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„Besser agieren, anstatt sich passiv zu verhalten“ - Die Umsetzung der Untersuchungspflicht auf Legionellen in großen Mietshäusern am praktischen Beispiel

Die Verpflichtung des Unternehmers und sonstiger Inhaber einer Trinkwasseranlage zur regelmäßigen Legionellenprüfung in großen Mietshäusern1) wird durch die zweite Änderungsverordnung zur novellierten Trinkwasserverordnung vom Dezember 2012 umfassend geregelt. Interessant ist hier, wie die praktische Umsetzung zur Vermeidung von Legionelleninfektionen durch große Wohnungsunternehmen erfolgt. Wir haben dazu mit Manfred Plackties gesprochen, der sich als verantwortlicher Techniker der Berliner GESOBAU AG mit dieser Thematik täglich auseinandersetzt.

Manfred Plackties, verantwortlicher Techniker der Berliner GESOBAU AG.

Insgesamt 13.000 Wohnungen werden im Rahmen der energetischen Modernisierung des Märkischen Viertels saniert.

Zum Konzept gehört auch die Sanierung der Bäder.

90% der Trinkwasser-Anlagen in den Liegenschaften wurden bereits beprobt. Zeigen sich dabei bauliche Mängel oder potenzielle Gefährdungspunkte wie etwa Rohrbelüfter für die zentrale Absicherung, so werden diese behoben bzw. rückgebaut.

 

IKZ-FACHPLANER: Herr Plackties, an welchen Empfehlungen orientiert sich die GESOBAU bei der praktischen Umsetzung der Trinkwasserverordnung mit Blick auf die Legionellenproblematik?

Manfred Plackties: Unser Ausgangspunkt war nach erfolgter Novellierung der Trinkwasserverordnung im Jahr 2011 die dazu veröffentlichte Arbeitshilfe des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (GdW 66). Zum damals relevanten Stichtag, dem 31. Oktober 2012, hatten wir etwa 90% unserer Trinkwasseranlagen untersucht, so wie es das Gesetz verlangte. Inzwischen haben wir das Vorgehen entsprechend den aktuellen Vorgaben der im Dezember 2012 erschienenen zweiten Änderungsverordnung der Trinkwasserverordnung und der seit Mai 2013 vorliegenden Arbeitshilfe GdW 70 bzw. der GdW 139 angepasst. In der Praxis bedeutet das unter anderem, dass wir zur Entlastung der Gesundheitsämter neue Trinkwasseranlagen nicht mehr anmelden müssen, sondern ausschließlich Positivbefunde in überprüften Anlagen ab 101 KBE/100 ml übermitteln. Nachdem wir alle Anlagen inzwischen einmal untersucht haben, sind wir momentan in einer Phase, in der wir nur Anlagen beproben müssen, die durch Modernisierung oder Neubau neu hinzukommen. In diesen Fällen wird vor der Übergabe an den Nutzer ebenfalls eine Untersuchung auf Legionellen durchgeführt.

 

IKZ-FACHPLANER: Wie kann man sich das Vorgehen logis­tisch vorstellen?

Manfred Plackties: Hierzu muss ich erklären, dass die städtischen Berliner Wohnungsunternehmen im Jahr 2011 vereinbart haben, den Auftrag für die Beprobung der Trinkwasserinstallationen an zuge­lassene akkreditierte Labore gemeinsam zu vergeben. Nach erfolgter Ausschreibung und Auftragsvergabe haben wir zuerst eine Art Maßnahmeplan erstellt, welche Anlagen wann zu beproben sind. Das heißt, dass wir als GESOBAU oder Berliner Wohnungsunternehmen auf der Basis unserer zentralen Verwaltung aller unserer Trinkwasseranlagen den Laboren eine Lis­te zur Verfügung gestellt haben, die systematisch abgearbeitet werden konnte. Diese Liste zeigt auch aktuell, welche Anlagen zu beproben sind oder ob an einer Anlage gerade Arbeiten vorgenommen werden.
Begonnen haben wir mit den Legionellenprüfungen im Mai 2012. Das Labor hat dazu von uns eine Aufstellung erhalten, in der festgelegt war, bei welchen Mietern, d.h. in welchen Wohnungen, und von welchen Armaturen die Proben zu entnehmen waren. Nach einer Abstimmung zur Kapazität des Labors haben zunächst wir als GESOBAU oder Unternehmen und 14 Tage vor der geplanten Probennahme das durchführende Labor die Mieter zur Ankündigung der Probennahme angeschrieben. Zum vereinbarten Termin haben wir von Unternehmensseite dafür gesorgt, dass auch die Anlage zugänglich war, sodass die Probennahme auch zentral vorgenommen werden konnte.

