Wo steht die Sanitärbranche 2021?
Die im März abgehaltene digitale ISH 2021 bot – trotz fehlender physischer Präsenz – Gelegenheit zu einer umfassenden Leistungsschau der Sanitärhersteller und zur Diskussion der die Branche bewegenden Themen. Wie sieht es momentan mit der Branchenkonjunktur aus? Welche Impulse setzte die ISH diesmal? Zeit für eine Bestandsaufnahme und für einen Blick auf die aktuellen wirtschaftlichen Kennzahlen der Sanitärbranche, Zeit auch für einen Ausblick auf die maßgeblichen Trends im Badbereich.
Sanierungsmarkt beflügelt Branchenkonjunktur
Zunächst zur wirtschaftlichen Lage: Bereits die Ergebnisse einer Sanierungsstudie der SHK-Branche (B+L Sanierungsstudie 2020) Ende letzten Jahres zeigten es überdeutlich: Die deutschen Eigenheimbesitzer haben – trotz oder wegen Corona! – 2019 und 2020 deutlich mehr Badsanierungen durchgeführt als in den Vorjahren. Die eingesetzten Budgets bei Badsanierungen sind im Vergleich zu den Vorjahren ebenfalls gestiegen. Primäre Motivation bei Badsanierungen waren und sind die Erhöhung des Wohnkomforts sowie die Verbesserung von Optik und Design. Dementsprechend mussten die Branchenzahlen deutlich korrigiert werden. Sie
liegen nach neuesten Berechnung für 2020 bei über 64 Mrd. Euro Umsatz der Gesamtbranche SHK, wobei auf den Sanitärbereich fast 25 Mrd. Euro (+ 4,6 %) entfallen, aufgeschlüsselt in 21 Mrd. Euro Inlandsumsatz (+ 6,5 %) und 4 Mrd. Euro Auslandsumsatz (vgl. B + L Marktdaten Branchendatenbericht 2020/21).
Bei der quartalsweisen SHK-Konjunkturumfrage von Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft (VDS) und VdZ – Forum für Energieeffizienz in der Gebäudetechnik, in Industrie, Handel und Handwerk, setzte der Sanitärbereich im 1. Quartal 2021 den Aufwärtstrend der zurückliegenden Quartale fort, wenn auch im Vergleich zum starken 4. Quartal 2020 etwas verhaltener. Die durchweg optimistische Branchenstimmung resultiert in erster Linie aus der starken Inlandsnachfrage bei Bestandsmaßnahmen. Die Wachstumstreiber des Sanitärmarktes 2020 bestimmten auch den Jahresanfang 2021. Dazu gehörten die Nutzung des Lockdowns für häusliche Sanierungsprojekte, die Trends zu mehr Komfort und Design im Bad sowie zu barrierefreien Bädern. Gerade Letztere werden – unabhängig von den besonderen Corona-Bedingungen – aus Sicht der VDS zu einer noch länger andauernden positiven Entwicklung des Badgeschäftes beitragen. Selbst wenn zu erwarten ist, dass nach Überwindung der Pandemie wieder Reisen und andere Konsum-Entscheidungen in den Vordergrund treten – das Bad wird seinen Stellenwert nicht so schnell verlieren.
Modernisierung und Sanierung: Bedarf in Privathaushalten, Bildungseinrichtungen und im Hospitality-Sektor
Glaubt man Marktforschungsunternehmen, so kommt auf den Immobilienmarkt auch in den nächsten Jahren eine lange Welle von Sanierungen zu. In Deutschland steht die Erneuerung des Bades an
erster Stelle bei den geplanten Sanierungsvorhaben. Das legen die Ergebnisse der bereits zitierten Sanierungsstudie nahe. Mit fast 42 % führt die Badmodernisierung das Ranking der durchgeführten Sanierungsmaßnahmen 2020 an. Und die Nachfrage hält angesichts der Überalterung von Millionen von Privatbädern, der dringend notwenigen Sanierung von Schultoiletten u. ä. sowie neuer Badkonzepte für Hotels weiter an. Im halböffentlichen und öffentlichen Raum hat darüber hinaus das Thema Hygiene aktuell noch eine weit größere Relevanz. Die Hospitality-Branche muss neue Hygienekonzepte entwickeln, und viele sanitäre Einrichtungen in Büroräumlichkeiten, Event-
Locations oder im öffentlichen Raum müssen den erhöhten Hygieneanforderungen angepasst, das bedeutet, umgerüstet werden. Die Sanitärwirtschaft bietet diesbezüglich sowohl für den privaten als auch für den (halb-) öffentlichen Bereich zahlreiche Lösungen an. Die Branche könnte bewährte, auf Sanierung und Modernisierung spezialisierte Produkt- und Dienstleistungskonzepte (z. B. Vorfertigung und Modulsysteme) einsetzen, um der Dynamik dieses Marktes auch bei knapper Personalausstattung effizient zu begegnen und die sich bietenden Auftrags- und Umsatzchancen voll auszuschöpfen.
