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Trinkwasserhygiene, Energieeffizienz und Komfort im Spannungsfeld Teil 2

Teil 2: Vermeidung der Kaltwasser-Erwärmung auf der Etage und Fragen der Wirtschaftlichkeit

Bild 1: Kaltwasserleitung in der Dämmlage des Fußbodenaufbaus unterhalb einer Fußbodenheizung.

Bild 2: Vergleichsgebäude mit klassischer Zirkulation in den Steigsträngen.

Bild 3: Installation auf Stockwerksebene.

Bild 4: Vergleichsgebäude mit durchgeschleifter Kalt- und Warmwasserleitung und eingeschleifter Zirkulation auf Stockwerksebene.

Bild 5: Installation auf Stockwerksebene inklusive eingeschleifter Zirkulation.

Tabelle 1: Vergleich der technischen Daten beider Varianten – „klassisch“ und „eingeschleift“.

Tabelle 2: Vergleich der betriebswirtschaftlichen Kosten pro Jahr beider Varianten.

 

Im ersten Teil des Fachartikels wurden bereits einige grundlegende Aspekte im Spannungsfeld aus Trinkwasserhygiene, Wasser- und Energieeffizienz und Komfortansprüchen aufgezeigt und die Reihenfolge der Priorität dargestellt. Zur besonderen Herausforderung, die Erwärmung des Kaltwassers auf über 25 °C zu verhindern, wurden einige praktische Hinweise für die Verlegung der (Keller-)Verteil- und Schachtleitungen gegeben. Im vorliegenden Teil liegt der Fokus nun mehr auf Praxistipps für die Etage und auch eine wirtschaftliche Betrachtung soll nicht zu kurz kommen.

Schließung des Schachtausgangs zur Vorwand
Ein „durchgewärmter“ Schacht, der nahtlos in eine trockene Vorwandinstallation übergeht, dehnt die Gefahr der Kaltwassererwärmung nur noch weiter in die Nutzungseinheiten hinein aus. Es ist daher nicht ratsam, eine Schachtwand oder sonstige geeignete Abtrennung zulasten der Trinkwasserhygiene einzusparen. Auch hier fehlt es leider noch häufig am Bewusstsein der am Bau Beteiligten für die Thematik, und dem Bauherrn oder späteren Betreiber wird ein potenziell „dickes Ei ins Nest gelegt“.

Kaltwasser unter Fußbodenheizung
Der steigende Anspruch an den Wärmekomfort und der Trend zu niedrigeren Vorlauftemperaturen führen zum zunehmenden Einsatz von Fußbodenheizungen anstelle von Heizkörpern. Dadurch tritt ein Problem im Bereich der Trinkwasserversorgung deutlicher zu Tage, welches bei Installation von Heizkörpern bisher nur eine untergeordnete Rolle spielte. Ist eine im Fußbodenaufbau verlegte Kaltwasserleitung nur punktuell an Kreuzungspunkten mit Heizungsleitungen einer erhöhten Wärmelast ausgesetzt, so ist dies nun bei Fußbodenheizungen großflächig gegeben. Bild 1 zeigt exemplarisch, wie stark eine Kaltwasserleitung erwärmt werden kann, die unterhalb einer Fußbodenheizung angeordnet ist. Die Obergrenze von 25 °C kann hier nicht eingehalten werden.
Die Grafik zeigt deutlich, dass der Einsatz von Fußbodenheizungen auch ein Umdenken im Bereich der Sanitärinstallation erforderlich macht. Das bedeutet, dass Trinkwasserleitungen aus den flächenbeheizten Bereichen zu verbannen sind, zum Beispiel in die Vorwand oder in Zonen ohne Fußbodenheizung.

