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Effiziente Wärmeerzeugung „hinter Gittern“

Justizvollzugsanstalt Geldern erhält neue Wärmeerzeugungsanlagen im laufenden Betrieb

Das Kesselhaus der JVA Geldern wurde umfangreich und im laufenden Betrieb saniert.

Herzstück der neuen Wärmeerzeugungsanlage. Zwei Bosch-Großraum-Spezialheizkessel vom Typ „UNIMAT Heizkessel UT-L“ liefern jeweils eine Wärmeleistung von bis zu 1,5 MW.

Die Großraum-Spezial­heizkessel verfügen jeweils über einen nachgeschalteten Abgaswärmeübertrager zur Rücklauftemperatur­anhebung.

Große Leistung auf kleiner Fläche. Für die Trinkwasserer­wärmung kommen zwei Unical-Gasbrennwertkessel vom Typ „Modulex EXT“ mit einer Leistung von jeweils 770 kW zum Einsatz. Die kompakten Abmessungen (Breite 1623 mm, Tiefe 946 mm, Höhe 1448 mm) ermöglichten eine problemlos Platzierung im Kesselhaus.

Seit der Inbetriebnahme der Anlage im Januar 2018 hat das BHKW von Tuxhorn (rechts im Bild) bis Oktober 2018 bereits mehr als 6000 Vollbenutzungs­stunden geleistet und damit seine Wirtschaftlichkeit bereits unter Beweis gestellt.

 

Die Bereitstellung von Wärme zur Beheizung und Warmwassererzeugung hat in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) hohe Bedeutung. So auch in der JVA Geldern, deren Wärmeerzeugungs- sowie Warmwasserbereitungsanlagen laufzeitbedingt erneuert werden mussten. Im Rahmen eines Wettbewerbsverfahrens für die Durchführung der Sanierungsarbeiten erhielt das Ingenieurbüro Fuhrmann + Keuthen den Zuschlag für die Planungsleistung. Neben der Anforderung einer Sanierung im laufenden Betrieb konnte eine hohe Effizienzsteigerung des Anlagenbetriebs erzielt werden.

Die JVA Geldern ist eine Haftanstalt für erwachsene männliche Strafgefangene in der Stadt Geldern im Bundesland Nord­rhein-Westfalen. Sie verfügt derzeit über 679 Haftplätze auf einem Gelände, das ca. 60000 m² groß und von einer 6 m hohen Gefängnismauer umgeben ist. Das gesamte Anstaltsgelände ist video­überwacht. Zur JVA gehören zudem 42 Dienstwohnungen und eine der modernsten Druckereien in Nordrhein-Westfalen.

Rückblick
Nach einer Bauzeit von rund sieben Jahren wurde die Haftanstalt im Jahr 1979 eröffnet. Das Gefängnis, das in Kammbauweise errichtet wurde, hatte damals nur 551 Haftplätze verteilt auf vier Hafthäuser. Die Baukosten betrugen in etwa 70 Mio. Deutsche Mark – dies entspricht ca. 36 Mio. Euro.
In den Jahren 2001 bis 2008 wurde die JVA unter der Leitung des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW (BLB NRW) saniert und um zwei Hafthäuser erweitert. Zudem entstanden auf dem Gelände neue Arbeits- und Ausbildungsbetriebe sowie ein Schulzentrum für Berufsschüler.

