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Langfassung: Anerkannte Regeln der Technik – Kür oder doch Pflicht?

Bedeutung von allgemein anerkannten Regeln der Technik und wann die Pflicht zur Anwendung und Einhaltung der Regeln besteht

 

Sowohl Fachplaner als auch das ausführende Handwerk hat täglich mit „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ – kurz a.a.R.d.T. – zu tun. Doch was genau steckt dahinter und wann besteht eine Pflicht zur Anwendung und Einhaltung der Regeln? Und welchen rechtlichen Stellenwert haben die allgemein anerkannten Regeln der Technik? Die vorliegende Langfassung des gleichnamigen Artikels „Anerkannte Regeln der Technik – Kür oder doch Pflicht?“ gibt hierzu ausführlich Beispiele und Antworten. Darüber hinaus steht zum Thema die Kurzfassung des Beitrags [hier] zur Verfügung.

Der vorliegende Beitrag soll dem Praktiker (dem ausführenden Gewerk wie auch dem Planer) einen Leitfaden an die Hand geben, wie mit dem im privaten Baurecht äußerst relevanten Standard „allgemein anerkannte Regel der Technik“ (a.a.R.d.T.) umzugehen ist. Schließlich verpflichtet sich jeder Installateur, der in den Bereichen Gas, Wasser und Strom tätig ist, gemäß § 4 Abs. 2 Ziff. 3 des abzuschließenden Installateurvertrages zur Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik (vgl. Vertrag aufgrund der Richtlinien für den Abschluss von Verträgen mit Installationsunternehmen zur Herstellung, Veränderung, Instandhaltung und Wartung von Gas- und Wasserinstallationen vom 03.02.1958 gemäß Vorgaben des BGW und des VDEW).
Zunächst soll der sogenannte unbestimmte Rechtsbegriff der a.a.R.d.T. so definiert werden, dass eine praxistaugliche Handhabung möglich ist. Danach soll eine Abgrenzung gegenüber den Technikstandards stattfinden, die vom Gesetzgeber grundsätzlich verwendet werden. Schließlich muss die Frage geklärt werden, ob und in welchen Fällen technische Regelwerke zur Ausfüllung des Technikstandards a.a.R.d.T. heranzuziehen sind.

Mithin müssen folgende Fragen beantwortet werden:
Welcher Inhalt ist den a.a.R.d.T. zuzuordnen? Welchen Grad der Anerkennung muss eine technische Regel erlangen, um diesem Standard zu entsprechen? Wie kann festgestellt werden, welche Vorgehensweise unter den Praktikern anerkannt ist?
Wenn diese Fragen beantwortet sind, sollte jeder Baubeteiligte in der Lage sein, den Technikstandard a.a.R.d.T. in der Praxis rechtssicher handzuhaben.

Konzeption der Technikstandards
Unter dem Begriff „Technikstandards“ oder „technische Standards“ wird die generelle Bezugnahme auf die Besonderheiten von Wissenschaft und Technik verstanden. Die Bezeichnung „Technikstandard“ wird jedoch nicht einheitlich gebraucht; teilweise wird von den „Regeln der Technik“, von „Standardnormen“, von „Sicherheitsstandards“ oder etwa von „Technikklauseln“ gesprochen. Ein inhaltlicher Unterschied besteht jedoch nicht. Sie beziehen sich alle auf das, was hier zusammenfassend mit dem Begriff Technikstandard umschrieben wird (vgl. Seibel, Stand der Technik, Allgemein anerkannte Regeln der Technik und Stand von Wissenschaft und Technik, BauR 2004, S. 266 m.w.N.). Auch heute noch werden im Bereich des Technikrechts sehr viele unterschiedliche Technikstandards verwendet. Ein juristischer Autor hat festgestellt, dass es 35 unterschiedlich formulierte Standards gibt, die ein „buntes und geradezu verwirrendes Bild darstellen“ (Nicklisch, BB 1983, 261, 263).
So werden zum Beispiel die Begriffe Regeln der Baukunst, anerkannte Regeln der Baukunst, allgemeiner Stand der Technik oder neuester Stand der Technik verwendet.
Mit dem Begriff „neuester Standard der Technik“ hatte sich das OLG München in einer Entscheidung vom 28.07.2015 auseinanderzusetzen (vgl. OLG München, Az: 28 U 3070/13). Es liegt auf der Hand, dass die Ergebnisse derartiger Auslegungen für die Vertragsbeteiligten kaum vorhersehbar sind. Daher sollten Unklarheiten unbedingt vermieden werden.
Eine Klarstellung erreicht man schon dadurch, dass man sich an der gesetzgeberischen Vorgehensweise orientiert. Der Gesetzgeber verknüpft im Rahmen der so genannten Generalklauselmethode Rechtsvorschriften und technische Regeln. Es handelt sich dabei um eine normkonkretisierende gleitende Verweisung, die regelmäßig in Verbindung mit einem unbestimmten Rechtsbegriff auftritt, zu dessen Konkretisierung sie dient. Gesetzlich vorgeschrieben wird, die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“, den „Stand der Technik“ oder den „Stand von Wissenschaft und Technik“ einzuhalten, im Anschluss daran kann dann festgelegt werden, daß bestimmte technische Normen diese Anforderungen konkretisieren.
Schließlich sollte diese babylonisch anmutende Sprachverwirrung eigentlich nach der wegweisenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum schnellen Brüter in Kalkar beendet sein.
Tatsächlich haben aber die vom Bundesverfassungsgericht definierten -und vom Gesetzgeber so auch verwendeten – Technikstandards noch immer nicht abschließend Eingang in die Baupraxis gefunden.
In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht Vorgaben gemacht, wie der Gesetzgeber die Erkenntnisse und Entwicklungen von Wissenschaft und Technik im Bereich der Gesetzgebung berücksichtigen kann, um bestimmte Sicherheitsstandards vorzugeben (BVerfG, Beschluss v. 08.08.1978, Az. 2 BvL 8/77). Bei der Festlegung von sogenannten Sicherheitsstandards sollen dem Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe (verschiedene Technikstandards) werden die Schwierigkeiten der verbindlichen Konkretisierung und der laufenden Anpassung an die wissenschaftliche und technische Entwicklung mehr oder weniger auf die administrative und - soweit es zu Rechtsstreitigkeiten kommt - auch die judikative Ebene verlagert. Behörden und Gerichte müssen mithin das Regelungsdefizit der normativen Ebene (Gesetzgeber) ausgleichen (vgl. BVerfG, a.a.O.). Das gilt natürlich auch für Planer und Ausführende. Diese müssen den jeweiligen Technikstandard sozusagen mit Leben erfüllen und in der Praxis so anwenden, dass zum einen die gesetzgeberischen Ziele ebenso eingehalten sind, wie möglicherweise werkvertraglich zu berücksichtigende Vorgaben.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung 3 Technikstandards definiert, die der Gesetzgeber zur Einhaltung von Sicherheitsstandards nutzen kann. Von dieser Inbezugnahmemöglichkeit hat der Gesetzgeber z.B. in der Trinkwasserverordnung und den Anschluss- und Versorgungsbedingungen für den Bereich Trinkwasser, Strom und Gas Gebrauch gemacht. Eine weitere Bezugnahme auf den Technikstandard „anerkannte Regeln der Technik“ findet sich in § 50 Abs. 4 Wasserhaushaltsgesetz. Danach dürfen Wassergewinnungsanlagen nur nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik errichtet, unterhalten und betrieben werden.

