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Ein langwieriger und kostenintensiver Prozess Der Markt der virtuellen Kraftwerke

Die Höhe des dringend notwendigen Ausbau der Stromnetze zur Sicherung der Einspeisung von bis zu 40% aus regenerativen Energien bis zu dem Jahr 2020 wurde in der am 17.11.2010 veröffentlichten dena Studie II mit mindestens 3600 Stromkilometern veranschlagt. Und dies auf der Grundlage des bereits umgesetzten Ausbaus aus der dena Studie I. Bis zu dem heutigen Datum wurden aber erst 80 von 850 Kilometer ausgebaut.

In einem virtuellen Kraftwerk werden dezentrale Stromerzeuger wie BHKW und Wärmepumpen zu einer Einheit zusammengeschlossen, um den schwankenden Energiebeitrag der einzelnen Anlagen optimal auszugleichen.

 

Prof. Dr. Christian von Hirschhausen, Leiter der Technischen Universität Berlin, Fachgebiet Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik (WIP), hielt diesen Zeitrahmen in einem Gegengutachten im Auftrag des WWF für unrealistisch. Kurz gesagt, es ist ein langwieriger und kostenintensiver Prozess. Deshalb müssen Möglichkeiten gefunden werden, die die Zeit bis zu einem erfolgten Netzausbau überbrücken oder einen solchen sogar teilweise überflüssig machen können. Eine hiervon ist die Installation von virtuellen Kraftwerken zur dezentrale Energieversorgung. Diese würden auch dazu beitragen, dass der Eingriff in die Natur und den Umweltschutz durch den Netzausbau reduziert werden. Diese Marktlücke haben die Unternehmen Lichtblick, EnVersum und Vattenfall für sich entdeckt und installierten entsprechende Netzwerke, in denen kleine beim Verbraucher installierte BHKWs im Verbund zu einer Glättung der entstehenden Lücken bei Windflauten beitragen.

Das Modell Vattenfall

Wie in einer Pressemitteilung des Energiekonzerns Vattenfall vom 16.12.2010 zu lesen war, hat es sein erstes virtuelles Kraftwerk in Hamburg installiert. Im Auftrag des Architekten und Immobilienbesitzers Paul-Günter Frank wird eine Reihenhaussiedlung in Hamburg Bramfeld mittels dreier BHKWs und Wärmepumpen versorgt. Die Steuerung dieses virtuellen Kraftwerks erfolgt über die Zentrale in Berlin. Bereits Ende Oktober wurde das Modell von dem Unternehmen – ein Stromanbieter u.a. aus Windanlagen – zusammen mit den BHKW-Experten von SenerTec Center, SES Energiesysteme sowie dem Wärmepumpenhersteller Stiebel Eltron erstmalig für Berlin vorgestellt. In der Präsentation zur offiziellen Inbetriebnahme des virtuellen Kraftwerkes prognostizierte Dr. Frank May den Anschluss von 100000 WE bis zum Ende des Jahres 2011 (1 WE entspricht dabei ca. 70 m²).


Funktionsschema des „Dachs“ von Senertec.