Wettbewerb für Kesselhaussanierung
Die nächste umfangreiche Sanierung stand im Jahre 2015 an – dieses Mal jedoch nur im Bereich des Kesselhauses. Das Bauvorhaben umfasste die Erneuerung der Wärmeerzeugungs- sowie Warmwasserbereitungsanlagen einschließlich der MSR-Technik unter der Bedingung eines fortlaufenden Betriebs der Haftanstalt. Statt einer üblichen Ausschreibung und Vergabe der dazu notwendigen Planungsleistungen startete der BLB NRW, Niederlassung Duisburg, zunächst ein Wettbewerbsverfahren zur Ermittlung eines für das Projekt am besten geeigneten Planungsunternehmens. Hierzu wurden nach einem Punktesystem vergleichbare Referenzen, die Anzahl der Beschäftigten und weitere projektspezifische Erfordernisse bewertet.
Nach einer umfangreichen Auswertung erhielt das Ingenieurbüro Fuhrmann + Keuthen den Zuschlag für das Projekt zur Durchführung von Ingenieurleistungen der Leistungsphasen 1 bis 8 gemäß HOAI. Das Planungsunternehmen deckt mit über 60 Beschäftigten an zwei Standorten in NRW (Kleve und Essen) das gesamte Leistungsspektrum der technischen Gebäudeausrüstung (TGA) und des Tiefbaus ab. „Wir verfügen über umfangreiche praktische Erfahrungen in der Planung der TGA von Immobilien unterschiedlichster Art, erklärt Jan Meyer, Projektleiter Heizung, Sanitär, Lüftung und Prokurist im Hause Fuhrmann + Keuthen. „Neben Büro- und Verwaltungsgebäuden, Einkaufs-, Industrie- und Logistikzentren sowie sozialen und medizinischen Einrichtungen,
Rechenzentren und Wohnkomplexen planen wir auch Sonderbauten wie Haftanstalten. Dabei konzentrieren wir uns im Wesentlichen auf das Ruhrgebiet und die Rheinschiene, sind aber auch regelmäßig bundesweit tätig. So wurden in diesem Jahr z.B. auch Bauvorhaben von der Insel Fehmarn (Neubau eines Hotelkomplexes) bis nach München (Umbau eines ehemaligen Bankgebäudes) oder Berlin (Umbau einer C&A Einzelhandelsfläche) erfolgreich abgewickelt “, ergänzt Meyer.

Optimale Wärmebedarfsermittlung durch Lastgangsimulation
Die seinerzeit innerhalb der JVA Geldern installierte thermische Leistung der vorhandenen Wärmeerzeugungsanlagen betrug insgesamt rund 6 MW. Diese zur Verfügung gestellte Leistung galt es zunächst in Gegenüberstellung des aktuellen Bedarfs zu prüfen. Dazu wurden Lastgangsimulationen erstellt, die Aufschluss über den tatsächlich benötigten Wärmebedarf ergaben. Jan Meyer: „Durch die Lastgangsimulationen konnten wir sehr genau ermitteln, inwieweit Einsparungen bei der Wärmebereitstellung möglich sind. Wir haben dabei u. a. auch die idealen Brennerlaufzeiten festgestellt, um die Stillstandsverluste weitgehend gering zu halten. Das Ergebnis zeigte, dass rund 25 % der Leis­tung – das heißt 1,5 MW – einge­spart werden konnten.“
Die Analyse zur Ermittlung der notwendigen Wärmeerzeugungsanlagen berücksichtigte zudem die Investitions- und Betriebskosten. So wurde auch der Einsatz einer KWK-Anlage betrachtet und dazu eine Wirtschaftlichkeitsberechnung gemäß VDI-Richtlinie 2067 erstellt. „Bei der ganzjährig gegebenen hohen Stromgrundlast in der Haftanstalt sowie eines nahezu permanenten Bedarfes an Trinkwarmwasser, fiel die Entscheidung bei ca. 6000 Vollbenutzungsstunden sehr schnell zuguns­ten eines Blockheizkraftwerkes (BHKW).

