Auffälligkeiten wirksam begegnen
DVGW-Arbeitsblatt W 556 (A): Vorgehen bei mikrobiellen Mängeln in der Trinkwasser-Installation
Das DVGW-Arbeitsblatt W 556 (A) „Hygienisch-mikrobielle Auffälligkeiten in Trinkwasser-Installationen; Methodik und Maßnahmen zu deren Behebung“ (Ausgabedatum Dezember 2015) ist als Grundlage für die Bewertung und die Beseitigung gesundheitlich relevanter mikrobieller Auffälligkeiten in Trinkwasser-Installationen erarbeitet worden. Es gibt Hinweise auf deren Ursachen und die damit im Zusammenhang stehenden betrieblichen und technischen Mängel in Trinkwasser-Installationen.
Grundsätze
Gemäß § 4 TrinkwV 2001 muss Trinkwasser so beschaffen sein, dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit insbesondere durch Krankheitserreger nicht zu besorgen ist. Es muss rein und genusstauglich sein. Diese Anforderungen gelten dann als erfüllt, wenn bei der Wasseraufbereitung und der Wasserverteilung mindestens die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden und das Trinkwasser den Anforderungen der §§ 5 bis 7a der TrinkwV 2001 entspricht.
Bei Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) ist es unwahrscheinlich, dass die Trinkwasser-Installation an sich eine gesundheitlich relevante Vermehrung von Mikroorganismen verursacht. Zu den grundlegenden Schutzmaßnahmen gehören auch die Einhaltung des bestimmungsgemäßen Betriebs sowie die konsequente Beachtung von Inspektions- und Wartungsintervallen für Trinkwasser-Installationen. Nur in einer Trinkwasser-Installation, die regelmäßig auf Funktion und Mängelfreiheit kontrolliert wird, ist eine Abgabe von hygienisch einwandfreiem Trinkwasser auf Dauer zu gewährleisten.
Sollte es zu einer mikrobiellen Kontamination gekommen sein, ist für eine sichere Beseitigung die Ermittlung der Kontaminationsursache eine unbedingt notwendige Voraussetzung. Erst wenn die Ursache eindeutig erfasst wurde, kann eine zielgerichtete und nachhaltige Sanierung durchgeführt werden.
Das Arbeitsblatt W 556 (A) erläutert die Vorgehensweise bei mikrobiellen Kontaminationen und nennt Maßnahmen zu deren Behebung. Außerdem beschreibt es die Melde/Anzeigepflichten, zeigt notwendige Sofortmaßnahmen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr sowie die weitergehende Mängelanalyse und die Erarbeitung von Sanierungsplänen auf. Im Weiteren werden einige Punkte aus dem Arbeitsblatt näher beschrieben.
Feststellung und Analyse
Das Arbeitsblatt geht näher auf die mikrobiellen Auffälligkeiten sowie auf die technischen Auffälligkeiten ein, die erfahrungsgemäß Ursachen mikrobieller Auffälligkeiten werden können. Eine Auffälligkeit in einer Trinkwasser-Installation kann durch verschiedene Ereignisse erkennbar werden, z.B. durch einen Befund einer Routineuntersuchung oder auch durch eine Inspektion der Anlage, aber auch durch Beschwerden der Nutzer oder im schlimmsten Fall durch das Auftreten wasserbürtiger Erkrankungen, die mit der Trinkwasser-Installation im ursächlichen Zusammenhang stehen können.
Die Auffälligkeit ist dahingehend zu bewerten, ob sie einen Mangel darstellt. Dieser Mangel kann in der Nichteinhaltung der Anforderungen der Trinkwasserverordnung bestehen, kann aber auch eine für den Verbraucher nicht annehmbare ästhetische Veränderung des Trinkwassers sein (z.B. schwarze Biofilme, Änderungen in Geruch und Geschmack, Rost, Kleinlebewesen etc.). In bestehenden Trinkwasser-Installationen mit verzinkten Stahlleitungen im Warmwasserbereich kann es durch Korrosion bereits nach kurzen Stagnationszeiten zu einer Verfärbung des Trinkwassers kommen.
Bei Vorliegen eines Mangels ist die Trinkwasser-Installation zu überprüfen und eine Ursachenermittlung notwendig. Hierzu gibt das Arbeitsblatt Hinweise zur Herangehensweise. Es beinhaltet eine Interpretationsmatrix für mikrobielle Auffälligkeiten in einer Trinkwasser-Installation. Zudem listet es exemplarisch technische Auffälligkeiten und deren mögliche Auswirkungen auf die hygienische Beschaffenheit des Trinkwassers auf.