Näheres dazu später.
Allerdings sieht das Bundesverfassungsgericht in dieser Lösung einen Nachteil, weil die Rechtsordnung mit dem Maßstab der a.a.R.d.T. hinter einer weiterstrebenden technischen Entwicklung hinterherhinkt (vgl. BVerfG, a.a.O.). Dies werde, so das Bundesverfassungsgericht, vermieden, wenn das Gesetz auf den „Stand der Technik“ abhebt. Hier werde der rechtliche Maßstab für das Erlaubte oder Gebotene an die Front der technischen Entwicklung verlagert, da die allgemeine Anerkennung und die praktische Bewährung allein für den Stand der Technik nicht ausschlaggebend sind.
Den Technikstandard „Stand der Technik“ hat der Gesetzgeber unter Bezug auf das Wasserhaushaltsgesetz und das Bundesimmissionsschutzgesetz definiert und hier auch die grundsätzliche Einhaltung dieses Technikstandards festgelegt (vgl. § 3 Ziff. 11 WHG, § 3 Abs. 6 BImSchG). Für den Praktiker stellt sich das Problem, dass sich der Technikstandard „Stand der Technik“ nur sehr schwer ermitteln lässt, weil auf kodifizierte Regelwerke grundsätzlich nicht zurückgegriffen werden kann.
Der dritte und höchste Technikstandard, nämlich der „Stand von Wissenschaft und Technik“ wurde vom Gesetzgeber als verbindlich einzuhaltend im Atomgesetz, hier § 7 Abs. 2 Ziffer 3 festgelegt. Mit der Bezugnahme auf den Stand der Wissenschaft und Technik übt der Gesetzgeber einen noch stärkeren Zwang dahin aus, dass die rechtliche Regelung mit der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung Schritt hält. Es muss diejenige Vorsorge gegen Schäden getroffen werden, die nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen für erforderlich gehalten wird (vgl. BVerfG, a.a.O.).
Im Ergebnis lassen sich also auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts folgende Technikstandards gegeneinander abgrenzen:

1. Stufe: anerkannte Regeln der Technik
Diese beruhen auf der herrschenden Auffassung der Fachleute, sind wissenschaftlich begründet, praktisch erprobt und bewährt und markieren den qualitativ grundlegenden Standard.

2. Stufe: Stand der Technik
Das sind die jeweils als fortschrittlich zu bezeichnenden Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, die sich noch nicht allgemein bewährt haben; allerdings sollen zur Bestimmung des Standes der Technik vergleichbare Techniken herangezogen werden, die auf Betriebsebene erfolgreich erprobt worden sind. Diesem Standard fehlt aber noch die Praxisdurchsetzung.

3. Stufe: Stand von Wissenschaft und Technik
Dieser Technikstandard bezeichnet den Entwicklungsstand fortschrittlichster Verfahren, die nach Auffassung führender Fachleute aus Wissenschaft und Technik auf der Grundlage neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse im Hinblick auf das gesetzlich vorgegebene Ziel für erforderlich gehalten werden.
Man bezeichnet die derartige Abgrenzung der Technikstandards voneinander auch als 3-Stufen-Theorie, fußend auf der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (vgl. BVerfG, a.a.O.).

Definition und Bedeutung des Technikstandards „allgemein anerkannte Regeln der Technik“
Soweit ersichtlich, hat im Gegensatz zu anderen Technikstandards der Technikstandard a.a.R.d.T. keine Legaldefinition, weder im BGB noch in der VOB/B erfahren. Mit Novellierung der HOAI im Jahre 2009 war in § 2 Ziffer 12 der Versuch unternommen worden, die sogenannten fachlich a.a.R.d.T. zu definieren. Dieser Technikstandard war aber praktisch nicht handhabbar und hat sich damit in der Praxis nicht durchgesetzt. Mit Novellierung der HOAI im Jahre 2013 wurde dieser Technikstandard wieder abgeschafft. Schließlich findet sich noch eine Erläuterung des Begriffes in der Begründung für das Gesetz über technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte (vgl. Bundestagsdrucksache V/7834 v. 19.07.1966, Seite 6).
Die heute allgemein verwendete Definition des Begriffes a.a.R.d.T. fußt auf einer Entscheidung des Reichsgerichts vom 11.10.1910 zu dem von § 330 StGB a.F. in Bezug genommenen Technikstandard allgemein anerkannte Regeln der Baukunst.
Der heute verwendete Begriff der a.a.R.d.T. ist nunmehr mit einer Strafbarkeitsandrohung in § 319 Abs. 1 StGB versehen. Die Wiedergabe der vom Reichsgericht gefundenen Definition der a.a.R.d.T. würde den Rahmen des hier verfassten Artikels sprengen. Der geneigte Leser kann die Definition aber unter folgender Fundstelle einsehen (Reichsgericht, Urt. v. 11.10.1910, Az. IV 644/10, RGSt 44, 75, 78 ff.).
Es ist dann noch die Frage zu klären, ob ein Unterschied zwischen den anerkannten Regeln der Technik und den a.a.R.d.T. besteht. Überwiegend wird gesetzgeberisch auf den Technikstandard der a.a.R.d.T. verwiesen. Teilweise findet aber auch die Verwendung der Begrifflichkeit anerkannte Regeln der Technik statt. Es fällt weiterhin auf, das in § 4 Abs. 2 Ziff. 1 und § 13 Abs. 1 die Rede von den anerkannten Regeln der Technik ist. Es stellt sich also die Frage, ob es insofern einen Unterschied zu den a.a.R.d.T. gibt.
Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass, auch wenn in der juristischen Literatur dazu eine kontroverse Diskussion geführt wird, es keine Notwendigkeit gibt, einen Unterschied zwischen den a.a.R.d.T. und den anerkannten Regeln der Technik zu machen. Vielmehr lässt sich festhalten, dass der Gesetzgeber, wenn er von den anerkannten Regeln der Technik spricht, verkürzt auf die a.a.R.d.T. Bezug nimmt. Inhaltlich lässt sich zwischen diesen Begriffen kein Unterschied feststellen (vgl. Marburger, Die Regeln der Technik im Recht (Köln 1979), Seite 146; Seibel, Die allgemeine Anerkennung von Technischen Regeln und ihre Feststellbarkeit, ZfBR 2008, 635).
Unter Bezug auf die vom Reichsgericht vorgenommene Definition der a.a.R.d.T. lassen sich diesbezüglich folgende Voraussetzungen formulieren, wann eine technische Regel die Voraussetzungen für das Erreichen des Technikstandards der a.a.R.d.T. erfüllt. Dabei ist ergänzend an dieser Stelle festzuhalten, dass nicht nur kodifizierte Regeln diesen Technikstandard erfüllen können, sondern auch ungeschriebene Regeln diesen Technikstandard konkretisieren können. In einer Entscheidung vom 21.11.2013 formuliert der BGH dazu:
„Allgemein anerkannte Regeln der Technik sind nicht ausschließlich in förmlich veröffentlichten Regelwerken niedergelegt, sondern können auch durch ungeschriebene Regeln konkretisiert werden“ (BGH, Urt. v. 21.11.2013, VII ZR 275/12 m.H.a. BGH, IBR 1995, 193).
Nun also zu den Voraussetzungen, die erforderlich sind, damit eine technische Regel den Technikstandard a.a.R.d.T. erfüllt.

1. Die technische Regel muss sich zunächst zunächst in der Wissenschaft als (theoretisch) richtig durchgesetzt haben (erste Komponente: allgemeine wissenschaftliche Anerkennung).

2. Die technische Regel muss in der (Bau-)Praxis erprobt sein und sich dort überwiegend bewährt haben (zweite Komponente: praktische Bewährung).

3. Die technische Regel muss der vorherrschenden Ansicht (Mehrheit) der technischen Fachleute entsprechen (dritte Komponente: Praxisdurchsetzung).