 

IKZ-FACHPLANER: Welche praktischen Erfahrungen haben Sie hier gemacht?

Manfred Plackties: Wir mussten feststellen, dass die Organisation der Probennahme nicht ganz einfach ist. Wir gehen generell so vor, dass wir die Probe entsprechend der Empfehlung des Umweltbundesamtes2)und des GdW Arbeitsblattes 703) an der ungünstigsten Stelle im Strang ziehen, d.h. diejenige Wohnung auswählen, die vom Trinkwassererwärmer am weitesten entfernt liegt. In der Praxis sind wir auf das Entgegenkommen dieser Mieter angewiesen, weil die sich z.B. am vereinbarten Termin Urlaub nehmen müssen. Viele Mieter haben gefragt, warum das Wasser, das bei ihnen für die Beprobung entnommen wurde, nicht von der Allgemeinheit bezahlt werden kann. Also ist ein Fazit bisher, dass die Mieter zwar eine hygienische Sicherheit der Trinkwasseranlage wünschen, aber gleichzeitig doch sehr aufs Geld schauen. Hier müssen wir abwarten, wie sich bei der nächsten Probennahme in zwei Jahren die Akzeptanz dieser Mieter darstellt. Denn wir haben ja laut Vorgabe in den gleichen Wohnungen Proben zu entnehmen wie im vergangenen Jahr. Durch eine fehlende Kooperation der Mieter und Verzögerungen bei der Auswahl einer Entnahmestelle in einer Nachbarwohnung erklärt sich übrigens, dass wir, wie erwähnt, zum Stichtag im Oktober 2012 nicht wie angestrebt 100%, sondern lediglich 90% der Anlagen beproben konnten.

 

IKZ-FACHPLANER: Wie stellt sich die Legionellenproblematik aus Ihrer Sicht insgesamt dar?

Manfred Plackties: Natürlich ist es für uns als Wohnungsbaugesellschaft wichtig, jeweils die Hydraulik und die Pumpenleistung der Anlage im Auge zu haben, ebenso wie die Ausgangsleistung der Kessel- bzw. der Warmwasseranlage und den Rücklauf. Doch diese Dinge lassen sich zentral überwiegend befriedigend regeln. Nach unseren Erfahrungen entsteht die Problematik weniger in den Anlagen selbst, auch nicht in Altanlagen. In der Mehrzahl der Fälle haben wir uns die Legionellen innerhalb der verzweigten Installation der Wohnungen herangezogen. Das Problem entsteht mehrheitlich beim Abgang des Stranges zur Wohnungsverteilung. Einmal aufgrund der gegebenen baulichen Voraussetzungen und zweitens, weil Mieter, die über den Wasserzähler die jährlichen Kosten vor Augen haben, zu sparen versuchen. Plakativ ausgedrückt ist es doch so, dass ich nach dem Einbau eines Wasserzählers immer dann mit Problemen rechnen muss, wenn der Mieter das Wasser nicht abnimmt und dieses in der Leitung stagniert.
Das Ausmaß der Problematik sollte im öffentlichen Wohnungsbau, der ja der Untersuchungspflicht zum größten Teil bereits nachgekommen ist, insgesamt überschaubar sein. Ich vermute einen Anteil betroffener Anlagen von maximal 10% bei fallender Tendenz während der nächsten Untersuchungen. Anlagentechnisch, denke ich, dürfte es bei öffentlichen Wohnungsbauunternehmen keine Probleme mehr geben; der Unsicherheitsfaktor ist, wie bereits angesprochen, aus unserer Sicht meist der Mieter.

 

IKZ-FACHPLANER: An welcher Stelle werden von den beauftragten Unternehmen die Proben entnommen?

