Azubi-Suche im Handwerk: Wer bietet mehr?
Möglichkeiten zur Gewinnung von Auszubildenden – abseits von Sach- oder monetären Prämien
Ausgefallene Stellenanzeigen, verlockende Prämien oder Begrüßungsgelder – um neue Auszubildende zu bekommen, lassen sich Handwerksbetriebe heutzutage so einiges einfallen. Immer kreativer werden die Ideen, immer lukrativer die Angebote, mit denen die Betriebe um den Nachwuchs buhlen. Schließlich fehle es seit Jahren an qualifizierten Bewerbern, heißt es seitens vieler Unternehmen. Doch um diesem entgegenzuwirken, muss nicht immer das eigene Smartphone winken. Dass es auch anders geht, zeigt der Heidelberger Handwerksbetrieb Janssen Sanitär und Heizung. Hier punktet Geschäftsführer-Ehepaar Steffi und Wolfgang Wurster mit innovativen Ausbildungsinhalten bei den jungen Jobanwärtern statt mit teuren Geschenken.
Ob die Übernahme der Führerscheinkosten, doppeltes Gehalt, ein Fitness-Studio-Abo, eigenes Smartphone oder Konzerttickets, verführerisch klingen sie alle – die Verlockungen der Arbeitgeber auf Azubisuche. Denn auf verzweifelter Nachwuchsjagd lassen Firmen hierzulande für gute Azubis inzwischen einiges springen. Schulabgänger mit guten Noten können sich ihren Ausbildungsplatz in vielen Regionen Deutschlands mittlerweile aussuchen und dabei auch auf so manches „Bonbon“ hoffen. Vor allem im Handwerk ist die Konkurrenz zwischen den Ausbildungsbetrieben hoch. Um sich im Wettbewerb um die jungen Nachwuchskräfte abzuheben und gegenüber anderen Unternehmen hervorzustechen, lassen sich Firmen deshalb so manches einfallen. Vor allem Mittelständler, kleine Unternehmen und Firmen außerhalb der Großstädte müssen kreativ werden, um sich für die wenigen Bewerber auf dem Markt interessant zu machen. Von Schnupperkursen in der Chefetage bis zum eigenen Dienstwagen, von ausgefallenen Stellenanzeigen bis zum Stand auf der Berufsmesse – in der Not scheuen manche Unternehmen keine Kosten und Mühen, um die wachsende Zahl freier Ausbildungsplätze doch noch irgendwie zu besetzen.
Keine schlaflosen Nächte
Von teuren Geschenken und vielversprechenden Ausbildungsangeboten hält Wolfgang Wurster, Inhaber von Janssen Sanitär und Heizung in Heidelberg, nicht allzu viel. Im familiengeführten Betrieb zählen andere Werte bei der Ausbildung. Sinkende Bewerberzahlen bereiten ihm trotzdem keine schlaflosen Nächte: „Ob es der wöchentliche Eistag im Sommer ist, der die Bewerber lockt? Ich weiß es nicht, aber ich kann nicht klagen. Mit der Nachwuchs-Suche haben wir jedenfalls keine Probleme in unserem Betrieb. Im Gegenteil: Wir hatten auch dieses Jahr schon einige tolle Bewerbungen, darunter auch Jugendliche mit Abi und Fachhochschulreife“, sagt der gelernte Heizungsbau- und Sanitärmeister sowie staatlich geprüfte Techniker und Energieberater. Dass der Handwerksmeister mit dieser Aussage zu den Exoten in Deutschland gehört, ist ihm bewusst.
„We are family!“
Derzeit beschäftigt Janssen Sanitär und Heizung sechs Auszubildende. An Interesse und Sachverstand mangele es keinem der sechs. Alle hätten sich selbstständig beworben. Auch ohne, dass man ihnen dabei große Geschenke versprochen habe oder Begrüßungsgelder vergeben wurden, so Wurster. Doch wie erklärt sich der Chef die ungebremste Motivation seiner Auszubildenden? Was macht er anders, um gute Azubis zu gewinnen? „Ein partnerschaftliches und familiäres Miteinander prägt die Zusammenarbeit in unserem Team. Als Handwerksbetrieb mit langer Tradition legen wir deshalb nicht nur großen Wert auf die Qualität unserer Dienstleistungen und Produkte, sondern auch auf die unserer Mitarbeiter. Termintreue, ein freundliches Auftreten und sauberes Arbeiten sind ein Zeichen der Achtung, die wir unseren Kunden entgegen bringen. Die Herausforderung besteht deshalb darin, schon im Bewerbungsgespräch die Persönlichkeit der Bewerber zu erkennen. Das ist enorm schwierig, vor allem bei jungen Menschen, die gerade erst die Schule beendet haben. Eine positive Grundeinstellung und gute Umgangsformen sind für mich aber wichtiger als eine 1 in Mathe“, erklärt der zweifache Meister und Vater von drei Kindern.