Die Symbiose aus „Vor-und-hinter-der-Wand”
Mit dem neuen Leitmotto „Inside | Outside“ lenkten die Initiatoren von Pop up my Bathroom, der Kommunikationskampagne und Informationsplattform für kreative Badgestaltung, Architektur und Design von VDS und Messe Frankfurt, bei der Darstellung der Sanierungstrends die Aufmerksamkeit auf den zunehmenden Einfluss der innovativen Technik „hinter der Wand“.
Denn was macht heute und morgen eigentlich ein modernes Badezimmer aus? Ist es der Look oder die sanitäre Ausstattung, die Materialität oder doch eher die Technik? Die Wahrheit ist: Man wird künftig kaum mehr unterscheiden können. Die Faktoren verschmelzen zu einem homogenen Angebot mit unterschiedlichen Qualitäts-Levels. Profilieren können sich Badplaner, Badausstatter und Fachhandwerk durch eine professionelle Planung mit intelligenter Zonierung, einer Lifestyle-orientierten Gestaltung, einem Komfort-Plus oder einem überdurchschnittlich umweltfreundlichen Gesamtkonzept. Mehr und mehr werden nachhaltige und innovative Sanitärprodukte sowie eine technische Grundausstattung, die zunehmend digitale Features ins Badezimmer bringt, zum Standard. Und gerade hier – bei Mehrwert-Konzepten durch technische Ausstattungen – wird sich in den nächsten Jahren zeigen, welche Features durch eine bedarfsgerechte Implementierung überzeugen können.
Die Herausforderungen bei der Setzung eines neuen Qualitätsstandards sind weniger bei den einzelnen Produkten zu suchen, als in der klugen Vernetzung aller Produkte. Für die Zukunft brauchen wir ein neues Verständnis von Ganzheitlichkeit, in dem wir systemübergreifende Konzepte ausprobieren.
Installationssysteme für die private Badsanierung
Je technischer und größer das Produkt ist, desto höher ist der Anteil von Fachhandel und -handwerk bei der Badsanierung. Die Sanitärindustrie hält unterschiedliche Installationssysteme bereit, um die Sanierung möglichst einfach zu gestalten. Vorwand-Installationen werden gleich von mehreren Herstellern angeboten und erleichtern die Montage von neuen wasserführenden Produkten deutlich. Das Angebot beinhaltet Elemente für Wand-WCs und Dusch-WCs mit einer optional verfügbaren Geruchsabsaugung. Dazu gibt es Vorwandelemente für Wandarmaturen und Duschen mit Wandablauf. Ebenfalls erhältlich sind Elemente für Waschtische, Urinale und Bidets. Für die barrierefreie Bad(um)gestaltung hält die Industrie Montageplatten für die Aufnahme von Stütz- und Haltegriffen bereit. All diese erleichtern auch die Montage für den Handwerker.
Pop up my Bathroom zeigte zur ISH digital 2021 die Komplexität eines Bauprojekts auf, das einmal ein Lifestyle-Badezimmer werden soll: ein Projekt, das nur in der Synchronisierung der Gewerke ein harmonisches Ganzes ergibt. Diese Wechselbeziehung zwischen Sanitärprodukten und Installationssystemen für die Montage und Renovation fordern und stärken die Rolle der fachgerechten Installation: Ohne Handwerk kein Private Spa! Die Verknüpfung von design- und technikorientierten Elementen dürfte dabei für Architekten wie auch für Badplaner interessant sein.
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Drei langfristige Trends für die Badgestaltung
Pop up my Bathroom thematisierte während der ISH darüber hinaus die neuesten Trends bei der Gestaltung von Badezimmern. Vor allem die drei Themen „Smart Bathroom“, „Green Bathroom“ und
„Living.Bathroom“ werden bei der Planung und Umsetzung von Badezimmern in den nächsten Jahren nachhaltigen Einfluss entfalten.