Anzeigepflichten
Wenn Grenzwerte der Anlage 1 TrinkwV 2001 (§ 5 Absatz 2) überschritten werden (Escherichia coli, Enterokokken), der technische Maßnahmenwert für Legionellen Anlage 3 Teil II) überschritten wird, die Grenzwerte der Anlage 3 Teil 1 nicht eingehalten werden (coliforme Bakterien, Koloniezahlen) oder wenn Krankheitserreger, die durch Wasser übertragen werden können, in Konzentrationen auftreten, die eine Schädigung der menschlichen Gesundheit besorgen lassen (z.B. Pseudomonas aeruginosa), muss dies dem Gesundheitsamt unverzüglich gemeldet werden. Dann ist in Abhängigkeit von der gesundheitlichen Bewertung sofort für den Schutz der Verbraucher zu sorgen. Sie müssen unverzüglich über die Art und die Höhe der mikrobiellen Kontamination und deren gesundheitliche Bedeutung informiert werden. Nur so ist es ihnen möglich, Maßnahmen zum Selbstschutz zu treffen, die sie aus Kenntnis ihrer individuellen Situation für notwendig erachten. Das Arbeitsblatt gibt hier Hilfestellung durch eine exemplarische gesundheitliche Bewertung mikrobieller Auffälligkeiten mit einer Aussage über die Notwendigkeit der Durchführung von Sofortmaßnahmen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr.
Notwendige Sofortmaßnahmen
Zusätzlich zur Anzeige an das Gesundheitsamt hat der Betreiber der Trinkwasser-Installation zu prüfen, ob er Sofortmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Bewohner/Verbraucher ergreifen muss. Das Arbeitsblatt führt hier geeignete Sofortmaßnahmen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr auf (siehe Tabelle 1).
Wichtig in diesem Zusammenhang: Desinfektionsmaßnahmen – sowohl Anlagendesinfektionen chemisch oder thermisch als auch eine vorübergehende Trinkwasserdesinfektion – zählen laut W 556 (A) nicht zu den möglichen Sofortmaßnahmen, da sie in der Regel nur mit einigem technischen und organisatorischen Aufwand durchgeführt werden können, dessen zeitlicher Vorlauf einen sofort greifenden Schutz der Verbraucher ausschließt, und da die Wirksamkeit dieser Maßnahmen erst durch mikrobiologische Kontrolluntersuchungen verifiziert werden muss. Sie bieten somit keinen gesicherten Schutz von Beginn der Maßnahme an. Deswegen dürfen nur die in Tabelle 1 aufgeführten Maßnahmen durchgeführt werden.
Tipp: Der DVGW erarbeitet derzeit eine twin, die Hinweise für die Auswahl, den Einbau und die Anwendung zum Einsatz von endständigen Filtern geben wird. Sie wird nach Veröffentlichung zum Download auf der Webseite www.dvgw.de stehen.
Ursachenermittlung und weitergehende Mängelanalyse
Zur Abgrenzung einer systemischen von einer lokalen mikrobiellen Kontamination muss neben gezielten mikrobiologischen Probennahmen auch eine technische Analyse der Trinkwasser-Installation durch ein von ihm beauftragtes Fachunternehmen erfolgen. Erst die Ergebnisse dieser detaillierten Analysen ermöglichen in der Regel Rückschlüsse auf die Ursachen und das Ausmaß einer Kontamination. Bei nur lokaler Kontamination ist z.B. eine Sanierung der gesamten Trinkwasser-Installation nicht notwendig.
Die weitergehende Mängelanalyse muss dem Betreiber eine konkrete Feststellung der planerischen, bau- und/oder betriebstechnischen Mängel einer Anlage liefern können. Darüber hinaus soll sie darin unterstützen, notwendige Abhilfemaßnahmen zu identifizieren und ihre zeitliche Priorisierung unter Berücksichtigung der Gefährdung der Gesundheit der Nutzer festzulegen. Das DVGW W 556 (A) erläutert das Vorgehen zu dieser weitergehenden Mängelanalyse. Dazu gehören die Dokumentenprüfung und eine Vor-Ort-Begehung (ggf. mit einer Aufnahme des Istzustandes) der Anlage ebenso wie die Überprüfung der betroffenen Trinkwasser-Installation auf Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik sowie der Einhaltung des bestimmungsgemäßen Betriebes.
