Digitalisierung als Schlüssel gegen den Fachkräftemangel
Wachsende Anforderungen und sinkende Personalressourcen belasten die SHK-Branche über alle Vertriebsstufen hinweg
„Digitalisierung erlaubt uns, komplexe Prozesse zu automatisieren, durch bessere Datenlage zu steuern und die vorhandenen Fachkräfte gezielt einzusetzen“, sagt Timo Kirchhoff. (Kemper1)
Die Anforderungen an die Hygiene, Effizienz und Nachhaltigkeit von Trinkwasserinstallationen erfordern systemverantwortliche Fachkräfte, die Daten aus vorhandenen Anlagen zu interpretieren wissen und geeignete Maßnahmen daraus ableiten können, um aktive Fehlerbehebung, Wartung oder Optimierungen rechtzeitig zu veranlassen. Digitale Lösungen wie die „Kemper-Cloud“ und „PSB-Cloud“ von Wibutler unterstützen diesen Prozess, denn sie ermöglichen ein umfangreiches Monitoring und eine Analyse aller wichtigen Anlageparameter. Über die Vorteile und Chancen digitaler Lösungen, insbesondere vor dem Hintergrund des allgegenwärtigen Fachkräftemangels in der Branche, sprachen wir mit Timo Kirchhoff, Leiter Produktmanagement bei Kemper in Olpe.
IKZ: Die technische Gebäudeausrüstung steht vor großen Herausforderungen. Wo sehen Sie die größten Probleme?
Timo Kirchhoff: Wir beobachten zwei zentrale Entwicklungen in der Gebäudetechnik. Erstens steigen die Anforderungen an Energieeffizienz, Trinkwasserhygiene und Nachhaltigkeit kontinuierlich. Zweitens nimmt der Fachkräftemangel drastisch zu. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft werden bis 2036 etwa 19,5 Mio. Beschäftigte altersbedingt ausscheiden, während nur rund 12,5 Mio. nachrücken. Das sind 36 % weniger Beschäftigte. Für die TGA-Branche bedeutet das: Mit weniger Personal müssen wir komplexere Systeme betreiben. Digitalisierung ist aus unserer Sicht die Lösung für diese Herausforderung.
IKZ: Wie setzen Sie Digitalisierung ein, um den Herausforderungen im Gebäudebetrieb entgegenzuwirken?
Timo Kirchhoff: Digitalisierung erlaubt uns, komplexe Prozesse zu automatisieren, durch bessere Datenlage zu steuern und die vorhandenen Fachkräfte gezielt einzusetzen. Wir vernetzen z. B. unsere Produkte und Systeme, sodass Betriebsdaten kontinuierlich erfasst und ausgewertet werden. Ein Beispiel ist unser Monitoring für Trinkwasserinstallationen. Es überwacht Parameter wie Temperatur und Durchfluss in Echtzeit. So können wir Abweichungen früh erkennen und proaktiv handeln, bevor es zu Störungen oder Schäden kommt. Zusätzlich werden Daten über längere Zeiträume analysiert, um Trends zu erkennen und Wartungen vorausschauend zu planen.
IKZ: Was bedeutet das konkret für den Betrieb, zum Beispiel in einem großen Krankenhaus?
Timo Kirchhoff: Betreiber müssen nicht mehr jede Anlage aufsuchen, um einen Fehler zu prüfen. Sie können Störungen vorab analysieren und dann entscheiden, ob ein Einsatz notwendig ist. Das spart doppelt Zeit, da lange Wege entfallen und unvorhergesehene Unterbrechungen – etwa durch Ad-hoc-Anfragen anderer Mitarbeitenden, die unterwegs getroffen werden –vermieden werden. Wenn ein Einsatz erforderlich ist, fährt das Fachpersonal bereits mit den passenden Ersatzteilen und Werkzeugen los. Durch die Vernetzung mehrerer Produkte und Systeme lassen sich Anomalien frühzeitig erkennen und Ausfälle vermeiden.
IKZ: Welche weiteren Vorteile ergeben sich durch digitale Systeme?
Timo Kirchhoff: Neben der direkten Effizienzsteigerung erlaubt die Digitalisierung eine strategischere Steuerung von Anlagen. Betreiber können datenbasierte Entscheidungen treffen, zum Beispiel zu Modernisierungen, Energieeinsparungen oder Investitionen. Zudem fördert eine zentrale Plattform den Austausch zwischen Teams und Standorten, da alle Beteiligten Zugriff auf dieselben Informationen haben. Digitale Systeme protokollieren automatisch alle Maßnahmen. So entsteht eine lückenlose Dokumentati-on, die Zeit spart und Fehler vermeidet. Gleichzeitig steht ein nachvollziehbares Archiv zur Verfügung, das bei Prüfungen oder Zertifizierungen sofort eingesetzt werden kann.
IKZ: Wie können Sie das Betriebspersonal konkret unterstützen?
Timo Kirchhoff: Digitale Assistenten führen das Fachpersonal im Störfall strukturiert durch die Fehlersuche und -behebung. Sie führen das Fachpersonal Schritt für Schritt durch den Prozess, zeigen mögliche Ursachen an und schlagen konkrete Maßnahmen vor. Dadurch lassen sich Fehlerquellen schneller finden und gezielt beheben. Neue Mitarbeitende können so z. B. auch schneller eigenständig arbeiten. Außerdem fungieren diese Systeme als Wissensspeicher und sichern Know-how, auch wenn erfahrene Fachkräft e ausscheiden.