1. Smart Bathroom: Innovative Technik optimiert die Nutzungsabläufe im Badezimmer
Es geht nicht um das Badezimmer einer fernen Zukunft. Das Smarte Badezimmer gibt es bereits jetzt, mit den technischen Möglichkeiten unserer Zeit. In der Kombination von auf dem Markt verfügbaren Produkten entsteht ein beispielhaftes Smart Bathroom: der Spiegel als Info-Zentrale, smarte Steuerung von Wasseranwendungen (Dusche etc.), die App-Steuerung bei Dusch-WCs, Hygienefunktionen durch UV-Schutz, eine intelligente Lichtsteuerung und berührungslose Technologien sind Funktionen, die im Smart Bathroom zu finden sind und sein
werden.
2. Green Bathroom: Ressourcen-Schonung und ein Gefühl von Naturnähe gehen hier dank
nachhaltiger Produkte und neuer Gestaltungsoptionen zusammen
Das Green Bathroom ist ein Evergreen von zunehmender Bedeutung für die Branche. Der Weg zu einem nachhaltigen Badezimmer führt nicht nur über technisch hochkomplexe Produkte und modernste Technologien, sondern auch über langjährig nutzbare Produkte, die aus natürlichen Materialien bestehen. Das Green Bathroom ist ein Zukunftskonzept, das smarte, wasser- und energiesparende Produkte, umweltschonende Industrieproduktion, nachhaltige Materialien und ein langlebiges Design optimal kombiniert
– und dabei auch ein Gefühl von Naturverbundenheit vermittelt.
3. Living Bathroom: Das Bad wird immer mehr zum Lifestyle-Badezimmer
Das Living Bathroom ist die Antwort auf den aktuell nochmals gestiegenen Bedarf nach einem individuellen, komfortablen und wohnlich gestalteten Wellness-Rückzugsort in den eigenen vier Wänden. Schon über die letzten Jahre hat das Badezimmer eine kontinuierlich steigende Aufwertung erfahren. Wohnlichkeit, Zeitgeist, Mode und Stil, aber auch moderne Nutzungskonzepte für mehr Aufenthaltsqualität und gesundheitsrelevante Aktivitäten sind heute die gefragten Eckpunkte professioneller Badplanung. Es wird „möbeliger“, stofflicher, flexibler und schöner im Living Bathroom – und es warten viele alte Badezimmer darauf, wachgeküsst zu werden. Die Zukunftsperspektive für das Badezimmer ist eine Systemplattform für individualisierbare Designlösungen ganz unterschiedlicher Ausrichtung. Im Vordergrund steht dabei der systemische Gedanke, das Bad als ganzheitliches Planungsprojekt aufzufassen.
Fazit
Die ISH 2021 und ihr Rahmenprogramm, das digitale Pop up my Bathroom Magazin, haben einen Blick in eine Branchenzukunft geworfen, die immer stärker durch gesamtgesellschaftliche Prozesse wie Klimadebatte, Demographie, Urbanisierung oder Gesundheitsschutz bestimmt wird und von allen Marktpartnern Anpassungen verlangt.
Die Impulsgeber, die uns schon länger beschäftigen und die Entwicklung des Badezimmers die nächsten Jahre weiterhin dominieren werden, sind Nachhaltigkeit, Smart Home und Wohnlichkeit. Vor allem Letztere hat durch das Gefährdungsempfinden und die Mobilitätsbeschränkungen dieses und des letzten Jahres für die Menschen an Bedeutung gewonnen. Aber auch die Treiber Hygienebedürfnis und Sanierungslust wurden durch die Pandemie-Erfahrung befeuert. Sie werden selbst nach deren Überwindung noch lange marktrelevant bleiben.
Insgesamt – das zeigen die Branchenzahlen und -indikatoren – haben wir in der Sanitärbranche eine vergleichsweise privilegierte Ausgangssituation, um von der Konjunkturerholung in diesem Jahr zu profitieren und unseren Teil dazu beizutragen, den Wirtschaftsmotor in Deutschland wieder auf volle Leistung zu bringen. Die Bewältigung des Nachwuchsproblems, die Sicherstellung einer ausreichenden Rohstoffversorgung, und neue, zunehmend digitale Wege bei der Installation und im Badprozess erfordern gemeinsames Branchenhandeln. Und genau das ist es, was wir brauchen, um das hohe Niveau der Branche zu halten.
www.sanitaerwirtschaft.de
www.pop-up-my-bathroom.de