Ärmel hochkrempeln - und weiter!
Ernst-Martin Schaible, Gründer und Inhaber DER KREIS, im Gespräch mit "der küchenplaner"-Chefredakteur Dirk Biermann.
Herr Schaible, wie systemrelevant ist der Mittelstand?
Ernst-Martin Schaible: Systemrelevant, der Begriff könnte Wort des Jahres 2009 werden. Schade, dass die Finanzwelt die Bedeutung erst jetzt erkannt hat. Wäre sie sich der Verantwortung ihrer Systemrelevanz bewusst gewesen, wäre uns einiges erspart geblieben. Wie relevant Verantwortung ist, hat der Mittelstand längst bewiesen - größter Arbeitgeber, größter Ausbilder, Innovationsmotor der deutschen Wirtschaft - ohne den Mittelstand würde das System Finanzmarkt nicht bestehen können. Folglich ist Mittelstand für die Marktwirtschaft das relevanteste System.
Und speziell der Küchenfachhandel?
Ernst-Martin Schaible: Mehr als 30% des Küchenabsatzes wird über das Küchenfachgeschäft platziert. Das kommt nicht von ungefähr. Als Familienbetrieb, und das sind die meisten Fachgeschäfte, bringen die Küchenspezialisten neben hohem Engagement und Fachkompetenz ein enormes Innovationspotenzial in den Markt, aus dem die Industrie ihre Stellung als Weltmarktführer rekrutiert hat. Die Bedeutung der Küche ist im Rahmen der Einrichtungskultur zum wichtigsten Raum des Hauses zurückgekehrt. Küchenarchitektur und Wertigkeit sind ganz sicher ein Verdienst des guten Küchenfachhandels.
Die Unternehmensberatung BBE monierte kürzlich, dass die Konjunkturmilliarden am Mittelstand vorbeigehen. Was meinen Sie dazu?
Ernst-Martin Schaible: Natürlich stimmt es bedenklich, wenn Renditegier durch Milliardennotverbände noch belohnt wird, während notleidenden Kleinbetrieben die "Erste Hilfe" verweigert wird. Wer ein wenig nachdenkt, kann aber ruhig sparsamer mit Kritik umgehen. Ohne funktionierendes Finanzsystem geht gar nichts, und es hilft niemandem, wenn ein Industriebetrieb mit 30.000 Mitarbeitern seine Produktion einstellt und in der Folge die kleineren Zulieferbetriebe noch 50.000 weitere Arbeitsplätze freisetzen, ganze Regionen wirtschaftlich austrocknen. Küchen werden dann dort auch nicht mehr verkauft. Der Mittelständler ist es gewohnt, sich seinen Erfolg nicht von anderen finanzieren zu lassen, aber natürlich profitiert er von den Maßnahmen indirekt. Ein direkter Erfolg zeichnet sich in der Baubranche ab. Die Maßnahmen zur Förderung energieeffizienter Bauökologie haben bereits einen Auftragsschub in Gang gesetzt. Unsere Mitgliedsunternehmen verzeichnen einen überproportionalen Anstieg im Bereich der Küchenrenovierung. Lifting - Der Küchenrenovierer & Elektrogerätespezialist hat sich als Konjunkturmodul für den Küchenspezialisten entwickelt. Ich sehe keinen Grund, Unzufriedenheit zu verbreiten und nach weiteren Milliarden zu rufen. Wir müssen die weitere Entwicklung genau beobachten und die Politiker auffordern, dann einzugreifen, wenn Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg bringen.
Das alles bedeutet auf einen Nenner gebracht? Was müsste die Politik Ihrer Meinung nach auf den Weg bringen, um den Job- und Wachstumsmotor Mittelstand zu stützen?
Ernst-Martin Schaible: Ich störe mich an dem Begriff "stützen". Noch vor einem Jahr waren die Entwicklung des Arbeitsmarktes und das allgemeine Wachstum hervorragend aufgestellt, undenkbar, dass eine ganze Branche mit faulen Bananen die Aussichten zunichte machen würde. Folglich ist es das Wichtigste, das Vertrauen wieder herzustellen. Den Weg, den die Politik durch die Vergabe von Bürgschaften freigemacht hat, halte ich für die richtige Maßnahme, denn nur wenn nötige Investitionen getätigt werden können, bekommt auch der Wachstumsmotor die nötige Energie.
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Stichwort Liquidität: Sicher eines der schwierigen Themen derzeit für viele Industrieunternehmen und für so manchen mittelständischen Betrieb. Welche Tendenzen beobachten Sie bei den Fachhändlern von DER KREIS?