Mehrheit der Fachleute heißt nun nicht, dass gefordert werden kann, dass sich die technische Regel überall und restlos, d.h. ohne Gegenstimmen, bei den Fachleuten durchgesetzt hat. Ein solcher Anerkennungsgrad wäre in den allermeisten Fällen schlicht unerreichbar. Der Schutzzweck der a.a.R.d.T. geht vielmehr dahin, eine zuverlässige Vertrauensgrundlage bezüglich der Qualität einer Bauleistung (auch Planungsleistung) sowie der Beachtung sicherheitstechnischer Belange zu gewährleisten. Daher reicht es - schon nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts – aus, wenn die technische Regel die vorherrschende Ansicht (Mehrheit der technischen Fachleute) in dem jeweils betroffenen Bereich darstellt. Es kann dabei durchaus vereinzelte, von dieser Mehrheit abweichende Ansichten unter den Fachleuten geben, die die Mehrheitsmeinung in Frage stellen. Diese Gegenansichten dürfen jedoch nicht so zahlreich sein, dass die übrige Ansicht nicht mehr als Mehrheitsauffassung angesehen werden kann. Unter den Fachleuten in diesem Bereich sind dabei diejenigen zu verstehen, die in dem jeweils betroffenen technischen Bereich tätig und praktisch mit diesem befasst sind (vgl. Reichsgericht, Urt. v. 11.10.1910, a.a.O.; BVerfG, Beschluss v. 08.08.1978, Az. 2 BvL 8/77).
Unter Berücksichtigung obiger Ausführungen lässt sich jetzt auch die zu der Qualität der Richtlinie VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2 geführte Diskussion bewerten. Der Autor Bürschgens geht ausweislich des in SBZ 23/16, Seite 26 f., veröffentlichten Artikels davon aus, dass die genannte Richtlinie bereits die Qualität einer anerkannten Regel der Technik zukommt. Dies stellt die Autorin, Rechtsanwältin Flossdorf, Landesverband SHK-NRW in IKZ Heft 08/2018 in Frage und zwar mit der Bemerkung, ob VDI 6023 Blatt 2: Empfehlung oder das Maß aller Dinge sei. Sie vertritt dort die Auffassung, dass der VDI 6023 Blatt 2 noch nicht der Standard einer anerkannten Regel der Technik zukomme. Der geneigte Leser mag diese Diskussion weiter mit Aufmerksamkeit verfolgen.
Anmerkung: Oftmals wird der Begriff Stand der Technik fälschlicherweise mit den allgemein anerkannten Regeln der Technik gleichgesetzt. Dabei wird aber außer Acht gelassen (vgl. 3-Stufen-Theorie des Bundesverfassungsgerichtes), dass der Stand der Technik ein qualitativ höherwertiges Anforderungsniveau beinhaltet, da auf das Merkmal der allgemeinen Anerkennung verzichtet und damit der Maßstab des einzuhaltenden Standards an die Front des technisch (wissenschaftlichen) Fortschritts verlagert wird (vgl. BVerfG, a.a.O.).
Unter Berücksichtigung obiger Ausführungen lässt sich bezüglich des Technikstandardes „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ folgende Kurzdefinition zusammenfassen:
Von der Mehrheit der Fachleute anerkannte, wissenschaftlich begründete, praktisch erprobte und ausreichend bewährte Regeln zum Lösen praktischer Aufgaben (vgl. Ingenstau-Korbion, VOB, 19. Aufl., VOB/B § 4 Abs. 2 Rdnr. 43).
Beispiele für den Verweis auf die (allgemein) anerkannten Regeln der Technik finden sich im Gesetz wie folgt:

  • StGB: § 319 Baugefährdung
  • Energiewirtschaftsgesetz: § 49 Anforderung an Energieanlagen
  • TrinkwV: § 24 Verweise auf die allgemein anerkannten Regeln der Technik
  • AVBWasserV: Verweis in § 12 Kundenanlage
  • Niederspannungsanschlussverordnung: § 13 Elektrische Anlage
  • Niederdruckanschlussverordnung: § 13 Gasanlage
  • AVBFernwärmeV § 12 Kundenanlage


Weitere Verweise finden sich in der Eichordnung, dem Haftpflichtgesetz, dem Wasserhaushaltsgesetz, in den Landesbauordnungen, der Wärmeschutzverordnung sowie abgewandelt in der Arbeitsstättenverordnung und der Gefahrstoffverordnung.

Die Bedeutung technischer Regelwerke zur Ausfüllung des Technikstandards allgemein anerkannte Regel der Technik
Wie bereits dargestellt, handelt es sich bei dem Technikstandard allgemein anerkannte Regeln der Technik um eine vom Gesetzgeber verwendete Generalklausel, die in tatsächlicher Hinsicht der Ausfüllung bedarf. Grundsätzlich kann zur Ausfüllung dieses Technikstandards auf bestehende technische Regelwerke zurückgegriffen werden. Der Bezugsrahmen der allgemein anerkannten Regeln der Technik stellt nicht auf das innovative Handeln weniger, sondern auf einen breiten Kreis von „Normalanwendern“ ab. Für deren Handeln legen technische Normen auf breiter Basis umsetzbare technische Normalanforderungen fest. Sie zielen auf eine möglichst umfassende Umsetzung in der Praxis und berücksichtigen deswegen ökonomische Interessen, praktische Ausführungsbedingungen und die berufliche Qualifikation der Adressaten.
Zu den technischen Regeln, die zur Ermittlung des Technikstandards a.a.R.d.T. im Baugewerbe herangezogen werden können, zählen:

  • DIN-Normen des Deutschen Instituts für Normung e.V.
  • die von der Verwaltungsvorschrift technische Baubestimmungen in Bezug genommenen technischen Baubestimmungen
  • Allgemeine technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (VOB/C)
  • Europäische Normen (EN) des Europäischen Komitees für Normung (CEN)
  • Bestimmungen/Arbeitsblätter vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfachs (DVGW)
  • Bestimmungen des Verbandes der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik e.V. (VDE)
  • Bestimmungen des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton
  • Technische Richtlinien des Vereins deutscher Ingenieure (VDI)
  • Unfallverhütungsvorschriften der Bauberufsgenossenschaft
  • mündlich überlieferte technische Regeln


Allerdings ist dringend davor zu warnen, davon auszugehen, dass die eben genannten technischen Regelwerke immer zur Ausfüllung des Technikstandards a.a.R.d.T. herangezogen werden können. Eine solche Auffassung verkennt den Rechtscharakter derartiger technischer Regeln. Der BGH hat sich in einer Entscheidung vom 14.05.1998 – bezogen auf DIN-Normen – zu dem Rechtscharakter solcher technischer Regelwerke geäußert und dabei festgestellt:
„DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter. Technischen Normen kann - da sie keine Rechtsnormqualität besitzen - keine zwingende Bindungswirkung im Hinblick auf die Konkretisierung der a.a.R.d.T. attestiert werden. Solche Normen können die a.a.R.d.T. wiedergeben, jedoch auch hinter diesen zurückbleiben“ (BGH, Az. VII ZR 184/97).
Mithin muss einer sogenannten DIN-Gläubigkeit bzw. Normgläubigkeit entschieden entgegengetreten werden.
Es ist im Einzelfall immer zu prüfen, ob die anzuwendende technische Regel die oben genannten Voraussetzungen für die Erreichung der Qualität des Technikstandards a.a.R.d.T. erreicht. Die Prüfung der Frage, ob dieser Qualitätsstandard erreicht ist, obliegt im Streitfall dem – gegebenenfalls sachverständig beratenen - Gericht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es für die Beurteilung der Qualität einer Werkleistung (unabhängig ob ausführend oder planend) nicht darauf ankommt, welche Norm gerade gilt, sondern vielmehr darauf, ob die erbrachte Werkleistung zum Zeitpunkt der Abnahme den anerkannten Regeln der Technik entspricht (ständige Rechtsprechung des BGH, zuletzt Urt. v. 14.11.2017, VII ZR 65/14).
Schließlich ergibt sich auch aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.09.1996 deutlich, dass der Praktiker bei der Ermittlung des Technikstandards a.a.R.d.T. auf der Grundlage von Normen sehr aufmerksam vorgehen muss. Das Bundesverwaltungsgericht führt in der Entscheidung wörtlich aus:
„DIN-Vorschriften und sonstige technische Regelwerke kommen (zur Ermittlung des Technikstandards anerkannte Regeln der Technik, Anmerkung des Verfassers) hierfür als geeignete Quellen in Betracht. Sie haben aber nicht schon Kraft ihrer Existenz die Qualität von anerkannten Regeln der Technik und begründen auch keinen Ausschließlichkeitsanspruch. Als Ausdruck der fachlichen Mehrheitsmeinung sind sie nur dann zu werten, wenn sie sich mit der Praxis überwiegend angewandter Vollzugsweisen decken. Das wird häufig, muss aber nicht immer der Fall sein. Die Normausschüsse des Deutschen Instituts für Normung sind pluralistisch zusammengesetzt. Ihnen gehören auch Vertreter bestimmter Branchen und Unternehmen an, die ihre eigenen Interessen einbringen. Die verabschiedeten Normen sind nicht selten das Ergebnis eines Kompromisses der unterschiedlichen Zielvorstellungen, Meinungen und Standpunkte. Sie begründen eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie als Regeln, die unter Beachtung bestimmter verfahrensrechtlicher Vorkehrungen zustande gekommen sind, sicherheitstechnische Festlegungen enthalten, die einer objektiven Kontrolle standhalten, sie schließen den Rückgriff auf weitere Erkenntnismittel aber keineswegs aus.“
Diese Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts gelten entsprechend für die technischen Regelwerke der anderen regelsetzenden Institutionen entsprechend.