Er bilde schließlich aus, um zu übernehmen. Denn Inhaber Wolfgang Wurster weiß, wer Nachwuchs qualifiziert und fördert, investiert in die eigene Zukunft. Dabei ist er sich seiner Verantwortung voll und ganz bewusst: „Die Ausbildung kompetenter und engagierter Nachwuchskräfte liegt uns am Herzen und ist uns sehr wichtig. Denn nur so sichern wir uns Fachkräfte und sorgen für eine systematische und langfristige Personalentwicklung“, erklärt Wurster. Der Handwerker-Nachwuchs steht deshalb bei der Firma Janssen Sanitär und Heizung im Mittelpunkt.
„Der eigentliche Anreiz für Jugendliche sollte sein, eine gute Ausbildung zu bekommen. Bei uns gibt es daher keine Prämien oder wertvollen Geschenke bei guter Leistung. Auch keine Standardverfahren oder Patentlösungen, um die Azubis zu motivieren. Denn jeder ist ein Einzelfall. Wir nehmen sie an der Hand, geben Orientierung und Ausdauer, falls mal einer strauchelt“, erklärt Janssen-Chefin Stefanie Wurster. Von Anfang an werden die Auszubildenden deshalb voll und ganz ins Unternehmen integriert. Sei es bei der Weihnachtsfeier, dem Freunde- und Familientag oder einem der vielen Betriebsausflüge, die das SHK-Unternehmen jedes Jahr unternimmt. Auch eigene Visitenkarten und die monatlichen Teamsitzungen fördern die Integration der Auszubildenden ins Team und den Zusammenhalt der Belegschaft, sagt die Geschäftsführerin.
Neben eigenem Werkzeug und Arbeitskleidung inklusive Wäscheservice, werden die Nachwuchskräfte bei Janssen Sanitär und Heizung dazu mit regelmäßigen betriebsinternen Schulungen und Trainings unterstützt. Dafür gibt es extra einen Ausbildungsleiter, Mario Schmider, der die Azubis fördert und auch sonst ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite steht.
Leidenschaft fürs Handwerk
So auch Leon Bürklin. Der pflichtbewusste junge Heidelberger absolviert derzeit seine Ausbildung zum Anlagenmechaniker im Hause Janssen. Selbst in einem Sanitär- und Heizungsbetrieb groß geworden, bringt er die besten Voraussetzungen mit und weiß, worauf es bei der Ausbildung ankommt. Schon vor der Lehre machte er deshalb sein Abitur an einem Technischen Gymnasium. Mit dem Abi in der Tasche rutschte Bürklin dann direkt ins 2. Lehrjahr, was ihm die Ausbildung nun verkürzt. Sein Engagement und seine Höflichkeit beeindrucken nicht nur die Janssen-Chefs – auch für seine jungen Kollegen ist der Muster-Azubi ein Vorbild. Erst im Februar unterstützte er die SHK-Innung an ihrem Stand auf der Messe „Jobs for future“ in Mannheim und informierte andere Jugendliche über seinen Arbeitsplatz und Karrieremöglichkeiten. Auch sein nächster Einsatz steht schon fest: Beim Fachkongress „Gemeinsam zum Ziel: Ausbildungsqualität entwickeln – Ausbildungserfolg sichern“ im September im Haus der Wirtschaft in Stuttgart wird Leon Bürklin von seiner Ausbildung berichten und im Praxisinterview Rede und Antwort stehen.
Wie fleißig der Janssen-Azubi ist, zeigt auch die Ernennung zum „Ausbildungsbotschafter“ der Handwerkskammer Baden-Württemberg. Die vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau geförderte landesweite Initiative soll die Motivation und Lernbereitschaft künftiger Auszubildenden wecken. Das Prinzip ist simpel. Junge Menschen, die gerade eine Ausbildung machen, gehen in Schulen und beantworten die Fragen der Schüler: Wie sieht die Ausbildung in der Praxis aus? Was sind Vor- und Nachteile des Berufs? Und wie viel verdient man? Dafür wirbt der angehende Anlagenmechaniker in den Schulen des gesamten Bundeslandes und gibt direkte und authentische Einblicke in seinen Ausbildungsberuf.
