zweck der Handlung des Schuldners gewesen sein. Entscheidend sind vielmehr das Bewusstsein und der Wille, die übrigen Gläubiger zu benachteiligen. Es genügt, dass der Nachteil als mutmaßliche Folge des Handelns erkannt und billigend in Kauf genommen wurde.
Auch Geschenke oder andere geldwerte Vorteile kann sich ein Insolvenzverwalter zurückholen. Dabei wird die Beweislast für eine Schenkung vor dem Anfechtungszeitraum umgekehrt, um betrügerischen Rückdatierungen wirksam entgegenzutreten. Die Beweislast für die Gläubigerbenachteiligung und den Anfechtungsgrund liegt beim Insolvenzverwalter. Dabei erleichtert die gesetzliche Vermutung nach § 133 Abs. 1 S. 2 InsO es dem Verwalter, den Vorsatz nachzuweisen. Danach wird die Kenntnis des Vorsatzes vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
In die Schusslinie der Insolvenzverwalter geraten Vertragspartner des Schuldners oder die Rechtsnachfolger und Familienangehörige des Schuldners. Nach § 138 InsO kann sich der Anfechtungsanspruch auch gegen die dem Gemeinschuldner nahe stehenden natürlichen oder juristischen Personen richten.

Kann man sich als Gläubiger vor Anfechtungen schützen?
Es mag ein schwacher Trost sein: Nicht jede Insolvenzanfechtung ist gerichtsfest. Viele Rückforderungen sind unbegründet. „Rundumschläge“ von Insolvenzverwaltern, die den Einzelfall oberflächlich behandeln, haben inzwischen auch die Gerichte beschäftigt und zu Haftungsfolgen für Insolvenzverwalter geführt. Es lohnt sich genauer hinzuschauen, wenn Insolvenzverwalter Forderungen stellen. Vor allen Dingen ist Vorsicht geboten, wenn der Insolvenzverwalter von den Gläubigern zu erhaltenen Zahlungen Informationen einholen will. Schweigen ist Gold …
Wie bei vielen Konfliktthemen gilt auch für das Problem der Rückforderungen nach Insolvenzen: Die Kunst liegt in der Prävention. Nicht nur die Solvenzprüfung der Vertragspartner bekommt eine sehr hohe Bedeutung, sondern es ist auch die Sorgfalt und vor allem die Geschwindigkeit, mit der offene Forderungen verfolgt werden müssen. Je schneller der Schuldner zur Kasse gebeten wird, und zwar bevor er in die Zahlungskrise gerät, umso kleiner das Risiko, dass Anfechtungstatbestände entstehen. Je schneller Vollstreckungsmaßnahmen greifen, umso größer ist die Chance, die Zahlungen anschließend auch behalten zu können. Wenn eine Vollstreckung 3 Monate vor dem Insolvenz­antrag liegt, sind die Zahlungen daraus für den Gläubiger grundsätzlich sicher. Das Fazit daraus führt zu präzisen Zahlungsvereinbarungen, kurzen Zahlungszielen und schnellem Forderungseinzug. Auch schriftliche oder gar notarielle Schuld­anerkenntnisse helfen, weil sie prozessbeschleunigend wirken.

