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Basis für mehr Energieeinsparung: Ergebnisse einer Forschungsstudie liefern die Grundlage für eine bessere energetische Bewertung von Hallen

Im Zuge steigender Energiepreise und mehr Wettbewerbsdruck gewinnen Energieeinsparungen bei industriell und gewerblich genutzten Gebäuden zunehmend an Bedeutung. Allerdings wurde die energetische Bewertung von Hallengebäuden und deren HLK-Technik in der Gesetzgebung bislang eher vernachlässigt. Ergebnisse einer gerade abgeschlossenen Forschungsstudie liefern nun die Grundlage für eine bessere energetische Bewertung dieser Gebäudeart und werden in die Weiterentwicklung der DIN V 18599 und damit in die für 2012 angekündigte Novellierung der Energieeinsparverordnung einfließen. Das ermöglicht Planern zukünftig eine deutlich realitätsnähere Bewertung der HLK-Anlagentechnik und erhöht die Auswahl des energie- und kosteneinsparenden Instrumentariums.

Entwicklung des spezifischen Heizenergieverbrauchs einer Durchschnittshalle von 1960 bis 2009 (für vor 1980 errichtete Gebäude wird von einer (Teil-)Sanierung auf Niveau 1980 ausgegangen).

Verteilung des derzeitigen Jahres-Heizenergieverbrauchs von Hallen sowie des Einsparpotenzials über dem Gebäudeerrichtungsjahr, beispielhaft für Betrachtungszeitraum 1980 bis 2009

Distributionszentrum mit Hellstrahlern.

Hallenraum mit Warmluftheizung.

Gegenüberstellung: Jahresheizenergieverbrauch von Hallen, aktuelles Einsparpotenzial durch Komplett- und Teilsanierung, zukünftiges Einsparpotenzial durch Umsetzung EPBD-Richtlinie

Exemplarische Darstellung. Vergleich zwischen Heizenergieverbrauch und rechnerischem Energiebedarfswert für ein reales Hallengebäude.

Gebäude mit einer modernen Hallenheizung.

 

Für die energetische Bewertung von Hallengebäuden stand bisher kein zufriedenstellendes Verfahren zur Verfügung. Am ehesten geeignet war bisher die DIN?V 18599, bei der jedoch im Zuge der Novellierung der Energieeinsparverordnung  (EnEV) diverse Probleme bei der Anwendung auftauchten. So werden Besonderheiten von Hallen im Hinblick auf den Baukörper (u.a. häufig ungedämmte Bodenplatten, Leichtbau- oder Metall­außenwände) und der Nutzungsstruktur sowie vor allem die besondere HLK-Anlagentechnik nicht ausreichend in den Berechnungen und Bewertungen abgebildet. Eine energetisch differenzierte Abbildung üblicher, zeitgemäßer und marktgängiger Hallenheizungssys­teme war bislang deshalb nur bedingt bzw. gar nicht möglich.
Auf Initiative der Bundesvereinigung der Firmen im Gas- und Wasserfach (figawa) mit Unterstützung der Forschungs­initiative Zukunft Bau des Bundesminis­teriums für Verkehr, Bau und Straßenwesen hat das Institut für Technische Gebäudeausrüstung (ITG) mit der Gesamthochschule Kassel eine Gesamtanalyse zur Energieeffizienz von Hallengebäuden (GAEEH) durchgeführt und damit erstmals hallenspezifische, wissenschaftliche Grundlagen für eine Weiterentwicklung der DIN V 18599 geschaffen.

