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Biofilme in der Trinkwasserinstallation Über Ursachen, Vorkommen und Beseitigungsmaßnahmen

Trinkwasser gilt als das am besten überwachte Lebensmittel. Seine Qualität in Deutschland ist weltweit vorbildlich - zumindest bis zum Wasserzähler. Dann aber beginnt eine Grauzone: die Hausinstallation. Ihr galt die Aufmerksamkeit eines Forschungsprojektes, an dem fünf Forschungseinrichtungen und 17 Industriepartner unter Koordination von Prof. Dr. Hans-Curt Flemming (IWW Mülheim und Uni Duisburg-Essen) und gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) vier Jahre lang geforscht haben. Die Ergebnisse lassen aufhorchen*.

Biofilm unter dem Mikroskop.

 

Pathogene, also krankmachende Bakterien wie Legionellen und Pseudomonaden finden sich regelmäßig in Trinkwassersystemen von öffentlichen Gebäuden. Das zeigt die Auswertung von Erhebungen deutscher Gesundheitsbehörden in über 4400 öffentlichen Gebäuden mit rund 30.000 Wasserprobenahmen aus 7 Jahren (2003 bis 2009). Gesundheitsrelevante mikrobielle Kontaminationen durch Legionellen wurden demnach in knapp 3000 Fällen (12,8%) nachgewiesen. Bei Pseudomonaden waren es rund 100 Überschreitungen (2,9%, siehe Tabelle 1). Dabei wurden Legionellen zwar vor allem in Warmwassersystemen nachgewiesen. Es zeigte sich aber auch, dass sie außerhalb des Warmwassersystems, also in Kaltwasser-Leitungen, gute Wachstumsbedingen vorfinden können. Pseudomonaden dagegen treten im Kalt- und Warmwassersystem ähnlich häufig auf. Auffällig dabei: In Krankenhäusern wurden überdurchschnittlich häufig mikrobiologische Kontaminationen nachgewiesen. Gründe dafür sind Fachleuten zufolge die Komplexität der Trinkwassersysteme mit großvolumigen Warmwasserspeichern, einem oftmals weit verzweigten Netz und ausgeprägten Verbrauchsspitzen.

Eine weitere Erkenntnis aus dieser Untersuchung innerhalb des Forschungsprojektes ist, dass beim Bau und Betrieb von Trinkwasser-Installationssystemen die allgemein anerkannten Regeln der Technik häufig nicht eingehalten werden. In 65% von 327 untersuchten Gebäuden waren nicht rückgebaute Totstränge vorhanden. Bei 33% von 282 analysierten Gebäuden war die Dämmung der Rohrleitungen mangelhaft. Auch werden die Installationen nicht regelmäßig gewartet (34% von 498 inspizierten Gebäuden) oder nach einer längeren Nutzungsunterbrechung, wie z.B. nach den Sommerferien in Schulen (56% von 290), wird das Trinkwassersystem nicht gespült.

Wie entstehen Kontaminationen?
Auch dieser Frage ging das Verbundprojekt nach. Die Ursachen finden sich im Wasser selbst. Trinkwasser ist nicht steril und muss es auch nicht sein. Die Strategie der Wasserwerke beruht darauf, den verbleibenden Bakterien die Nährstoffe zu entziehen und dadurch ein "stabiles" Trinkwasser zu erzeugen. So lässt sich die Chlorung vermeiden. Doch es zeigte sich, dass auch sehr nährstoffarmes, biologisch stabiles Trinkwasser Mikroorganismen enthält. Diese können sich vermehren, wenn sie auf Nährstoffe stoßen. Nährstoff-Quelle sind z.B. polymere fabrikneue Werkstoffe, denn sie enthalten oftmals biologisch verwertbare Additive wie Weichmacher, Antioxidationsmittel oder Reste von Trennmitteln oder anderen Substanzen. Unter praxisnahen Bedingungen konnten die Forscher beobachten, dass sich innerhalb von 1 bis 2 Wochen ein Biofilm auf fabrikneuen Werkstoffen bildete. Dabei ist Besiedlungsdichte im Wesentlichen von der Werkstoffbeschaffenheit abhängig.

