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Geändertes Verfahren zur Kühllastermittlung - Kühllastberechnung nach neuer VDI-Richtlinie 2078

Zahlreiche Neuerungen wurden mit der im Juni 2015 erschienenen VDI-Richtlinie 2078 „Berechnung der thermischen Lasten und Raumtemperaturen (Auslegung Kühllast und Jahressimulation)“ umgesetzt. Frei von Formeln und umfangreichen mathematisch/physikalischen Abhandlungen soll dieser Artikel den Umstieg von der alten auf die neue Richtlinie zur Kühllastberechnung erleichtern.

Bild 1: Ergebnisbeispiel zu Raumlufttemperaturen im September 2015 in einer 3-D-Grafik.

Bild 2: Beispiel Extremwerte von Kühllast und Raumtemperatur über einen Zeitraum von einem Monat (l.) und mehreren Monaten (r.).

Bild 3: Temperaturverlauf Hitzeperiode.

 

Neuerungen sind zunächst einmal läs­tig: altbekannte Pfade müssen verlassen, Neues gelernt und umgesetzt werden. Nicht anders verhält es sich mit der neuen VDI 2078. Der Anwender einer Kühllastberechnungssoftware ist aber meist in erster Linie an den Vorteilen und Änderungen in der Anwendung der Software interessiert. Ob eine Kühllast nach dem Faltungs- und Superpositionsprinzip mithilfe denormierter Gewichtsfaktoren (VDI 2078, Ausgabe 1996) oder nach einem „Thermisch-dynamischen Modell“ mithilfe der Matrizenrechnung ohne Fourier- oder Laplace-Transformation (VDI 2078, Ausgabe 2015) berechnet wird, interessiert einen Anwender zunächst einmal wenig. Für ihn ist wichtig, wie hoch der Aufwand bei der Datenerfassung ist, welchen Nutzen die Ergebnisse bieten und welche Besonderheiten zu beachten sind. Damit verbunden ergibt sich dann aber auch die Frage, welche Änderungen Einfluss auf den Berechnungsablauf haben. Dieses Frage soll nachfolgend beantwortet werden.
Die alte Fassung der VDI 2078 besaß einige Beschränkungen, die in der neuen VDI 2078 aufgehoben wurden. Das alte Berechnungsverfahren basierte auf Typ­räumen, Bauschwereklassen und vorberechneten Gewichtsfunktionen mit fest vorgegebenen Schichtaufbauten der Wände. Die zu berechnenden Räume wurden mit einer Denormierung (Umrechnungsvorgang) angepasst. Diese Vorgehensweise und weitere vereinfachende Annahmen führten zu Ungenauigkeiten, die mit der aktuellen VDI 2078 durch ein neues Rechenverfahren beseitigt wurden.
Die VDI 2078 nutzt als Rechenkern ein von Rouvel und Zimmermann entwickeltes Zwei-Kapazitäten-Modell, das in der VDI 6007 Blatt 1 beschrieben wird. Als Fenstermodell wird die VDI 6007 Blatt 2 und als Modell für die solare Einstrahlung die VDI 6007 Blatt 3 verwendet. Mit der VDI 2078 werden unter anderem:

  • die Kühllast,
  • die Raumlufttemperatur und
  • die operative (gefühlte) Temperatur

berechnet, wobei Faktoren, die das thermische Verhalten des Raumes beeinflussen, berücksichtigt werden, wie z.B.:

  • Kühldecken (Flächenkühlung),
  • maschinelle und natürliche (Fenster-)Lüftung,
  • Regelstrategien (Ein-/Zweipunkt und Proportional-Regelung).

Die Kühllast wird folglich vom Gebäude, seiner Nutzung und maßgeblich auch von der Regelstrategie der installierten haustechnischen Anlagen bestimmt. Die regelungstechnischen Auswirkungen auf die Kühllast, beispielsweise durch eine Zwei-Punktregelung, eine Proportionalregelung und den Schwankungsbereich der Raumlufttemperatur, sind somit überprüfbar.
Für das Behaglichkeitsempfinden ist neben der Raumlufttemperatur auch der Einfluss der Strahlung sämtlicher raumumschließenden Flächen von Bedeutung. Mit der operativen Temperatur steht ein Rechenwert zur Verfügung, der zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Rückkopplung der Anlagen

