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„BIM wird kommen und vollumfänglich gefordert“

Experte Matthias Uhl rät auch kleinen Betrieben dazu, jede Investition zur Umstellung auf die ­Planungsmethode ins Verhältnis zu setzen mit Aufträgen der folgenden Jahrzehnte

Bild: Adobe Stock, Foto profit_image

Viele Planer bemängeln die fehlenden BIM-Standards in der IT-Landschaft. ­Experte Matthias Uhl sagt, die Kritik ist berechtigt, aber: „Die großen Planungsprogramme ­finden immer mehr zu einem ­gemeinsamen Standard.“ Bild: Die Werkbank

Eine Umfrage anlässlich der Messe „BIM World Munich 2018“ zeigt, dass sich Fachplaner und Prozessbeteiligte mehr Schulungen im Umgang mit Building Information Modeling sowie mehr Regeln und Standards wünschen. Grafik: Navispace AG

 

Digitaler Firlefanz oder das Zukunftsthema beim Bauen? Building Information Modeling, kurz BIM, ist in der SHK-Branche mittlerweile ein weit verbreiteter Begriff. Mit der dreidimensionalen Planungsmethode lassen sich Experten zufolge Bauprojekte schneller und ­effizienter steuern. Riskieren also Betriebe, die bei der neuen Technologie nicht mitmachen, aus dem Markt verdrängt zu werden? ­Diese und weitere Fragen beantwortet Matthias Uhl, Gründer und Geschäftsführer des BIM-Beratungsunternehmens „Die Werkbank“, im IKZ-Digital-Interview.

IKZ-Digital: Building Information Modeling wurde lange als ein Thema für Planungsbüros sowie große Bauunternehmen angesehen. Warum kann BIM auch für kleine und mittelständische SHK-Betriebe interessant sein?
Matthias Uhl: BIM ist keine Software, sondern eine Art der Zusammenarbeit. Dies kommt ganz besonders durch den Begriff OpenBIM zum Tragen. Darunter versteht man die BIM-gestützte Zusammenarbeit rechtlich unabhängiger Planungs- und Baubeteiligter jedweder Größe. Der große Mehrwert der BIM-Arbeitsweise liegt in der Vernetzung aller Beteiligten. Das kommt nicht nur Planern und Bauunternehmen zugute, sondern wirklich allen Akteuren – auch kleinen SHK-Betrieben. Dadurch, dass der vielschichtige Planungs- und Bauprozess eines Gebäudes plötzlich für alle Akteure transparent wird, erschließt sich einem Betrieb zu einem viel früheren Zeitpunkt, welche Anforderungen die Immobilie beispielsweise an die Sanitärinstallation richtet, welches Material zu besorgen ist und wie die Ressourcen für die Installation zu planen sind. Jede Veränderung in der Bauplanung oder im zeitlichen Ablauf wird automatisch auf die Planung der einzelnen Gewerke umgelegt. Bei der Wartung oder Störungsbeseitigung von Heizungen, Lüftungs- oder Wasseraufbereitungsanlagen im Gebäudebetrieb kann einfach und schnell auf Wartungs- und Supportanleitungen zugegriffen werden. Somit profitiert wirklich jeder, der an dieser neuen Kollaborationsmethode teilnimmt.

IKZ-Digital:
Dennoch steckt die Bauplanung mit Software in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Warum?
Matthias Uhl: Ich denke, das hat verschiedene Gründe. Einerseits spielt sicher die vielbesagte „German Angst“ eine Rolle, ganz nach dem Motto „never change a winning team“. Die Immobilienbranche steht aktuell besser da denn je. Warum also etwas riskieren, wenn man noch nicht so richtig weiß, wohin die Reise geht, und mit dem Status quo ganz gut leben kann? Andererseits ist die Baubranche ein Sektor, wo man analoge Strukturen gewohnt ist. Zusätzlich ist allen Beteiligten klar, dass die Umstellung auf 100 Prozent BIM nicht ganz ohne Friktion ablaufen wird. Da werden auch mal Einbahnstraßen begangen und der eine oder andere Euro nicht nachhaltig eingesetzt. Das gehört zum digitalen Lernprozess dazu. Unternehmen in Deutschland sollten hierfür eine größere Toleranz entwickeln. Ein weiterer Faktor ist sicher die Öffentliche Hand. Weder die Bundesregierung, noch sonstige öffentliche Körperschaften, haben sich im Bereich BIM als große Treiber erwiesen. Der öffentliche Druck kommt aus dem Ausland. Als Exportnation muss Deutschland da natürlich mitziehen.

