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Thema: „Überflutung 2016“ in Gebäuden

 

Ende Mai, Anfang Juni 2016 kam es aufgrund eines sich über Deutschland festgesetzten Tiefs zu wolkenbruchartigen Niederschlägen. Große Regenmengen führten selbst bei kurzzeitigem Auftreten von nur 5 bis 10 Minuten zur Überflutung tiefer gelegener Straßen. Die gesamten Kanalisationen waren fast ebenso schnell gefüllt und daher nicht in der Lage, alles anfallende Wasser abzuleiten. Dies führte für unzählige Kellerbesitzer oder Bewohner von Einliegerwohnungen zu bösen Überraschungen. Plötzlich und unvermeidbar quoll Schmutzwasser fontänenartig gleichzeitig aus vielen angeschlossenen Ablaufstellen. Obschon Einrichtungen wie Rückstauklappen und Schmutzwasserpumpen durchaus hilfreich sind, so führten diese Niederschläge doch zu Katastrophen.

Ganze Ortschaften wurden meterhoch unter Wasser gesetzt. Ortschaften, die an Ausgängen von Tälern erbaut wurden, hat es besonders schwer getroffen. Das an den Talhängen herabströmende Niederschlagswasser schoss in die Talsohle. Auf seinem Weg sammelte es Bäume, Steine, Schlamm oder anderen Unrat. In den Talsohlen angekommen, folgte die auf mehrere Meter angewachsene Wasserschmutzlawine weiter dem Gefälle des Talgrundes. Die Masse erreichte dabei Geschwindigkeiten von teilweise >40 km/h und damit eine kinetische Energie (Bewegungsenergie), die alles mitriss, was sich ihr in den Weg stellte oder einfach wegspülte.
Den Helfern und Betroffenen bietet sich nach solchen Ereignissen regelmäßig ein Bild der Zerstörung: Große Felsblöcke mit dem Gewicht von mehreren Tonnen, weggerissene Hauswände, aufgerissene Straßendecken oder meterhoher Schlamm, Dreck, Steine, Baumstämme und Fahrzeuge.