Ernst-Martin Schaible: Ausreichende Liquidität ist unabhängig von der Marktsituation das wichtigste Thema, wer hier nachlässig handelt, der kann auch in Boomzeiten nicht bestehen. Als Verbund haben wir hierzu die erforderlichen Werkzeuge seit der Gründung von DER KREIS kontinuierlich weiterentwickelt. Natürlich gilt hier die Weisheit: Vorbeugen ist besser als heilen. Deshalb ist Unternehmensberatung ein wichtiger Eckpfeiler der Liquidität für den Küchenfachhandel und zwar von Beginn der Unternehmensgründung an. Dies zahlt sich jetzt für unsere Mitglieder in besonderem Maße aus. Während Großvermarkter mit Rabattaktionen schon vor dem Tag X ihre Liquidität ruiniert haben, haben unsere Küchenspezialisten auf Qualität gesetzt und mit den von uns verhandelten Einkaufsvorteilen ihre Liquidität stärken können. Ich gehe davon aus, dass der Küchenfachhandel seine Marktdurchsetzung in den nächsten Jahren erheblich ausbauen kann.
Was sind in der aktuellen Situation die Aufgaben der Verbundgruppe DER KREIS für seine Mitglieder?
Ernst-Martin Schaible: Die aktuelle Situation ändert die Aufgabenstellung nicht oder besser, sie liefert keinen Grund in Aktionismus zu verfallen. Umsatzchancen eröffnen, Handlungsspielräume stärken, Rendite und Liquidität sichern, Marketingmaßnahmen erarbeiten, den Erfahrungsaustausch aktiv gestalten, Nachwuchsförderung, sind Aufgaben, denen durch die derzeitige Entwicklung jetzt eine größere Bedeutung beigemessen wird, die aber in der Vergangenheit einen gleichen Stellenwert hatten und so dazu beitragen, unübersichtliche, wirtschaftliche Zukunftsaussichten unbeschadeter zu meistern als es Fachgeschäften möglich ist, die ihre Stärke nicht aus einer großen Gemeinschaft beziehen können.
Eine ganz persönliche Frage: Können Sie den Begriff "Krise" noch hören?
Ernst-Martin Schaible: Können Sie Ihre Frage noch einmal wiederholen, ich konnte Sie gerade nicht hören. Im Ernst: Der Begriff Krise ist längst überstrapaziert. Immer wenn irgendetwas nicht rund läuft, stehen wir vor einer Krise. Situationen ändern sich ständig, nicht nur in der Wirtschaft. Trends ändern sich, die Verbraucher mit ihnen. Das Stimmungsverhalten des Verbrauchers ist zudem einer Reihe von Einflüssen unterlegen. Das mittelständische Fachgeschäft muss agieren, bevor andere reagieren.
Betrachten wir konkret den Küchenfachhandel im Inland. Glaubt man den Veröffentlichungen einiger Marktforschungsinstitute, ist die Lage so schlecht ja gar nicht. Die Nachfrage nach Möbeln, speziell nach Küchenmöbeln, wurde im Frühjahr 2009 als ausgesprochen stabil bewertet. Deckt sich das mit Ihren Beobachtungen?
Ernst-Martin Schaible: Die Chancen für den Küchenspezialisten sind durchaus positiv, denn die Bereitschaft des Verbrauchers in Sachwerte zu investieren, und hier insbesondere in ein gemütliches Zuhause, ist größer als in der Vergangenheit. Dies zeigt sich gerade in der Küche, die Bedeutung der Familie ist ein sicherer Wert, gesunde Ernährung zeigt Einfluss. Die Rückkehr zur Qualität in Material und Funktion aber auch in Beratung hat dazu beigetragen, dass der Durchschnittswert je verkaufter Küche weiter gestiegen ist.
Was vermuten Sie: Wie lange wird diese Nachfrage anhalten können?
Ernst-Martin Schaible: Ob die genannten Faktoren ausreichend sind, den Markt über 2009 stabil zu gestalten, kann heute niemand beurteilen. Noch sind Stimmung und Kaufbereitschaft des Verbrauchers trotz täglich neuer Nachrichten für unsere Branche ausgenommen gut. Neue Hiobsbotschaften vom Finanzmarkt lassen sich nicht ausschließen, trotzdem gehe ich nicht davon aus, dass der Rückzugsort Wohnung und Familie eine negative Rückentwicklung erfährt. Wenn die Konjunkturmaßnahmen greifen, sehe ich für den Markt der Küchenspezialisten im speziellen keine Umsatzrückgänge, die wir fürchten müssten.
Was muss die Branche unternehmen, um die Rückbesinnung der Konsumenten auf heimische Werte, Stichwort Cocooning bzw. Homing, zu untermauern und fortzusetzen?
Ernst-Martin Schaible: Cocooning, Homing, das hört sich unheimlich modern an und verkauft sich gut. Dahinter steckt nichts anderes als ein "kuscheliges Zuhause". Die Küche wird zum Wohnbereich und damit zum Zentrum der Kommunikation, ein Trend der sich fortsetzen wird und für die Branche künftig Designentwicklung und Innovation bestimmt.
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Was tut DER KREIS konkret dafür?