IKZ-Digital: Für viele Betriebe scheint der Handlungsdruck im Bereich BIM nicht groß zu sein. Auch, weil noch Regeln zur Zusammenarbeit und Vorgehensweise, zum Datenschutz und politische Vorgaben zur Anwendung fehlen?
Matthias Uhl: Richtig. Meines Erachtens fehlt zum einen der Handlungsdruck von außen, sprich von politischer Seite, und zum anderen mangelt es an smarten Lösungen, die ineinandergreifen und Betrieben den BIM-Einstieg leicht machen. Die Bundesregierung will mit den geplanten Kompetenzzentren kleineren und mittleren Unternehmen sowie Handwerksbetrieben unter die Arme greifen und über Schulungen, Demonstrationen von Best-Practice-Beispielen und anderen Veranstaltungsformaten die praktische Anwendung forcieren. Das ist ein äußerst wichtiger Schritt.

IKZ-Digital: Kleine SHK-Betriebe zögern bei der Planungsmethode meist noch. Sie argumentieren mit zu geringer Nachfrage und dem hohen Kosten- und Zeitaufwand bei der Umstellung auf BIM. Ist der Einsatz von BIM eine Frage der Projektgröße?
Matthias Uhl: Sagen wir so: Die Einführung einer neuen Methode schluckt Ressourcen und kostet damit bares Geld. Es ist nachvollziehbar, dass ein kleines Unternehmen diese Investition mit einzelnen Projekten aufrechnet, aber das macht in meinen Augen wenig Sinn. BIM wird kommen und vollumfänglich gefordert werden, gleich ob es sich um einen Zwei-Mann-Betrieb handelt oder ein mittelständisches Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern. Deshalb ist jede Inves­tition zur Umstellung auf BIM ins Verhältnis zu setzen mit Aufträgen der folgenden Jahrzehnte der jeweiligen Unternehmensgeschichte. Ein weiterer Aspekt ist die Refinanzierung des Aufwandes durch ganz neue Umsatzmöglichkeiten mit BIM. Schon heute plant das Handwerk weitgehend kostenlos als Service für seine Kunden. Warum nicht diesen Aufwand als BIM-konforme, also vernetzt einsetzbare Planung bepreisen? Eine echte Win-win-Situation für Handwerk und Bauherren.

IKZ-Digital: Riskieren also Betriebe, die bei der neuen Technologie nicht mitmachen, aus dem Markt verdrängt zu werden?
Matthias Uhl: Ich bin davon überzeugt, dass die digitale Transformation der Baubranche jetzt ähnlich schnell vonstattengeht wie die Einführung von Smartphones. Aktuell mögen sich noch vereinzelte SHK-Betriebe die Frage stellen, ob das wirklich notwendig ist, sich aufs digitale Parkett zu bemühen. In wenigen Jahren wird daran kein Zweifel mehr bestehen. Unternehmen, die nicht mit BIM arbeiten, gelten dann als nicht mehr anschlussfähig. Deshalb ist mein Rat an alle Unternehmen, die Entwicklung von Anfang an ernst zu nehmen und zu überlegen, welche ersten Schritte am meisten Sinn machen. Schlussendlich führt die Digitalisierung in der Baubranche dazu, dass Marktanteile neu verteilt werden. Da werden Große kleiner und gut aufgestellte Kleine groß.

