Heiße Sache - Hochtemperatur-Wärmepumpen erschließen neue Einsatzbereiche in Industrie und Gewerbe
Während Wärmepumpen für die Beheizung von Ein- und Mehrfamilienhäusern heute die meist verbreitete erneuerbare Technologie darstellen, ist der Einsatz in großen Gebäuden sowie in Industrie und Gewerbe eher selten zu finden. Der Einsatz von Großwärmepumpen (> 100 kW) und von Hochtemperatur-Wärmepumpen (bis 98°C) stellt jedoch, durch die erzielbaren Energie- und Betriebskosteneinsparungen, eine wirtschaftliche und umweltfreundliche Alternative zu konventionellen Heiz- oder Kühlsystemen dar.
Mit der heute am meisten verbreiteten Wärmepumpen-Technologie werden Heizungsvorlauftemperaturen von bis zu 65°C erzeugt. Als Wärmequelle kann Umgebungswärme, wie zum Beispiel Grundwasser, Erdreich oder Außenluft, dienen. Der Vorteil der Wärmequelle Grundwasser und Erdreich besteht darin, dass, im Gegensatz zur Außenluft, die Wärmemenge ganzjährig mit relativ hohen, konstanten Temperaturen zur Verfügung steht. Auch Abwärme kann als Wärmequelle genutzt werden. Hier ist zum Beispiel die Nutzung von In-House-Abwärme aus Serverräumen, Abluftsystemen, Klimasystemen oder Kältenetzen möglich. Aber auch die Abwärme aus Abwasserkanälen kann als Wärmequelle herangezogen werden.
Die realisierbare Vorlauftemperatur ist durch die Temperaturen im Kreisprozess, welche durch die thermodynamischen Eigenschaften des Kältemittels beeinflusst werden, begrenzt. Des Weiteren haben auch die maximal zulässigen Temperaturen in den Komponenten, insbesondere im Verdichter, Einfluss auf die höchstmögliche Vorlauftemperatur. Bei einer heute üblichen Wärmepumpe liegen die Temperaturen des Arbeitskreises in etwa wie folgt (Beispiel: Kältemittel R134a):
1. Verdampfung des Arbeitsmittels während der Wärmeaufnahme von der Wärmequelle bei 4°C (Wärmequelle Wasser mit 10°C).
2. Kompression des Arbeitsmittels durch den Verdichter bei 95°C Heißgastemperatur.
3. Kondensation (Verflüssigung) des Arbeitsmittels und Abgabe der frei werdenden Wärme an das Heizsystem: Heizungs-Vorlauftemperatur bis 65°C.
4. Expansion (über Expansionsventil) vor der erneuten Wärmeaufnahme (Verdampfung) im Kreisprozess (von ca. 95°C auf ca. 4°C).
Hochtemperatur-Wärmepumpe bis 98°C
Weil diese Vorlauftemperaturen nicht immer ausreichen, hat der Wärmepumpenhersteller Ochsner eine spezielle Hochtemperatur-Wärmepumpe entwickelt, die Vorlauftemperaturen von bis zu 98°C realisieren kann. Je nach Wärmequellentemperatur ist dafür ein zweistufiger oder einstufiger Kreisprozess erforderlich. Mit der Technologie kann die Temperaturspreizung der Wärmenutzungsanlage wie meist erforderlich zwischen 5 und 10 Kelvin (K) gehalten werden. Dies stellt eine technische Neuheit dar, denn der Einsatz ist nicht – wie bei CO2 als Kältemittel – auf ein extrem hohes Temperaturgefälle von zum Beispiel 80°C auf 30°C beschränkt.
Die Bewältigung des für die Hochtemperatur-Wärmepumpe benötigten Temperaturhubes von zum Beispiel 10°C (Wärmequelle Grundwasser) auf 98°C (Wärmenutzung/Heizungswasser) wurde durch einen zweistufigen Kreisprozess gelöst. Hersteller Ochsner wählte für die erste Stufe das Kältemittel R134a und für die zweite Stufe das Kältemittel ÖKO 1 (low GWP FKW-Sicherheitskältemittel, unbrennbar, ungiftig, mit niedriger Drucklage). Beim zweistufigen Kreisprozess bildet der Kondensator der ersten Stufe den Verdampfer für die zweite Stufe. Als Wärmequelle können bei der zweistufigen Hochtemperatur-Wärmepumpe ebenfalls Grundwasser, Erdreich oder Abwärme (EDV, Abluft, Kälteanlagen, Abwasser etc.) herangezogen werden.