Die Lastabfuhr über eine Zuluft-Anlage oder Flächenkühlung, z.B. Kühldecke, führt zu einer Rückkopplung der Anlage auf das Berechnungsergebnis, sobald sich die Raumlufttemperatur ändert. Die Temperaturdifferenz zwischen Zuluft-Temperatur und Raumluft-Temperatur bzw. Kühlflächen-Temperatur und Raumluft-Temperatur wirkt sich unmittelbar auf die Leistung der Anlage aus. Eine steigende Raumlufttemperatur erhöht die Temperaturdifferenz und führt zu einer höheren Leistung, eine sinkende Raumlufttemperatur senkt die Temperaturdifferenz und führt zu einer geringeren Leistung der Anlage. Diese Rückkopplung wird in der neuen VDI 2078 berücksichtigt.
Sofern eine Anlagen-Kombination aus Zuluft und Flächenkühlung berechnet werden soll, müssen die Anlagen-Leistungsanteile (stundenweise) prozentual vorgegeben werden. Die Lasten werden anteilig entsprechend der Vorgaben abgeführt (Tabelle 1).
Folgende Aufgabenstellung kann jedoch nicht direkt berechnet werden: Die Anlage soll die Last zur Einhaltung einer vorgegebenen Solltemperatur mit einer Flächenkühlung abführen. Erst wenn die Flächenkühlung nicht ausreichend ist, soll Zuluft zur Lastabfuhr eingesetzt werden. In diesem Fall müssten sich die Anlagen-Leistungsanteile in Abhängigkeit von der anfallenden Last verändern. Dies ist jedoch nicht möglich, da die Anlagen-Leistungsanteile durch das Berechnungsverfahren der VDI 2078 als konstante Eigen­schaft des Raum-Anlagen-Modells angesehen werden.

Bauteile

In der alten VDI 2078 war die Angabe eines Schichtaufbaus durch die Verwendung von Typräumen und Denormierungen nicht erforderlich, was jedoch zu Ungenauigkeiten führte.
Bessere Ergebnisse erfordern oft auch einen höheren Eingabeaufwand. Das Speicherverhalten eines Raumes kann nur dann genauer berücksichtigt werden, wenn alle Bauteile der Raumumschließungsfläche mit exakten Wandaufbauten (Wandschichten) bekannt sind. Es ist daher zwingend erforderlich (im Gegensatz zur Heizlastberechnung nach DIN EN 12831), alle Bauteile mit deren Wandschichten von innen nach außen zu erfassen, wobei für jede Schicht die bauphysikalischen Eigenschaften (Wärmeleitfähigkeit, spezifische Dichte und spezifische Speicherkapazität) anzugeben sind.
Abgehängte Decken sind besonders zu beachten. Das Speicherverhalten einer abgehängten Decke wird durch die Luftschicht deutlich verändert und muss im Gegensatz zur Heizlastberechnung unbedingt berücksich­tigt werden.

Kühlfläche verändert Bauteileigenschaft

Kühlflächen sind als fester Bestandteil des Raumes anzusehen und besitzen separat zu definierende bauphysikalische ­Eigenschaften. So ist z.B. die in eine Decke integrierte Kühlfläche in zwei separate Bauteile zu unterteilen: In eine Bauteil­fläche ohne Kühlfläche und eine Bauteilfläche mit Kühlfläche. Um die Speicherfähigkeit eines Bauteils mit Kühlfläche exakt abzubilden, müssten die Kühl­elemente mit den Materialeigenschaften als eigene Bauteilschicht in der Bauteilberechnung berücksichtigt werden. Da die Kühlfläche normalerweise nur aus einer dünnen Metallschicht besteht, wird sich das Speicherverhalten des Bauteils in der Regel nur unwesentlich verändern und nur eine geringe Auswirkung auf die Kühllastberechnung haben. Gegebenenfalls sollten jedoch die Auswirkungen anhand einer Beispielrechnung überprüft werden.
Bei der Definition des Bauteils mit Kühlfläche ist jedoch wichtig: Das Bauteil besitzt auf der Innenseite einen Wärme­übergangswiderstand, der in der Regel 0,1 (m² · K)/W beträgt und somit  vom „normalen“ Bauteil abweicht. Dies ist bei der Eingabe der Kühlflächen(-Bauteile) unbedingt zu beachten.

Arbeitstage und Nicht-Arbeitstage

Im Vergleich zur alten VDI 2078 fällt in der neuen VDI 2078 die Unterscheidung zwischen Arbeitstagen (AT) und Nicht-Arbeitstagen (NAT) auf. Über diese Unterscheidung können, je nach wochentagesbezogener Raumnutzung, AT und NAT verschiedene Lastprofile zugewiesen werden. Die separate Angabe von Lastprofilen für innere Lasten oder Anlagennutzungen ist für die Berechnung des Einschwingvorganges erforderlich.

