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In den Schatten gestellt

Erneute Einschnitte bei der Einspeisevergütung für Solarstromanlagen

Das Solarregionmitglied Mp-tec protestierte mit Transparenten am Firmensitz in Eberswalde. Bild: Mp-tec GmbH & Co. KG

Auf Plakaten forderten die über 300 Mitarbeiter des Solarmodulwerkes in Wismar Bundeswirtschaftsminister Rösler auf, die Kürzungspläne fallen zu lassen. Bild: Centrosolar

Solaranhänger protestieren in Hannover unter dem Motto: „Die Solarbranche geht baden – die Energiewende geht unter“. Bild: AS Solar

In Berlin haben am 5. März über 10.000 Menschen gegen die geplanten PV-Kürzungen demonstriert. Auf der Demonstration bekundeten Spitzenpolitiker wie Sigmar Gabriel, Jürgen Trittin und Gregor Gysi ihre Solidarität mit den Mitarbeitern der Solarbranche. Bild: BSW-Solar/Upmann

Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen will die EEG-Umlage für die Stromverbraucher weiter stabil halten.

 

Das Bundesumwelt- und das Bundeswirtschaftsministerium haben sich auf neue Vergütungssätze für Solarstromanlagen geeinigt und damit bundesweit Proteste ausgelöst. Die Branche kritisiert das Vorhaben. Sie befürchtet massive Auswirkungen und sieht Tausende von Arbeitsplätzen in Gefahr.

Es ist nicht die erste Kürzung, die die Branche verkraften muss. Und es wird wohl auch nicht die letzte sein. Gegenüber 2009 wurde die EEG-Einspeisevergütung für Solarstrom bereits nahezu halbiert. Und dennoch wurden in Deutschland in den vergangenen zwei Jahren nach Angaben von Branchenverbänden jeweils Anlagen mit einer Leistung von 7,5 Gigawatt neu installiert. 2009 betrug der Zuwachs noch 3,8 Gigawatt, ein Jahr davor sogar bescheidene 1,8 Gigawatt. „Im Hinblick auf das in den letzten beiden Jahren stark gestiegene Ausbauvolumen dient die erneute Anpassung der Förderung vor allem dem Zweck, die EEG-Umlage für die Stromverbraucher weiter stabil zu halten und die hohe Akzeptanz der Bevölkerung für die Photovoltaik und für Erneuerbare Energien insgesamt zu erhalten. Ziel ist, dass die Photovoltaik schon in einigen Jahren Marktreife erlangt und gänzlich ohne Förderung auskommt“, so Bundesumweltminis­ter Norbert Röttgen anlässlich einer Pressekonferenz in Berlin.

Neue Regelungen zur Solarstromförderung
Nach einem gemeinsamen Ergebnispapier [1] der beiden Ministerien soll es künftig nur noch drei Kategorien von Anlagen geben:

  • Dachanlagen bis 10 kW,
  • Dachanlagen bis 1000 kW und
  • große Anlagen bis 10 MW (Dach und Freiflächen).


Für Anlagen größer 10 MW ist keine Vergütung mehr vorgesehen. Dachanlagen auf neu errichteten Nichtwohngebäuden im Außenbereich sollen künftig die Vergütung nach dem Tarif für Freiflächen erhalten. Angekündigt wurde außerdem eine deutliche Einmalabsenkung der Vergütungssätze bereits zum 9. März dieses Jahres. Bei

  • Anlagen bis 10 kW: auf 19,5 ct/kWh,
  • Anlagen bis 1000 kW: auf 16,5 ct/kWh,
  • Anlagen bis 10 MW: auf 13,5 ct/kWh.