DIN-Normen
Auf der Grundlage des normungspolitischen Konzepts der Bundesregierung soll das Deutsche Institut für Normung (einschließlich der DKE Deutsche Kommission Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik im DIN und VDE) aufgrund des Normenvertrages mit der Bundesrepublik Deutschland die zentrale Normungsorganisation auf nationaler Ebene sein. Von diesem Vertrag unberührt bleiben andere technische Regelwerke, die ebenso wie DIN-Normen vom Gesetzgeber in Bezug genommen werden können (Normungspolitisches Konzept der Bundesregierung, Teil I, Seite 2).
Die Qualitätssicherung der DIN-Normen selbst wird durch die vom DIN für die eigene Arbeit geschaffenen Grundlagen der Normungsarbeit (DIN820) abgestützt. Hierin sind nicht nur anspruchsvolle Ziele der Normungsarbeit formuliert (vgl. Teil I, Ziffern 2, 5.7), sondern auch Verfahrensmaximen aufgestellt, die ein hohes Erwartungsniveau rechtfertigen sollen (Teil I, Ziffer 5).
Zu den DIN-Normen gehören auch die allgemeinen technischen Vertragsleistungen für Bauleistungen (ATV), und zwar die allgemeinen Regelungen für Bauarbeiten jeder Art in der DIN 18299 sowie die ATV für eine Vielzahl einzelner Gewerke in den DIN 18300 bis DIN 18459.
In einem Urteil aus dem Jahr 1996 hat das Bundesverwaltungsgericht das Verhältnis zwischen Recht und technischen Normen geklärt und zur konkretisierenden Verweisung Stellung genommen (BVerwG, NVwZ-RR 1997, 214): „Der Bundesgesetzgeber nimmt zwar (… auf die Regeln der Technik Bezug. Diese Regeln stellen aber nicht selbst Rechtsnormen dar …). Das Deutsche Institut für Normung hat indes keine Rechtsetzungsbefugnisse. Es ist ein eingetragener Verein, der es sich zur satzungsgemäßen Aufgabe gemacht hat, auf ausschließlich gemeinnütziger Basis durch Gemeinschaftsarbeit der interessierten Kreise zum Nutzen der Allgemeinheit Normen zur Rationalisierung, Qualitätssicherung, Sicherheit und Verständigung aufzustellen und zu veröffentlichen (…). Rechtliche Relevanz erhalten die von ihm erarbeiteten Normen im Bereich des technischen Sicherheitsrecht nicht, weil sie eigenständige Geltungskraft besitzen, sondern nur, soweit sie die Tatbestandsmerkmale von Regeln der Technik erfüllen, die der Gesetzgeber als solche in seinen Regelungswillen aufnimmt. Werden sie (…) vom Gesetzgeber rezipiert, so nehmen sie an der normativen Wirkung in der Weise teil, daß die materielle Rechtsvorschrift durch sie konkretisiert wird (…). DIN-Normen und sonstige technische Regelwerke können für die Ermittlung der anerkannten Regeln der Technik als geeignete Quellen herangezogen werden.“
Zusammengefasst bedeutet dies, entspricht eine DIN-Norm den Tatbestandsmerkmalen der anerkannten Regeln der Technik, erlangt sie über den Verweis in einschlägigen Gesetzen verbindlichen Charakter und verpflichtet die Adressaten des Gesetzes zur Einhaltung.
Das DIN hat sich verpflichtet, bei der Ausarbeitung von DIN-Normen das öffentliche Interesse zu berücksichtigen und insbesondere dafür Sorge zu tragen, daß die Normen in der Gesetzgebung, in der öffentlichen Verwaltung und im Rechtsverkehr, also in Bereichen, in denen unmittelbar das Rechtstaatlichkeitsprinzip gilt, als Umschreibungen technischer Anforderungen herangezogen werden können (§ 1 Abs. II des Normenvertrages zwischen Bundesregierung und dem DIN). Die Erstellung von DIN-Normen ist in einer entsprechenden DIN 820 geregelt. Unter Normung wird hier die planmäßige, durch die interessierten Kreise gemeinschaftlich durchgeführte Vereinheitlichung von materiellen und immateriellen Gegenständen zum Nutzen der Allgemeinheit verstanden (DIN 820-1). Diese Normen werden von Arbeitsausschüssen in oft langwierigen Verhandlung auf der Basis des jeweils erreichten Standes der Wissenschaft und Technik erarbeitet, beschreiben zum Zeitpunkt ihres Erscheinens den Stand der Technik und sollen sich zwanglos als allgemein anerkannte Regel der Technik einführen. Für die auf dieser Basis zustande gekommenen DIN-Normen gilt die Vermutung, daß sie die allgemeinen Regeln der Technik wiedergeben (Pastor in Werner/Pastor, Der Bauprozess, 13. Aufl. Rdnr. 1969 m.w.N.). Für den Planer bringt die Einhaltung kodifizierter Normen einen Beweislastvorteil: Wer sich mit seiner Planungsleistung an ein technisches Regelwerk hält, kann die widerlegliche Tatsachenvermutung ordnungsgemäßer Arbeit für sich in Anspruch nehmen. Im Schadensfall hat der Auftraggeber zu beweisen, daß der Planer trotz Einhaltung von DIN-Normen anerkannte Regeln der Technik verletzt (vgl. OLG Stuttgart, BauR 1977, 129; OLG Hamm, NJW-RR 1998, 668, 669).
Hält sich der Planer hingegen nicht an technische Regelwerke ‑ die den anerkannten Regeln der Technik entsprechen -, stellt dies ‑ wie oben ausgeführt ‑ einen Mangel dar. Verstößt demnach eine Planungsleistung gegen die Vorgaben in einer DIN-Norm, so spricht der Beweis des erstens Anscheins für ein schuldhaft mangelhafte Leistung des Planers. Ihm obliegt es dann, darzulegen und zu beweisen, daß der eingetretene Schaden nicht auf der Verletzung der DIN-Norm beruht (vgl. OLG Brandenburg, BauR 2010, 100, 101). Bei einem Verstoß gegen DIN-Normen (sozusagen stellvertretend für die anerkannten Regeln der Technik) wird ein schuldhaftes Verhalten vermutet. Der Planer haftet dann nicht nur auf Nacherfüllung sondern auch auf Schadenersatz. In Betracht kommt in einem solchen Fall der Verschuldensvorwurf der groben Fahrlässigkeit. Das OLG Zweibrücken hat in einer Entscheidung vom 30.11.1999, - 8 U 62/99 -, den Begriff der groben Fahrlässigkeit für die Baupraxis anschaulich definiert:
Sie liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in einem solchen Maße außer Acht gelassen wird, daß nicht einmal die einleuchtendsten Vorsichtsmaßregeln beachtet werden oder offensichtlich gegen die anerkannten Regeln der Technik verstoßen wird.