IKZ: Welche Unterstützung bieten Sie Betreibern über die technischen Systeme hinaus an?
Timo Kirchhoff: Neben den Systemlösungen bieten wir in Zukunft abgestuft e Service-Level an. Diese können Betreiber je nach Bedarf buchen. Das reicht von der Störungsmeldung bis hin zur aktiven Fehlerbehebung, Optimierung und Wartung durch uns.
IKZ: Sie sind seit fast zwei Jahren Gesellschaft er bei dem Unternehmen Wibutler. Welche Rolle spielt das für Ihre Digitalisierungsstrategie?
Timo Kirchhoff: Viele Gebäude besitzen keine zentrale Gebäudeleittechnik. Wibutler ermöglicht Betreibern eine einheitliche Benutzeroberfläche für Geräte verschiedener Hersteller – ohne die Kosten klassischer Gebäudeautomation. Damit werden Transparenz, Überwachung und Steuerung auf einfache Weise möglich. Außerdem wird die Grundlage geschaff en, Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammenzuführen und auszuwerten, was eine bessere Gesamtsicht auf das Gebäude liefert – und das herstellerübergreifend.
IKZ: Können Sie uns dazu ein Beispiel aus dem Hause Kemper geben?
Timo Kirchhoff: Anschauliche Beispiele sind unsere ersten Pilotprojekte – eine Schule und ein Wohngebäude –, die wir in Kürze mit Frischwasserstationen und elektronischen Regulierventilen ausstatten werden. In Kombination mit der Wibutler „PSB Cloud“ können die Betreiber dann alle wichtigen Parameter – etwa Temperatur, Volumenströme oder Betriebszustände – zentral erfassen und überwachen. Ein wesentlicher Vorteil: Geräte verschiedener Hersteller, zum Beispiel von Qundis oder Viessmann, lassen sich in einer einzigen Anwendung zusammenführen. Dadurch entfällt die aufwändige Einarbeitung in unterschiedliche Systeme und Benutzeroberflächen. Zusätzlich bietet Wibutler herstellerübergreifende Funktionen wie Liegenschaft s- und Gebäudemanagement, Mitteilungsmanagement sowie umfassendes Monitoring und Analysen. Aktuell stehen wir kurz vor der Umsetzung dieser Pilotanlagen und sind übrigens auf der Suche nach weiteren geeigneten Objekten, um die Vorteile der Lösung in der Praxis noch breiter zu demonstrieren.
IKZ: Wie verändert die Digitalisierung die Arbeit des Fachpersonals?
Timo Kirchhoff: Die Rolle der Fachkräft e verschiebt sich von der manuellen Arbeit hin zur Analyse und Steuerung. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden zu Systemverantwortlichen, die Daten interpretieren und Maßnahmen ableiten. Das spart Zeit und so bleibt mehr Zeit für komplexe Aufgaben, die fundiertes Wissen erfordern.
IKZ: Lohnt sich der Aufwand für die Digitalisierung?
Timo Kirchhoff: Ja, die notwendigen Investitionen amortisieren sich meist schnell. Der gezielte Einsatz von Personal, die Vermeidung von Ausfällen und die höhere Betriebssicherheit senken die Gesamtkosten langfristig. Für große Einrichtungen wie Kliniken oder Universitäten ergeben sich dadurch erhebliche Einsparpotenziale.
IKZ: Was empfehlen Sie Betreibern, die noch am Anfang stehen?
Timo Kirchhoff: Digitalisierung sollte als langfristige Strategie verstanden werden. Prozesse müssen ganzheitlich gedacht werden. Wir raten, mit Pilotprojekten zu starten, Erfahrungen zu sammeln und den Digitalisierungsgrad Schritt für Schritt zu erhöhen. Wer früh handelt, schafft die Grundlage für einen sicheren, wirtschaft lichen und effizienten Betrieb – auch mit weniger Personal.
IKZ: Bietet Kemper gemeinsam mit Wibutler Qualifizierungs- oder Informationsveranstaltungen speziell für SHK-Fachhandwerker an?
Timo Kirchhoff: Separate Qualifizierungsveranstaltungen sind in diesem Bereich nicht erforderlich – im Unterschied zur Smart-Home-Welt. In der Professional Smart Building Cloud werden die Geräte der jeweiligen Hersteller wie gewohnt installiert. Die Datenübertragung erfolgt anschließend automatisch von Cloud zu Cloud an die „PSB-Cloud“. Für SHK-Fachhandwerker bedeutet das: Sie können sich auf die vertraute Installationstechnik konzentrieren, während die Einbindung in die digitale Plattform weitgehend ohne zusätzlichen Aufwand erfolgt. Die Inbetriebnahme unterstützen in der Regel die Services der jeweiligen Hersteller, sodass der Einstieg unkompliziert und praxisnah bleibt. Trotzdem werden wir in Zukunft für Planer und Handwerker gezielte Schulungsveranstaltungen anbieten, in denen neben der technischen Anwendung auch praxisnahe Tipps zur Integration digitaler Lösungen im Arbeitsalltag vermittelt werden.