Dieses Unterfangen konnte nicht realisiert werden, im Gespräch war zuletzt der 1. April. Trotz mehrerer Gespräche mit dem Bundesumweltministerium lagen zum Redaktionsschluss aber weder verlässliche Aussagen zur Absenkung der Vergütungssätze, noch zu deren zeitlicher Umsetzung vor. Auch die Frage, ob – wie angekün­digt – zum 1. Mai dieses Jahres eine kontinuierliche, monatliche Vergütungsdegression in Höhe von 0,15 ct/kWh eingeführt wird, blieb offen. Fest steht aber, dass sich die Branche auf erneute Einschnitte bei der Einspeisevergütung einstellen muss.
So ist beispielsweise weiterhin geplant, dass nur noch ein bestimmter Prozentsatz der in der Anlage produzierten Strommenge förderfähig sein soll. Kleine Dachanlagen bis 10 kW Leistung sollen die EEG-Vergütung für 85% der im Kalenderjahr erzeugten Strommenge erhalten, bei allen anderen Anlagen soll die vergütungsfähige Strommenge auf 90% festgelegt werden. Der Eigenverbrauchsbonus nach dem EEG 2012 soll sogar komplett entfallen.

Bundesweite Branchenproteste
Bereits kurz nach Bekanntwerden der Kürzungs-Pläne hat sich ein branchenweiter, massiver Widerstand formiert. So beteiligten sich allein mehr als 50 Betriebe der Solarregion Berlin-Brandenburg an der Protestkundgebung „Kein Kahlschlag bei der Solarförderung – die Energiewende gelingt nur mit mehr Solarstrom!“.
Auch die Mitarbeiter der Berliner Solarpraxis AG demonstrierten mit zahlreichen weiteren Beschäftigten der Solarwirtschaft gegen die Kürzung. „Man kann nicht mit großer Mehrheit eine Energiewende beschließen, um gleich danach die Wachstumsbranche Solarwirtschaft mit einer Vollbremsung lahmzulegen. Durch dieses Verhalten werden nicht nur die Energiewende, sondern auch Tausende von Arbeitsplätzen aufs Spiel gesetzt“, so Karl-Heinz Remmers, Vorstandsvorsitzender der Solarpraxis AG, empört. „Für viele deutsche Unternehmen haben die Kürzungen auf ihrem Heimatmarkt verheerende Auswirkungen – auch in Bezug auf ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit.“
Empört zeigten sich auch die Mitarbeiter der Donauer Solartechnik: „Wir empfinden die geplante Gesetzesänderung als überstürzt und überzogen. Anpassungen an die Preisentwicklung im Markt befürworten wir grundsätzlich, doch die Herren Rösler und Röttgen setzen in einer Hauruck-Aktion jahrelang aufgebaute Strukturen und Arbeitsplätze der Solarbranche aufs Spiel“, so Walter Manns, Geschäftsführer bei Donauer Solartechnik. „Planbarkeit und Verlässlichkeit sind unverzichtbare Grundlagen wirtschaftlichen Handelns. Gerade mittelständische Unternehmen wie unsere Kunden und wir können durch die Gesetzesänderung in eine massive Krise gestürzt werden.“
Mit einer symbolischen Werksschließung machten die Mitarbeiter der Centrosolar Sonnenstromfabrik in Wismar ihren Ärger transparent. Alexander Kirsch, Chef der Centrosolar Group AG: „Einen solchen Kahlschlag hatten wir vor vier Jahren in Spanien. Seitdem ist das Land für die Photovoltaik in der Bedeutungslosigkeit verschwunden.“

„Land unter“ am Maschsee
„Land unter“ hieß es am Maschsee in Hannover. Unter dem Motto: „Die Solarbranche geht baden – die Energiewende geht unter“ wurde von rund 100 Beschäftigten der AS Solar und von befreundeten Unternehmen der Solarbranche unter lautem Protest die Energiewende symbolisch im Maschsee versenkt. AS Solar-Gründer und -Geschäftsführer Gerd Pommerien: „Die von der Mehrheit gewünschte und beschlossene Energiewende wird von verschiedenen Politikern ignoriert und sogar torpediert. Man kann hier klar die erfolgreiche Lobbyarbeit des Oligopols der vier großen Energieversorger erkennen.“
Die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) weist auf die gravierenden Folgen der Kürzungen hin: Für viele Anlagen – besonders im Kleinanlagensegment von 10 bis 30 kW –  bedeute dies mit der gleichzeitig geltenden maximal vergütungsfähigen Solarstrommenge von 90% eine tatsächliche Absenkung von mehr als 40%. Das sei deutlich übers Ziel hinaus geschossen und werde zu großen Marktverwerfungen führen. Die Sicherung des Technologiestandortes Deutschland werde infrage gestellt und die Vorreiterrolle Deutschlands im Bereich Erneuerbare Ener­gien verspielt.
Nur durch einen kraftvollen Ausbau der Photovoltaik seien die Klimaschutzziele der Bundesregierung und der Nationale Aktionsplan für Erneuerbare Energien zu erreichen, erklärte der Branchenpionier Energiebau Solarstromsysteme GmbH in einer Medienmitteilung. „Die Branche braucht verlässliche Rahmenbedingungen für weitere Investitionen in Standorte und Arbeitsplätze“, forderte Michael Schäfer, Geschäftsführer des Kölner Systemanbieters. Die dramatischen Einschnitte bedrohten die gesamte deutsche Solarbranche vom Hersteller bis zum Installateur, so Schäfer.
Deutlich entspannter äußerte sich die Kirchner Solar Group. Geschäftsführer Lars Kirchner: „Die PV-Branche war schon immer sich schnell verändernden regulatorischen Rahmenbedingungen ausgesetzt. Diese tragen auch der gesamtgesellschaftlichen Erwartung an preisgünstige Solarlösungen und Solarstrom Rechnung. […] Aus diesem Grund sehen wir einer weiteren Kürzung der Solarstromförderung gelassen entgegen.“