Eine Frage des Werkstoffs
Im Verbundprojekt wurde dies bei einem Vergleich innerhalb der Polymer-Werkstoffe HD-PEXb (Verbundrohr), HD-PEXc (Kunststoffrohr), EPDM (Schlauchleitung) und auch auf Kupfer beobachtet. Besonders stark und sogar mit bloßem Auge sichtbar war die Biofilm-Bildung auf dem synthetischen Gummiwerkstoff Ethylen-Propylen-Dien-Monomer (EPDM) mit einer geringen Qualität, die weder den Anforderungen nach DVGW Arbeitsblatt W 270 noch denen der KTW-Empfehlung entsprach. In diesen Biofilmen können sich auch potenzielle Krankheitserreger einnisten und unter Umständen auch vermehren. Zum Teil werden sie dann wieder an das Wasser abgegeben und stellen ein hygienisches Risiko dar.
Eine Kontamination kann selbst von vermeintlich unverdächtigen Komponenten ausgehen, die eher zur sekundären Peripherie einer Trinkwasser-Installation gehören. Zum Beispiel können Brauseschläuche oder selbst kleine Dichtungen zum Paradies für Bakterien werden. Auch die in der Praxis regelmäßig anzutreffende (nicht statthafte) dauerhafte Schlauchverbindung zwischen Heizungsanlage und Trinkwassersystem ist aus hygienischer Sicht äußerst kritisch zu betrachten.

Auffällig: In Krankenhäusern werden überdurchschnittlich häufig mikrobiologische Kontaminationen nachgewiesen.

Werkstoffe, die organische Substanzen abgeben, fördern aber nicht nur das Biofilmwachstum, sondern erhöhen auch die Vielfalt an Organismen darin, die in nährstoffarmem Trinkwasser sonst nicht dominant vorkommen könnten, sagen die Forscher. Alte Kunststoffe weisen Untersuchungen zufolge ein geringeres Biofilm-Bildungs-Potenzial auf. Wohl deshalb, weil die verwertbaren Additive mit der Zeit aus den Leitungen gespült werden und den Bakterien somit eine Nahrungsgrundlage fehlt. In die Praxis übertragen, vermuten die Forscher einen geringeren Desinfektions-Aufwand im Falle einer Kontamination, was sich nicht zuletzt auch materialschonend auswirken würde.

Die Bestimmung von Koloniezahlen reicht nicht immer aus
Im Rahmen dieser Forschungen zeigte sich aber auch noch ein anderes Problem, nämlich das der Untersuchungsmethoden. Standard ist heute noch die Bestimmung von Koloniezahlen. Dabei wird, vereinfacht ausgedrückt, eine Probenmenge unter definierten Bedingungen (Nährstoffangebot, Temperatur, Zeit) auf einem Nährmedium entwickelt. Die Angabe der Konzentration wird in koloniebildende Einheiten (KBE) bezogen auf ein Volumen oder eine Fläche angegeben. Allerdings kann man damit nur solche Keime finden, die sich auch vermehren können, sonst gibt es keine Kolonien. Wenn die Bakterien aber gestresst sind, z.B. durch Desinfektionsmittel, Metall-Belastung oder Erhitzung, dann kann es sein, dass eben nicht alle abgetötet werden, sondern viele nur in einen vorübergehend nicht-kultivierbaren Zustand übergehen. Dann sind sie keineswegs tot, können aber mit Standard-Überwachungs-Verfahren nicht nachgewiesen werden. Die Forscher bezeichnen diesen Zustand als VBNC (viable but non culturable; lebend, aber nicht kultivierbar). Wenn sie sich erholt haben, können sie sich wieder vermehren und unter Umständen auch wieder infektiös werden, wie im Forschungsprojekt eindeutig gezeigt werden konnte. Zwei Drittel und damit der Großteil aller Organismen im Trinkwassersystem sind mit der Standard-Untersuchungsmethode (Bestimmung von Koloniezahlen) nicht nachweisbar, so die überraschende Erkenntnis. Dieses Phänomen dürfte die Erklärung für schwierige Fälle sein, in denen die Sanierung in der Praxis immer wieder problematisch ist, lang dauert und die Kontaminationen immer wieder aufflammen. Methoden, um auch "schlafende" Keime zu erkennen, sind verfügbar, und sie wurden im Forschungsprojekt ebenfalls angewandt und erprobt. Die entscheidende Frage aber, unter welchen Umständen die Mikroorganismen in den Dämmerzustand übergehen und wann und warum sie wieder aufwachen, konnte bisher noch nicht endgültig geklärt werden. Hier sehen die Wissenschaftler weiteren Forschungsbedarf.

Bauliche oder betriebsbedingte Mängel sind oftmals die Ursache von Legionellen im Trinkwassersystem.