Sanierung im laufenden Betrieb
„Eine besondere Herausforderung war die gesamte Maßnahme während des laufenden Betriebs der Haftanstalt, ohne Einschränkungen für die Nutzer, realisieren zu müssen. Dies war ein fester Vertragsbestandteil“, so Meyer. Um die Forderung erfüllen zu können, wurden zwei mobile Heizzentralen im Außenbereich aufgestellt, die während der Durchführung der Arbeiten die Wärmeversorgung sichergestellt haben. Den Auftrag zur Ausführung der Arbeiten erhielt der Fachbetrieb Biefang GmbH & Co. KG aus Moers. Das Handwerksunternehmen verfügt über 120 Beschäftigte und ist in den Gewerken Heizung, Sanitär und Elektro tätig. Zu den Projektherausforderungen erläutert Michael Prangen, Projektleiter bei Biefang: „Die notwendigen Umschlussarbeiten und kurzzeitigen Betriebsunterbrechungen mussten auf die Nachtstunden beschränkt werden. Dies ließ sich entsprechend koordiniert gut abwickeln. Eine noch größere Aufgabe war es, den Umschluss von der neuen Anlage an das bestehende System zu absolvieren, die wir aber mit verstärk­ter Mannschaft und guter Organisation zwischen allen Beteiligten auch reibungslos absolvieren konnten.“
Das Herzstück der neuen Wärmeerzeugungsanlage besteht nun aus zwei Großraum-Spezialheizkesseln des Herstellers Bosch vom Typ „UNIMAT Heizkessel UT-L“, die jeweils eine Wärmeleistung von bis zu 1,5 MW liefern. Die Kessel versorgen im Wesentlichen das Nahwärmenetz der Haftanstalt und somit die statischen Heizflächen und diversen Lüftungsanlagen innerhalb der Hafthäuser, Betriebe und Werkstätten.
Für die Trinkwassererwärmung, u. a. für die Reihenduschanlagen in der Haftanstalt sowie für den Küchenbetrieb, kommen zwei Unical-Gasbrennwertkessel vom Typ „Modulex EXT“ als Speicherladesysteme mit einer Leistung von jeweils 770 kW zum Einsatz. „Die Brennwertkessel zeichnen sich in erster Linie durch einen großen Modulationsbereich aus, der von 22 bis 770 kW reicht und so optimal und bedarfsgerecht die Leistung nachschieben kann, die seitens des BHKWs bzw. aus dem 8000-l-Pufferspeicher nicht oder nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt werden kann“, erklärt Projektleiter Meyer. Dazu ergänzt Michael Prangen vom ausführenden Unternehmen: „Ein Pluspunkt für die Kessel sind auch die sehr kompakten Abmessungen, die mit einer Breite von 1623 mm, einer Tiefe von 946 mm und einer Höhe von 1448 mm die Platzierung im Kesselhaus – trotz relativ geringer Platzverhältnisse – problemlos möglich gemacht haben.“
Das in der Energiezentrale zum Einsatz kommende BHKW der Firma Tuxhorn hatte im Auswahlverfahren das Rennen gemacht. Es bietet eine elektrische Leistung von 240 kW und wurde aufgrund des für die JVA maßgeschneiderten Servicekonzepts sowie seiner hohen Stromkennzahl ausgewählt. Jan Meyer: „Bereits zum jetzigen Zeitpunkt steht fest, dass die prognostizierte Laufzeit von 6000 Betriebsstunden jährlich sogar überschritten wird. In Summe werden so rund 1 500 000 kWh jährlich selbst erzeugt, was wiederum die CO2-Bilanz ordentlich aufwertet.“
Abgerundet wird das Zusammenspiel der Wärmeerzeugungsanlagen durch die Mess- und Regeltechnik von Kieback&Peter. „Mithilfe der Soft- und Hardwarelösungen von den Gebäudeautomationsexperten Kieback&Peter konnten wir eine effiziente Anlagenregelung aufbauen, sodass ein optimales Gesamtsystem entstanden ist“, erläutert Meyer.

Effizienzsteigerung und CO2-Einsparung
Durch eine im Nachgang optimierte Wechselschaltung zwischen Brennwert- und Hochtemperaturbetrieb konnte der Betrieb weiter optimiert werden. Nach einer Studie des Umweltministeriums spart die Liegenschaft pro Jahr ca. 36 t CO2 ein. „Dahinter steht eine wirtschaftliche Investition in umweltfreundliche Stromerzeugung, zumal rund 3,6 Hektar Wald sonst notwendig wären, um die einge­sparte Menge CO2 filtern zu können“, betont Meyer und hebt abschließend zum Projetablauf hervor: „Nur durch eine gute Zusammenarbeit zwischen Fachplanung und ausführender Firma lassen sich Bauvorhaben wie dieses in dem kalkulierten Zeit- und Kostenrahmen realisieren.

Bilder:
Fuhrmann + Keuthen beratende Ingenieure

www.fuhrmann-keuthen.de

 


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