DVGW-Regelwerk
Das DVGW-Regelwerk des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs e.V. enthält die Sammlung der technischen Regeln und der technischen Mitteilungen des DVGW für die Sachbereiche Gas und Wasser. Im Gasbereich werden die DVGW-Normen aufgrund einer Vereinbarung mit dem DIN zugleich als DIN-Normen anerkannt und veröffentlicht. Das Normungsverfahren des DVGW entspricht weitgehend der DIN 820. Das rechtfertigt es wohl, die DVGW-Regeln auch sachlich wie DIN-Normen zu behandeln.
Das DVGW-Regelwerk gilt für Planung, Bau bzw. Herstellung, Betrieb, Prüfung und Instandhaltung von Anlagen der Trinkwasserversorgung. Es ist zudem Grundlage von Prüfungen und Zertifizierungen von Personen, Unternehmen und Produkten (vgl. Geschäftsordnung GW100 „Erarbeitung und Herausgabe des DVGW-Regelwerks“, Oktober 2002, Ziff. 1). Für den Bereich Planung einer Trinkwasserinstallation existieren eine ganze Reihe von DVGW-Arbeitsblättern. Beispielhaft sollen genannt werden das W270, W406 Entwurf, W517 Entwurf, W534, W540, W543, W554 und natürlich das W551. Die DVGW-Arbeitsblätter enthalten technische Festlegungen für Anlagen, Einrichtungen, Erzeugnisse, Verfahren oder Dienstleistungen sowie für die Beschaffenheit von Trinkwasseranlagen, insbesondere die sicherheitstechnischen und hygienischen Anforderungen. Sie bilden einen Maßstab für einwandfreies technisches Handeln. Die in ihnen enthaltenen sicherheitstechnischen und hygienischen Anforderungen müssen grundsätzlich eingehalten werden, um Gefahren und Schäden für Personen und Sachen zu vermeiden. Aufgrund ihrer Erarbeitung im Zusammenwirken der interessierten Fachkreise in geordneten öffentlichen Verfahren geltend DVGW-Arbeitsblätter als anerkannte Regeln der Technik im Sinne gesetzlicher Regeln. Dies wurde von der einschlägigen Rechtsprechung bereits nachvollzogen.
In seiner Entscheidung vom 14.02.2008, – 12 U 121/03 –, hat das OLG Köln festgestellt, daß das Regelwerk des DVGW hohes Ansehen genießt und – ähnlich wie DIN-Normen – als eine schriftliche Fixierung der anerkannten Regeln der Technik gelten. In dem eben dargestellten Urteil ging es um die Einhaltung der Vorgaben des DVGW-Arbeitsblattes W551. Ähnlich äußerte sich das Landgericht Berlin in der Entscheidung vom 02.06.2008 – 67 S 26/07 – wo es heißt, daß bei Trinkwassererwärmungsanlagen zur legionellen Vorsorge die Regeln des DVGW-Arbeitsblattes W551 einzuhalten sind.

VDE-Normen
Die VDE-, also Normen des Verbandes Deutscher Elektrotechniker betreffen die sicherheitstechnischen Anforderungen im Rahmen der Erzeugung, Übertragung, Speicherung und Anwendung elektrischer Energie und richtet sich an Industrie, Handwerk und Verbraucher. Die bautechnische Bedeutung der VDE-Normen wird vor allem durch das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) gestützt. Die dazu erlassene zweite Durchführungsverordnung regelt in § 2 Abs. 2 das die VDE-Regeln als anerkannte Regeln im Elektrofach vermutet werden; freilich ist diese Vermutung wie bei den DIN-Normen widerlegbar. Die Bedeutung der VDE-Normen entspricht dem DVGW-Regelwerk und ist deshalb sachlich ebenfalls mit den DIN-Normen vergleichbar. Auch der VDE ist dem DIN vertraglich verbunden und in der Deutschen elektrotechnischen Kommission (DKE) mit dem DIN organisatorisch verknüpft. Die vom DKE erarbeiteten Normen werden zugleich als DIN-Normen veröffentlicht.

VDI-Richtlinien
Die Vereinigung deutscher Ingenieure gibt sogenannte VDI-Richtlinien heraus, die im öffentlichen Technik-, Umwelt- und Baurecht eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Hier werden sie öfter zur Ausfüllung der Begriffe anerkannte Regeln der Technik, Stand der Technik etc. herangezogen. In der zivilen Rechtsprechung zum Baurecht spielen die VDI-Richtlinien gegenüber den DIN-Normen eine eher untergeordnete Rolle. Die einschlägigen Entscheidungen der Rechtsprechung zum Thema Schallschutz machen dies deutlich. Häufig werden die VDI-Richtlinien nur neben den einschlägigen DIN-Normen herangezogen, um den Umfang der anerkannten Regeln der Technik zu bestimmen. Gleichwohl können sich auch aus VDI-Richtlinien in vergleichbarer Weise wie bei DIN-Normen eine tatsächliche Vermutung für die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik ergeben.
Betrachtet man auch bei den VDI-Richtlinien deren Zielsetzung, stellt man fest, daß sie zunächst zur Beschreibung des Standes von Technik, Forschung und Wissenschaft dienen sollen. Die Publikation soll wiederum als allgemein anerkannte Regel der Technik erfolgen. In der einschlägigen juristischen Kommentarliteratur wird festgestellt, daß auch die Richtlinien des VDI die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben (vgl. Kniffka, Ibr-online-Kommentar, Bauvertragsrecht 2011, § 633, B IV 4 Rdnr. 34).

EN-Normen
EN-Normen werden von dem Europäischen Komitee für Normung (CEN) verarbeitet. Ziel der europäischen Normung soll es sein, einheitliche Technikstandards für die 31 Mitgliedsländer des CEN zu schaffen. Damit sollen EN-Normen beim Aufbau eines europäischen Binnenmarktes für Waren und Dienstleistungen dienen. Die europäische Normung hat die technische Regelsetzung im Bereich Trinkwasserinstallation in den letzten Jahren stark beeinflusst. Erkennbar wurde dies, weil mit der Verabschiedung von einschlägigen EN-Normen eine Anpassung nationaler Normen erfolgen musste, die teilweise auch zurückgezogen worden sind.
Auch für die vom Europäischen Komitee für Normung erlassenen EN-Normen gilt das, was bereits zur Anwendung von DIN-Normen gesagt worden ist.
Auch hier hat eine genaue Überprüfung daraufhin stattzufinden, ob die jeweilig anzuwendende EN-Norm die Maßstäbe für den Technikstandard anerkannte Regel der Technik erfüllt. Auchhier wird man also die Frage zu stellen haben, ob die entsprechende Norm sich zunächst in der Wissenschaft als theoretisch richtig durchgesetzt hat und auch in der (Bau-)Praxis erprobt ist und sich dort überwiegend bewährt hat. Schließlich wird zu prüfen sein, ob diese technische Regel der vorherrschenden Ansicht (Mehrheit der technischen Fachleute) entspricht. Auch hier ist natürlich nicht erforderlich, daß sich die technische Regel überall und restlos, d.h. ohne Gegenstimmen, durchgesetzt hat.
Als problematisch sind die Fälle einzustufen, in denen eine bisher als anerkannte Regel der Technik geltende nationale Norm zurückgezogen worden ist und durch eine EN-Norm ersetzt wird, die gegebenenfalls hinter dem technischen Standard zurückbleibt, der bisher von der zurückgezogenen nationalen Norm vorgeschrieben war. Hier hat durch den Fachmann eine kritische Bewertung stattzufinden.
Problematisch ist außerdem die Bewertung für die Beteiligten dann, wenn vom Europäischen Komitee für Normung (CEN) auf europäischer Ebene eine bestimmte Norm erlassen wurde, daraufhin auf nationaler Ebene von dem zuständigen Institut, z.B. dem DIN, die bisher gültige nationale Norm zurückgezogen wurde (wozu das nationale Institut aufgrund bindender Vereinbarung mit dem CEN verpflichtet war), während die Bauaufsichtsbehörden der Länder in ihren Bauregellisten (unter Federführung des Deutschen Instituts für Bautechnik) die „alten“ nationalen Normen als das „Maß der Dinge“ weiterführen.
In beiden oben dargestellten Fällen bestehen erhebliche Rechtsunsicherheiten für die Beteiligten, welcher Standard nun zu beachten und nach welchem Standard letztlich zu planen und zu bauen ist, gerade wenn – wie in mehreren Fällen gegenwärtig so anzutreffen – nationale und europäische Normen unterschiedliche Qualitätsanforderungen vorsehen.
Der geneigte Leser kann zur Vertiefung dieser Thematik auch die vom Deutschen Institut für Bautechnik herausgegebene Prioritätenliste, Ausgewählte verwendungsspezifische Leistungsanforderungen zur Erfüllung der Bauwerksanforderungen, Stand 12.12.2017, verwiesen werden. In dieser Prioritätenliste werden Europäische Normen wiedergegeben, deren technische Spezifikationen im Hinblick auf inländisch geforderte Leistungen defizitär sind. Gegebenenfalls sind dann bauordnungsrechtlich zusätzliche Leistungserklärungen erforderlich. Außerdem muss bei derartigen harmonisierten europäischen Normen immer geprüft werden, ob damit der im Zivilrecht allein geltende Technikstandard a.a.R.d.T. eingehalten werden kann. Dies wird in der Regel nicht möglich sein. Deshalb muss bei der Auswahl von Bauprodukten, deren Verwendung auf der Grundlage einer harmonisierten europäischen Norm nachgewiesen werden soll, besondere Sorgfalt angewendet werden.