Stiftung Warentest: Im Zweifel abwarten, bis sich die Preise ändern
Das Verbrauchermagazin Finanztest kommt zu dem Schluss, dass Solarstrom künftig bei immer weniger Hausbesitzern zu vertretbaren Renditen führt und belegt dies mit einem Beispiel: Ein Anlagenbesitzer hatte Anfang 2012 Anschaffungskosten von etwa 2200 Euro pro Kilowatt Leistung, fährt einen Stromertrag von 900 kWh pro kW Leistung im Jahr ein und verbraucht 20% des Stroms selbst – dann konnte er bei Berücksichtigung aller Kos­ten mit einer Rendite von 6,7% rechnen. Nimmt der Haubesitzer seine Anlage mit den geplanten reduzierten Fördersätzen in Betrieb, so halbiert sich die Rendite im Mus­terfall auf 3,4%. Sind die Voraussetzungen ungünstiger, zum Beispiel weil die Anlage in der Anschaffung teurer ist oder weniger Strom produziert, kann die Rendite noch deutlich dürftiger ausfallen. Wer solch eine Anlage großteils auf Kredit finanziert, riskiert sogar Verluste, urteilt das Verbrauchermagazin.
Die Stiftung Warentest empfiehlt Solarstrom-Interessenten, sich in Ruhe nach günstigen Photovoltaik-Anlagen umzusehen. Die Rechnung könne sich ändern, wenn die Anlagenpreise in den nächsten Monaten weiter fielen. Im Zweifel könne es sich daher lohnen, etwas abzuwarten. Für die Solarbranche dürfte diese aus Verbrauchersicht gut gemeinte Empfehlung nur schwer zu verdauen sein. Indes warnt die Gesellschaft für Sonnenenergie [2]: Eine zu rasche Absenkung wird sich nachteilig auf die Qualität der Anlagen niederschlagen. Es besteht die Gefahr, dass der Markt die rasche Absenkung der Vergütungssätze durch geringere Güte zu kompensieren versucht. Der Branchenverband hält Nachbesserungen zur aktuell vorliegenden Gesetzesnovelle deshalb für zwingend erforderlich. In einem Forderungspapier vom 5. März heißt es: Die derzeit vorgesehenen drastischen Förderkürzungen und deren kurzfristige Umsetzung gefährden das Vertrauen der Bürger, die Umsetzung vieler Solarprojekte sowie zahlreiche Arbeitsplätze bei Herstellern, Händlern und Ins­tallateuren. Diese Einschätzung scheint sich zu bestätigen. Jüngsten Medienberichten zufolge kam es allein aufgrund der Ankündigung, die Einspeisevergütung zu kürzen, zu teils massiven Investitionsstopps insbesondere bei gro­ßen PV-Feldern.

Literatur:
[1] Ergebnispapier EU-Effizienzrichtlinie und Erneuerbare-Energien-Gesetz, BMWi / BMU, 23.2.2012.
[2] Forderungspapier der DGS zur EEG-Novelle März 2012, Stand 5.3.2012.

 


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