Digitaler Gebäudezwilling soll Regelung der TGA verbessern
Geplantes Simulationstool greift mehr Informationen über den Gebäudestatus ab und erleichtert die Regelung von Gebäudetechnik
Ein in Echtzeit simulierter „Digitaler Zwilling” könnte Gebäude künftig über ihren gesamten Nutzungszeitraum hindurch begleiten. Damit soll es möglich sein, mit der gleichen Anzahl an Sensoren im Gebäude mehr Informationen über den Gebäudestatus zu bekommen und so die Regelqualität zu verbessern. Das von AEE INTEC geleitete Sub-Projekt ist Teil von „Arrowhead Tools“, dem größten EU-Projekt zur Digitalisierung in der Industrie.
Wenn in etwa einem Jahr das neue R&D-Bürogebäude von Infineon Technologies Austria in Villach (Österreich) in Betrieb geht, wird das rund 20 000 m² große Gebäude von seinem „Digitalen Zwilling“ begleitet werden. Der Zwilling ist eine Gebäudesimulation, die alle wichtigen Regelgrößen der TGA abbilden soll. Als eines von 20 Tools wird die Simulationsanwendung im Rahmen des Projektes „Arrowhead Tools“ entwickelt, dem mit insgesamt 91 Mio. Euro und 81 Partnern größten EU-Projekt zur Digitalisierung in der Industrie, das Anfang Mai gestartet ist. Für die Projektleitung des digitalen Zwillings ist das AEE – Institut für Nachhaltige Technologien (AEE INTEC) in Gleisdorf, Österreich, verantwortlich. Neben AEE INTEC und Infineon zählt bei der Entwicklung des digitalen Zwillings auch EQUA Solutions (Schweden/Schweiz) – die Gebäudesoftware-Schmiede, aus deren Haus z. B. auch das Simulationsprogramm „IDA ICE“ stammt – zu den Kernpartnern.
Realität und Simulation stetig im Abgleich
Im Rahmen von Arrowhead Tools soll der Digitale Zwilling nicht nur entwickelt, sondern in Echtzeit mit den Messdaten aus dem Gebäude gekoppelt werden. So sollen Realität und Simulation stetig miteinander abgeglichen werden. Dafür sind die Laborräume, Großraumbüros und Besprechungsräume des Bürogebäudes mit spezieller Sensorik ausgestattet. „Der Abgleich ist vor allem am Anfang wichtig. Für zukünftige Umsetzungen ist das Ziel, durch den digitalen Zwilling, mehr Informationen über das Gebäude zur Verfügung zu haben, um die Regelung der Haustechnik zu optimieren“, sagt Dagmar Jähnig, Projektleiterin bei AEE INTEC. Hilfreich ist das vor allem bei Werten, die man aufgrund des hohen Aufwandes so gut wie nie misst, wie die operative Raumtemperatur. Ähnlich wie die gefühlte Temperatur beim Wetterbericht gibt sie das tatsächliche Temperaturempfinden der Nutzerinnen und Nutzer besser wieder als die reine Lufttemperatur. Maßgeblich ist dafür z. B. die Oberflächentemperaturen der Wände. Doch der digitale Zwilling liefert nicht nur mehr und aussagekräftigere Daten, sondern erlaubt es auch, diese im Voraus zu kalkulieren, um so beispielsweise schneller auf Wetter- oder Nutzungsänderungen reagieren zu können.
Christian Fink, Bereichsleiter Thermische Energietechnologien und hybride Systeme bei AEE INTEC, sieht den Digitalen Zwilling als eine konsequente Weiterentwicklung im Zuge der Digitalisierung der Bau- und TGA-Branche und als eine Art nächsten Schritt im Building Information Modeling (BIM). „Bei BIM wurde zunächst die Planung weitgehend digitalisiert, um effizienter im Prozess zu sein und Fehler in den Abläufen zu minimieren. Im nächsten Schritt begleitet der digitale Zwilling das reale Gebäude durch seine gesamte Lebensdauer hindurch. Funktioniert die Kopplung mit dem digitalen Abbild wie geplant, kann der Energieverbrauch sowie der Komfort für Nutzerinnen und Nutzer in automatisierter Form optimiert werden“.
Über AEE INTEC
Das AEE – Institut für Nachhaltige Technologien (AEE INTEC) mit Sitz in Gleisdorf, wurde 1988 als außeruniversitäre Forschungseinrichtung gegründet. Es ist heute mit 65 Beschäftigten eines der führenden Institute im Bereich angewandter Forschung. AEE INTEC arbeitet gemeinsam mit Industriepartnern an der stetigen Weiterentwicklung von Energieversorgungstechnologien und Systemen in Niedrigenergie-, Nullenergie- und Plusenergiegebäuden sowie deren Verbund in Siedlungen, Quartieren und Städten. Darüber hinaus beschäftigt sich Institut mit der Entwicklung von Energiespeichern, deren systemischen Integration sowie mit Themen der Energieeffizienzsteigerung. In diesen Gebieten entwickelt es nicht nur Komponenten und Systeme, sondern unterstützt auch Organisationen und Unternehmen bei der Umstellung auf eine nachhaltige und effiziente Energieversorgung.