Handel und Wandel: Versorgungssicherheit
1980 erfolgte die Umbenennung des VFG in "Deutscher Verband Flüssiggas e.v., kurz DVFG und, ein Jahr später, der Umzug von Frankfurt am Main in das nahegelegene Kronberg/Taunus. Zu den bisher in der Verbandsarbeit vorherrschenden wirtschaftlichen, energiepolitischen und technischen Themen musste sich der Verband im Laufe der 1980-er Jahre verstärkt auch mit Wettbewerbsverzerrungen zu anderen Energien und mit sicherheitstechnischen Fragen beschäftigen.
Im Binnenhafenterminal Mannheim liefern Binnentankschiffe mit einem Ladevolumen von bis zu 1200 Tonnen die Ware an. (Foto © Tyczka)
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Ausbau der Lagerkapazität.
Anfang der 1980-er Jahre zog die Nachfrage nach Flüssiggas derart an, dass neue Lieferquellen erschlossen werden mussten, wollte man weiterhin am wachsenden Markt teilhaben. Der große Energiebedarf und die in den 1970-er Jahren enorm gestiegenen Ölpreise waren auslösende Faktoren, die bisher an den Öl- und Erdgasaufbereitungsanlagen abgefackelten Gase aufzufangen, zu trennen, zu verflüssigen und sie einer wirtschaftlichen Verwertung zuzuführen. Da sie in den Erzeugerländern selbst - allen voran Saudi-Arabien, die Golf-Staaten, Libyen, Algerien, Venezuela und Mexiko - zum einen wegen der großen anfallenden Menge, zum anderen wegen der fehlenden Infrastruktur nicht verbraucht werden konnten, lag es nahe, diese zu importieren.
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Flüssiggas-Großlager in den frühen 1980-er Jahren.
Doch auch hierzulande musste zunächst die erforderliche Infrastruktur in Form von Transport- und Lagerkapazitäten geschaffen werden. Bereits 1977 war das Binnenhafen- Lager in Duisburg als Gemeinschaftsintiative von sechs Mitgliedsunternehmen entstanden. 1980 wurde das von Tyczka errichtete Binnenhafenterminal mit Tanklager in Mannheim eingeweiht. Von hier aus sollten Verbraucher in Industrie, Gewerbe und Hauhalten mittels Eisenbahnkesselwagen und Straßentankwagen beliefert werden. Die Versorgungssicherheit mit Energie wurde eines der dominierenden energiepolitischen Ziele der Bundesrepublik Deutschland.
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Zwischen 1981 und 1989 wurden 16 Raffinerien stillgelegt. Im Bild die Raffinerie Mannheim vor dem "Aus". (Foto: © Deutsche BP AG, Lingen).
Im DVFG wird 1983 der PR-Ausschuss gegründet, der seit 2002 auch den Bereich Werbung betreut. Als Erster Vorsitzender engagiert sich der inzwischen verstorbene Klaus Wirths von der Firma Klöckner, er hatte dieses Amt bis 1988 inne. Qualifizierte Öffentlichkeits- und Medienarbeit wird in der so genannten Informationsgesellschaft immer wichtiger. 1984 - Richard von Weizsäcker (CDU) wurde in diesem Jahr zum sechsten Bundespräsidenten ernannt - geht das Kabelfernsehen auf Sendung. Die auf die Erzielung von Gewinn ausgerichteten privaten Sender verändern die Medienlandschaft Deutschlands nachhaltig. Im Kampf um Einschaltquoten werden die journalistischen Darstellungsformen -Talkshows, Soap Operas und versteckte Kameras - zunehmend fragwürdiger. Und weil nur eine "schlechte" Nachricht eine "gute" Nachricht ist, läuft die "Empörungsbewirtschaftung" via Mattscheibe auf Hochtouren.