Richtlinien und Merkblätter
Im Range unterhalb der DIN-Normen bzw. anderer überbetrieblicher technischer Normenwerke stehen Richtlinien und Merkblätter privater Hersteller und Produktionsorganisationen. Diese Regelwerke haben zwar eine nicht unerhebliche Verkehrsgeltung, gleichwohl kann diesen eine Vermutungswirkung, wie sie den DIN-Normen zukommt, nicht beigemessen werden. Vielmehr ist im Einzelfall zu entscheiden, ob Merkblätter oder Richtlinien zur Ermittlung des Technikstandards a.a.R.d.T. herangezogen werden können. Eine generelle Vermutung gibt es insoweit nicht.

Einordnung der allgemein anerkannten Regeln der Technik innerhalb des werkvertraglichen Sachmangelrechts
Bei der Beurteilung der Mangelhaftigkeit einer Bau- oder Planungsleistung muss zunächst geklärt werden, welche Leistung der Unternehmer (Planer oder Ausführender) nach dem Inhalt des Werkvertrages zu erbringen hat. Ob ein Gewerk mangelfrei ist, richtet sich – sofern zwischen den Vertragsparteien nichts anderes vereinbart wurde – nach dem Leitbild von § 633 BGB bzw. § 13 VOB für einen entsprechend vereinbarten Werkvertrag (Ausführung). Aus den Vorschriften des § 633 BGB bzw. den § 13 VOB lassen sich folgende Sachmangelvarianten entnehmen:

1. Sachmangelvariante
Der Auftragnehmer hat dafür einzustehen, dass seine Leistung die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit aufweist (§ 633 Abs. 2 Satz 1 BGB, § 13 Abs. 1 Satz 2 VOB/B). Allerdings muss das Ganze auch am Ende funktionieren (funktionaler Werkerfolg). So hat beispielsweise der BGH entschieden, dass ein Dach, welches nach den auftraggeberseitigen detaillierten und in allen Einzelheiten gemachten Leistungsvorgaben errichtet wurde, am Ende auch dicht sein muss (vgl. BGH, VII ZR 183/05).

2. Sachmangelvariante
Soweit eine Beschaffenheit vertraglich nicht vereinbart wurde, muss sich die erbrachte Leistung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignen (§ 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB, § 13 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 VOB/B).

3. Sachmangelvariante
Ansonsten muss sich die Leistung für die gewöhnliche Verwendung eignen und eine Beschaffenheit aufweisen, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Auftraggeber nach der Art der Leistung erwarten kann (§ 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BGB, § 13 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 VOB/B).

4. Sachmangelvariante
Hier sind die allgemein anerkannten Regeln der Technik als Leistungskriterium zu verorten. Dabei fällt auf, dass § 633 BGB keinen ausdrücklichen Bezug auf die allgemein anerkannten Regeln der Technik enthält. Nur in § 13 Abs. 1 Satz 2 sowie in § 4 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 VOB/B wird dieser Technikstandard ausdrücklich in Bezug genommen. Gleichwohl kann im Hinblick auf die Verbindlichkeit des Technikstandards allgemein anerkannte Regel der Technik kein Unterschied zwischen einem BGB- und VOB-Werkvertrag gemacht werden. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sichert der Unternehmer nämlich auch beim Abschluss eines BGB-Werkvertrages stillschweigend zumindest das Einhalten der allgemein anerkannten Regeln der Technik zu. In immerhin 4 Entscheidungen aus der letzten Zeit hat der Bundesgerichtshof deutlich gemacht, dass im Werkvertragsrecht die anerkannten Regeln der Technik immer einzuhalten sind (vgl. BGH, Urteile zu Az. VII ZR 130/10, VII ZR 134/12, VII ZR 55/13 und VII ZR 65/14). Schließlich ging auch der Gesetzgeber bei der Neufassung von § 633 BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz davon aus, dass die a.a.R.d.T. vom Auftragnehmer einzuhalten sind, hielt jedoch eine Erwähnung im Gesetz für überflüssig (vgl. Bundestagsdrucksache 14/6040, Seite 2; RegEntW, BR-DruckS 338/01, Seite 617).
Problematisch ist der Fall, wenn sich während der Planungsphase die anerkannten Regeln der Technik ändern.
Die einschlägige Rechtsprechung geht davon aus, daß die anerkannten Regeln der Technik zugrunde zu legen sind, die zum Zeitpunkt der Abnahme der Planerleistung gelten (vgl. BGH, Az. VII ZR 65/14; BGH, Urt. v. 14.05.1998, Az. VII ZR 184/97). Schwierig wird es dann, wenn sich die anerkannten Regeln der Technik zur Zeit der Abnahme der Planerleistung in nicht vorhersehbarer Weise gegenüber den anerkannten Regeln der Technik im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geändert haben. Richtigerweise kann der Auftraggeber nur erwarten, daß der Planer eine Leistung nach den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblichen anerkannten Regeln der Technik verspricht. Denn er kann nicht davon ausgehe, daß der Planer eine Leistung erbringt, deren Aufwand er überhaupt nicht abschätzen kann. Etwas anderes kann dann gelten, wenn die Änderung der anerkannten Regeln der Technik im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits sicher vorhersehbar war (Kniffka, Ibr-online-Kommentar, Bauvertragsrecht 2018, § 633 BGB, W IV Ziff. 2 Rdnr. 31 m.w.N.). Die Rechtsprechung hat des dem Planer zur Aufgabe gemacht, sich jeweils über die fortlaufenden Entwicklungen zu orientieren und seinen Auftraggeber rechtzeitig über moderne Baumaßnahmen, die sich am Markt durchgesetzt haben, zu informieren (KG, NJW-RR 2001, 1385).
Der Planer schuldet eine Planung, die den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Er muss die richtigen Baumaterialien auswählen und bei mehreren Alternativen grundsätzlich den sichersten Weg gehen (vgl. KG, a.a.O.). Ein DIN-Entwurf (Gelbdruck) signalisiert in der Regel, daß Vorsicht hinsichtlich der Regeln der alten DIN-Normen geboten ist (vgl. Pastor in Werner/Pastor, der Bauprozess, 16. Aufl., Rdnr. 1972, und Beck’scher VOB-und Vergaberechtskommentar, VOB/C, DIN18381, Ziff. 2.1). Für den Planer ergibt sich allerdings das Problem, den neuen technischen Erkenntnisstand zuverlässig dann festzustellen, wenn sich Fortschreibungen des (schriftlichen) Regelwerkes verzögern oder ausbleiben (vgl. dazu Seibel, BauR 2004, 774 ff.). Bereits oben war geklärt worden, daß der Gesetzgeber auf der Grundlage der so genannten Generalklauselmethode eine gesetzliche Vorschrift mit einem Technikstandard verknüpft. Es wird also nicht irgendeine geschriebene Norm in Bezug genommen, sondern einer der bereits dargestellten Technikstandards.
Für den Planer ergibt sich damit die Aufgabe, aus der Vielzahl kodifizierter Norm diejenigen herauszufiltern, die dem Stand der anerkannten Regeln der Technik entsprechen.
Denn zur anerkannten Regel der Technik wird ein Baustoff oder eine Verfahrensweise erst dann, wenn sie überwältigende technische Anerkennung genießt und sich in der Praxis hinreichend bewährt hat und nicht durch Aufnahme in ein technisches Regelwerk (vgl. Ingenstau-Korbion, VOB, 20. Aufl., VOB/B § 4 Rdnr. 43). Man wird sich also an dieser Stelle mit der Frage auseinandersetzen zu haben, inwieweit geschriebene Normen (DIN-EN-Normen, Richtlinien des VDI und DVGW-Arbeitsblätter u.ä.) den Anforderungen an die Definition der anerkannten Regeln der Technik entsprechen.

