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Hand, Arm und Schulter schützen

Lärm und Vibrationen mindern – gutes Werkzeug ist elementar

Diesen leistungsstarken Akku-Bohrhammer brachte Bosch bereits 2022 auf den Markt. Er bietet u. a. „Vibration Control“, eine aktive Vibrationsdämpfung „mit Gegenschwinger“. (Bosch PowerTools)

Serie Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz im SHK-Betrieb

Die Excel-Tabelle „Orientierungswerte für Hand-Arm-Vibrationen (HAV)“ [9] der BAuA (Auszug) zeigt die Vibrationsbelastung durch ein Gerät, je nach Expositionszeit (Punktwert/Farbe). (LAVG Brandenburg)

Hiltis „Aktive Vibrationsreduktion“ (AVR) besteht u.a. im Sub-Chassis System, einer Federung, die den Motor vom äußeren Gehäuse isoliert. (Hilti)

Blick ins Gehäuseinnere, hier wird die Vibrationsreduktion über einen dynamischen Masse-Feder-Dämpfer herbeigeführt. (Hilti)

Ein entkoppelter Handgriffgibt zusätzlichen Schutz durch einen Dämpfungsmechanismus. (Hilti)

 

Arbeitsschutz ist als betriebliche Aufgabe stets aktuell. Es gibt neue regulatorische Anforderungen, aber auch viele Produkte und Anwendungen rund um die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz im SHK-Betrieb, wie unsere mehrteilige Serie zeigt. In Teil 4 geht es um den Schutz vor den Vibrationen, die von handgehaltenen bzw. handgeführten motorbetriebenen Werkzeugen ausgeht.

Hämmern, Bohren, Schneiden, Schleifen – keine Baustelle ohne handgehaltenes bzw. handgeführtes Werkzeug. Während der Bediener Bohrlöcher setzt, Schrauben eindreht, die „Schleifhexe“ (Trennschleifer) führt oder unter Krafteinsatz mit dem Stemmhammer alte Badfliesen abschlägt, ist er dem Lärm und den mechanischen Schwingungen des Geräts [1], den Vibrationen, ausgesetzt. Um deren Auswirkungen auf den Bediener, und um die Maßnahmen, vom Arbeitgeber erwartet werden, geht es im Folgenden: 

  • Maschinen stellen aufgrund von Vibrationseinwirkung eine Gefährdung dar.
  • Mögliche Auswirkungen sind Berufskrankheiten.
  • Pflichten des Arbeitgebers (gemäß Verordnung).
  • Feststellung der Gefährdung, gegebenenfalls Maßnahmen erforderlich
  • Beim Kauf neuer Maschinen auf die Vi brationsangaben des Herstellers achten

Berufskrankheiten verhindern

Bestrebungen, die Belastung durch Vibrationen zu begrenzen, gab es ab den 1970er Jahren. Anfang der 2000erJahre kam die EU-Richtlinie 2002/44/EG [2] heraus, „über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (Vibrationen)“. In Deutschland wurde die Richtlinie 2007 mit der „Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen (Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung, kurz: LärmVibrationsArbSchV) [3] umgesetzt.

Neu waren die Einführung eines Grenzwerts und die Forderung nach Maßnahmen durch den Arbeitgeber. Die Belastungen unterscheiden sich. Lärm beeinträchtigt alle im Umkreis. Um die Belastungen zu bewerten, sind gesonderte Messund Berechnungsverfahren, um sie zu verringern, eigene Maßnahmenpakete erforderlich. Daher fordert die LärmVibrationsArbSchV zu jeder Belastungsart eine eigene Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Arbeitsschutzgesetz. Entsprechend wurden in den 2010er Jahren mehrere Technische Regeln zur Lärmund Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (TRLV) veröffentlicht, darunter die TRLV Vibration Teil 1 [4], im Folgenden auch oft kurz „TRLV“ genannt.