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Politisch gesehen brachten die Achtziger Jahre den Wechsel von der sozial-liberalen zur christlich-demokratischen Regierung. Hatte der wiedergewählte Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) nach der Bundestagswahl vom 5. Oktober 1980 in seiner Regierungserklärung noch zum "Mut zur Zukunft" aufgerufen, erschien die Bonner Regierung angesichts der schwersten Wirtschaftskrise seit Bestehen der Bundesrepublik zunehmend handlungsunfähig. Die Regierung Schmidts wurde 1982 durch ein konstruktives Misstrauensvotum gestürzt. Daran zerbrach auch die sozial-liberale Koalition, denn die FDP entschied sich für die CDU/CSU als neue Koalitionspartnerin. Am 1. Oktober 1982 übernahm der CDU-Vorsitzende Helmut Kohl das Amt des Regierungschefs. Knapp ein halbes Jahr später, am 6. März 1983, wurden Kohl und sein konservativer Kurs durch die Bundestagswahl vom Volk bestätigt.
Der bisherige Amtsinhaber Helmut Schmidt (rechts) gratuliert Helmut Kohl zu seiner Wahl als Bundeskanzler.
Signatur: B 145 Bild-45966; Fotograf: Ludwig Wegmann, 1. Okt. 1982: (Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung)
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Zeitgleich zu diesem Wechsel zeichnete sich ein anderer Umschwung ab. Bündnis 90/Die Grünen, die sich bereits im Januar 1980 als Bundespartei formiert hatten, zogen nach der Wahl von 1983 in den Bundestag ein. Die großen Parteien sahen sich durch den Erfolg der Grünen gezwungen, Umweltschutz zu thematisieren, wollten sie keine Wähler verlieren: Alarmierende Meldungen über Umwelt- und Gesundheitsschäden, hervorgerufen durch Luft-, Boden- und Gewässerverschmutzung, beunruhigten die Öffentlichkeit. Wie schwierig es jedoch war, zu Handeln, zeigte sich an der Diskussion über eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf bundesdeutschen Autobahnen - eine der vorgeschlagenen Maßnahmen gegen das "Waldsterben", ein neues Wort, das nicht nur in den Duden aufgenommen wurde, sondern auch Eingang in den französischen Wortschatz fand. Lediglich Hessen und Bremen konnten sich zu einem Großversuch "Tempo 100" durchringen, in den übrigen Bundesländern galt weiterhin "Freie Fahrt für freie Bürger". Die Bundesregierung sah die Lösung in der Ausrüstung von Neuwagen mit abgasvermindernden Katalysatoren, die ab 1989 zur Pflicht wurde. Das war ein herber Schlag für Flüssiggas. Mit der Einführung des Katalysators und bleifreien Benzins endete die Pionierphase des seit 1981 steuerbegünstigten Autogas sehr zum wirtschaftlichen Schaden der Branche. Nur kurze Zeit nach der Fertigstellung der großen Tanklager waren über 700 Autogastankstellen plötzlich wertlos.
Eröffnung der Flüssiggas-Tankstelle "Brohltal" an der A 61.
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Neben der Wirtschaftskrise prägte das Ringen um den NATO-Doppelbeschluss die politische Landschaft. Während sowohl die alte als auch die neue Regierung daran festhielten, entwickelte sich die Friedensbewegung zur größten Massenbewegung in der Geschichte der Bundesrepublik. Aber nicht nur in westlichen Ländern verband die Angst vor einem Atomkrieg Menschen über ihre politische Weltanschauung hinweg. Auch im Osten formierte sich Widerstand. 1985 kam in der damaligen Sowjetunion Michail Gorbatschow an die Macht, mit noch ungeahnten Folgen für die beiden deutschen Staaten. Seine privilegierte Position innerhalb der Partei hatte es ihm schon in den 1970-er Jahren erlaubt, auch das westliche Ausland zu bereisen, was seine politischen und sozialen Ansichten beeinflusste. Doch erst Premierministerin Margaret Thatcher erkannte den neuartigen Politikstil Gorbatschows und empfahl ihn dem US-Präsidenten Ronald Reagan, angeblich mit den Worten: »I like Mr. Gorbachev. We can do business together«.