Versicherungsschutz über Zusatzklausel „Anfechtungsversicherung“
Die klassische Kreditversicherung bietet gegen die Anfechtungsmöglichkeit nur beschränkt Deckung. Grundsätzlich gelten Rückerstattungen an den Insolvenzverwalter im Rahmen des Versicherungs-Limits versichert, sofern ansonsten alle Voraussetzungen für den Versicherungsschutz im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen erfüllt sind. Durch die mögliche Kumulation von Rückforderungen ist aber eine deutliche Überschreitung des versicherten Limits nicht ausgeschlossen. Als Reaktion auf die aktuelle Entwicklung haben die Kreditversicherer zusätzliche Deckungskonzepte, die sogenannte Anfechtungsversicherung entwickelt. Diese kann jeweils als Ergänzung zu einem bestehenden Kreditversicherungsvertrag abgeschlossen werden. Gegen einen Mehrbetrag bekommt der Kunde eine Rückdeckung und eine zusätzliche Versicherungssumme für Rückforderungen aufgrund Lieferungen und Leistungen der vergangenen zehn Jahre.
Entgegen einigen missverständlich verfassten Werbebroschüren und vertriebsorientierten Aussagen von Versicherern ist in aktuellen Versicherungsbedingungen der Anfechtungsversicherung erkennbar, dass für den rückwärtigen Versicherungsschutz bereits bei Entstehung der angefochtenen Forderung (Datum der ursprünglichen Lieferung und Leistung) Versicherungsschutz gemäß den versicherungsvertraglichen Bedingungen der klassischen Kreditversicherung bestanden haben muss. In wenigen Konzepten ist die Möglichkeit einer rückwärtigen Deckung von angefochtenen Forderungen bis zu 10 Jahren auch ohne vorheriges Bestehen eines klassischen Kreditversicherungsvertrages vorgesehen. Voraussetzung für den Versicherungsschutz der Anfechtungsversicherung ist jedoch regelmäßig, dass bei Abschluss der Klausel noch kein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen das versicherte Unternehmen vorliegt.

Versicherungsfall – Beispiel
Ein SHK-Betrieb hat eine Kreditversicherung. Die Auftraggeberin, die A-GmbH, lässt er im August 2014 für 30 000,- Euro versichern. Im Jahre 2012 gab es schon einmal Zahlungsschwierigkeiten aus einem Bauvertrag. Damals wurden die Zahlungen zunächst gestundet und nach eindringlichen Mahnungen schließlich durch die Auftraggeberin Zug um Zug geleistet. Im September 2014 erfolgt die Leistung, Abnahme und Abrechnung. Eine Zahlung seitens der Auftraggeberin erfolgt nicht. Im Oktober 2014 meldet die Auftraggeberin Insolvenz an. Der Insolvenzverwalter ficht im Folgenden die Zahlungen aus dem Jahr 2012 in Höhe von 80 000,- Euro erfolgreich an.
Der Gesamtschaden beläuft sich demnach auf 30 000,- Euro aktuelle Forderungen plus dem Rückzahlungsanspruch in Höhe von 80 000,- Euro auf insgesamt 110 000,- Euro.

Fall A: Entschädigung auf der Basis der bisherigen Kreditversicherung:
Die Versicherung zahlt 30 000,- Euro, abzüglich des Selbstbehaltes. Für den Schaden aus der erfolgreichen Anfechtung des Insolvenzverwalters besteht kein Versicherungsschutz, da das versicherte Limit überschritten ist. Schadenhöhe für den SHK-Betrieb demnach: 80 000,- Euro.

Fall B: Entschädigung auf der Basis einer Kreditversicherung mit Anfechtungsklausel:
SHK-Betrieb hat mit seiner Versicherung eine Vereinbarung über eine „Erhöhung des Versicherungsschutzes bei Insolvenzanfechtung mit Rückdeckung“. Demnach bezahlt die Versicherung sowohl den aktuellen Forderungsausfall in Höhe von 30 000,- Euro als auch die 80 000,- Euro aus der Anfechtung, abzüglich des Selbstbehaltes. Als Schadenhöhe für den SHK-Betrieb bleibt der Selbstbehalt.

Handeln notwendig?
Besteht bereits eine Kreditversicherung, ist die Erweiterung um die Anfechtungsversicherung eine Möglichkeit, um den geschilderten Umständen entgegenzutreten. Betriebe, die bisher generell auf Versicherungsschutz verzichtet haben, stehen aufgrund der Rückforderungsmöglichkeit vor einem deutlich höheren Risiko und sollten den Abschluss einer individuell zugeschnittenen Kreditversicherung inkl. der Erweiterung um die Anfechtungsversicherung abwägen.

Autoren:
Dr. jur. Hans-Michael Dimanski, Dr. Dimanski • Kalkbrenner • Schermaul, Rechtsanwälte
Herbert Storck, Geschäftsführer der Dr. Schmidt & Erdsiek Gruppe, Zentrale Minden

www.ra-dp.de

§ 133 InsO Vorsätzliche Benachteiligung

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
(2) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

 


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