Auswirkung von Vibrationen

Aus Sicht des Arbeitsschutzes sind Vibrationen Schwingungen, die auf den Menschen einwirken („Humanschwingungen“). Wie belastend diese sind, hängt ab von der Intensität (Amplitude) und der Frequenz, von der Art der Schwingungen, ob diese z. B. harmonisch oder stoßhaltig erfolgen, der Richtung (vertikal, horizontal) und nicht zuletzt von der zeitlichen Dauer. Bei der Arbeit kommen Belastungen hinzu wie ungünstige Körperhaltungen (über Kopf oder gebückt Arbeiten). Zudem steigern die Kräfte, die der Bediener selber auf die Geräte ausübt (Andruckund Greifkraft, die sogenannten Ankopplungskräfte) die Wirkung von Vibrationen.

Langfristig können HandArmVibrationen (HAV) die Gesundheit gefährden, bis hin zur anerkannten Berufskrankheit (BK). Es treten pathologische Veränderungen der Knochenoder Gelenke (BK 2103) auf, oder aber krampfartige Durchblutungsstörungen in den Fingern (RaynaudSyndrom, auch: „Weißfingerkrankheit“; BK 2104). HAV gehören zu den Ursachen für die Nervenquetschung im Unterarm (Karpaltunnelsyndrom, BK 2113). Zudem gehören ab April dieses Jahres Schulterprobleme, die z. B. durch „Überschulterarbeit […] oder HandArmSchwingungen verursacht wurden, zu den anerkannten Berufskrankheiten (BK 2117) [5].

Treten häufiger Beeinträchtigungen auf und entwickeln sich zur Erkrankung, kann es erforderlich sein, von den entsprechenden Arbeitsgeräten buchstäblich die Finger zu lassen. Vorausgegangen ist eine schleichende Schädigung über die Jahre, die meist nicht mehr rückgängig zu machen ist. Die Vorgaben der LärmVibrationsArbSchV zielen darauf ab, die einwirkenden Vibrationen bei entsprechenden Tätigkeiten möglichst gering zu halten und die Gesamtbelastung kontinuierlich zu beobachten.

Exposition berechnen

Die TRLV Teil 1 Vibrationen enthält eine nicht vollständige Liste mit Geräten, Maschinen und Werkzeugen (S. 7), die eine Gefährdungsbeurteilung erforderlich machen – vom Abbauhammer über die handgehaltene Kernbohrmaschine bis zum Winkelschleifer. Der Arbeitgeber bzw. eine sachkundige Person berechnen für jeden Mitarbeiter die Tagesvibrationsbelastung, je nach Aufgabenprofil(en). Dazu werden

  • die Vibrationsemissionen jedes einzelnen Geräts ermittelt (ein Beschleunigungswert in m/s2)
  • und mit der Einwirkungsdauer (z.B. der Expositionszeit in Std.) 

korreliert. Es stellt sich die Frage, welche Anforderungen sich aus den ermittelten Werten ergeben. Zu diesem Zweck gibt es eine Punktetabelle (nach DIN V 45694), die auch in der TRLV abgedruckt ist. Die Tabelle funktioniert mittels Farben, grün, gelb, rot, im Ampelsystem. Die Farbe deutet auf den Bedarf hin, Maßnahmen zu ergreifen. Die selbst ermittelten Werte lassen sich hier schnell zuordnen, der Farbwert zeigt den Handlungsbedarf.

Wie ist das Vorgehen? Um die Geräte auf die von ihnen ausgehenden Vibrationsbelastungen hin zu beurteilen, werden am besten eigene Messwerte verwendet – die aber oft nicht vorliegen. Welche Informationen stattdessen zugrunde gelegt werden können – über Messwerte aus anderen Betrieben, Herstellerangaben aus der Bedienungsanleitung [6] (bei älteren Geräten eventuell multipliziert mit einem Korrekturwert [7]), bis zu branchenbezogenen Gefährdungstabellen [9] der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) – zeigt das Flussdiagramm in der TRLV: „Rangfolge der Informationsquellen bei der Beurteilung der Gefährdung durch Vibrationen“ [8].