Auch das Business der Flüssiggasbranche entwickelt sich positiv, 1984 überschreitet der Inlandsabsatz des Deutschen Verbands Flüssiggas erstmals die Grenze von einer Million Tonnen. Und das, obwohl Erdgas zwischenzeitlich ein beträchtliches Marktvolumen erreicht hat und auch mit Hilfe kommunaler Unterstützung machtvoll weiter expandieren kann.
Hinsichtlich der gewachsenen sicherheitstechnischen Bedürfnisse etabliert der DVFG 1987 den Flüssiggas Sicherheitsdienst, kurz FSD genannt. Die Initiative zur Gefahrenbeseitigung bei Betriebsstörungen, Unfällen oder Bränden bündelt das Knowhow von 250 erfahrenen Technikern, die bei Störfällen den Einsatzleitungen öffentlicher Dienste, Behörden und Feuerwehren rund um die Uhr beratend zur Verfügung stehen. Die Sachkundigen können an ihren Standorten auf geeignetes Personal, Fahrzeuge und technisches Hilfsmaterial zurückgreifen. Im Jahr 2008 wurde die FSD-Leitstelle in Frankfurt am Main 167-mal zu Rate gezogen. Die Leitsachverständigen des FSD verfassten insgesamt 18 Einsatzprotokolle, davon betrafen 16 direkt das Thema Flüssiggas. In zwei Fällen handelte es sich um andere Gase, die entsprechenden Notrufnummern wurden vermittelt.
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Zum Ende des Jahrzehnts löste sich der Ost/West-Konflikt überraschend mit dem Zusammenbruch des so genannten »Ostblocks«: 1989 formierte sich eine breite Opposition in der damaligen DDR. Am 2. Mai des gleichen Jahres öffnete Ungarn seine Grenzen zum Westen. Danach überstürzten sich die Ereignisse. Am 9. November öffnete die DDR ihre Grenzen, am 10. November fiel die Mauer. Am 13. November wurde der SED-Politiker Hans Modrow zum Vorsitzenden des Ministerrates der DDR gewählt. Er bemühte sich um den Dialog mit Bürgerrechtlern und oppositionellen Gruppen, doch der drohende Untergang der Deutschen Demokratischen Republik ließ sich nicht mehr aufhalten. Am 3.Oktober 1990 war Deutschland wieder vereinigt, mit Berlin als Hauptstadt. Sofort begann eine rege Bautätigkeit: Ministerien, Behörden und Verbände zog es in die neue Bundeshauptstadt. Doch es vergingen noch einige Jahre, bevor auch der DVFG seinen Sitz nach Berlin verlegte.
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Am 9. November öffnet die DDR ihre Grenze zur Bundesrepublik, nach 28 Jahren fällt die Mauer. Bewohner aus beiden Teilen der Stadt auf der Mauerkrone in der Nähe des Reichstagsgebäudes im Gespräch mit DDR-Volkspolizisten.
Signatur: B 145 Bild-10488; Fotograf: Klaus Lehnartz (Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung)
Kuriosum am Rande
1986 präsentierte die Lufthansa der Öffentlichkeit ihre ersten beiden Flugschülerinnen, Eva Lausmann und Nicola Lunemann. Nicht ganz freiwillig: das Staatsunternehmen war wegen seiner Einstellungspraxis (Zitat: "Eher wird eine Frau Boxweltmeister im Schwergewicht als Kapitän bei der Lufthansa") in die Kritik der öffentlichen Meinung geraten. Nach Beendigung der zweijährigen Ausbildung flogen die beiden Frauen als Copilotinnen der Boeing 737. Nicola, die 1984 als Stewardess bei der Kranichlinie begonnen hatte, kam am 31. Januar 2000 "vorne links" im Cockpit an: als erste verantwortliche Verkehrsflugzeugführerin bei der Lufthansa auf dem Kapitänssitz einer Boeing 737. Bevor es soweit war, hatte sich das inzwischen privatisierte Unternehmen die Wortschöpfung "Kapitänin" gesichert.