Ernst-Martin Schaible: Mit COLLECTION No1 haben wir bereits Ende 2008 Maßstäbe in dieser Richtung gesetzt. Das ganzheitliche Küchenprogramm ist funktionale Küche und Wohnambiente in einem hochwertigen Qualitätsstandart. COLLECTION No1 bekommt der Konsument nicht an jeder Ecke sondern ausschließlich bei Küchenspezialisten von DER KREIS. Der Mehrwert für das Mitgliedshaus: Ein personalisiertes Hausmarkenprogramm zur Hervorhebung der Fachkompetenz des Küchenfachhandels.
Und wo sind die Grenzen Ihrer Einflussmöglichkeiten? Sprich: Was muss jeder Fachhändler jetzt selber tun?
Ernst-Martin Schaible: Die umfassenden Angebote zur Marktbearbeitung tatsächlich nutzen. Eine große Rolle spielt das Internet. Der größere Teil der Mitgliedsunternehmen ist hier sehr aktiv. Trotzdem, es gibt Kollegen, die diesem Medium immer noch mit großer Zurückhaltung entgegenstehen. Ich kann nur dringend raten, diese Blockade aufzugeben. Dies gilt nicht nur in der Präsentation zum Verbraucher, sondern in gleichem Maße für die internetbasierten Lösungen, die DER KREIS zur Kosteneinsparung, zur Erleichterung der Abwicklung, für flexiblen Einkauf und zur internen Kommunikation entwickelt hat.
DER KREIS feiert in diesem Jahr seinen 30. Geburtstag. Schon vorab: Herzlichen Glückwunsch dazu. Haben Sie besondere Jubiläumsaktionen oder andere Überraschungen geplant?
Ernst-Martin Schaible: Zunächst Danke für die guten Wünsche. Natürlich haben wir zum 30-jährigen verschiedene und ganz sicher auch besondere Aktionen für unsere Mitgliedsunternehmen geplant und auch bereits durchgeführt. Das komplette Aktionsprogramm stellen wir zur Gesellschafterversammlung am 15. Mai vor. Hier haben wir mit dem neuen Mercedes Museum einen ganz besonderen Ort für die Veranstaltung ausgewählt. Überraschungen, ja, auch die gibt es, und zwar zur Feier am 18. September im Vorfeld der Messe Focus Küche & Bad in der Gerry-Weber-Halle in Halle Westfalen. Aber es wären keine Überraschungen, wenn ich jetzt schon die Details verraten würde. Sie dürfen gespannt bleiben, Herr Biermann.
Abschließend noch zwei Fragen von generellem Wert für den Küchenfachhandel. 1. Wie zufrieden sind Sie mit der Ausbildungslage im deutschen Küchenfachhandel?
Ernst-Martin Schaible: Soweit es die Rekrutierung des Unternehmernachwuchses aus den eigenen Reihen betrifft, ist dies positiv zu beurteilen. Durch den Juniorenkreis "die jungen Wilden" und die damit verbundenen F+P Seminare (Führungs- und Personalmanagement) haben wir eine große Anzahl engagierter junger Küchenspezialisten für die Aufgabe vorbereiten können. Auf den Ausbildungsmessen, auf denen wir Schulabgänger über den Beruf Küchenspezialist informieren, besteht ein wachsendes Interesse. Ich würde mir wünschen, dass hier noch mehr Mitgliedshäuser Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen.
Und 2.: Ganz abgesehen vom unbestrittenen Sinn einer internationalen Küchenmesse in Deutschland mit Möbeln, Geräten, Spülen und Zubehör: Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass solch eine Messe mittelfristig tatsächlich zustande kommt? Und wenn ja, wo?
Ernst-Martin Schaible: Herr Biermann, Wunsch und Wirklichkeit gehen oft getrennte Wege. Hiervon sind auch die Messeveranstalter nicht ausgenommen. Die Investitionen für die Hersteller sind erheblich, ein Erfolg aber erst berechenbar, wenn größere Einigkeit erzielt ist. Mittelfristig? Wenn Sie damit meinen in zwei oder vier Jahren? Mit der Focus Küche & Bad sind wir jetzt gut aufgestellt. Eine neue Kölner Messekultur dürfte es schwer haben, das Versäumte mittelfristig positiv zu beleben. Ich wünsche, dass es der Kölner Messegesellschaft gelingt, in Zukunft eine neue internationale Plattform mit allen Beteiligten Möbel, E-Geräte und Zubehör zu schaffen.
Nun wirklich die letzte Frage: Stellen Sie sich vor, Sie wachen morgen früh auf und der Küchenfachhandel in Deutschland steht in voller Blüte: Was wäre an dieser Situation anders im Vergleich zu heute?
Ernst-Martin Schaible: Ärmel hochkrempeln, dafür sorgen, dass es so bleibt. Also mit dem gleichen Engagement weitermachen, wie es auch jetzt erforderlich ist.
Herr Schaible, vielen Dank für das Gespräch.