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Besonderer Schutz für besondere Orte

Brandschutz in Industriebauten

Großbrand bei einem Verpackungshersteller. Bild: Weitzel.cc

Tabelle 1: Einteilung von Brandabschnitten und Brandbekämpfungsabschnitten in ­Sicherheitskategorien.

Tabelle 2: Brandklassifizierung nach DIN EN 13501-1 und DIN 4102-1.

Beispiel Brandbekämpfungsabschnittsfläche mit 9000 m².

Tabelle 3: Rettungsweglängen ohne automatische Brandmeldeanlage (Internalarm) und ohne selbsttätige Feuerlöschanlage.

Tabelle 4: Rettungsweglängen mit automatischer Brandmeldeanlage (Internalarm) oder selbsttätige Feuerlöschanlage und Handauslösung der Alarmierungseinrichtungen.

Rettungswege über Hauptgänge.

Brandschutztechnische Kapselung von brennbaren Leitungen in Flucht- und Rettungswegen.

Ausführungsbeispiel einer Brandwand über Dach.

Ausführungsbeispiele von Brandwänden im Bereich von Außenwänden.

 

Für den Brandschutz in Industriebauten wurde die Muster-Richtlinie über den baulichen Brandschutz im Industriebau (Muster-Industriebau-Richtlinie – MIndBauRL) der Fachkommission Bauaufsicht der Bauministerkonferenz vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) am 1. Juli 2014 neu herausgegeben. Die wichtigsten Begriffe und Anforderungen der MIndBauRL sowie die brandschutztechnischen Anforderungen an Leitungsanlagen im Industriebau gemäß der Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR) sind in diesem Beitrag zusammengefasst.

Ziel der MIndBauRL ist die Regelung der Mindestanforderungen an den Brandschutz von Industriebauten, hierbei vor allem die Größe der Brandabschnitte bzw. Brandbekämpfungsabschnitte, die Feuerwiderstandsfähigkeit der Bauteile und die Brennbarkeit der Baustoffe sowie die Anordnung, Lage und Länge der Rettungswege. Industriebauten, die den Anforderungen der Richtlinie entsprechen, erfüllen die Schutzziele des § 14 der Mus­terbauordnung (MBO). Bei Industriebauten handelt es sich um Sonderbauten im Sinne des § 51 Abs. 1 der Musterbauordnung (MBO).

Anwendungsbereich der Muster-Industriebau-Richtlinie
Gemäß Abschnitt 3.1 gilt die MIndBauRL für Gebäude oder Gebäudeteile im Bereich der Industrie und des Gewerbes, die der Produktion oder Lagerung von Produkten oder Gütern dienen. Sie gilt zudem für Industriebauten, sofern diese keine Aufenthaltsräume in einer Höhe von mehr als 22 m haben oder Aufenthaltsräume in einer Höhe von mehr als 22 m haben, welche nur vorübergehend zu Wartungs- und Kontrollzwecken begangen werden. Für diese Bauten ist die Muster-Hochhaus-Richtlinie (MHHR) nicht anzuwenden. Ebenfalls gilt die Richtlinie nicht für Reinraumgebäude. Für Industriebauten mit geringeren Brandgefahren, wie

  • Industriebauten, die überwiegend offen sind, beispielsweise überdachte Freianlagen oder Freilager, oder die aufgrund ihres Verhaltens im Brandfall diesen gleichgestellt werden können,
  • Industriebauten, die lediglich der Aufstellung technischer Anlagen dienen und die nur vorübergehend zu Wartungs- und Kontrollzwecken begangen werden, (Einhausungen, z. B. aus Gründen des Witterungs- oder Immissionsschutzes),
  • können Erleichterungen gestattet werden, wenn die bauordnungsrechtlichen Schutzziele erfüllt sind. Weitergehende Anforderungen können gestellt werden z. B. für Regallager mit brennbarem Lagergut und einer Oberkante Lagerguthöhe von mehr als 9 m.
  • Info: Zur Sicherstellung der Schutzziele des Brandschutzes ist bei Sonderbauten grundsätzlich die Erstellung eines spezifischen Brandschutzkonzeptes erforderlich.

Brandabschnitt / Brandabschnittsfläche
Ein Brandabschnitt ist der Bereich eines Gebäudes, der gegenüber anderen Gebäudeteilen oder anderen Gebäuden durch brandschutztechnische Maßnahmen wie Brandwände mit Brandschutztüren begrenzt ist, um eine Brandweiterleitung für einen definierten Zeitraum sicher zu verhindern. Die Brandabschnittsfläche umfasst die Grundfläche eines Brandabschnitts zwischen den aufgehenden Umfassungsbauteilen.