Einschwingvorgang

Die Ermittlung der Kühllast erfolgt für den „Cooling Design Day“ (CDD) bzw. Auslegungstag, dem eine mehrtägige Anlaufperiode vorgeschaltet ist. In der alten VDI 2078 wurde empfohlen, eine Anlaufberechnung mit einem „bedeckten“ Tag des zu berechnenden Monats durchzuführen, bis ein eingeschwungener (periodischer) Zustand erreicht wurde. Daran anschließend erfolgte die Berechnung für den extremen („klaren“) Tag. Auch der klare Tag, d.h. die extreme Wettersituation, sollte bis zum eingeschwungenen Zustand berechnet werden. Diese Vorgehensweise führte insbesondere bei thermisch schweren Räumen zu Verzerrungen im Vergleich zu thermisch leichten Räumen, da die Dauer extremer Wettersituationen nicht für einen eingeschwungenen Zustand thermisch schwerer Räume aus­reicht.
Die neue VDI 2078 verfolgt daher den Ansatz des „aperiodischen Einschwingens“. Die Berechnung wird für eine „Cooling Design Period“ (CDP) durchgeführt. An eine 14-tägige Vorberechnung eines mittleren bedeckten oder bewölkten Tages schließt sich eine 4-tägige Anlaufberechnung an, in der die Strahlungswerte des CDD und ein kontinuierlicher Anstieg der Außenlufttemperatur angesetzt werden. Anschließend erfolgt die Berechnung des CDD mit den maximalen Temperaturen. Für die gesamte CDP wird eine definierte Abfolge von Arbeitstagen (AT) und Nicht-Arbeitstagen (NAT) verwendet (Bild 2).
Die Berechnung mit „periodischem Einschwingen“ ist auch mit der neuen VDI 2078 möglich. Diese Berechnungsmethode sollte jedoch nur dann durchgeführt werden, wenn die Einhaltung von Temperatur-Sollwerten, z.B. aus technologischen Gründen, garantiert werden muss.

Beleuchtung

Die Wärmebelastung durch Beleuchtung kann einen erheblichen Einfluss auf die Kühllast bzw. die Raumlufttemperatur haben. Daher wird in Abhängigkeit der nutzungsbedingten Helligkeitsanforderungen bei Bedarf eine Beleuchtungs-Steuerung berücksichtigt.
Über den Tageslichtquotienten, der das Verhältnis der Beleuchtungsstärke im Raum (durch Sonnenlicht) zur Beleuchtungsstärke im Freien beschreibt, wird für den Raum die Beleuchtungsstärke definiert. Ab einem Wert von 4% kann man von einer optimalen Tageslichtversorgung ausgehen. Für Wohnräume sind jedoch auch geringere Werte möglich.
Eine Beleuchtungssteuerung für künstliches Licht wird beim Unterschreiten der Beleuchtungsstärke (durch Sonnenlicht) die Raumbeleuchtung einschalten. Auch eine Betätigung der Jalousien kann einen Raum so weit abdunkeln, dass das Einschalten der Raumbeleuchtung erforderlich wird. Die zur Helligkeitsberechnung benötigten Licht-Transmissionsgrade werden in den Daten für Fenster berücksich­tigt. Mit dem Auftraggeber sollte die Berücksichtigung der Beleuchtungs-Steuerung und des anzusetzenden Tageslichtquotienten abgeklärt werden.

Klimadaten

Die für einen „Cooling Design Day“ bzw. Auslegungstag berechnete Kühllast dient zur Ermittlung der erforderlichen Anlagenleistungen. Hierzu wird Deutschland in vier Klimazonen und drei Großstadtzentren unterteilt. Die Temperaturverläufe eines klaren und eines bedeckten Tages werden für jede Zone für die Monate April – September vorgegeben. Anhand weniger Kennwerte (minimale und maximale Temperatur, Zeitpunkt) wird ein sinusförmiger Temperaturverlauf ermittelt (Bild 3), sodass auch Temperaturverläufe anderer Orte auf der Nordhalbkugel schnell nachgebildet werden können.
Für energetische Berechnungen nach VDI 2067 Blatt 10 stehen Test-Referenzjahr-Daten (TRY) des Deutschen Wetterdienstes für 15 Regionen Deutschlands zur Verfügung.
Die stundenweise Berechnung eines kompletten Jahres mit den TRY-Wetterdaten wird zur Ermittlung der erforderlichen ab- und zuzuführenden Energien durchgeführt. Die Spitzenwerte dieser Lasten dürfen nicht zur Auslegung der Anlagen herangezogen werden, da die TRY-Wetterdaten ein durchschnittliches Jahr repräsentieren, in dem extreme Wettersituationen, wie z.B. längere Hitzeperioden, nicht enthalten sind. Daher sollte zur Ermittlung der erforderlichen Anlagenleis­tung in jedem Fall eine Berechnung für den „Cooling Design Day“ durchgeführt werden.
Berechnungen des Energiebedarfs für Standorte außerhalb Deutschlands können mit entsprechenden TRY-Datensätzen des gewünschten Standortes durchgeführt werden. Diese Datensätze sind jedoch nicht Bestandteil der Richtlinie und müssen bei Bedarf extern, beispielsweise von Meteonorm, bezogen werden.