Aktuell sind 50 Anlagen angeschlossen. Tatsächlich sollen bis zum Ende 2011 250 Anlagen in diesen Verbund integriert sein, so Stefan Hönemann, Pressesprecher der Vattenfall Europe AG.
Die Unternehmen SenerTec Center und SES Energiesysteme produzieren hierfür die KWK-Anlagen mit unterschiedlichen Größen, die sich je nach Bedarf eignen. Der „Dachs“ von Senertec mit einer elektrischen Leistung von 5 – 5,5 kW und 10,3 – 12,5 kW Wärme bietet sich für den Wärmebedarf von mehr als 60000 kWh an. Aufgrund der verstärkten Nachfrage, gerade von Verbrauchern mit geringerem Bedarf, arbeitet das Unternehmen an Anlagen, die deutlich kleiner sind. Das Unternehmen SES Energiesysteme bietet die größeren BHKW-Anlagen mit 600 – 2000 kW elektrischer Leistung an, die der Versorgung größerer Gebäude, wie Schwimmbäder, Krankenhäuser mit einem Wärmebedarf von über 560000 kWh dienen. Allerdings gelangt die Abwärme ins Netz und wird nicht für den späteren Bedarf genutzt.
Der Vorteil bei diesem Verbund aus dezentralen Anlagen gegenüber den anderen Betreibern von virtuellen Kraftwerken, der Lichtblick AG und EnVersum, liegt in der Nutzung der überschüssigen Energie aus den Windenergieanlagen zur Wärmeproduktion und Zwischenspeicherung für den Kunden. Gegenüber den Angeboten der Lichtblick AG und dem Unternehmen EnVersum muss der Kunde das BHKW bisher selbst kaufen. Vattenfall plant jedoch zukünftig ein Leasingangebot. Auf Nachfrage, ob der eingespeiste Strom vergütet werde, nahm Stefan Hönemann keine Stellung.



Der Energieversorger Lichtblick

Am 29.11.2010 wurde das Unternehmen zum Gewinner des „Deutschland Nachhaltigpreises 2010“ als konzernunabhängiger und innovativer Energieanbieter ausgezeichnet. Zu den Gästen gehörten der EU-Kommissar Günther Oettinger und Umweltminister Norbert Röttgen.
Das Unternehmen verfolgt mit seinen „ZuhauseKraftwerken“ dasselbe Ziel der Vernetzung zu einem virtuellen Kraftwerk. Zu den ersten Kunden gehört die Hamburger Stadtreinigung. Auch mit der Hamburger Wohnungsbaugesellschaft SAGA GWG und der Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten gGmbH ist eine Zusammenarbeit vereinbart. Die BHKWs werden vermietet und bleiben im Eigentum von Lichtblick AG.
Das von der Volkswagen AG hergestellte energieeffiziente „ZuhauseKraftwerk“ besitzt mit einer elektrischen Leistung von etwa 19 kW und einer Wärmeleistung von etwa 31 kW einen Wirkungsgrad von >90%. Solche energieeffizienten BHKWs, z.B. auch der Typ „Dachs“ von Senertec, machen ein funktionierendes virtuelles Kraftwerk erst möglich. Für die Installation dieses Typs ist ein Mindestwärmebedarf von 40000 kWh notwendig. Aus diesem Grund kommen nur sehr große Einfamilienhäuser, Mehrfamilienhäuser, Gewerbebetriebe sowie öffentliche Einrichtungen infrage.
Die Lichtblick AG regelt den Betrieb der BHKWs über eine zentrale Leitstelle. Sofern die Wärmespeicher des Kunden nicht voll sind, werden diese bei Stromlücken zur Glättung des Bedarfs angeschaltet. Das Unternehmen plant bis 2012 in Berlin, Bremen, Essen, Leipzig, Stuttgart sowie in der Region Braunschweig, Wolfsburg und Salzgitter Kraftwerke zu errichten. Langfristig will es 100000 dezentrale „ZuhauseKraftwerke“ installieren und diese dann zu Deutschlands größten virtuellen Gaskraftwerk vernetzen. Der Stand der angeschlossenen Anlagen lag Ende 2010 bei 30 Stück. In einem Gespräch mit dem Autor widersprach Ralph Kampwirth, Pressesprecher der Lichtblick AG, der Aussage von Vattenfall Pressesprecher Hönemann, dass dieses Unternehmen keine zentrale Steuerung der „ZuhauseKraftwerke“ anbiete.


Das „EcoBlue-ZuhauseKraftwerk“ von Lichtblick.

Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass bei dem Prinzip des virtuellen Kraftwerkmodells von Lichtblick ausschließlich die Überbrückung von Nicht-Verfügbarkeit von Wind- oder Solarstrom umgesetzt wird. Eine Verwertung von überschüssiger Wind- oder Sonnenenergie kommt über diese Form des virtuellen Kraftwerks nicht zum Zuge. Stattdessen orientiert sich Lichtblick AG an den Preisen der Energiebörse. Hinzu kommt, dass der von Lichtblick angebotene Strompreis mit 23,64ct/kWh deutlich höher liegt als bei dem Konkurrenten EnVersum, aber ansonsten im Mittelmaß der angebotenen Tarife.


Smart Grid – die Wärmepumpe im Intelligenten Stromnetz.

Das Unternehmen EnVersum

EnVersum bietet im Großraum Hamburg mit dem Modell „MiniVersum“ erfolgreich Mini-BHKWs an, die auf der Technologie des „Dachs“ von Senertec Center beruht und für die Erzeugung von Energie in größeren Einfamilienhäusern, Mehrfamilienhäusern, Gewerbebetrieben einsetzbar sind. Bisher war für diese Anlage ein Wärmebedarf von 65000 kWh notwendig. Aufgrund der hohen Nachfrage, gerade aus kleineren WE, plant das Unternehmen Anlagen in der Größenordnung von 30000 kWh zu bauen.
„Wir wollen jetzt mehrere große Kundengruppen ansprechen, dazu gehören kleine Gewerbe und Firmen, Hotels sowie Bauträger und Baufirmen“, sagt Dr. Erich Ogilvie, Geschäftsführer von EnVersum. Der Kunden bezahlt einen Wärmepreis von 6 bis 9 Cent je abgenommener kWh. Das Unternehmen ist gleichzeitig Stromversorger und berechnet einen Festpreis von 19,98 Cent/kWh. Im Vergleich zahlen Kunden von RWE je nach Tarif zwischen 21,36 und 25,17 Cent/kWh. Auf Nachfrage bestätigte das Unternehmen, dass es seit August bundesweit tätig sei, mochte aber genaue Zahlen nicht nennen. Die Größenordnung der installierten Anlagen liege bei 3000 BHKWs. Das Untenehmen visiert eine 6-stellige Expansion an. „Warum sollte es nicht möglich sein, in einigen Jahren 200000 ‚MiniVersum’-Anlagen zusammenzuschalten und damit ein Atomkraftwerk zu ersetzen“, so Erich Ogilvie, Geschäftsführer der EnVersum GmbH.


Speicher in dezentralen Netzen.

Überproduktion

Eine intelligente zentrale Steuerung kann über die Integration von Kühlhäusern, Gefriertruhen in Supermärkten und durch das Laden von E-Autobatterien ungenutzte Überproduktion reduzierten. So können Gefriertruhen nachts, wenn es zu einer hohen Windenergieproduktion kommt, zum Stromspeicher werden. Die Gefriertemperatur wird von - 12°C auf - 22°C gesenkt. Tagsüber, bei Windflauten, kann der so reduzierte Eigenbedarf anderorts zur Deckung eines Defizits eingesetzt werden.
Bei einer intelligenten Steuerung eines dezentralen Netzes wird das Haus eines Nutzers von einem E-Auto zur „Tankstelle“. In der Nacht, bei Stromüberfluss, wird der Akku aufgeladen. Bei Strombedarf im Netz ist es auf der anderen Seite möglich, die in dem Akku gespeicherte Energie bei Windflauten zur Überbrückung zu nutzen. Eine Substitution der mit fossiler Energie angetriebenen Autos ist realisierbar.
Damit reduziert sich auch die Höhe des Bedarfs an Biodiesel als Brennstoff für den Automobilverkehr, wie in dem Energiekonzept der Bundesregierung vom 28.09.2010 zur Minderung der Treibhausgasemissionen favorisiert. Die Minderung von CO2 bleibt erhalten. Die energetische Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen kann so durch eine stoffliche genutzt werden. Ihre längere Wertschöpfungskette von der Produktion bis zum Endverbrauch hat den Vorteil, dass mehr Arbeitsplätze geschaffen werden.



Autor: Christian Finck

 


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