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Was ist dir denn da schon wieder passiert?

Fehler und Pannen auf der Baustelle: Wie man seinen Kollegen richtig kritisiert – und wie man sich verhalten sollte, wenn man selbst kritisiert wird

Bild: Reinhard Eisele/project-photos

 

Es sind nicht nur die Vorgesetzten, die einen Mitarbeiterfehler kritisieren. Auch der Monteur stellt vor Ort fest, dass sein Kollege fehlerhaft oder umständlich und aufwendig arbeitet. Mitarbeiter sollten sich untereinander auf Arbeitsfehler aufmerksam machen. Kollegenfehler wegen Kollegialität einfach ignorieren ist auch ein Fehler. Im Team unterstützt man sich gegenseitig, dazu gehört auch die Korrektur eines Kollegen.

Zum sozialkompetenten Verhalten gehört es, dass der Monteur auch Kritik vom Kollegen annimmt, ohne dabei in Abwehrhaltung zu gehen. Wenn Kritisieren als Einmischung gesehen wird, kann das die Mitarbeiterbeziehungen stören. Kritik vom Kollegen darf nicht persönlich gesehen werden, sie bezieht sich auf die Beseitigung von Schwachstellen und Verbesserung der Arbeitsergebnisse. Auf Kritik muss man nicht mit verbaler Verteidigung reagieren. Sie gibt dem Kritisierten Rückmeldung, wie seine Arbeit von einem anderen wahrgenommen wird.
Die Bereitschaft, kritische Meinungen anderer anzunehmen, zeigt Größe und ist für die weitere Zusammenarbeit im Team konstruktiv. Wer berechtigte Kritik erträgt, kann seine Potenziale erweitern und verschafft sich Anerkennung. Der Monteur muss damit rechnen, dass seine Kritik beim Kollegen ein Gefühl der Verunsicherung hervorrufen kann. Da jeder seine eigene Leistung subjektiv sieht, anders als sein Kollege, kann es bei Fehlern zu Diskussionen kommen. Die eigene Einschätzung einer Leistung (Selbstbild) weicht von der Einschätzung eines anderen (Fremdbild) ab.
Für Kollegenkritik gibt es zwei unterschiedliche Methoden. Bei der sogenannten „Best-Case-Methode“ informiert er den Kritisierten, welche Vorteile die schnellere und einfache Arbeitsweise hat. Bei der „Worst-Case-Methode“ erfährt der Kritisierte die Nachteile, die sich durch seine umständliche Arbeitsweise ergeben. Bei dieser Methode wird der negative Fall dargelegt, der sich durch falsches Verhalten ergeben kann. Dabei darf der Tatbestand nicht übertrieben werden, um glaubwürdig zu sein. Ideal ist es, wenn man aus der Kritik eine Korrektur macht, der Kollege die Kritik sogar als Anregung erlebt.

So reagiert  der Monteur richtig   
Man verschafft sich auch Achtung bei den Kollegen, wenn man sich nicht bei Fehlern herausredet, sondern dazu steht, sie rechtzeitig einsieht. Am besten verzichtet man als Kritisierter auf das reflexartig auftretende Bedürfnis, sich bei Kritik zu verteidigen. Wer die übliche innere Reaktion auf eine Kollegen-Kritik spürt, verweilt einen Moment, hält inne, um das eigene Gefühl wahr zu nehmen: „Aha, so fühlt sich Kritik an“. Dadurch kann man die eigenen Gefühle regulieren und hat die Emotionen im Griff.
Empfehlenswert ist es, gedanklich einen Rollentausch zu machen: Man versetzt sich in die Lage des Kollegen, der auf einen Fehler aufmerksam macht. Wenn man sich in diese Situation versetzen kann, versteht man, wie schwierig ein Kritikgespräch ist, und hat mehr Verständnis.