Brandbekämpfungsabschnitt / Brandbekämpfungsabschnittsfläche
Ein Brandbekämpfungsabschnitt ist gemäß Abschnitt 3.4 der MIndBauRL ein auf das kritische Brandereignis normativ bemessener, gegenüber anderen Gebäudebereichen brandschutztechnisch abgetrennter Gebäudebereich mit spezifischen Anforderungen an Wände und Decken, die diesen Brandbekämpfungsabschnitt begrenzen. Die Brandbekämpfungsabschnittsfläche wird im Abschnitt 3.6 der Richtlinie wie folgt definiert: „Die Brandbekämpfungsabschnittsfläche ist die Summe der Grundflächen von Geschossen und Ebenen des Brandbekämpfungsabschnitts zwischen den aufgehenden Umfassungsbauteilen.“

Werkfeuerwehr
Die Werkfeuerwehr muss nach Landesrecht anerkannt sein. Sie muss jederzeit in spätestens 5 Min. nach ihrer Alarmierung die Einsatzstelle erreicht haben, von der aus die erste Brandbekämpfung stattfindet.

Brandmeldeanlagen
Bis auf wenige Ausnahmefälle dürfen nur flächendeckende Brandmeldeanlagen mit automatischen Brandmeldern und technischen Maßnahmen zur Vermeidung von Falschalarmen zum Einsatz kommen.

Feuerlöschanlagen
In der Regel dürfen nur Selbsttätige, für das vorhandene Brandgut geeignete flächendeckende Feuerlöschanlagen berücksichtigt werden.

Sicherheitskategorien
Sicherheitskategorien sind Klassierungsstufen für die brandschutztechnische Infrastruktur. Sie ergeben sich aus den Vorkehrungen für die Brandmeldung, der Art der Feuerwehr und der Art einer Feuerlöschanlage.

Brandsicherheitsklassen
Entsprechend ihrer brandschutztechnischen Bedeutung werden an die einzelnen Bauteile unterschiedliche Anforderungen gestellt. Zur Bewertung werden die Bauteile, wie Wände, Decken, Abschlüsse, Kabel- und Rohrdurchführungen den Brandsicherheitsklassen SKb1 bis SKb3 im Abschnitt 7.2 der Muster-Industriebau-Richtlinie zugeordnet.

Brandlasten und ­Brandklassifizierung
Der Begriff Brandlast wird immer im Zusammenhang mit dem Brandschutz von Gebäuden verwendet. Unter der Brandlast eines Gegenstandes versteht man die Energie, die bei dessen Verbrennung frei wird und damit bei Schutzmaßnahmen für einen möglichen Gebäudebrand zu berücksichtigen ist. Die Brandlast entsteht durch alle brennbaren Stoffe, die in ein Gebäude eingebracht werden. Sie ist von der Menge und vom Heizwert der Stoffe abhängig.
Die Brandlast wird in kWh/m² angegeben und ist das auf eine bestimmte Grundfläche – z. B. eine Brandabschnittsfläche – bezogene Wärmepotenzial aller vorhandenen brennbaren Stoffe. Eine Liste mit „Brandlasten für verschiedene Nutzungen“ steht zum Beispiel unter www.bauforumstahl.de zur Verfügung.
Hohe Brandlasten entstehen beispielsweise schon durch eine ungünstige Auswahl von Baustoffen. Deshalb sollte bereits in der Planungsphase des Gebäudes auf eine Reduzierung unnötiger Brandlasten geachtet werden. Nichtbrennbare Materialien mit der Baustoffklasse A sollten immer bevorzugt werden. In Deutschland ist momentan die Klassifizierung des Brandverhaltens von Baustoffen sowohl nach DIN 4102-1 als auch nach DIN EN 13501-1 möglich. Nur bei Bauprodukten und Bauarten, die der CE-Kennzeichnung unterliegen, ist eine Brandklassifizierung nach der DIN EN 13501-1 zwingend erforderlich.

Nachweisverfahren im Überblick
Vereinfachtes Nachweisverfahren
Beim vereinfachten Verfahren nach Abschnitt 6 der MIndBauRL wird in Abhängigkeit von der Feuerwiderstandsklasse der tragenden und aussteifenden Bauteile, der Sicherheitskategorie und der Anzahl der oberirdischen Geschosse anhand der Tabelle 2 die zulässige Größe der Brandabschnittsfläche für einen Brandabschnitt festgelegt.