Strahlungswerte für Wände und Fenster

In der alten VDI 2078 wurden die kurzwelligen Strahlungswerte für Fenster und Außenflächen separat angegeben. Für Fens­ter sollte der vom Einstrahlwinkel abhängige Energieeintrag berücksichtigt werden, wofür die Strahlungswerte hinter Doppel-Verglasung verwendet wurden. Näherungsweise wurden andere Verglasungsarten und Sonnenschutzvorrichtungen mit einem sogenannten „b-Wert“ korrigiert, für den in der Richtlinie einige Richtwerte angegeben waren. Durch die Kopplung der Werte an die Doppel-Verglasung war es problematisch oder gar unmöglich, andere Fenster-/Glasarten korrekt abzubilden. Zudem waren die Strahlungswerte auf den Breitengrad Deutschlands bezogen, wodurch Anwender bei Berechnungen für andere Breitengrade vor einer weiteren Hürde standen. Woher sollten sie die passenden Werte bekommen?
In der neuen VDI 2078 wird ein allgemeiner und daher vielseitig anwendbarer Ansatz gewählt. Das in der VDI 6007-Blatt 3 enthaltene Modell der solaren Einstrahlung liefert die Werte für kurzwellige Einstrahlungen auf horizontale und beliebig geneigte Flächen beliebiger Breitengrade, nicht nur für opake Außenflächen, sondern auch für Fenster einschließlich eines eventuell vorhandenen Sonnenschutzes. Zur Berechnung der Gesamt-Energie-Durchlassgrade beschreibt die VDI 6007 Blatt 2 ein Fenstermodell zur Berechnung einfacher und auch komplexerer Fensteraufbauten. Zur einfacheren Handhabung sind für die üblichen Verglasungsarten sowie Sonnenschutzsysteme in der VDI 2078 direkt verwendbare Standardwerte angegeben:

  • Einfachverglasung,
  • 2-fach Isolierverglasung,
  • 2-fach Wärmeschutzverglasung,
  • 2-fach Sonnenschutzverglasung,
  • 2-fach Sonnenschutzverglasung (verspiegelt),
  • 3-fach Wärmeschutzverglasung.

Darüber hinaus sind auch Werte für zweischalige Fassaden

  • ESG außen, 2-fach Sonnenschutzverglasung innen,
  • ESG außen, 2- und 3-fach Wärmeschutzverglasung innen,

aufgeführt, wobei zwischen durchlüfteten und nicht durchlüfteten Fassaden unterschieden wird. Für alle Verglasungsarten und Sonnenschutzkombinationen sind die für die Kühllastberechnung erforderlichen Werte in der VDI 2078 aufgeführt:

  • Gesamtenergiedurchlassgrad,
  • Gesamtenergiedurchlassgrad (direkte Strahlung/diffuse Strahlung),
  • Konvektiver Anteil,
  • Licht-Transmission (direkte Strahlung/diffuse Strahlung).

Validierte Software
Die Kühllastberechnung nach der aktuellen VDI 2078 erfordert zwar einen etwas höheren Eingabeaufwand, ergibt jedoch eine wesentlich höhere Genauigkeit der Berechnungsergebnisse.
Um die Qualität der Ergebnisse eines Programmes sicherzustellen, verlangt die VDI 2078 zwingend die Validierung der Software. Der Software-Hersteller muss bestätigen, dass alle Validierungsbeispiele der VDI 6007 und auch die zusätzlichen Validierungsbeispiele der VDI 2078 korrekt berechnet werden.

Autor: Marc Holzschuh, mh-software GmbH, Karlsruhe

Kontakt: www.mh-software.de

 


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