Ungewollte Wärmetauscher vermeiden durch gezielte Auskühlung
Problematisch bleibt jedoch die Einhaltung empfohlener Temperaturbereiche unter 25 °C bei Kaltwasser, wenn warmwasserseitig durch zirkulierende Leitungen ständig Wärme nachgeliefert wird. Dies zeigt sich besonders an einer Stelle, die bisher noch nicht beachtet wurde, jedoch bereits zu etlichen Schadenfällen geführt hat, der Entnahmearmatur. Diese kann zum ungewollten Wärmetauscher „mutieren“, wenn die Zirkulation bis unmittelbar an die Armatur geführt wird. Im ersten Teil der Reihe wurden bereits die Textpassagen aus zwei technischen Regelwerken (VDI 6024 und Krankenhausrichtlinie) betrachtet, die durch Fehlinterpretation zu dieser problematischen Installationsweise führen können.
Es ist zu überlegen, ob die Forderung der unmittelbaren Heranführung der Zirkulation an die Entnahmestellen tatsächlich eine geeignete Lösung ist. Wäre es nicht sinnvoller, endsträngige Bereiche des Warmwassers im Etagenbereich gezielt auskühlen zu lassen und der Stagnation zusammen mit dem Kaltwasser über geeignete Spülmöglichkeiten zu begegnen? Prinzipiell lässt die Normungslage dies zu, wie mit der 3-Liter-Regel in DIN 1988 und DVGW W551 dokumentiert wird. Kleinere Nachteile in Bezug auf den Warmwasserkomfort werden durch die Vorteile einer verbesserten Trinkwasserhygiene mehr als aufgewogen.
Während der gezielten Auskühlung des Warmwassers auf Raumtemperatur durchläuft es zwar den für die Legionellen-Vermehrung kritischen Temperaturbereich zwischen 25 °C und 50 °C, dies jedoch nur in einem kurzen Zeitabschnitt. Dieser lässt sich durch reduzierte Dämmstärken auf der Etage, die auch die Norm grundsätzlich zulässt, noch erheblich verkürzen.
Ein weiterer Aspekt, der unter Umständen für eine gezielte Auskühlung endsträngiger Bereiche des Warmwassernetzes spricht, ist folgender: Die Zirkulation hat primär den Zweck, den Wärmeverlust der auskühlenden Warmwasserleitung auszugleichen, damit mikrobiologisch kritische Temperaturbereiche vermieden werden. Quasi als Nebenprodukt wird auch der Komfort verbessert. Die Frage, ob warmes zirkulierendes Wasser auf diese Weise genusstauglicher wird, stellt sich in diesem Zusammenhang nicht. Sollte sie aber! Denn durch das „im Kreis fahren“ kann es unter Umständen sogar zu einer ungewollten Aufkonzentration chemischer oder Beeinträchtigung physikalischer Parameter des Trinkwassers kommen, die sich zwar immer noch innerhalb der Grenzen der Trinkwasserverordnung befinden, trotzdem aber den Geschmack beeinträchtigen oder mögliche Korrosionsprobleme verursachen können. Von den Schwierigkeiten bei der Einregulierung komplexer Zirkulationssys­teme ganz abgesehen. Das gerne und vielzitierte Minimierungsgebot „So groß wie nötig, so klein wie möglich“ der TrinkwV lässt sich somit auch unter anderem Blickwinkel anwenden.

Muss es wirklich immer eine Spülstation sein?
Unabhängig von der Zirkulation stellt sich immer auch die Frage nach dem regelmäßigen Wasseraustausch. Und zwar für Warm- und Kaltwasser gleichermaßen. Dabei gehen die Möglichkeiten für entsprechende Hygienespülungen zwischenzeitlich über die am Markt längst etablierten Spülstationen hinaus, die zumindest im Wohnbau vielfach „over-engineered“ und zu teuer sind. Vielmehr können die ohnehin in einem Bad oder einer anderen Nutzungseinheit notwendigen Entnahmearmaturen soweit „ertüchtigt“ oder von vornherein so eingeplant werden, dass sie die Funktionalität einer Hygienespülung gleich mit erfüllen können. Zwischenzeitlich sind nicht nur Selbstschluss- oder elektronische Armaturen am Waschbecken mit einer solchen Funktion bekannt, sondern es gibt bereits Einhebelmischer mit entsprechender Ausstattung, die damit sogar im Wohnungsbau Einzug halten könnten. Auch ein WC- oder Urinal-Element ließe sich – ggf. thermostatisch vor Überhitzung geschützt – für Kalt- und Warmwasserspülungen verwenden. Dafür sollte natürlich das letzte Stück Wasserinhalt der Warmwasserleitung, wie vorab beschrieben, auf Raumtemperatur abgekühlt sein. Der in den Spülstationen aufwendig realisierte Überflutungsschutz wird an den Objekten Waschtisch oder WC bereits „werksseitig“ mitgeliefert, wobei natürlich eine Restgefahr besteht, wenn der Überlauf blockiert ist. Auch eine Verbindung mit der Gebäudeleittechnik zur Spüldokumentation stellt keine wirkliche Problemstellung mehr dar.