Zur Aufklärung der Ursache der mikrobiellen Kontamination sind Vor-Ort-Messungen relevanter Parameter (wie beispielsweise Temperaturprofile, Volumenströme, Verbrauchsprofile etc.) sinnvoll. Zudem sind gezielt Proben für die weitergehende Untersuchung mikrobiologischer und eventuell weiterer Parameter zu entnehmen. Eine weitergehende Mängelanalyse bei einer Kontamination mit Legionellen kann allein aufgrund einer orientierenden Untersuchung nicht ausreichend sicher erstellt werden. Erst eine weitergehende Untersuchung kann eine Aussage über die Ursache und das Ausmaß der Kontamination einer Anlage mit Legionellen liefern und die Einleitung gezielter nachhaltiger Sanierungsmaßnahmen ermöglichen (siehe dazu auch DVGW W 551:2004-04, Kapitel 9.2).
Auf Grundlage der erhobenen Daten ist eine Bewertung der technischen Situation und der aktuellen Nutzung möglich. Ebenso kann eine Bewertung der verfügbaren Informationen zur Identifizierung und Einstufung des durch eine Kontamination verursachten gesundheitlichen Gefährdungspotenzials in einer Trinkwasser-Installation erstellt werden.
Aus den durch die weitergehende Mängelanalyse gewonnenen Daten und Bewertungen und der Feststellung einer Sanierungsbedürftigkeit sind Maßnahmen zur Behebung der Mängel zu entwickeln und ein Plan für eine nachhaltige Sanierung zu erstellen. Dieser sollte dem Gesundheitsamt angezeigt und mit diesem abgestimmt werden.
Als Vorbereitung einer nachhaltigen Sanierung und zur vorübergehenden Sicherstellung der Trinkwasserbeschaffenheit bei mikrobiellen Mängeln benennt das DVGW W 556 (A) mögliche Maßnahmen (siehe Tabelle 2) und erläutert die vermutete Effektivität der Maßnahmen in Abhängigkeit vom festgestellten Mangel. Eine dieser möglichen Maßnahmen ist eine vorübergehende Desinfektion des Trinkwassers. Das DVGW W 556 (A) führt die Grundsätze und technischen Anforderungen sowie die Anzeige-, Informations- und Untersuchungspflichten auf, die bei einer Trinkwasserdesinfektion in der Trinkwasser-Installation zu beachten sind (siehe auch twin Nr. 08, www.dvgw.de/wasser/trinkwasser-installation/twin/).
Bei jeder der im Zuge der Vorbereitung einer Sanierung und der im Rahmen einer Sanierung beabsichtigten oder durchgeführten Maßnahmen ist im Vorfeld immer die Auswirkung auf das Gesamtsystem zu berücksichtigen. Als Beispiel sei hier die Erhöhung der Temperatur im Warmwasserbereich auf die geforderte Mindesttemperatur (nach DVGW-Arbeitsblatt W 551) genannt, die zu einer unbeabsichtigten Erwärmung des Kaltwassers, z. B. bei unzureichender Dämmung oder unzureichendem Wasseraustausch, und damit zu einer Verlagerung des Problems führen kann.
Überprüfung der Wirksamkeit der Sanierung
Nach einer erfolgten Sanierung ist deren Wirksamkeit und Nachhaltigkeit zu überprüfen. Die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen (Verifizierung) ist erst dann zufriedenstellend, wenn bei allen Kontrolluntersuchungen die gesetzlichen Anforderungen und die Auflagen des Gesundheitsamtes eingehalten werden. Werden an einer oder mehreren Stellen diese Werte überschritten, müssen die Ursachen durch weitergehende technische und mikrobiologische Untersuchungen geklärt werden. In diesem Fall ist eine erneute hygienisch-gesundheitliche Bewertung erforderlich (siehe Bild 2).
Der dauerhaft sichere und hygienisch einwandfreie Betrieb der Trinkwasser-Installation sollte durch ein risikoorientiertes und prozessorientiertes Management der Anlage sichergestellt werden (siehe DVGW W 1001 (H)). Das Hauptaugenmerk liegt nicht mehr nur auf der Trinkwasseruntersuchung am Zapfhahn des Verbrauchers, sondern auf der proaktiven Beherrschung von Risiken in der Trinkwasser-Installation u. a. durch Einhaltung der Wartungsintervalle und Inspektionen, der Aufstellung eines Instandhaltungsplans und ggf. in größeren Gebäuden durch eine Aufstellung eines Hygieneplans oder besser Water Safety Plans (WSP). Dadurch lassen sich Auffälligkeiten früh entdecken und bewerten sowie notwendige Korrekturmaßnahmen einleiten.