Was die „Einwirkungsdauer“ angeht (gemäß DIN V 45694), wird nur die – mehr oder weniger kurze – Phase zwischen „Start“ und „Stop“ gewertet, in der das Gerät eingeschaltet und die Hand den Vibrationen ausgesetzt ist. Die „Benutzungsdauer“ des Geräts, mit allen Vorbereitungen und Arbeitsunterbrechungen bis hin zum Wegpacken, ist ja deutlich länger. Gibt es über den Tag mehrere der kurzen Einwirkungsphasen, werden diese zu einer Gesamteinwirkungsdauer summiert. Die TRLV nennt als Beispiel die Einwirkungsdauer beim Bohren von Dübellöchern mit einem Bohrhammer. Diese wird bestimmt, indem die meist nur wenige Sekunden dauernde Zeit für ein Bohrloch gemessen und dann mit der Zahl der am Tag gesetzten Dübel multipliziert wird.

Werden am Tag unterschiedliche vibrierende Geräte eingesetzt, muss diese Berechnung für alle Geräte einzeln erfolgen. Daraus wird ein Tages-Vibrationsexpositionswert A(8) – die (8) steht für einen zugrunde gelegten 8Std. Tag – berechnet. Die entsprechenden Berechnungsformeln sind in der genannten TRLV in Anhang 3 zu finden. Zudem hat das Institut für Arbeitsschutz (IFA) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung ein ExcelTool zum Download zur Verfügung gestellt [10].

Grenzwert und Bewertung

Noch einmal zur Einschätzung der eigenen ermittelten Werte anhand der Punktetabelle. Die Farben rot, gelb, grün signalisieren dem Arbeitgeber den Handlungsbedarf, dieser ist für gelb und rot definiert. Den Farben liegen zwei Werte zugrunde – der „Auslösewert“, darüber beginnt der gelbe Bereich und der „Expositionsgrenzwert“, mit dem der rote Bereich beginnt. Beide Werte beziehen sich auf den 8Std. Arbeitstag A(8). Die Werte sind in § 9 LärmVibrationsArbSchV definiert:

  • Auslösewert A(8) = 2,5 m/s2
  • Expositionsgrenzwert A(8) = 5 m/s2

Diesen Werte sind im Sinne der Punktetabelle ebenfalls Punktwerte zugeordnet:

  • Auslösewert A(8) = 100
  • Expositionsgrenzwert A(8) = 400 Der Expositionsgrenzwert A(8) = 5 m/s2 entspricht somit 400 Punkten.

Die Farben bedeuten:

  • x 100: grüner Bereich – kein Handlungsbedarf
  • 100 x 400: gelber Bereich (über dem Auslöse, aber unter dem Expositionsgrenzwert). Erforderlich sind vibrationsmindernde Maßnahmen und das Angebot arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen an die Mitarbeiter.
  • x › 400: roter Bereich (über dem Expositionsgrenzwert). Sofortige vibrationsmindernde Maßnahmen; regelmäßige arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen für die Mitarbeiter sind verpflichtend.

Vibrationsarm arbeiten

Ist die Tagesexposition zu hoch, müssen die Vibrationen laut LärmVibrationsArbSchV „am Entstehungsort so weit wie möglich verringert werden“. Der erste Schritt wäre gemäß Hierarchie zu ergreifender Schutzmaßnahmen (STOP-Prinzip: Substitution, technische, organisatorische und persönliche Maßnahmen), zu überlegen, ob es alternative Verfahren gibt, z. B. durch den Einsatz von Geräten und Maschinen, deren Konstruktion die Vibrationen reduzieren, welche direkt an den Anwender übertragen werden. Das können ein Federungssystem sein, welches den Motor vom äußeren Gehäuse isoliert, Dämpfmechanismen im Geräteinnern, um Vibrationen entgegenzuwirken oder entkoppelte Handgriffe mit eigenem Dämpfungsmechanismus. Ein Merkblatt [12] gibt Hinweise für den Einkauf. Je geringer der Vibrationskennwert in der Bedienungsanleitung, desto vibrationsärmer ist das Gerät bei der Benutzung.