Trinkwasserhygiene und Wirtschaftlichkeit
Ein weiterer Aspekt, der in der bisherigen Betrachtung im Prinzip noch gar keine Rolle gespielt hat, jedoch häufig entscheidet, ist der finanzielle. Denn wenn hygienisch sinnvollere Installationsweisen sich sowohl in der Investition als auch in den Betriebskosten positiv darstellen, werden sowohl Bauherren, Investoren als auch betriebswirtschaftlich Verantwortliche den etwas höheren technischen Aufwand in der Planung und Installation eher akzeptieren.
Um die betriebswirtschaftlichen  Konsequenzen ausgedehnter Zirkulationsnetze besser einschätzen zu können, ist eine Vergleichsrechnung zweier baulich identischer Objekte hilfreich, die sich nur in der jeweiligen Trinkwasserinstallation unterscheiden. Die nachfolgende Aufstellung mit Strangschema stellt die zwei Varianten des imaginären Objekts (beispielsweise eines kleineren Beherbergungsbetriebes) anschaulich gegenüber. Die beiden Gebäude wurden nach DIN 1988-300, Beimischfaktor = 0, mit der Rehau-Software „Raucad“ berechnet:

Vergleichsgebäude mit „klassischer“ Zirkulation
Randdaten:

  • 24 Nutzungseinheiten, aufgeteilt auf 4 Stockwerke und angeschlossen mit 3 Strängen,
  • Kalt- und Warmwasser in den Bädern durchgeschleift,
  • Zirkulation nur im Strang, Einbindung am Strangkopf, Regulierventil am Strangfuß.

Vergleichsgebäude mit „eingeschleifter“ Zirkulation
Randdaten:

  • 24 Nutzungseinheiten, aufgeteilt auf 4 Stockwerke und angeschlossen über 3 Stränge,
  • Kalt- und Warmwasser in den Bädern durchgeschleift,
  • Zirkulation bis zur letzten Entnahmestelle, Regulierventil jeweils am Stockwerksabgang.

Die wichtigsten Ergebnisse, insbesondere das Warmwasser- und Zirkulationssystem betreffend, sind in Tabelle 1 dargestellt. Die Berechnung erfolgte mit folgenden Randdaten:

  • Gebäudetyp / Spitzenvolumenstrom als Hotelbetrieb,
  • Mindestversorgungsdruck nach dem Wasserzähler 0,5 MPa (5 bar),
  • Temperaturspreizung 60/55°C,
  • Maximale Geschwindigkeit Zirkulation 0,5 m/s,
  • Verwendetes Rohrsystem Rautitan (stabil in Kellerverteil- und Steigleitungen, flex auf der Etage),
  • Dämmung von Warmwasser- und Zirkulationsleitungen gemäß EnEV2014/DIN 1988-200.


Diese Vergleichsdaten zeigen zunächst ausschließlich die technischen Unterschiede aufgrund der unterschiedlichen Installationsarten in der Zirkulation. Um diese beiden Bauweisen betriebswirtschaftlich bewerten zu können, sind einige weitere Annahmen erforderlich:

  • Jahresnutzungsgrad der Wärmeerzeugung 0,97 (gasbefeuerter Brennwertkessel),
  • Betriebsdauer der Zirkulation 360 Tage pro Jahr (8640 Stunden),
  • Wärmekosten Gas 6,43 ct/kWh (Quelle: EUROSTAT-Durchschnittspreis 2008 – 2014 bei Abgabe an private Haushalte),
  • Unterschiede bei den Stromkosten (verschiedene Pumpen) oder den Wasserkos­ten (höherer Wasserverbrauch durch ungenutztes Ablaufenlassen abgekühlten Warmwassers) bleiben unberücksichtigt,
  • Effekt, dass die Zirkulation in der Winter- und Übergangszeit ungewollt zur Raumheizung beiträgt, bleibt unberücksichtigt.


