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Thema: Nachfüllen von Heizungsanlagen (Teil 1)

Prozentuale Ausdehnung des Anlagenwassers bezogen auf die maximal mögliche Anlagentemperatur.

 

„Alle Jahre wieder“ schaltet der Eigentümer bzw. Nutzer von Heizungsanlagen seine Heizung bei fallenden Temperaturen bzw. im Spätjahr ein oder stellt sie von Sommerbetrieb (nur Warmwasser) auf Heizbetrieb um. Spätestens dann sollte sein Blick auf den Manometer, der den Anlagendruck anzeigt, fallen. Auf dem Heizungsmanometer befinden sich rote und grüne Flächen, sowie ein Zeiger und Ziffern, z.B. 0-4 bar, die den Anlagendruck kenntlich machen sollen. Meist steht der Zeiger beim „Anheizen“ vor der grünen Zone bei 0,5-1,2 bar. Je nach Geschick des Betreibers ruft dieser nun den Heizungsfachmann an, füllt selbst die Anlage auf oder schaltet die Heizung ein und wartet einfach ab, was passiert. Werden alle Heizkörper warm, ist der Nutzer zufrieden und denkt nicht weiter nach. Kommt es zu Rauschen oder anderen Geräuschen, wird die Luft an den einzelnen Heizkörpern abgelassen. Tritt Wasser aus, wird die Entlüftungseinrichtung geschlossen. Hierbei wird jedoch nicht bedacht, dass der Anlagendruck entsprechend der abgelassenen Luftmenge sinkt. Wenn infolgedessen keine Luft und kein Wasser mehr austreten, ist der Anlagendruck bereits unter eine kritische Grenze gefallen. Spätestens dann werden die Heizkörper oder Flächenheizungen nicht mehr ausreichend durchströmt und die Räume bleiben kalt. Des Weiteren können durch fehlenden Systemdruck Anlagenteile wie die Pumpe oder der Wärmeerzeuger Schaden nehmen.

Sollte ein Kunde selbst nachfüllen?
Der Heizungsbetreiber sollte selbst die Anlage nicht nachfüllen, auch wenn er das handwerkliche Geschick des Schlauchanschließens, Öffnen eines Kesselfüll- und Entleerungshahnes hat. Der Wasserverlust hat einen Grund, den der Nutzer nicht erkennen muss.
Beim Füllen sind zudem Vorgaben (VDI/ Normen) einzuhalten, die ein Heizungsbetreiber nicht kennt. Einfach nur Schlauch anschließen und Wasser marsch, wie dies in einigen Videos im Internet gezeigt wird, ist falsch. Dies kann unter Umständen sogar zu erheblichen Gefahren und Folgeschäden führen.

Warum soll der Fachmann nachfüllen?
Heizungs-, Solar- und Kühlkreisläufe sind geschlossene Systeme, bei deren Wasserverlust zunächst nach der Ursache zu fragen ist. Ist der Wasserverlust systembedingt durch Verdunstung oder Mikro-Undichtheiten an Armaturen entstanden oder durch Nachentlüftungsarbeiten, ist zu klären. Sind diese Undichtheiten am Leitungssystem, an Verschraubungen oder Anschlüssen entstanden, so sind diese zunächst zu lokalisieren und abzudichten.
Ein Betreiber hat meist nicht die Kenntnisse, die Ursache des Wasserverlustes seiner Heizungsanlage zu beurteilen, sie sicher nachzufüllen bzw. die aufgezeigten Gefahren einzuschätzen. Die Kenntnisse besitzen in der Regel nur die Fachleute. Der Fachmann erlernt den Beruf und eignet sich durch vielfältiges Arbeiten an den unterschiedlichsten Anlagen die notwendigen Erfahrungen an. Er nutzt zudem die vielfältigen Möglichkeiten sich weiterzubilden sowie auf dem Stand der Technik und gültigen Vorschriften zu bleiben.
Ohnehin kann er viele Fragen, die rund um das Füllen auftreten, nicht beantworten, z.B.:

  • Ist das Trinkwasser überhaupt zum Nachfüllen geeignet oder muss dieses aufbereitet werden?
  • Wie schnell darf aufgefüllt werden?
  • Welcher Anlagendruck ist erforderlich?
  • Ist im kalten oder aufgeheizten Zustand nachzufüllen?
  • Ist der Füllschlauch auf dem KFE des Heizungsvorlaufes oder Heizungsrücklaufes anzuschließen?
  • An welchem Trinkwasserleitungsanschluss ist der Füllschlauch anzubringen?
  • In welchen Schritten ist beim Nachfüllen vorzugehen?
  • Soll der Kessel bzw. der Brenner oder die Pumpe eingeschaltet bleiben?


Ist das Ausdehnungsgefäß defekt oder zu klein ausgelegt?
Der Vordruck der Luftseite des Mem­branausdehnungsgefäßes (MAG) könnte zu hoch eingestellt sein oder insgesamt fehlen. Hier ist das Sicherheitsventil zu prüfen. Mitunter passt der werkseingestellte Öffnungsdruck, z.B. 2,5 bar, nicht für die bestehende Anlage. Eventuell muss es ein Sicherheitsventil mit einem Ansprechdruck von 3,5 bar sein. Schwer zu erkennen sind auch Dichtheitsfehler am Sicherheitsventil, das unmerklich tropft.

Wo ist der Füllschlauch anzuschließen?
An der Anlage sind oft mehrere Kesselfüll- und Entleerungshähne (KFE) eingebaut. Doch nicht alle eignen sich wirklich zum Füllen.
Ein z.B. an der Unterseite eines älteren Gusskessels eingebauter KFE sollte nur zum Entleeren und nicht zum Befüllen genutzt werden. Ansonsten würde sich der im unteren Bereich angesammelte Schlamm mit dem Heizungswasser vermischen und im gesamten System verteilen. Die Folgen wären nicht abschätzbar. So könnte die Hocheffizienzpumpe durch den Schlamm und das Magnetit blockieren. Bei Flächenheizsystemen können Leitungsabschnitte verschlammen. Im schlimmsten Falle könnte es sogar aufgrund der Temperaturunterschiede, z.B. Heizungswasser 90°C, Füllwasser nur 12°C, zu Spannungsrissen im Kessel bzw. von Gussgliedern kommen.

Heizungsanlage ist nicht gleich Heizungsanlage
Es gibt eine Vielzahl von Heizungsanlagen, die sich nach Größen, Aufbau, Wärmeerzeugersystemen, Kombinationen, verbauten Armaturen und Geräten, der Brauchwassererwärmung sowie vielem anderen unterscheiden. Die Vorgehensweise beim Nachfüllen einer Heizungsanlage orientiert sich deshalb grundlegend an der nachzufüllenden Heizungsanlage selbst.

Allgemeines zur Anlage klären
Zunächst sollte Grundlegendes über den Anlagentyp geklärt werden:

  • Handelt es sich um ein Einfamilien- oder Mehrfamilienhaus, um einen Wohnblock, um eine Etagenwohnungsheizung oder um eine Gewerbebe­triebsanlage?
  • Welches Wärmerzeugersystem wird verwendet – Kesselanlage, Solarthermie, Wärmepumpe, bivalentes System, Pufferspeicher, Umlaufwasserheizer, Fernwärmeanlage oder Elektroheizung?
  • Welcher Wärmeträger kommt zur Anwendung – Gas, Festbrennstoffe, Öl, Fernwärme oder Elektro?
  • Welches Wärmeverteilsystem ist installiert – Einrohrsystem, Zweirohrsystem?
  • Welche Heizkörper, Flächenheizsys­teme, Lufterhitzer o.a. sind eingebaut?