Über den Erfolg von Desinfektionsmaßnahmen
Vielfach wird von der Annahme ausgegangen, dass eine Desinfektionsmaßnahme auch eine Entfernung der Biomasse bewirkt. Im Verbundprojekt wurde dies anhand eines Biofilm-Modells überprüft. Dabei zeigte sich, dass Desinfektionsmittel, die in den zugelassenen Konzentrationen eingesetzt wurden, erst nach einem Behandlungszeitraum von 70 Tagen zu einer Abnahme der Koloniezahlen bis zur Nachweisgrenze führten. Die langfristige Wirkung von Desinfektionsmitteln auf Biofilmpopulationen wurde ebenfalls in verschiedenen Ansätzen untersucht. In diesen Versuchen zeigte sich, dass sofort nach Absetzen des Desinfektionsmittels eine Regeneration des Biofilms erfolgt: Zum einen erholten sich die noch vorhandenen Bakterien und wuchsen fleißig weiter. Zum anderem kam es zur Neubesiedlung aus dem Wasser. Allerdings unterschieden sich die Biofilmpopulationen, die sich nach Absetzen neu etabliert hatten, in Bezug auf Zusammensetzung und Diversität von den ursprünglichen Populationen - je nachdem, welches Desinfektionsmittel eingesetzt und/oder in welcher Konzentration geimpft wurde. In die Praxis übertragen sehen die Forscher das Risiko, dass sich als Folge einer Desinfektion schnellwüchsige und daher oft hygienisch relevante, weil krankmachende Bakterien entwickeln.

Wie lassen sich nachhaltige Desinfektionsmaßnahmen durchführen?
Auch dieser Frage widmete sich das Projekt. Erst reinigen, dann desinfizieren lautet auf den Punkt gebracht die Antwort. Denn das Entfernen von Ablagerungen und unerwünschten Substanzen reduziert die Einnistungsmöglichkeit von Organismen. In diesem Zusammenhang empfohlen wird das Verfahren der Impulsspülung der Rohrleitung mit Luft und Wasser (ggf. mit zugelassenen Reinigungsmitteln) und anschließender Anlagendesinfektion, z.B. mit H2O2 (Wasserstoffperoxid) und Fruchtsäuren. Die Forscher weisen in diesem Zusammenhang aber ausdrücklich darauf hin, dass eine Desinfektion der Rohrleitung keine Sanierung ersetzt. Die Ursachen der Kontamination müssen beseitigt werden. Kritisch betrachten die Wissenschaftler auch die prophylaktische (vorbeugende) Desinfektion von Trinkwasser-Installationen. Sie widerspricht dem Minimierungsgebot und kann nur in begründeten Einzelfällen empfohlen werden, so die Expertenmeinung. Diese Empfehlung gilt für jedwede Form der Wasseraufbereitung. Denn in dem Projekt zeigte sich, dass das Risiko der mikrobiellen Kontamination allein durch eine zusätzliche Wasseraufbereitung zum Teil deutlich steigt. Die Größenordnung wurde auf 20 bis 40% beziffert. In die Praxis übertragen heißt das, Wasseraufbereitung ja, aber nur da wo sinnvoll und notwendig.

Geballte Ladung an Informationen: In einem 31-seitigen Thesenpapier (DIN-A5-Format) wurden die wichtigsten Erkenntnisse aus dem BMBF-Verbundprojekt zusammengefasst.

Grundsätzlich sind sich die Forschungspartner einig, dass das Risiko einer mikrobiellen oder chemischen Kontamination einer Trinkwasser-Installation und damit des Trinkwassers dann sehr gering ist, wenn bei Planung, Bau, Inbetriebnahme und Betrieb die in Regelwerken, z.B. des DVGW, DIN, VDI, festgelegten Regeln der Technik eingehalten werden. Werkstoffe, die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen (KTW-A, DVGW-Arbeitsblatt W 270), verhindern zwar keine Kontamination der Biofilme mit fakultativ pathogenen Bakterien, bieten jedoch im Fall einer Kontamination aufgrund der nur dünnen Biofilme gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Reinigung und Desinfektion.
In einem 31-seitigen Thesenpapier (DIN-A5-Format) wurden die wichtigsten Erkenntnisse aus den Forschungsarbeiten zusammengefasst. Auf Anfrage ist es erhältlich beim IWW Zentrum Wasser (a.postulka@iww-online.de). Ein Tagungsband, in dem die wissenschaftlichen Arbeiten dokumentiert sind, kann ebenfalls beim IWW Zentrum Wasser bestellt werden.

www.biofilm-hausinstallation.de
www.iww-online.de

Literatur:
Thesenpapier Erkenntnisse aus dem BMBF-Verbundprojekt "Biofilme in der Trinkwasser-Installation", Version 1.0

Artikel "Drinking water quality in household supply infrastructure - A survey of the current situation in Germany”, Sebastian Völker et al., International Journal of Hygiene and Environmental Health (2010)


*) Der Fachöffentlichkeit präsentiert wurden die Ergebnisse des Verbundprojektes auf dem 24. Mülheimer wassertechnischen Seminar am 19. Mai 2010. Die dort gehaltenen Vorträge sind zugänglich über die Website des Projekts (www.biofilm-hausinstallation.de und www.iww-online.de).

 

 


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