Gesamtsituation Hallengebäude
Eine Aufgabe des Forschungsteams unter der Führung von Prof. Bert Oschatz (ITG) war es, die Gesamtsituation von Hallengebäuden in Deutschland zu bewerten. Die anhand von statistischen Daten und aufwendigen qualifizierten Schätzungen durchgeführten Untersuchungen belegen, dass ein wesentlicher Anteil des Heizenergieverbrauchs in Deutschland auf Hallengebäude entfällt und hier auch erhebliches Einsparpotenzial vorhanden ist. Für den aktuellen Hallen-Gebäudebestand, welcher über den Betrachtungszeitraum 1960 bis 2009 ermittelt wurde, errechneten die Forscher einen jährlichen Gesamtverbrauch in einer Größenordnung von 87 bis 116 Mrd. kWh, das entspricht im Mittelwert 15% des Gesamtenergieverbrauchs für Raumwärme in Deutschland. Zudem wurde, basierend auf aktuellen Daten, der zukünftige Heizenergieverbrauch prognostiziert. Vergleichsrechnungen zeigen, dass Maßnahmen am Hallenbestand ein deutlich größeres Einsparpotenzial bergen, als eine zukünftige Verschärfung der Anforderungen bei Neubauten. Eine komplette energetische Ertüchtigung auf aktuelles Neubauniveau würde nach Berechnungen der Forscher eine Verringerung des jährlichen Gesamtheizenergieverbrauchs in Deutschland zwischen 6 und 12% bewirken. Das Einsparpotenzial von Maßnahmen am Bestand ist etwa doppelt so hoch wie die durch eine zukünftige Verschärfung nach der EPBD-Richtlinie erzielbare Einsparung. Allein eine rein anlageseitige Sanierung des aktuellen Bestands birgt laut Forschungsbericht etwa dasselbe Potenzial wie die stetige Absenkung des Heizenergieverbrauchs auf Niedrigstenergiehaus-Niveau bis zum Jahr 2021.
Weiterer wesentlicher Schwerpunkt des Forschungsvorhabens waren Untersuchungen, die sich mit dem thermischen Verhalten von beheizten Hallengebäuden mit üblichen Nutzungsprofilen im Allgemeinen sowie einer Abbildung von Hallen und hallentypischen Heizsystemen nach DINV 18599 im Speziellen befassten.

Umfangreiches Untersuchungsdesign
Um das ganze Spektrum von Hallengebäuden zu erfassen, wurde zunächst ein repräsentativer Hallen-Gebäudekatalog von sechs Gebäudetypen mit ihren baulichen Eigenschaften und Nutzungsprofilen erstellt: Werkstatt, Fertigungsbetrieb mit unterschiedlichem Fensterflächen-Anteil, Logistikhalle, Turnhalle, Baumarkt und Lebensmittelmarkt – jeweils für den typischen baulichen Bestand und als moderner Neubau. Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden vereinzelte Anpassungen bzw. die Neugestaltung von Nutzungsprofilen vorgeschlagen.
Ausgehend von diesem Gebäudekatalog erfolgten umfangreiche Energiebedarfsrechnungen zur Dokumentation des derzeitigen Normstands der DINV 18599 sowie für weiterführende Parameterstudien. Parallel wurden für reale Gebäude rechnerische Bedarfswerte für die Beheizung den realen Energieverbrauchswerten gegenübergestellt und Differenzen untersucht. Vermutlich erstmals überhaupt wurde das thermische Verhalten von Hallengebäuden in aufwendigen Simulationsrechnungen über eine ganze Heizperiode unter realistischen Nutzungsrandbedingungen mit hallentypischer Anlagentechnik untersucht und hinsichtlich Energieeffizienz verschiedener hallentypischer Heizsysteme analysiert. Einbezogen in die Anlagenbewertung wurden Hell- und Dunkelstrahler, Warmluftheizsysteme sowie zentrale Wärmeerzeuger mit wasserbetriebenen Deckenstrahlplatten und Fußbodenheizungen. Des Weiteren wurden Teilprobleme der Energiebedarfsberechnungen nach DINV 18599 untersucht, u.a. der Lüftungswärmeverlust großer Gebäude, die Bewertung der Wärmeerzeugerverluste dezentraler Systeme, der Einfluss des Lufttemperaturprofils über der Gebäudehöhe sowie der Strahlungsanteil unterschiedlich effizienter Strahlungsheizungen.