Tabelle 2 stellt die Ergebnisse der beiden Varianten dar. Während des Betriebs einer Zirkulation auf die eine oder andere Art kann über den Zeitraum von z. B. 20 Jahren eine Kostendifferenz allein für den zusätzlichen Nachheizaufwand in der Größenordnung eines Kleinwagens auftreten. Nicht berücksichtigt ist hier der Mehraufwand, der bei der Erstellung der Trinkwasseranlage mit zirkulierten Stockwerksleitungen anfällt, da dieser stark von den baulichen Gegebenheiten abhängt und deshalb schwierig zu beziffern ist. Diese Mehrkosten entstehen jedoch u. a. durch:

  • fast 100 m zusätzliche Rohrlänge inkl. notwendiger Fittings, Dämmung (100 %), Befestigung, ggf. Brandschutzmaßnahmen usw.,
  • erhöhte Dimensionen der Zirkulation im Bereich der Kellerverteilleitungen,
  • gegebenenfalls  zusätzlich notwendige Dämmung der Kaltwasserleitungen auf der Etage bei Verlegung neben der zirkulierten Warmwasserleitung (z. B. in der Vorwand oder in gemeinsamen Schlitzen),
  • erhöhte Anzahl an Regulierventilen, gegebenenfalls verbunden mit einem erhöhten Aufwand für die Einregulierung der Zirkulation,
  • unter Umständen höhere Investition für eine größere Zirkulationspumpe.


Es zeigt sich eindrucksvoll, dass vermeintlich trinkwasserhygienische Vorteile durch zirkulierte Stockwerksleitungen mit erheblichen Mehrkosten in Erstellung und Betrieb der Zirkulation „erkauft“ werden müssen.

Schlussbemerkung
Die verschärften Anforderungen an die Trinkwasserhygiene, die durch die Trinkwasserverordnung und ihre Novellierungen, neue Normen und Regelwerke beschrieben werden, sind angesichts Tausender, häufig unerkannter Erkrankungs- und Todesfälle durch Legionellen oder anderer im Trinkwasser enthaltener, pathogener Keime vollkommen gerechtfertigt.  Durch das weitgehende Fehlen in der Praxis etablierter, nachgewiesen wirksamer Ausführungsanleitungen zur Erfüllung dieser verschärften Anforderungen ist eine Verunsicherung der am Bau und Betrieb von Trinkwasserinstallationen Beteiligten nachvollziehbar. Wenn diese Verunsicherung jedoch (bewusst oder unbewusst) zu installationstechnischen „Überreaktionen“ führt, kann der Effekt auch ungewollt oder kontraproduktiv sein.
Vermeintliche Regelungslücken lassen sich oftmals bereits durch den gesunden Menschenverstand ausfüllen. Fair und folgerichtig ist, den noch relativ jungen technischen Bestimmungen eine Chance zu geben, sich in der Praxis zu etablieren und allen Fachleuten genau so vertraut zu werden wie die vorangegangenen Normen und Richtlinien. Ziel muss sein, das Niveau zum Schutz des Trinkwassers als wichtigstes Lebensmittel kontinuierlich zu verbessern. Dabei darf es ein „Das haben wir schon immer so gemacht!“ speziell in der Planung und Ausführung der Leitungsführung nicht mehr geben.

Autoren: Tino Möckel, Dipl.-Ing. Versorgungs- und Umwelttechnik, Produktmanagement Haus-­
installationssysteme Rehau AG+Co
Manfred Erk, staatl. gepr. Technischer Fachwirt Sanitär, Seminarleiter Gebäudetechnik, Rehau AG+Co

Bilder: Rehau AG + Co

www.rehau.de

 


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