„Weil die Ausbildungsbotschafter meistens nicht wesentlich älter sind, identifizieren sich die Schüler mit ihnen. Aber Ausbildungsbotschafter müssen für diesen Job auch geeignet sein, schließlich müssen sie den Kids in der Schule glaubwürdig berichten können, was an ihrem Beruf Spaß macht. Leon kann das sehr gut, er hat eine große Leidenschaft für sein Handwerk, genau wie all unsere Azubis“, erklärt Wolfgang Wurster sichtlich stolz und seine Frau ergänzt: „Mit ihrer Einsatzbereitschaft und ihren Persönlichkeiten sind unsere jungen Leute Vorbilder für den handwerklichen Nachwuchs.“
Staatssekretärin auf Stippvisite
Von dieser Vorbildfunktion der Janssen-Azubis scheint auch Baden-Württembergs Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, Katrin Schütz, bereits gehört zu haben. Denn sie stattete der Firma Anfang August während einer dreitägigen Info-Reise zum Thema „Ausbildung“ einen Besuch ab, um sich im Heidelberger SHK-Unternehmen umzuschauen und zu erfahren, was man hier anders macht als in anderen Ausbildungsbetrieben. Katrin Schütz kennt sich aus in Sachen Ausbildung: 15 Jahre – von 1991 bis 2006 – war sie selbst Ausbilderin in einem mittelständischen Unternehmen. Vom Handwerk über Hotellerie und Gastronomie bis IT informierte sich die Staatssekretärin bei insgesamt zwölf Unternehmen des Landes Baden-Württemberg über Herausforderungen und kreative Lösungsansätze bei der Fachkräftesicherung. Dabei stand vor allem der Austausch mit Auszubildenden, engagierten Ausbildern sowie Unternehmern im Mittelpunkt. Ebenfalls im Fokus der Besuche: Wie gewinnen die Unternehmen Nachwuchskräfte und wie stellen sie das hohe Ausbildungsniveau sicher? „Ausbilder sind immer auch Pädagogen“, sagte Katrin Schütz bei ihrem Besuch der Firma Janssen. Sie müssten für den Beruf begeistern, motivieren und dafür sorgen, dass der Funke bei den jungen Menschen überspringt. „Das funktioniert hier sehr gut, denn die jungen Jobanwärter brennen allesamt für ihr Handwerk“, zieht Schütz ihr Fazit.
Bilder: Uschi Wetzel
Nachgefragt
Auszubildender Leon Bürklin (Azubi zum Anlagenmechaniker Sanitär, Heizung, Klima bei der Heidelberger Firma Janssen Sanitär + Heizung) ist als Ausbildungsbotschafter des Landes Baden-Württemberg im Einsatz und wirbt an Schulen für seinen Beruf.
IKZ-HAUSTECHNIK: Was bedeuten Dir die Einsätze als Ausbildungsbotschafter und siehst du dich dabei selbst als Vorbild für andere Jugendliche?
Leon Bürklin: Ich nehme meine Aufgabe als Ausbildungsbotschafter sehr ernst, da an meiner Schule etwas Derartiges nie angeboten wurde. Im Nachhinein hätte ich mir aber gewünscht, dass mir jemand durch den Entscheidungsdschungel hilft. Natürlich versuche ich, meine Aufgabe dementsprechend gut zu machen. Als Vorbild sehe ich mich dabei aber nicht. Höchstens in Bezug darauf, dass ich mir meiner Sache voll und ganz sicher bin. Jugendliche in meinem Alter wissen oft nicht, was sie eigentlich wollen. Daher denke ich, kann es sehr hilfreich sein, von einem Gleichaltrigen zu hören, dass es nicht falsch ist, sich feste Ziele zu setzen und sich auf etwas voll und ganz einzulassen, obwohl das Angebot so riesig ist.
IKZ-HAUSTECHNIK: Was war dir persönlich bei der Wahl deines Ausbildungsbetriebes wichtig? Wie konnte die Firma Janssen bei dir punkten?
Leon Bürklin: Ich wollte einen Ausbildungsbetrieb, bei dem ich nicht nur mitlaufe und meinem Gesellenbrief entgegenfiebere, sondern das Gefühl bekomme, dass auf meine Ausbildung Wert gelegt wird. Eben diese Eigenschaften sehe ich in der Firma Janssen. Der Geschäftsleitung ist das Wohl der Auszubildenden sehr wichtig. Wobei die Mitarbeiter nicht ausgelassen werden dürfen, denn bei ihnen spielt sich ja der Großteil meiner Ausbildung ab. Und bei denen fühle ich mich richtig wohl.
IKZ-HAUSTECHNIK: Was halten deine Vorgesetzten von deinem Engagement als Ausbildungsbotschafter und wie unterstützen sie dich dabei?
Leon Bürklin: Der Geschäftsleitung der Firma Janssen liegt das Thema Ausbildung besonders am Herzen, weshalb ich bisher nur auf Lob stieß, was mein Amt als Ausbildungsbotschafter anging. Mein Chef war auch derjenige, der mir angeboten hat, an dem Programm mitzumachen. Für meine Einsätze werde ich von ihm ausnahmslos freigestellt, durfte mir auch Überstunden aufschreiben wenn es mal länger ging.
IKZ-HAUSTECHNIK: Welchen Vorteil hat das Unternehmen von deinem Engagement als Ausbildungsbotschafter?
Leon Bürklin: Mit dem Ausbildungsbotschafter-Programm wird in die Zukunft investiert. Soll heißen: Jeder Azubi, den wir für das Handwerk begeistern können, könnte der nächste Top-Mann meiner Firma werden. Außerdem wirkt das Programm dem Fachkräftemangel entgegen, was den Firmen von heute sehr viel Arbeit abnehmen könnte.
IKZ-HAUSTECHNIK: Und welchen Vorteil hast Du von den Einsätzen als Ausbildungsbotschafter?
Leon Bürklin: Das Programm ist ehrenamtlich, trotzdem springt für uns mal ein kleines Präsent oder eine Einladung zum Essen ab. Nicht zuletzt bin ich durch meine Einsätze viel kommunikativer und sicherer in meinem Auftreten geworden.