Einstufige Fahrweise bei hohen Wärmequellentemperaturen
Bei der einstufigen Hochtemperatur-Wärmepumpe können Wärmequellentemperaturen zwischen 30 und 55°C genutzt und Vorlauftemperaturen von bis zu 98°C erreicht werden. Für den einstufigen Kältekreis kommt das Kältemittel ÖKO 1 zum Einsatz. Als Wärmequelle kann zum Beispiel die Abwärme aus mechanischen Fertigungsprozessen herangezogen werden. Auch die Abwärme, die durch diverse Kühlprozesse zum Beispiel in der Lebensmittelindustrie, Chemie- und Pharmaindustrie, Kunststoffindustrie oder metallverarbeitenden Industrie abgeführt werden muss, kann genutzt werden. Dadurch können die in vielen Fällen erforderlichen Kühltürme oder Energievernichtungsanlagen (Rückkühler) zum Abführen der Abwärme durch eine Wärmepumpe, mit welcher die Abwärme genutzt und auf ein höheres Temperaturniveau (bis zu 98°C) gebracht werden kann, ersetzt werden. Auch die Abwärme aus chemischen oder industriellen Prozessen lässt sich als Wärmequelle nutzen.
Heizen und Kühlen gleichzeitig
Abwärme ist heute weitgehend ungenützt und belastet unsere Umwelt. In vielen Gebäuden und Industriebranchen ist der Wärmebedarf (Heizen, Prozesswärme) und Kältebedarf (Klimatisierung, Prozesskälte) oft gleichzeitig gegeben. Anstatt Wärme mit einem Brennstoffkessel und Kälte parallel dazu mit einem Kaltwassersatz zu erzeugen, kann eine Wärmepumpe beide Funktionen – Heizen & Kühlen – gleichzeitig viel wirtschaftlicher erfüllen. Der COP der Wärmepumpe kann dabei addiert werden. Das heißt, der Nutzen der Wärmepumpe als Wärmeerzeuger kann zum Nutzen der Wärmepumpe als gleichzeitiger Kälteerzeuger gerechnet werden, z.B.:
COP Prozesswärme = 4,5
(ca. 45°C Wärmequelle auf 85°C
Prozess-Vorlauftemperatur)
COP Prozesskühlung = 3
COP summarisch = 7,5.
Ein gutes Beispiel aus der Praxis stellt der Einsatz von zwei Ochsner Wärmepumpen beim Bürogebäude Vattenfall in Hamburg dar. Hier wird die Abwärme aus den EDV-Serverräumen als Wärmequelle (ca. 12°C, 6°C Vorlauftemperatur Kältenetz) genutzt, um das Bürogebäude zu beheizen (Vorlauftemperatur: bis zu 45°C). Messergebnisse (August 2011-August 2012) zeigen, dass ein durchschnittlicher COP für das Heizen von 4,43 und für das Kühlen von 3,35 erreicht werden. Dies ergibt einen summarischen COP von 7,78. Bei diesen Betriebszuständen werden wirtschaftlich nicht zu überbietende Energie-Effizienzen und damit CO2-Einsparungen erreicht.
Einsatzgebiete für Großwärme- und Hochtemperatur-Wärmepumpen
- In großvolumigen Gebäuden, wie zum Beispiel Bürogebäude, Wohnbauten, Verwaltungsgebäude, Bildungsstätten, Krankenhäuser, Supermärkte, Lagerhallen, Produktionsstätten etc. kann die Wärmepumpe zum Heizen und Klimatisieren eingesetzt werden. Da in solchen Gebäuden oftmals ein Kühl- und Heizbedarf gleichzeitig vorliegt, ist die Anwendung einer Wärmepumpe hier besonders wirtschaftlich und umweltfreundlich. Ein Vorzeigebeispiel ist das Bürogebäude von Vattenfall in Hamburg, bei welchem mit Turboverdichtern gleichzeitig gekühlt (Serverräume) und geheizt wird.
- Im Gastgewerbe und bei Sportstätten kann die Wärmepumpe zur Raumwärmebereitstellung und Klimatisierung, zur Beheizung von Schwimmbädern und zur Warmwasserbereitung eingesetzt werden. Hier ergeben sich meist relativ kurze Amortisationszeiten aufgrund des laufend hohen Heiz- und Wärmebedarfes und des teilweise gleichzeitigen Kältebedarfes zur Klimatisierung.
- Im Bereich der Landwirtschaft kann die Wärmepumpe zur Beheizung von Gewächshäusern oder von Teichen bei der Fischzucht eingesetzt werden.