Ursachenanalyse
Was bedeutet eigentlich eine Regenmenge von 1 l, der in einer bestimmten Zeit fällt? Fällt 1 l Regen auf 1 m², entspricht das einer Höhe von 1 mm. Fallen 100 l, so würden 100 mm (10 cm) Wasser diesen m² bedecken. Entscheidend ist einerseits die Zeit, in welcher die Regenspende erfolgt, und andererseits, wie die Niederschlagsfläche geformt ist. Wäre die Grundfläche von 1 m² in einem Winkel von 45° geneigt, würde bei verhindertem Ablauf eine keilförmige Wasserhöhe von ca. 50 cm Höhe entstehen. Das wäre z.B. bei einem Dach gegeben.
Das Wasser des Daches wird über die Dachrinne abgeleitet. Das Wasser von Berghängen muss dem Gefälle der Hänge sowie der Talführung folgen. Die Auswirkungen sind fatal.
Beobachter aus den verschiedenen Katastrophengebieten berichten z.B. von nur kurzen Reaktionszeiten. Zuerst habe es kurze heftige Schauer gegeben. Nach wenigen Minuten seien sturzbachartig die Dachrinnen übergelaufen, während gleichzeitig in Gebäuden selbst aus über der Rückstauebene angeschlossenen Ablaufeinrichtungen Schmutzwasser in die Keller und die Wohnungen floss. Das Ablaufsystem konnte das anfallende Niederschlagswasser einfach nicht mehr aufnehmen.
Kommt es bei einer Dachgrundfläche von 100 m² zu einer Regenfallmenge von 100 l/m² in 1 Std., entspricht das einer gesamten Ablaufmenge von 10 m³/h. Auf die Minute bedeutet dies 0,1666 m³ oder 166,6 l/Min. Je Sekunde entspricht dies einer Wasserspende von 2,78 l. Für sich betrachtet müsste ein Abwassersystem diese Menge ableiten können. Nach Normen ist ein Regenfallrohr DN 100 in der Lage, 4,7 l/Sek. abzuleiten.
Diese Betrachtungsweise ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Bei wolkenbruchartigen Niederschlägen kommt es zwangsläufig zu Regenspenden, die das Fassungsvermögen der gesamten Abwasserkanalisation übersteigen. Vollfüllungen mit Lufteinschlüssen im Rohrsystem, die das Ablaufen stark behindern, sind die Folge.
Um dieses Phänomen zu verstehen, muss das System der kommunizierenden Röhren und der daraus entstehende Rückstaueffekt bekannt sein. Kommt es in einem offenen oder geschlossenen System zu einem Anstieg von Flüssigkeit oder zu einem Rückstau, so steigt die in diesem System befindliche Flüssigkeit in allen angeschlossenen Abschnitten oder Röhren auf das gleiche Höhenniveau.
In geschlossenen Systemen wie einem Abwassersystem kommt es bei Verschluss des Ablaufes zum gleichmäßigen Anstieg in allen Leitungsabschnitten. Die Flüssigkeit folgt dem Gefälle bzw. der Schwerkraft und steigt in allen Leitungsabschnitten unabhängig von dessen Durchmesser, Länge oder Höhe gleich hoch. Bei einer Öffnung tritt entsprechend dem Durchmesser und der Austrittshöhe Flüssigkeit mit entsprechendem Druck aus. Vorausgesetzt ist jedoch, dass die einzelnen Leitungsabschnitte eine offene Verbindung zur Atmosphäre haben.
Das in Abwasserkanäle strömende Oberflächenwasser mit seinem Schwemmmaterial verstopft jedoch nach 10-20 Sekunden die Ablauföffnungen der Kanäle, die gleichzeitig die Entlüftungsöffnungen darstellen. Folge: Das Wasser staut sich, fließt der Neigung der Straße folgend weiter bzw. steigt in ebenen Straßen zu Seen an. Das in die Abwasserkanalisation einströmende Wasser komprimiert die Luft in dem abgeschlossenen Leitungssystem, sodass selbst schwere Kanalabdeckungen von mehr als 50 kg Gewicht aus ihren Rahmen angehoben werden. Das Wasser wirkt wie eine Glocke über der Luft und behindert das rasche Entlüften des Leitungssystems. Die Luft wiederum behindert das Ablaufen des nachströmenden Wassers.
Es bilden sich fontänenartige Aufspülungen, deren Wasserluftgemisch unter Zischgeräuschen die Kanalabdeckungen um 30-40 cm anhebt und wegschiebt. Danach stürzt das Wasserschlammgemisch unter Bildung eines starken Soges in die Kanalöffnung und verfüllt bzw. verstopft es. Das Wasser kann abermals nicht mehr ablaufen.
In schwer getroffenen Ortschaften wird von einem dumpfen Grollen berichtet, das 10-20 Sekunden vor der Welle zu hören war, die dann mit Lärm ganze Ortschaften zerstörte. Die Welle selbst ist an ihrer Spitze zunächst nur 30-50 cm hoch in die Straßen eingeströmt. In der Spitze befand sich bereits Unrat. Ihr folgten unmittelbar 2-3 m hohe Flutwellen.
Das auf, in und unter der Flutwelle mitgerissene Holz – ganze Baumstämme – rotierten in der Masse in auf- und abschwingenden Wellengängen. Häuserwände werden so weggerissen und zum Einsturz gebracht. Große Teile – Bäume von 10 m und länger – stellten sich teilweise quer zur Flutrichtung, wodurch es zu weitern Rückstauereignissen mit Unterspülung von Bauwerken kam. In deren Folge staute sich das nachströmende Wasser kurz auf, je nach Situation wurde das Hindernis über-, unter-, umspült oder einfach weggedrückt und es kam dann zu weiteren Gebäudeschäden.
Alles, was den Weg der Flutwelle kreuzte oder ihr im Wege stand, wurde mitgerissen. Möbel, Fahrzeuge, Bauwerke oder anderes konnte der Kraft dieser Wassermassen nicht standhalten. Das Gewicht des Wassers, in Verbindung mit dem statischen Druck der Wellenhöhe und der Fließgeschwindigkeit, führte zu den extremen Schäden.
Die Ursache selbst, die großen Niederschlagsmengen, sind natürlichen Ursprungs und können nicht beeinflusst oder verhindert werden. Diese Regenmengen werden nach wissenschaftlichen Voraussagen zukünftig wegen des Klimawandels öfter auftreten.
Ein Abwassersystem kann nicht für solche Extremsituationen ausgelegt und gebaut werden. Um solche kurzzeitig auftretenden Wassermengen rasch und ohne Hindernisse aufzunehmen, wäre ein offenes Ableitungssystem, wie diese an Stauseen gebaut werden, erforderlich. Dies ist aber nicht realisierbar.
Schwerpunkt kann also nur die Gefahrenanalyse zu jedem Einzelfall sein, um Maßnahmen zur zukünftigen Schadensvermeidung zum Schutz eines Gebäudes durchzuführen. In der Regel benötigen alle Ablaufstellen unterhalb der Rückstauebene Schutz vor Rückstau.
Hochwasserschutz ist Kundenservice und sollte auch in Anlagen, die bis heute noch von solchen Fällen verschont blieben, betrieben werden. Für SHK-Unternehmen sollte aus Kundenfürsorge und im eigenen Interesse eine Begutachtung von rück­stau­gefährdeten Anlagensystemen durchgeführt werden. Die nachfolgende Beratung der Eigentümer oder Nutzer sollte selbstverständlich sein.
Die namhaften Hersteller solcher Sicherungsbauteile haben in den letzten Jahren umfangreiche Neuentwicklungen auf den Markt gebracht, die es ermöglichen, zentrale oder Einzelsicherungen einzubauen oder nachzurüsten. Beim Einsatz ist das anfallende Schmutzwasser nach fäkalienfrei und fäkalienhaltig zu unterscheiden.
Am sichersten sind Abwasserhebeanlagen, die anfallendes Schmutzwasser tiefer gelegener Anlagenabschnitte über die Rückstauebene pumpen. Ihr Vorteil ist zudem, dass sie einen gewissen aktiven Hochwasserschutz bieten können. Durch Wände und Boden in den Keller eindringendes Sickerwasser kann über Bodeneinläufe der Hebeanlage zugeführt werden.
Rückschlagklappen schließen bei Rückstau selbstständig. Sie können jedoch durch Einspülungen teilweise blockieren und damit offen bleiben. Motorisch betriebene Rückstauklappen schließen automatisch eine zweite Klappe, wodurch die Sicherheit erhöht wird. So kann zumindest bei üblichen Regenmengen ein Überflutungsschutz der einzelnen Gebäude gewährleistet werden.

 


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