Überbewertung des realen Energiebedarfs in der DIN V 18599
Die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen bestätigen die Vermutung, dass in vielen Fällen der tatsächliche Ener­gieverbrauch eines Hallengebäudes geringer ist, als bisher durch die Ener­gieeinsparverordnung und das in Bezug genommene Berechnungsverfahren (DINV 18599) abgebildet. So zeigte sich u.a. für die untersuchten dezentralen Heizsysteme beim Bedarf-Verbrauchs-Verhältnis zwar eine deutliche Streuung der Werte, jedoch auch eine systematische Überhöhung der rechnerischen Bedarfszahlen. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass bei den jeweiligen Anlagenvarianten in der bisherigen Norm nur ungenügend differenziert wird. Auf Basis der durchgeführten Untersuchungen zum Berechnungsablauf bzw. der dabei verwendeten Größen und Parameter wurden umfangreiche Änderungsvorschläge für die Norm erarbeitet und in den Entwurf für die kommende Fassung der DINV 18599 eingebracht. Diese betreffen vorwiegend die Bewertung der Anlageneffizienz nach DINV 18599-5 aber auch in Hinsicht auf eine möglichst korrekte Bewertung die Normteile 2 (Überarbeitung der Lüftungswärmeverluste) und 10 (Nutzungsprofile bzw. -parameter). Im Folgenden werden nur Ergebnisse bzw. Änderungsvorschläge für den Normteil 5 (energetische Bewertung von Heizungssystemen) kurz vorgestellt. Die wichtigsten Änderungen der Normteile 2 und 10 können dem Textkasten entnommen werden.
Im Rahmen der Bewertung hallentypischer Wärmeübergabesysteme wurde festgestellt, dass ein pauschaler Faktor für den Strahlungseinfluss – der zur Berechnung der Wärmeübergabeverluste herangezogen wird – nicht gerechtfertigt ist. Künftig soll die Strahlungswirkung der Anlagensysteme durch entsprechend unterschiedliche Faktoren exakter und ener­getisch stärker differenziert abgebildet werden. Zudem wurden Änderungen bei der Berechnung der Teilnutzungsgrade der Wärmeübergabe vorgeschlagen, um auch hier die Energieeffizienz der einzelnen Systeme differenzierter betrachten zu können. So soll der Teilnutzungsgrad für das vertikale Lufttemperaturprofil – der den ener­getischen Einfluss des Temperaturverlaufs in hohen Gebäuden abbildet – künftig auf Basis anlagenspezifischer Werte des Lufttemperaturanstiegs berechnet werden. Die Berechnung der Erzeugerverluste von dezentralen Hallenheizsystemen in hohen Räumen erfolgte bislang nach DIN V 18599-5 fälschlich heizwertbezogen, obwohl die Norm Brennwertbezug verlangt. Dieser Fehler wurde im Änderungsvorschlag korrigiert und zugleich eine stärkere Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Gerätevarianten inklusive Einbeziehung von Brennwerttechnologie für dezentrale Hallenheizungen eingeführt. Bei der Ermittlung der Hilfs­energie von Heizsystemen in Hallengebäuden wurde ebenfalls eine stärkere Differenzierung vorgenommen, die Anforderungen der neuen Öko-Design Richtlinie (2005/32/EG) an Elektromotoren berücksichtigt und die Berechnungen insgesamt vereinfacht.

Stärkere Differenzierung möglich
Alle eingebrachten Änderungsvorschläge wurden in den Normentwurf eingearbeitet. Die Neufassung der DINV 18599 soll im Dezember 2011 erscheinen und durch die kommende Novellierung der Energieeinsparverordnung „EnEV 2012“ in Bezug genommen werden. Künftig sollte sich somit eine bessere Korrelation zwischen realen Energieverbrauchswerten und rechnerisch ermittelten Energieverbrauchswerten ergeben. Planer und Berater haben bei Ener­giebedarfsberechnungen nach DINV 18599 zukünftig, insbesondere bei dezentralen Hallenheizsystemen, eine größere Wahlfreiheit innerhalb der Gerätekategorien, ohne von den Optionen überfordert zu werden – bei der Erarbeitung der entsprechenden Norm-Änderungsvorschläge wurde großes Augenmerk auf die Abbildung marktüblicher Systeme und die Verwendung konsistenter und nachvollziehbarer Bezeichnungen gelegt. Die nunmehr mögliche stärkere Differenzierung zwischen unterschiedlichen Hallenheizsystemen und -varianten ist nicht nur im konkreten Planungsfall, sondern auch für theoretische Betrachtungen, wie z.B. die Berechnung erzielbarer Energieeinsparungen, interessant.

Autor:  Dr. rer. nat. Norbert Burger, Geschäftsführer der figawa , Bundesvereinigung der Firmen im Gas- und Wasserfach e.V. , Köln.

www.figawa.de

 


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