- In öffentlichen Bereichen kann die von der Wärmepumpe erzeugte Wärme vor allem zur Eisfreihaltung von Straßen, Gleisanlagen, Betonpisten, Rasen- oder Sportfeldern genutzt werden.
- In vielen Industriebranchen, wie zum Beispiel Lebensmittel-, Chemie-, Pharma-, Kunststoff- oder metallverarbeitende Industrie, ist einerseits eine Kühlung bestimmter Prozessschritte und andererseits Prozesswärme erforderlich. Die große, bisher ungenützte Abwärmemenge der Kühlprozesse kann in vielen Fällen mit einfachen Wärmetauschern nicht mehr genützt werden. Hier kann mithilfe einer Wärmepumpe die Abwärme abgekühlt und gleichzeitig Prozesswärme generiert werden.
- Die Abwärme aus Heizwerken oder aus Fernwärmenetzen konnte bis dato durch den Einsatz von Wärmepumpen aufgrund des zu hohen Wärmequellentemperaturniveaus nicht genutzt werden. Durch die neuen Hochtemperatur-Wärmepumpen kann die derzeit ungenutzte Abwärme genutzt werden.
- Vor allem in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie werden große Heißwassermengen u.a. zu Reinigungs- und Produktionszwecken benötigt. Aufgrund diverser Hygienevorschriften oder Prozessbedingungen müssen diese großen Heißwassermengen oft bei hohen Temperaturen zur Verfügung gestellt werden. Mit den Hochtemperatur-Wärmepumpen können Heißwassertemperaturen bis 98°C erreicht werden. Wenn parallel Abwärmelasten aus Kühlprozessen anfallen, bietet die Wärmepumpe als gleichzeitiger Wärme- und Kälteerzeuger eine effiziente Lösung.
Nachgefragt
IKZ-HAUSTECHNIK: Mit der heute am meisten verbreiteten Wärmepumpen-Technologie kann man wie Sie schreiben Heizungsvorlauftemperaturen von bis zu 65°C erzeugen. Allerdings geht das bereits zulasten des Wirkungsgrades – sprich: die Leistungszahl und damit einhergehend die Jahresarbeitszahl verringern sich deutlich. Ist das energieeffizient?
Ulrike Herzog: Die Effizienz einer Wärmepumpe hängt natürlich stark vom Temperaturhub ab. Je geringer dieser ist, desto effizienter ist die Anlage. Bei einer Anwendung der Wärmepumpe als Heizung sollte somit darauf geachtet werden, die Vorlauftemperaturen so niedrig wie möglich zu halten um eine möglichst hohe Effizienz zu erreichen. Bei der Warmwasserbereitung sind zum Beispiel manchmal Temperaturen von bis zu 65°C gefordert, die bei vernünftigen Quelltemperaturen mehr als konkurrenzfähig zu konventionellen Wärmeerzeugern sind. Vor allem in der Industrie sind oftmals hohe Temperaturen zur Bereitstellung von Prozesswärme zum Beispiel unbedingt gefordert. Um diese hohen Temperaturen wirtschaftlich generieren zu können, liegt das Augenmerk auch auf der Findung geeigneter Wärmequellen, die, neben der geforderten Vorlauftemperatur, den zu erbringenden Temperaturhub der Wärmepumpe ebenfalls stark beeinflussen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Wo sehen Sie vor diesem Hintergrund die Haupt-Einsatzfelder für die Hochtemperaturtechnik?
Ulrike Herzog: Das Haupteinsatzfeld für einstufige Hochtemperatur-Wärmepumpen, die Wärmequellen zwischen 30 und 55°C nutzen, um Vorlauftemperaturen bis zu 98°C zu generieren, sehe ich zum Beispiel in der Nutzung industrieller Abwärme zur Erzeugung industrieller Prozesswärme. In vielen Industriebranchen wie Lebensmittel-, Pharma-, Chemie-, Metallindustrie etc. herrscht ein gleichzeitiger Kühl- und Wärmebedarf vor. Die wegzukühlende Abwärme wird oftmals in Kühltürmen oder anderen Rückkühlern vernichtet, während an anderen Stellen Prozesswärme benötigt wird. Dort wo eine Wärmerückgewinnung mit konventionellen Wärmetauschern nicht mehr möglich ist, bietet die Wärmepumpe die ideale Lösung, um kostenlos zur Verfügung stehende Abwärme – 30 bis 55°C – auf ein höheres Temperaturniveau zu bringen und um damit nutzbar zu machen. Solche Synergien aus gleichzeitigem Heiz- und Kältebedarf ergeben sich oftmals auch in großvolumigen Bürogebäuden oder auch Einkaufzentren etc. Hier kann mit der Wärmepumpe die Abwärme der erforderlichen Kühlung genutzt und in Heizenergie umgewandelt werden. Die Wärmepumpe dient gleichzeitig als Kältemaschine und Heizaggregat.