Der Perfektionist unter den Monteuren
Ist der Kritiker selbst Perfektionist, hängt er die Messlatte bei seinem Kollegen sehr hoch und ist mit 99% Leistung unzufrieden. Er strebt 120% an und erwartet das auch von anderen. Ehrgeizige Mitarbeiter empfinden auch die Kritik des Perfektionisten als übertrieben. Der Perfektionist spricht seinen Kumpel in der Regel auf eine Panne ohne langes Überlegen an. Der kritisierte Monteur erinnert den Kritiker, dass auch er schon mal einen Fehler macht, nicht immer perfekt ist: „Das sagt gerade der Richtige, du Besserwisser. Machst du denn immer alles richtig?“
Auch der Altersunterschied kann Bedeutung haben. Von einem jüngeren Kollegen mit hohem Leistungsstand lässt man sich nicht gerne kritisieren, vor allem, wenn es um einfache Arbeiten geht. Da kommen schnell die Gedanken auf „Ich bin schon lange im Job, habe genug Erfahrung und weiß, wo es lang geht.“  
Bei jeder Kritik, und sei sie noch so diplomatisch hervorgebracht, fühlt sich der Kritisierte in seinem Selbstwertgefühl verletzt. Ob mehr oder weniger, das hängt von der Beziehung zum Kollegen ab.

Fehler ansprechen
Wenn Fehler besprochen werden, kommt es auf die Gesprächsführung an. Zwischen der Ich- und Du-Botschaft besteht ein deutlicher Unterschied. Die Du-Botschaft wird vom Mitarbeiter als Vorwurf wahrgenommen:

  • „Du bist zu langsam . . .“
  • „Du musst dich mal beeilen . . .“,
  • „Du hast das falsch gemacht . . .“.

Die Ich-Botschaft wirkt vorwurfsfrei und wird eher akzeptiert:

  • „Ich habe festgestellt . . .“,
  • „Mir fällt auf . . .“,
  • „Ich sehe gerade . . .“.

Kollegen dürfen keine Angst haben, einen Fehler zu verursachen. Sie drücken sich dann vor komplizierten Arbeiten und lehnen die Verantwortung ab. Google hat für seine Mitarbeiter in den USA folgenden Grundsatz geschaffen: „Fehler sind keine Katastrophe, sofern sie nicht viel kosten. Machen Sie aber keinesfalls einen Fehler mehrfach. Machen Sie einen Fehler offensichtlich, damit er sofort beseitigt werden kann.“
Fehlermöglichkeiten mit großen Auswirkungen müssen durch Kontrollmaßnahmen auf null reduziert werden. Jüngeren, weniger erfahrenen Mitarbeitern im Team kann man nicht die volle Verantwortung übertragen. Der Idealzustand ist zwar fehlerfreies Arbeiten, aber eine „Fehlerkultur“ gestattet dem Kollegen, sich zu korrigieren und damit Stärken zu ent­wickeln und Erfahrungen zu sammeln.  
Wer nicht auf Anhieb perfekt arbeitet, sollte nicht an den Pranger gestellt werden. Selbstwertgefühl und Motivation des Betreffenden würden darunter leiden.
Jeder hat eine unterschiedliche „Reizschwelle“, wenn seine Arbeitsweise von einem Kollegen angesprochen wird. Der eine reagiert sensibel, auch wenn man ihn mit Samthandschuhen anfasst, während ein anderer das Thema auf die leichte Schulter nimmt und nichts ändert. Erschwerend kommt hinzu, dass die gleiche Person zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Situationen auf Kritik unterschiedlich reagiert. Kritische Äußerungen und Vorschläge der Kollegen rufen ein Gefühl der Verunsicherung hervor und werden mit Skepsis gesehen.  
Wer kritisiert oder korrigiert, darf seine eigene Arbeitsweise nicht als Vorbild hinstellen, als Maßstab für das Arbeitsergebnis. Jeder Vergleich mit anderen im Team, die ihre Arbeit schneller und nicht so umständlich erledigen, ist ein No-Go: „Der Alex ist immer pünktlich fertig, im Gegensatz zu dir.“

Autor: Rolf Leicher, Fachautor und Referent

 


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