Außerdem hat der Praktiker einen weiteren, vom Bundesgerichshof in der Entscheidung vom 14.05.1998 aufgestellten Grundsatz zu berücksichtigen. Der BGH führt hier aus:
„DIN-Normen (auch alle anderen Normen) können zwar die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben, sie können aber auch hinter diesen zurückbleiben“ (vgl. BGH, Urt. v. 14.05.1998, Az. VII ZR 184/97. Im entschiedenen Fall ging es um die Anwendung der Schallschutznorm DIN 4109. Dazu stellte der BGH fest, dass die Mindestanforderungen der DIN4109 – weil veraltet – keine anerkannte Regel der Technik mehr darstellen würden, sondern nur noch Schutz vor unzumutbaren Belästigungen darstellen könnten. Im konkreten Fall wurde dann der geschuldete Schallschutzstandard durch Auslegung des zugrunde zulegenden Bauwerkvertrages ermittelt. Zur Feststellung des im Bereich Schallschutz geschuldeten Leistungsniveaus zog der BGH ergänzend dann höherwertige Schallschutzstandards, gegebenenfalls auf der Grundlage der VDI 4100 heran.
Wichtig ist die Aussage für die Praxis insoweit, als dadurch festgestellt wird, dass Normen auch veralten können, wenn sie nicht, der neuen technischen Entwicklung folgend, fortgeschrieben werden. Sie scheiden dann aus dem Bereich der anerkannten Regeln der Technik aus. Hinweis dafür, dass eine Norm bereits veraltet sein kann, ist der Umstand, dass bezüglich dieser Norm bereits ein Normentwurf, ein sogenannter Gelbdruck, vorgelegt worden ist. (Ganten/Jansen/Voit, Beckscher VOB-Kommentar, Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B, § 4). Unter Umständen sind dann schon die normativen Festlegungen in diesem Gelbdruck als anerkannte Regel der Technik verbindlich. Dies hat der Anwender im Regelfall sorgfältig zu prüfen. Schließlich ist dem Praktiker zu diesem Themenkomplex auch zu raten, die gerade geführte Diskussion zu der Frage, wie Trinkwasserleitungen warm in Vorwänden verlegt werden und wie Trinkwasserwarmleitungen mit der Zirkulation an die Entnahmestelle herangeführt werden, zu verfolgen. Denn es ist auch der Umstand zu berücksichtigen, dass sich Änderungen der anerkannten Regeln der Technik außerhalb kodifizierter Regelwerke vollziehen können.
Mithin darf man also festhalten, dass die Frage des Alters einer Norm, die zur Konkretisierung der a.a.R.d.T. heranzuziehen ist, sehr wohl eine Rolle spielt. Sind technische Normen seit längerer Zeit unverändert geblieben, stellt sich die Frage, ob diese überhaupt noch die derzeit vorherrschende Ansicht der Fachleute wiedergeben können. Sollten sie veraltet sein, scheidet eine Konkretisierung der a.a.R.d.T. aus. Die eben genannten Beispiele machen dies deutlich. Kodifizierte technische Regeln sind nicht für alle Zeit festgeschrieben. Die Anerkennung von technischen Regeln ändert sich im Laufe der Zeit und unterliegt einem ständigen Wandel. Im Baubereich wird das insbesondere durch das Entdecken neuer Baustoffe und Verarbeitungsmethoden deutlich. Allein mit dem Einhalten der Werte, die in entsprechenden Normen festgeschrieben sind, kann somit nicht sicher festgestellt werden, dass auch zwangsläufig damit die a.a.R.d.T. eingehalten sind. Planer und Ausführende sind deshalb gehalten, sich mit den jeweiligen Regeln der Bautechnik in allgemeiner Hinsicht und in seinem Fachgebiet genau vertraut zu machen, um sicherzugehen, dass eine Bauausführung mangelfrei ist. Der Auftragnehmer ist gehalten, sich ständig über entsprechende Neuerungen zu informieren und in einem solchen Fall den Auftraggeber regelmäßig über die Änderung und die damit verbundenen Konsequenzen für die Bauausführung (auch Planung) zu informieren, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.2017, Az. VII ZR 65/14).

Vermutungswirkung
Es darf trotz aller Kritik aber nicht unerwähnt bleiben, dass geschriebene technische Normen den Praktiker bei der Ermittlung des Technikstandards anerkannte Regeln der Technik auch Sicherheit geben. Die insoweit zu berücksichtigende Rechtsprechung geht davon aus, dass, bestehen technische Normen, insbesondere DIN-Normen, eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass sie die anerkannten Regeln der Technik zutreffend wiedergeben (BGH, IBR 1991, 311).
Insoweit bestehe eine widerlegbare Vermutung dafür, dass kodifizierte Normen (DIN-Normen etc.) die allgemein Regeln der Technik wiedergeben. Das folgt schon daraus, dass diese Regeln zumeist aufgrund der vorherrschenden Ansicht der technischen Fachleute erstellt worden sind. Diese Vermutung ist jedoch - was deutlich betont werden muss - widerlegbar. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Norm veraltet ist (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 13.04.1994, Az. 12 U 171/93; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 6. Teil, Rdnr. 34).
Um nun zu prüfen, ob eine geschriebene technische Norm (DIN-Norm o.a.) den Technikstandard a.a.R.d.T. erfüllen, sollte folgendes Prüfungsschema herangezogen werden:

  1. Zunächst muss die DIN-Norm o.a. überhaupt für den betreffenden technischen Bereich einschlägig sein (Geltungsbereich und Schutzzweck der Norm).
  2. Es ist zu prüfen, ob die DIN-Norm o. a. den betreffenden technischen Bereich abschließend, d. h. lückenlos und vollständig erfasst.
  3. Sodann ist zu prüfen, ob die anzuwendende DIN-Norm o.a. aufgrund vorstehend dargestellter Kriterien den Technikstandard der allgemein anerkannten Regeln der Technik erfüllt.
  4. Sodann ist noch abzuklären, ob die anzuwendende DIN-Norm o.a. nicht möglicherweise veraltet ist und damit aus dem Kreis der allgemein anerkannten Regeln der Technik ausgeschieden ist.