Geräte sollten regelmäßig gewartet und keinesfalls mit abgenutztem Zubehör verwendet werden. In einer kalten Umgebung sollten Handschuhe getragen werden. Zudem sollte der Bediener selbst so wenig Druck wie möglich ausüben und das Werkzeug die Arbeit machen lassen.

Literatur (Abruf: 3. März 2025):

(1) „Gerät“ im Sinne von „handgehaltenen oder handgeführten tragbaren Maschinen“, siehe DGUV-Information Emissionsangaben Lärm u. Vibrationen, S. 2 (Kurzlink: t1p.de/023_mrl_lae-vib)

(2) Kurzlink: t1p.de/EU-RL_2022-44

(3) Kurzlink: t1p.de/l_rmvib_2007

(4) Kurzlink: t1p.de/TRLV_V1

(5) Die neue BK 2117 „Läsion der Rotatorenmanschette der Schulter durch eine langjährige und intensive Belastung durch Überschulterarbeit, repetitive Bewegungen im Schultergelenk, Kraftanwendungen im Schulterbereich durch Heben von Lasten oder Hand-Arm-Schwingungen“ wurde am 24.02.2025 im Bundesgesetzblatt 50 veröffentlicht (Sechste Verordnung zur Änderung der Berufskrankheitenverordnung, Kurzlink: t1p.de/BK_2117).

(6) Gemäß novellierter EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, umgesetzt durch die 9. ProdSV (Maschinenverordnung) muss ein Schwingungsgesamtwert über 2,5 m/s2 genau angegeben werden, liegt er darunter, reicht diese Angabe (vgl. t1p.de/023_mrl_lae-vib, S.1). Ab dem 20. Januar 2027 müssen laut dann geltender neuer EU-Maschinenverordnung auch Werte unter 2,5 m/s2 ausgewiesen werden, und ein Kennwert für Stoßvibrationen ist anzugeben.

(7) Korrekturfaktoren zu Emissionswerten für Hand-Arm-Vibrationen (HAV), (Kurzlink: t1p.de/TRLV_V1-Kor).

(8) „Rangfolge der Informationsquellen bei der Beurteilung der Gefährdung durch Vibrationen mit Einordnung der Gefährdungstabellen gemäß Teil 1 Ziffer 4.2 der TRLV Vibrationen“ (Kurzlink: t1p.de/TRLV_V1-Rfg)

(9) Orientierungswerte für Hand-Arm-Vibrationen (HAV), (Kurzlink: t1p.de/TRLV_V1-Or)

(10) Kurzlink: t1p.de/TRLV_V1-Ber

(11) Punktetabelle gemäß DIN V 45694 oder TRLV, Teil 1, Anlage 3

(12) BAuA-Broschüre „Nutzung von Herstellerangaben zur Auswahl vibrationsarmer handgeführter Maschinen“ (Kurzlink: t1p.de/vib-ek)

 

Unterstützung

Zur Vibrationsminderung finden Unternehmen viel Material, u.a. auf den Seiten der BG Bau. Sie können für die Berechnungen zur Gefährdungsbeurteilung aber auch einen Dienstleister in Anspruch nehmen oder sich bzgl. der Maßnahmen beraten lassen. Ein Anbieter unter vielen ist das „Ingenieurbüro für Vibration am Arbeitsplatz“ von Dipl.Ing. Uwe Kaulbars, der viele Jahre für die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung im Bereich Vibrationsexposition tätig war.

www.humanvibration.de

 


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