IKZ-HAUSTECHNIK: Gerade im industriellen Bereich spielt die Zuverlässigkeit eines Systems eine tragende Rolle. Produktionsausfälle gehen sofort in die Tausende. Inwieweit liegen überhaupt Erfahrungswerte mit dieser neuen Technologie vor?
Ulrike Herzog: Unsere Anlagen laufen sehr robust. Der Schraubenverdichter hat zum Beispiel erst bei 40000 Betriebsstunden die erste Lagerwartung. Das Lager wird nicht ausgetauscht, nur gewartet! Wir haben die Erfahrung, dass unsere Wärmepumpen in den ersten Betriebsjahren ohne Ersatzteile auskommen. Sollten Betriebsstörungen aus welchen Gründen auch immer dennoch auftauchen, dann steht für die Behebung des Problems der Werkskundendienst mit 35 Fahrzeugen zur Verfügung. Die Kundendienst-Techniker sind zertifizierte Kältetechniker und bestens mit unseren Anlagen vertraut, wodurch eine schnelle Behebung der Störung garantiert werden kann.
IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Leistungsbereiche können mit der Hochtemperatur-Wärmepumpe abgedeckt werden?
Ulrike Herzog: Der Leistungsbereich unserer Hochtemperatur-Wärmepumpen reicht von 190 bis 750 kW Heizleistung. Die erreichbare Heizleistung ist natürlich vom Betriebspunkt abhängig. Bei den zweistufigen Hochtemperatur-Wärmepumpen ist bei einer Wärmequellentemperatur von 10°C und einer Vorlauftemperatur von 85°C eine Heizleistung von bis zu ca. 736 kW möglich. Bei den einstufigen Hochtemperatur-Wärmepumpen liegt die Heizleistung unserer größten Anlage bei Wärmequellentemperatur 45°C und Vorlauftemperatur 85°C bei ca. 634 kW. Größere Leistungen sind natürlich durch die Möglichkeit einer Kaskadenschaltung erreichbar. In einer Kaskade können bis zu vier Wärmepumpen parallel oder in Serie gekoppelt werden.
IKZ-HAUSTECHNIK: Nicht immer ist die Nutzung von Abwärme direkt und problemlos möglich. Mitunter erschweren korrosive Gase oder Wasserinhaltsstoffe oder andere unerwünschte Eigenschaften der nutzbaren Wärmequellen dem Planer die Arbeit. Inwieweit unterstützen Sie mit Planungs-Know-how bei der Auslegung und ggf. Inbetriebnahme?
Ulrike Herzog: Da es sich vor allem im Industriebereich oftmals um komplexe Anwendungen handelt, bietet die Firma Ochsner bei der Planung und Auslegung solcher Anlagen Unterstützung an. Auch wir sind daran interessiert, für den Kunden die optimale Lösung zu finden, was nur durch eine offene Zusammenarbeit möglich ist. Die Inbetriebnahme der Anlagen wird selbstverständlich durch unsere zertifizierten Kundendienst-Techniker durchgeführt. Abhängig von der Komplexität der Anwendung, teilweise auch in Zusammenarbeit mit unseren Ingenieuren, um eine reibungslose Inbetriebnahme gewährleisten zu können.
Coefficient of Performance
Der COP (Coefficient of Performance) als Leistungszahl einer Wärmepumpe kann als „Energiemulitplikator“ angesehen werden. Er drückt das Verhältnis von eingesetzter (elektrischer) Energie zu erzeugter (Wärme) Energie aus. Ein COP von 4 bedeutet, dass aus 3 Teilen Energie aus Umgebungswärme oder Abwärme, welche kostenlos und (meist) unbegrenzt zur Verfügung steht, und 1 Teil Energie für den Antrieb (Elektrizität), welcher ebenfalls genutzt wird, 4 Teile nutzbare Wärme erzeugt werden können.
Autorin: Dipl.-Ing. Ulrike Herzog, Ochsner Wärmepumpen GmbH, E-Mail: ulrike.herzog@ochsner.at
Bilder: Ochsner Wärmepumpenwww.ochsner.at