(vgl. zu diesem Pürfungsschema Seibel in Staudt/Seibel, Handbuch für den Bausachverständigen, Seite 206).

Rechtsprechungsbeispiele
In einer Entscheidung vom 09.03.2010, Az. 3 U 55/09, stellt das OLG Schleswig fest, dass der Auftraggeber berechtigt ist, den Werkvertrag schon vor der Abnahme fristlos zu kündigen, wenn der Auftragnehmer an einer Bauausführung entgegen den anerkannten Regeln der Technik festhält. Im entschiedenen Fall hat der Auftragnehmer trotz Hinweises des Auftraggebers zu Unrecht darauf beharrt, seine Leistung sei korrekt. In einem solchen Falle müsse der Auftraggeber nach dem verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken des § 323 Abs. 4 BGB nicht abwarten, sondern kann vor dem Fälligkeitszeitpunkt und vor Abnahme berechtigt den Vertrag kündigen.

In einer Entscheidung vom 30.11.2011, Az. 14 U 88/11, hatte das OLG Celle die Frage zu entscheiden, ob ein Verstoß gegen DIN-Normen grobe Fahrlässigkeit und damit ein Verschulden des Auftragnehmers begründet. Festgestellt wurde, dass die Verlegung von Trinkwasserinstallationen im Hinblick auf potentielle Feuchtigkeitsschäden generell besonders gefahrenträchtig sei und deshalb besondere Sorgfalt erfordere. Ein Verstoß gegen die einschlägigen DIN-Normen (fehlerhafte Überprüfung auf Dichtheit und Festigkeit der Installation) ist grob fahrlässig. In ähnlichem Sinne äußert sich das OLG Jena in einer entsprechenden Entscheidung (IBR 2006, 388).

Das OLG Düsseldorf hat sich in einem Urteil vom 14.03.2014, Az. 22 U 100/13, mit den Rechtsfolgen der Nichteinhaltung allgemein anerkannter Regeln der Technik befasst und Folgendes festgestellt: Werden die DIN-Normen (bzw. die sonstigen a.a.R.d.T.) bei einer Werkleistung nicht eingehalten, so spricht wegen der damit verbundenen Gefahrerhöhung eine tatsächliche Vermutung (im Sinne der Grundsätze des Anscheinsbeweises) dafür, dass im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Werkleistung entstandene Schäden bei Beachtung der DIN-Normen vermieden worden wären und auf die Verletzung der DIN-Normen zurückzuführen sind.
Die Verletzung von DIN-Normen bzw. von allgemein anerkannten Regeln der Technik erlaubt insoweit als Erfahrungssatz den Schluss, dass das Schadensrisiko demjenigen zuzuweisen ist, der es durch die Wahrung dieser Regeln gerade abwenden sollte.
Das OLG Stuttgart hat sich in einer Entscheidung vom 14.09.2011, Az. 10 W 9/11, mit der Frage befasst, welche Regeln der Technik hinsichtlich einer Mängelbeseitigung nach Abnahme zu beachten sind. Hier wird Folgendes festgestellt: Auch wenn das Werk grundsätzlich den zur Zeit der Abnahme anerkannten Regeln der Technik als vertraglichem Mindeststandard entsprechen muss, muss eine Mängelbeseitigung die zum Zeitpunkt ihrer Vornahme geltenden anerkannten Regeln der Technik und gesetzlichen Vorschriften einhalten.
Das OLG München hat sich in einem Urteil vom 26. 02. 2013, Az. 9 U 1553/12, mit der Frage befasst, ob ein Unterschreiten des Technikstandards a.a.R.d.T. vereinbart werden kann. Das Gericht weist hier darauf hin, dass ein Auftragnehmer, der von dem Mindeststandard a.a.R.d.T. vertraglich (negativ) abweichen will, den Auftraggeber deutlich darauf hinweisen und ihn über die Folgen über einer solchen Bauweise aufklären muss (vgl. dazu auch BGH, IBR 2009, 448; jüngst BGH, IBR 2013, 154). An diese Aufklärung sind - jedenfalls im Verhältnis zwischen Auftragnehmer und fachkundigem Auftraggeber – hohe Anforderungen zu stellen, weshalb einem Auftragnehmer von einem Unterschreiten der a.a.R.d.T. im Bauvertrag (sog. „Beschaffenheitsvereinbarung nach unten“) grundsätzlich nur abgeraten werden kann (vgl. dazu Seibel in: Staudt/Seibel, Handbuch für den Bausachverständigen, 3. Aufl. 2014, S. 212 ff.).
Das OLG Schleswig hat sich in einer Entscheidung vom 26.07.2016, Az. 1 U 19/14, mit der Frage befasst, ob eine Leistung – auch ohne Schaden – mangelhaft ist, wenn die anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten wurden. Das Gericht stellt hier fest: Bei einem Verstoß gegen die a.a.R.d.T. liegt ein Mangel regelmäßig auch dann vor, wenn hierdurch noch kein Schaden oder keine Funktionsbeeinträchtigung eingetreten ist. Diese Rechtsprechung liegt auf der Linie des BGH. Für die Annahme eines Mangels reicht es nach der Rechtsprechung des BGH (IBR 2006, 131) aus, dass aufgrund des Verstoßes gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik eine Ungewissheit über die Risiken des Gebrauchs oder die Gefahr einer nachhaltigen Funktionsbeeinträchtigung besteht.

Zusammenfassung allgemein anerkannte Regeln der Technik
Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass sich die Baupraxis bei der Festlegung von Leistungszielen an den Technikstandards orientieren sollte, wie sie von der einschlägigen Rechtsprechung entwickelt worden sind. Grundsätzlicher Leistungsstandard sind danach die a.a.R.d.T. Nächsthöherer Leistungsstandard ist der Stand der Technik. Die höchste Leistungsstufe ist der Stand von Wissenschaft und Technik. In entsprechenden gesetzlichen Vorschriften hat der Gesetzgeber auf diese Generalklauseln zurückgegriffen, um je nach der Qualität des zu schützenden Rechtsgutes ein entsprechendes Schutzniveau festzulegen. Die Ausfüllung der Generalklausel Technikstandard obliegt jeweils dem Adressaten der entsprechenden gesetzlichen Vorschrift.
Zur Ausfüllung der Generalklausel a.a.R.d.T. kann der Baupraktiker zunächst auf kodifizierte Normen der etablierten Regelsetzer zurückgreifen. Er hat allerdings zu prüfen, ob die von ihm angewendete Norm auch tatsächlich den von ihm zu bearbeitenden Leistungsfall betrifft und insbesondere die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien für das Vorliegen einer a.a.R.d.T. erfüllt. Planer und Ausführender dürfen zu diesem Punkt die ihnen auferlegte Fortbildungsverpflichtung nicht unterschätzen. Die einschlägige Rechtsprechung hat mehrfach festgestellt, dass sich Baupraktiker immer über die fortwährende technische Entwicklung zu informieren und immer die aktuellsten a.a.R.d.T. anzuwenden haben. Gleichwohl bietet aber die Anwendung aktueller Normen zur Ausfüllung des Technikstandards a.a.R.d.T. auch Sicherheit. Werden einschlägige aktuelle Normen angewandt, haben die Baupraktiker Sicherheit, dass sie dann auch erst einmal die a.a.R.d.T. erfüllt haben. Die Anwendung aktueller Normen führt zu der Vermutung, dass auch sorgfältig gearbeitet wurde, so dass, kommt es gleichwohl zu Baumängeln, dem Anwender erst einmal kein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann. Es liegt auf der Hand, dass mit einer sorgfältigen Vorgehensweise zu diesem Punkt auch eine Einschränkung des erheblichen Haftungsrisikos in der Baupraxis möglich ist.

Autor: Thomas Herrig, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Berlin

www.raherrig.de

 


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