Manfred Plackties: Wir nehmen die Proben routinemäßig am Waschtisch, da sich dieser meist etwas weiter weg vom Wasserzähler befindet. Bei der Probenentnahme selbst hat sich nicht selten gezeigt, dass es Probleme gab, wenn ein Mieter z.B. während der letzten drei Tage kein Wasser entnommen hat, z.B. weil er im Urlaub war oder nur für diesen Termin gekommen ist. Dann haben wir verschiedentlich gesehen, dass hier eine Überschreitung des Maßnahmenwerts vorlag, während zentral keine Legionellen nachweisbar waren. Nach unseren Beobachtungen entsteht eine Problematik somit überwiegend in den Anschluss- oder Verteilleitungen innerhalb der Wohnungen. In diesem Moment besteht natürlich die Gefahr, dass Legionellen bei starker Vermehrung über die Zirkulationsleitung in das Gesamtsys­tem geraten. Durch die Erwärmung des Warmwassers am Ausgang der zentralen Warmwasserbereitungsanlage über 60°C sowie der automatischen Legionellenschaltung der Anlagen wird die Versorgung mit legionellenfreiem Warmwasser gewährleis­tet. Wenn jeder Mieter, der mehr als drei Tage in seiner Wohnung kein Wasser entnommen hat, eine Spülung an allen Entnahmestellen nach Rückkehr vornimmt, wäre das allgemein schon hilfreich.
Ein Aspekt, den man hier noch bedenken sollte ist, dass wir die Wasserprobe strikt nach den Vorgaben ziehen, d.h. ohne zuvor Wasser ablaufen zu lassen. Und im Wohnungsbau haben wir kaum jemals die Bedingungen so, dass direkt das Warmwasser anliegt. Dies finden wir vielleicht im Gesundheitswesen gegeben oder im öffentlichen Bau, wo eine Durchschleife möglich ist und kein Wasserzähler eingebaut werden muss, aber eben nicht im Wohnungsbau. Hier existieren Unterschiede in der technischen Installation.

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IKZ-FACHPLANER: Bitte noch einmal zum organisatorischen Ablauf: Wie wird mit den Probenergebnissen verfahren?

Manfred Plackties: Unsere gesamten Anlagen werden durch ein einziges Laborunternehmen betreut. Dieses übermittelt die Probenergebnisse nach ca. 14 Tagen. Wir haben mit dem Unternehmen vereinbart, dass eine Überschreitung des technischen Maßnahmenwerts – also Werte ab 101 KBE/100 ml – zeitgleich an das zuständige Gesundheitsamt gemeldet werden. Wir selbst informieren zeitnah die Mieter zum Nachweis von Legionellen in der Trinkwasseranlage und teilen dem Gesundheitsamt mit, dass umgehend eine Vorortbegehung mit Gefährdungsanalyse erfolgt. Jede Anlage mit Legionellenbefund wird persönlich von uns beurteilt. Zu diesen Abläufen gehört auch, dass die betroffene Anlage gespült wird und eine thermische Desinfektion sowie eine komplette Überprüfung erfolgen. Wir nehmen einen hydraulischen Abgleich der Anlage vor und überprüfen die eingesetzten Materialien sowie die Rohrwege und die Speicher auf eventuelle Mängel. Wenn wir z.B. in Altanlagen noch Strangbelüfter vorfinden, wird die Anlage umgebaut bzw. werden die entsprechenden Leitungen erneuert.
Die Ergebnisse der Gefährdungsanalyse werden durch uns an das Gesundheitsamt übermittelt und ein Maßnahmenplan zur Sanierung der Anlage vorgeschlagen bzw. abgestimmt. Gleichzeitig werden Angebote zur Ausführung der Arbeiten eingeholt und ein Bauzeitenplan vorgelegt. Wir schlagen dem Gesundheitsamt demnach konkrete Maßnahmen proaktiv vor und agieren lieber als dass wir uns passiv verhalten, wie es ja auch in den Vorgaben gewünscht ist. Vom Gesundheitsamt erhalten wir gegebenenfalls noch Hinweise, was zusätzlich berücksichtig werden sollte. Im Großen und Ganzen ist das eine Kooperation, die ohne Probleme läuft.

 

IKZ-FACHPLANER: Wie reagieren Sie bei einer extremen Kontamination der Anlage mit Legionellen?

Manfred Plackties: Für eine Infektion besonders gefährdete Personen informieren wir allgemein schriftlich, dass sie die Duschen vorerst nicht nutzen sollten. Hier gibt es jedoch die Besonderheit, dass wir bei hohen nachgewiesenen Kontaminationen mit Legionellen durch qualifizierte Fachbetriebe als Notfallmaßnahmen endständige Wasserfilter montieren lassen. Diese Maßnahme steht in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Trinkwasserverordnung und erlaubt eine gesundheitlich unbedenkliche Weiterbenutzung der Duschen. Sie kann nach unseren Erfahrungen auch gut umgesetzt werden. Wir haben uns für diese Fälle einen kleinen Vorrat an Duschköpfen eines gut etablierten Anbieters zugelegt und setzen die Filter in diesen Situationen bis zur erfolgten Sanierung der Anlagen auch konsequent ein. Auch diesbezüglich haben wir ein System mit Mieterliste aufgebaut, das uns zu jedem Zeitpunkt über die wichtigsten Eckdaten informiert: Wann wurden die Filter bei welchem Mieter installiert? Wann ist nach Ablauf der zugelassenen Standzeit von im Regelfall bis zu 31 Tagen der routinemäßige Austausch der Filter erforderlich? Und welche Arbeiten sind notwendig, bis eine Nachuntersuchung erfolgen und ggf. eine Entfernung der Filter vorgenommen werden kann?