Vollinhaltliches Nachweisverfahren
Das vollinhaltliche Nachweisverfahren wird gemäß Abschnitt 7 durchgeführt. Hierbei werden auf der Grundlage des Berechnungsverfahrens nach DIN 18230-1 „Baulicher Brandschutz im Industriebau – Teil 1: Rechnerisch erforderliche Feuerwiderstandsdauer“, Ausgabe September 2010 die zulässige Fläche und die Anforderungen an die Bauteile in Abhängigkeit von den Brandsicherheitsklassen, der brandschutztechnischen Infrastruktur, der Rauchableitung, der Brandlasthöhe und weiterer Faktoren und Komponenten für einen Brandbekämpfungsabschnitt bestimmt.

Ingenieurmethoden
Anstelle des vereinfachten Nachweisverfahrens nach Abschnitt 6 bzw. des vollinhaltlichen Nachweisverfahrens nach Abschnitt 7 können auch Methoden des Brandschutzingenieurwesens eingesetzt werden. Die Grundsätze und Voraussetzungen für die Aufstellung solcher Nachweise sowie die Nachweisführung und Dokumentation sind im Anhang 1 geregelt.
Info: Der Ersteller des Brandschutzkonzeptes hat bei der Anwendung der MIndBauRL verschiedene Möglichkeiten des Nachweisverfahrens, wobei die unterschiedlichen Verfahren jedoch nicht miteinander vermischt werden dürfen.

Rettungswege gemäß MIndBauRL
Die Anforderungen an Rettungswege in Industriebauten werden im Abschnitt 5.6 der Richtlinie beschrieben. Zu den Rettungswegen gehören hauptsächlich folgende Bereiche:

  • Hauptgänge in den Produktions- und Lagerräumen,
  • Ausgänge aus diesen Räumen,
  • die notwendigen Flure,
  • die notwendigen Treppen und
  • die Ausgänge ins Freie.

Hat der Industriebau eine Grundfläche von mehr als 1600 m², müssen in jedem Geschoss mindestens zwei möglichst entgegengesetzt liegende bauliche Rettungswege vorhanden sein. Jeder Raum mit einer Grundfläche von mehr als 200 m² muss mindestens zwei Ausgänge haben. Im Regelfall ist die maximale Rettungsweg­länge – bei einer lichten Höhe bis zu 5 m – auf 35 m beschränkt. Wenn eine automatische Brandmeldeanlage (Intern­alarm) oder selbsttätige Feuerlöschanlage und Handauslösung der Alarmierungseinrichtungen vorhanden ist, erhöht sich die maximale Rettungsweglänge – bei einer lichten Raumhöhe bis zu 5 m – auf 50 m. Mit zunehmender lichter Raumhöhe erhöhen sich die maximalen Rettungsweglängen auf maximal 50 m bzw. 70 m.
Hinweis: Die Entfernungen werden in Luftlinie, jedoch nicht durch Bauteile gemessen, wobei die tatsächliche Lauflänge nicht mehr als das 1,5-Fache der in Luftlinie gemessenen Entfernung betragen
darf.

Zu den besonders wichtigen Bereichen bei Industriebauten zählen die Hauptgänge. Von jeder Stelle eines Produktions- oder Lagerraumes soll nach mindestens 15 m Lauflänge ein Hauptgang erreichbar sein. Dieser muss mindestens 2 m breit sein und soll geradlinig zu Ausgängen

  • ins Freie,
  • zu notwendigen Treppenräumen,
  • zu Außentreppen,
  • zu Treppen von Ebenen und Einbauten,
  • zu offenen Gängen,
  • über begehbare Dächer auf das Grundstück,
  • zu anderen Brandabschnitten oder
  • zu anderen Brandbekämpfungsabschnitten führen.

Die anderen Brandabschnitte oder Brandbekämpfungsabschnitte müssen Ausgänge unmittelbar ins Freie oder zu notwendigen Treppenräumen mit einem sicheren Ausgang ins Freie haben.

Leitungsanlagen in Rettungswegen
Bei der Verlegung von Leitungsanlagen innerhalb der Rettungswege von Industriebauten muss zunächst geprüft werden, für welche Rettungswege der Abschnitt 3 der Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR), Fassung November 2005, anzuwenden ist. Dort sind die grundlegenden Voraussetzungen für sichere Flucht- und Rettungswege festgelegt. Hiernach dürfen brennbare Leitungen, z. B. Kunststoffrohre, in Flucht- und Rettungswegen nicht freiverlegt werden. In der Regel ist dann eine brandschutztechnische Kapselung durch die Verlegung innerhalb von Unterdecken, Bodenkanälen oder Installationsschächten mit einer Feuerwiderstandsdauer von 30 Min. (F30) erforderlich. Nichtbrennbare Leitungen, z. B. gusseiserne Abflussrohrsysteme, dürfen in Flucht- und Rettungswegen hingegen frei verlegt werden.