Spezifische Daten zur Anlage ­ermitteln
Fallbeispiel: Die Anlage hat Gussradiatoren aus den 1970er-Jahren und die Kesselleistung beträgt 30 kW. Der Sicherheitstemperaturbegrenzer wirkt bei 110°C, das Sicherheitsventil hat einen Öffnungsdruck von 2,5 bar und das Membranausdehnungsgefäß hat ein Gesamtvolumen von 80 l. Die Anlage wird mit Vorlauftemperaturen von ca. 70°C und Rücklauftemperaturen von ca. 50°C gefahren. Es handelt sich um ein Gebäude mit zwei Stockwerken von je 2,6 m Höhe. Im Keller (Deckenhöhe 2 m) ist die Kesselanlage aufgestellt. Am Manometer, über dem Heizkessel angebracht, lässt sich ein Druck von 0,4 bar ablesen.

Anlagenparameter überprüfen
Aus den erfassten Daten, die protokolliert werden, ergeben sich eventuell Hinweise, die zur Ursache des Wasserverlustes führen. Hierzu werden die wesentlichsten Anlagenparameter ermittelt bzw. festgelegt: Füllvolumen, Ausdehnungsvolumen, statische Höhe, Vordruck MAG, Fülldruck.

Volumen der gesamten Anlage
Das Gesamtvolumen einer Heizungsanlage kann, wenn es nicht bekannt ist, überschlägig aus der Kesselleistung und den vorhandenen Heizflächen (Heizkörperbauart/Flächenheizungssysteme) näherungsweise bestimmt werden. Mithilfe eines Faktors (v) für die Art der Wärme­übertragungsfläche, der installierten Kesselleistung (Q) wird das Volumen (V) bestimmt.

V = f · Q

Vorhanden:
Gussradiatoren (mit f ca. 15 l/kW)
Kesselleistung (30 kW)

V = 15 l/kW · 30 kW
V = 450 l

Die Anlage hat überschlägig ca. 450 Liter Inhalt.

Ausdehnungsvolumen
Das Ausdehnungsvolumen (Ve) ergibt sich aus der maximal möglichen Aufheiztemperatur der Anlage. Die Anlage wird zwar mit VL 70°C und RL 50°C betrieben, doch zur Bestimmung des möglichen Ausdehnungsvolumens ist die maximal mögliche Aufheiztemperatur entscheidend. Diese ist vom Sicherheitstemperaturbegrenzer der Anlage abhängig und beträgt in diesem Fall 110°C. Das Ausdehnungsvolumen (e) lässt sich als prozentualer Wert ermitteln.
Bei 70°C würde die Ausdehnung ca. 2,2% betragen, jedoch ist mit ca. 5% bei 110°C zu rechnen. Bei einem Anlageninhalt von ca. 450 l ergibt sich demnach ein Ausdehnungsvolumen (5%) von 22,5 l.

Statische Höhe
Es ist die Gesamthöhe, von der Einbauhöhe des MAGs bis zum höchsten Punkt des Heizungsvorlaufes, zu ermitteln. Folgende Daten lassen sich ermitteln:

  • Oberkante der Heizkörper im OG ca. 0,9 m über dem Fußboden,
  • Anschluss des MAG ca. 0,5 m oberhalb des Kellerfußbodens,
  • Sicherheitsventil (über der Kesselanlage) ca. 1,8 m Höhe über dem Fußboden,
  • Vorlauf im OG 0,9 m hoch,
  • Deckenstärke ca. 0,2 m,
  • Geschosshöhe mit Decke 2,6 m,
  • Einbauort MAG 1,5 m unterhalb der Kellerdecke (Kellerhöhe – 0,5 m),
  • statische Höhe 5,2 m, demnach beträgt der statische Druck (pst) 0,52 bar. 


Vordruck am MAG
Der Vordruck des MAGs muss ca. 0,3 bar höher als der statische Druck sein. Also: statische Höhe ca. 0,5 bar +0,3 bar ergibt einen Vordruck (p0) am MAG von 0,8 bar.

Wasserseitiger ­Fülldruck
Der Fülldruck muss so hoch sein, dass eine ausreichende Wasservorlage in das MAG gepresst werden kann. Er sollte ca. 0,2-0,3 bar über dem Vordruck des MAGs liegen. Damit ergibt sich ein aufzubringender Fülldruck von 1,1 bar, der in kaltem Anlagenzustand aufgebracht werden soll.
Nach Ermittlung der Anlagenparameter sind diese an der Anlage zu überprüfen.

 


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