 

IKZ-FACHPLANER: Welche Anforderungen stellen Sie an die Unternehmen, die das Filtermanagement leisten, und an die Filter selbst?

Manfred Plackties: Wir beauftragen allgemein Unternehmen, die bei uns zugelassen sind und die ihre Befähigung nachgewiesen haben, dass sie an Trinkwasseranlagen qualifiziert arbeiten können. Bei der Auswahl der Filter haben wir auf die nachgewiesene Prüfung der Sterilfiltrationsmembran nach DVGW W270 Wert gelegt und darauf, dass für die Filtermerkmale und die angegebene Standzeit der Filter eine gute Dokumentation und Validierung vorliegt. Im Ablauf ist es so, dass die von uns mit der Installation und dem Wechsel beauftragten Unternehmen die Filter durch uns zur Verfügung gestellt bekommen. Wichtig ist, dass der gesamte Prozess, einschließlich der Bestätigung der Aktualität und der Zulässigkeit der Duschfilter, dokumentiert und archiviert wird. Denn wir sind verpflichtet, die Bearbeitung aller Legionellen­nachweise für weitere zehn Jahre zur Verfügung zu halten.


1) Die Untersuchungspflicht betrifft Großanlagen mit Duschen bzw. Großanlagen, in denen es zur Vernebelung von Trinkwasser kommt. Dabei ist als Großanlage eine Anlage definiert mit einem Speicher-Trinkwasser- oder zentralem Durchfluss-Trinkwassererwärmer, mit jeweils >400 l Inhalt oder einem Inhalt von mehr als 3l in mindestens einer Rohrleitung zwischen Abgang des Trinkwassererwärmers und Entnahmestelle (nach §3 Nr. 12 der TrinkwV).
2) Empfehlung des Umweltbundesamtes: Nachweis von Legionellen in Trinkwasser und Badebeckenwasser, Bundesgesundheitsblatt, Springer-Verlag 2000.
3) GdW Arbeitshilfe 70. Umsetzung der 2. Änderungsverordnung der Trinkwasserverordnung. Legionellenprüfung. Herausgeber: Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (2013).


Investitionen in Modernisierung

Die Berliner GESOBAU AG vermietet und verwaltet als städtisches (landeseigenes) Wohnungsunternehmen ca. 40.000 Wohnungen in den Bezirken und Stadtteilen Reinickendorf, Wedding, Pankow, Weißensee und Wilmersdorf. Das Unternehmen hat in den letzten Jahren erhebliche Mittel in die Modernisierung seines Immobilienbestands investiert. Unter anderem wurde seit September 2008 im Rahmen der energetischen Modernisierung des Märkischen Viertels die Modernisierung von rund 13.000 Wohnungen in Angriff genommen. Das Modernisierungskonzept mit einem geschätzten Investitionsvolumen von 480 Mio. Euro wird nach Angaben des Unternehmens die für die Energieeinsparverordnung für Neubauten vorgesehenen Kennzahlen deutlich unterschreiten. Für das Konzept zur Modernisierung vom Immobilienbestand im Märkischen Viertel wurde die GESOBAU im Jahr 2010 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie „Deutschlands nachhaltigste Zukunftsstrategien (KMU)“ ausgezeichnet: Im Detail soll durch die energetische Modernisierung bis zum Jahr 2015 der Kohlenstoffdioxid-Ausstoß (CO2) von zuvor 43.000 t um mehr als zwei Drittel auf nur noch 11.000 t CO2 im Jahr verringert werden. Es ist geplant, dass der verbleibende Energiebedarf des Viertels zukünftig durch ein Biomasse-Heizkraftwerk geliefert wird, sodass das Märkische Viertel als erste Großwohnsiedlung in Deutschland eine annähernd CO2-neutrale Energiebilanz aufweisen könnte.


Das Interview führte für uns Daniel Neubacher, freier Medizinjournalist (Oberursel/Ts.).

Bilder: GESOBAU AG

 


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