Brandwände und Wände zur Trennung von ­Brandbekämpfungsabschnitten
Im Abschnitt 5.10 der Richtlinie werden die Anforderungen an Brandwände und Wände zur Trennung von Brandbekämpfungsabschnitten beschrieben. Diese sind mindestens 0,5 m über Dach zu führen. Hierüber dürfen keine brennbaren Teile hinweggeführt werden. Im Bereich von Außenwänden ist durch geeignete Maßnahmen eine Brandübertragung auf andere Brandabschnitte bzw. Brandbekämpfungsabschnitte zu verhindern.
Für Leitungsanlagen in Industriebauten gelten die Anforderungen der Leitungsanlagen-Richtlinien der Länder. Die Abschottungen von Leitungsanlagen müssen entsprechend der geforderten Feuerwiderstandsdauer der Bauteile – gemäß dem projektspezifischen Brandschutzkonzept – ausgeführt werden. Nach MLAR, Fassung November 2005, sind z. B. Abschottungen von Abwasserleitungen entweder nach den entsprechenden Verwendbarkeitsnachweisen (Abschnitt 4.1) oder nach den Erleichterungen (Abschnitte 4.2 und 4.3) auszuführen.
Oftmals tragen Dächer bei Brandfällen in Industrie- und Gewerbebetrieben in erheblichem Maße zur Brandausbreitung bei. Die brandschutztechnischen Anforderungen an Dächer werden im Abschnitt 5.13 der MIndBauRL erläutert.

Betreiberpflichten
Zu den Betreiberpflichten heißt es im Abschnitt 9 der Richtlinie: „Änderungen der brandschutztechnischen Infrastruktur sowie eine Erhöhung der Brandlast erfordern eine Überprüfung des Brandschutzkonzeptes. Ergibt sich daraus eine niedrigere Sicherheitskategorie, eine höhere äquivalente Branddauer oder eine höhere rechnerisch erforderliche Feuerwiderstandsdauer, so liegt eine Nutzungsänderung vor. Solche Nutzungsänderungen bedürfen dann eines Bauantrages und einer Baugenehmigung, wenn sich aus ihnen höhere Anforderungen ergeben. Dies gilt auch bei Änderungen und Ergänzungen des Brandschutzkonzeptes nach Erteilung der Baugenehmigung.“ Das bedeutet für den Betreiber des Industrie- oder Gewerbebetriebes, dass, schon beginnend beim Brandschutzkonzept, jegliche Erhöhung der Brandlasten eine Überprüfung auf Nutzungsänderung – mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen – erfordert. Zur Betreiberverantwortung gehört generell die kontinuierliche Instandhaltung der brandschutztechnischen Anlagen durch regelmäßige Inspektion und Wartung.

Zusammenfassung
Bei Gebäuden der Industrie und des Gewerbes kommt es aufgrund des Umganges mit brennbaren Arbeits- und Gefahrstoffen bei Produktionsprozessen sowie bei der Lagerung von brennbarem Lagergut mit hohen Brandlasten immer wieder zu Brandfällen großen Ausmaßes. Zur Sicherstellung der Schutzziele des Brandschutzes ist bei Industriebauten grundsätzlich die Erstellung eines spezifischen Brandschutzkonzeptes erforderlich. Das Brandschutzkonzept ist die Basis für eine brandschutztechnisch einwandfreie Ausführung des Industriegebäudes einschließlich der Rettungswege und der Leitungsanlagen.
Zur Minimierung der Brandlasten sollten Leitungen innerhalb von Industriebauten vorzugsweise aus nichtbrennbaren Werkstoffen der Brandklasse A bestehen. Nichtbrennbare Leitungen, wie gusseiserne Abflussrohrsysteme, führen zu keiner Brandlast oder Brandweiterleitung und dürfen in Flucht- und Rettungswegen frei verlegt werden.

Autor: Bernd Ishorst, IZEG Informationszentrum Entwässerungstechnik Guss e.V., Bonn
Bilder, sofern nicht anders angegeben: IZEG

www.izeg.de

 


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