Autoren: Dr. Karin Gerhardy, Deutscher Verein des Gas- und Wasserfachs (DVGW);
Prof. Dr. Werner Mathys, im Ruhestand, ehemals Institut für Hygiene, Universitätsklinikum Münster
Nachgefragt
IKZ-HAUSTECHNIK: Die im Arbeitsblatt 556 (A) geforderte Analyse soll dem Betreiber die planerischen, bau- und/oder betriebstechnischen Mängel einer Anlage aufzeigen. Zur Aufklärung der Ursache hygienisch-mikrobieller Auffälligkeiten sind außerdem Vor-Ort-Messungen sowie Beprobungen notwendig. Aus den gewonnenen Daten sind letztlich Maßnahmen zur Behebung der Mängel zu entwickeln und ein Plan für eine nachhaltige Sanierung zu erstellen. Stellt sich die Frage, wer soll dies alles leisten können? Das geht doch eigentlich nur im Team. Es stellt sich die Frage nach den Verantwortlichkeiten…welche Rolle spielt der Installateur?
Dr. Karin Gerhardy/Prof. Werner Mathys: Die Verantwortlichkeit verbleibt in jedem Fall beim „Unternehmer oder sonstigen Inhaber“ der Trinkwasser-Installation. Der Installateur stellt dem Betreiber der Trinkwasser-Installation sein Fachwissen und seine Kenntnis der technischen Regeln zur Verfügung und berät den Betreiber in diesen Dingen. Er haftet im Rahmen der von ihm erbrachten Leistungen. Zudem ist für gesundheitliche Belange bei einer Überschreitung von Grenzwerten oder Nichteinhaltung von Anforderungen der Trinkwasserverordnung auch immer das Gesundheitsamt im Boot, das zu Gesundheitsgefährdungen auch zurate gezogen werden kann. Bei speziellen Gebäuden (Krankenhaus, Altenheim) wird die Bildung eines Teams – z.B. Planer/Installateur, Haustechniker, ärztlich Verantwortlicher, Gesundheitsamt – dringend empfohlen.
IKZ-HAUSTECHNIK: Die thermische wie auch chemische Desinfektion gilt laut Arbeitsblatt W 556 (A) nicht als Sofortmaßnahme. In der Praxis sind sie aber häufig erstes Mittel der Wahl. Zeigt sich da nicht ein Widerspruch im Arbeitsblatt zwischen Theorie und Praxis?
Dr. Karin Gerhardy/Prof. Werner Mathys: Sofortmaßnahmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie sofort, d. h. ohne zeitliche Verzögerung, umgesetzt werden können und sofort den Schutz der menschlichen Gesundheit gewährleisten. Bei chemischer oder thermischer Desinfektion muss der Erfolg jedoch erst durch zeitintensive mikrobiologische Kontrollen verifiziert werden. Das bedeutet, dass Sie möglicherweise erst Wochen später wissen, ob Ihre Maßnahme den gewünschten Erfolg hatte. Bei den oben genannten Maßnahmen ist bei korrekter Durchführung immer ein gewisser zeitlicher Vorlauf und Vorarbeiten (z.B. hydraulischer Abgleich) nötig. Zudem ist zu beachten, dass bei mikrobiellen Kontaminationen die Ursache der Kontamination durch eine weitergehende Untersuchung gefunden und beseitigt werden muss. Maßnahmen zur Desinfektion können diese überdecken und damit die Ursachensuche erschweren und verteuern.
IKZ-HAUSTECHNIK: Sie empfehlen für den dauerhaft sicheren und hygienisch einwandfreien Betrieb der Trinkwasser-Installation ein risiko- und prozessorientiertes Management der Anlage. Was genau ist darunter zu verstehen und für welche Anlagentypen gilt diese Empfehlung? Ergänzend dazu die Frage: Laufen damit die Kosten einer Trinkwasseranlage nicht aus dem Ruder?
Prof. Werner Mathys/Dr. Karin Gerhardy: Darunter ist eine präventive Vorgehensweise analog dem Prozedere beim Water Safety Plan (WSP) oder auch analog der VDI/DVGW 6023 zu verstehen. Dadurch sollen (weitere) Mängel dauerhaft vermieden werden, sodass Sanierungsmaßnahmen in der Regel nicht mehr notwendig sind. So würde z.B. die Gefährdungsanalyse bei Legionellen gemäß § 16 TrinkwV 2001 präventiv zur Vermeidung von Gesundheitsgefahren und nicht mehr reaktiv zu deren Beseitigung durchgeführt. Die Etablierung eines Water Safety Plans ist insbesondere für komplexe Gebäude mit hohem Risikopotenzial (z.B. Kliniken, REHA-Einrichtungen, Altenheime etc.) empfehlenswert. Unserer Meinung nach können dadurch auf lange Sicht Kosten sowohl für den Betrieb der Trinkwasser-Installation als auch für das Gemeinwesen (Verringerung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen) eingespart werden.