IKZ-Digital: Wird mit BIM schon die Bauqualität erreicht, die heute möglich ist?
Matthias Uhl: Mit BIM wird meines Erachtens erstmals die Bauqualität erreicht, die heute theoretisch möglich ist. Bisher setzten Planer und Architekten auf bewährte Lösungen, die sich in den typischen Architektenordnern wiederfanden. Durch BIM wird endlich die Fülle an Systemvarianten und Speziallösungen, die vonseiten der Industrie zur Verfügung gestellt wird, entsprechend den spezifischen Anforderungen eines Gebäudes in Betracht gezogen. Allein Knauf bietet in seinem aktuellen Plugin-Update mehr als 4000 Decken-, Wand- und Bodensysteme. BIM verbessert maßgeblich die Bauqualität. Denken wir ferner an andere Megatrends in der Baubranche wie die Kreislaufwirtschaft („Cradle-to-Cradle“), dann sind diese Trends ohne die notwendige Informationsdichte, die über BIM in Bauprojekten gemanagt wird, schlichtweg nicht umsetzbar. BIM ist eine Schlüsseltechnologie.

IKZ-Digital: Bei einer Umfrage anlässlich der Messe „BIM World Munich“ antworteten die meisten Teilnehmer auf die Frage, was sich durch BIM ändern wird bzw. muss: „Die Kultur des Zusammenarbeitens.“ Sehen Sie das ähnlich?
Matthias Uhl: Dem stimme ich voll und ganz zu. BIM rückt Planer und Architekten, Baustoff- und Bauprodukthersteller, Generalunternehmer, die einzelnen Gewerke und alle anderen am Bau Beteiligten näher zusammen. Ich gehe davon aus, dass es nicht nur die Kommunikation, sondern auch das Verständnis für einander verbessert und so zu besseren Gebäuden bei geringeren Kosten führt. Das ist mehr als spannend.

IKZ-Digital: Kritisiert wurden bei der Umfrage fehlende bzw. unzureichende Schulungen der Projektbeteiligten. Ist dem so?
Matthias Uhl: Dem ist sicher so. Andererseits müssen sich langsam alle an die eigene Nase fassen und sich die Fragen stellen, was sie selbst dazu beitragen können, um den Wandel nicht zu verschlafen. Die digitale Transformation einer derart analogen Branche kann nicht allein von außen herbeigeführt werden.

IKZ-Digital: Planer bemängeln darüber hinaus die fehlenden BIM-Standards in der IT-Landschaft. Berechtigt?
Matthias Uhl: Ich denke, die Kritik ist berechtigt, aber die großen Planungsprogramme finden immer mehr zu einem gemeinsamen Standard. Technisch heißt dieser De-facto-Standard „IFC“. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass zum ersten Mal komplexe Gebäudegeometrien dreidimensional und hoch informativ angereichert zwischen verschiedensten Projektbeteiligten ausgetauscht werden können – unabhängig von den Software-Tools, die diese nutzen. Noch funktioniert nicht alles perfekt und fehlerfrei, aber: Die Richtung ist klar und der Weg ist beschritten. In absehbarer Zeit wird diese Technologie zum umfangreichen BIM-Datenaustausch führen.

IKZ-Digital: Gibt es Fördermöglichkeiten im Umgang mit BIM?
Matthias Uhl: Inwieweit öffentliche Förderungen zur Verfügung stehen, muss fallweise pro Bundesland abgeklärt werden. Auf alle Fälle stehen die üblichen Förderungen im Bereich Weiterbildung auch für BIM-Schulungen zur Verfügung. Darüber hinaus können sich Unternehmen bei den von der Bundesregierung ins Leben gerufenen Kompetenzzentren melden und auch darüber an Schulungen teilnehmen.

www.diewerkbank.eu


Zur Person
Matthias Uhl ist ein Experte im Bereich Building Information Modeling (BIM) und Gründer sowie Geschäftsführer des BIM-Beratungsunternehmen „Die Werkbank“. Mit der BIM-Infrastruktur „BIM & More” hat das Unternehmen eine Toolchain (Werkzeugkette) für die Baustoff- und Bauproduktindustrie entwickelt, die das Produktportfolio in herstellerspezifischen BIM-Content aufbereitet und über individuelle BIM-Plugins sowie über BIM-Portale veröffentlicht, sodass sie für Planer und Architekten in den weltweit führenden CAD-Programmen zur Verfügung stehen. Weitere Informationen: https://www.bim-more.com

 


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