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Ausreichend Luft schaffen

Kontrollierte Wohnraumlüftung: Was bei der Planung und Installation zu beachten ist

Für die Auswahl eines zentralen oder dezentralen Systems ist es u. a. wichtig, dass die jeweilig notwendigen Außenluftvolumenströme als Vergleichsgröße beachtet werden, sagt Claus Händel. Bild: FGK

 

Ob Neubau oder Sanierung: Maßnahmen zur kontrollierten Wohnraumlüftung sind mehr denn je ein notwendiges „Muss“. Doch wann eignen sich zentrale Anlagen und wann dezentrale Geräte besser? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind bei der Planung zu beachten? Und was genau verbirgt sich hinter der Gefahr von Radon und wo kann es auftreten? Diese und weitere Fragen beantwortet Claus Händel, Referent im Fachverband Gebäude-Klima e. V. (FGK).

IKZ-HAUSTECHNIK: Die kontrollierte Wohnraumlüftung – kurz KWL – sei in modernen Gebäuden notwendiger Standard, hört man regelmäßig. Gleichwohl wird längst noch nicht jeder Neubau und jede Sanierung mit einer nutzerunabhängigen Lüftung ausgestattet. Woran liegt das?
Claus Händel: Viele mit dem Bau beauftragte Personen und auch Auftraggeber sind immer noch der Meinung, dass eine ausreichende Lüftung durch das Wohnverhalten gegeben ist. Doch Hand aufs Herz, wer kann täglich drei- bis viermaliges Stoßlüften für den notwendigen Feuchteschutz umsetzen? Viele Gerichtsurteile halten dies auch für nicht zumut­bar. Zudem wird mitunter zu wenig beachtet, dass der Bewohner/Mieter ein Anrecht auf eine schimmelfreie Wohnung und gute Luftqualität ohne aktive Eingriffe hat.

IKZ-HAUSTECHNIK: Die Vorteile einer KWL sind unbestritten. Dennoch gibt es alternative Ansätze für den notwendigen Luft­austausch im Gebäude. Wie beurteilen Sie Alternativen wie beispielsweise Fensterfalzlüfter oder automatische Fensteröffner?
Claus Händel: Zunächst einmal ist es aus lüftungstechnischer Sicht unerheblich, wie der Luftaustausch sichergestellt wird, solange die Behaglichkeitskriterien eingehalten werden. Fensterfalzlüfter können helfen, den für den Feuchteschutz notwendigen Mindestluftwechsel sicherzustellen. Für die Sicherstellung der Luftqualität ist dann aber auch manuelles Fensteröffnen notwendig. Nachteilig ist jedoch, dass bei dieser Lüftungsart die Wärme verloren geht. In modernen Gebäuden etwa die Hälfte des Bedarfs. Ist dies zeitgemäß, wenn wir gleichzeitig wissen, dass der Gebäudebestand spätestens im Jahr 2050 praktisch keinen Heizenergiebedarf mehr haben soll? Wir bauen damit heute schon den ersten Teil einer Sanierungsempfehlung in neue Gebäude ein. Als Brückenlösung für eine teilweise Sanierung des Altbaus (z. B. bei Fenstertausch) kann es in Kombination mit einfachen bedarfsgeregelten Abluftanlagen wiederum eine sinnvolle und kosteneffiziente Empfehlung sein.

IKZ-HAUSTECHNIK: Was tun, wenn nach Berechnung des Lüftungskonzeptes eine KWL erforderlich ist, der Auftraggeber diese aber ablehnt? Wie kann sich der Unternehmer juristisch absichern?
Claus Händel: Es gibt keinen Zwang zur Umsetzung einer nutzerunabhängigen Lüftung. Der Planer oder Installateur hat aber eine Hinweispflicht. Und dessen Ergebnis sollte er ausführlich mit den notwendigen Maßnahmen und den Empfehlungen, einschließlich des Vorgangs der Bekanntmachung gegenüber dem Auftraggeber, dokumentieren.

IKZ-HAUSTECHNIK: Bleiben wir beim Punkt Recht: Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind bei der Planung zu beachten?
Claus Händel: Wohngebäude sind nach EnEV so zu errichten, dass der notwendige (hygienische) Mindestluftwechsel sichergestellt ist. Ich bin kein Jurist und kann insoweit keine rechtliche Beratung geben. Deshalb nur folgende Hinweise: Wo kein Schaden auftritt, da gibt es auch keine Auseinandersetzung. Aber darauf zu hoffen ist vielleicht etwas kurz gedacht. Die Umsetzung des Lüftungskonzeptes dauert nur ein paar Minuten. Und die Mehrkosten für die Sicherstellung einer nutzerunabhängigen Feuchteschutzlüftung sind zum Zeitpunkt der Planungsphase zudem geringer gegenüber einem nachträglichen Einbau von Geräten.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wann eignen sich zentrale Anlagen und wann dezentrale Geräte besser?
Claus Händel: Bei korrekter Auslegung ist es eine Geschmacksfrage. Die Neufassung der DIN 1946-6, die etwa ab Ende 2019/Anfang 2020 zur Verfügung stehen sollte, gibt klarere Hinweise auch für beliebige Kombinationen. Wesentlich ist aber, dass alle Beteiligten über die spezifischen Vor- und Nachteile der Systeme aufgeklärt werden und sich darüber im Klaren sind.
Für die Auswahl eines Systems ist es u. a. wichtig, dass die jeweilig notwendigen Außenluftvolumenströme als Vergleichsgröße beachtet werden. Dezentrale Systeme sind in den einzelnen Räumen installiert, mit der Folge, dass die Akustik planerisch stärker berücksichtigt werden muss. Zudem kann nicht jedes dezentrale System mit höherwertigen Feinstaubfiltern ausgerüstet werden. Allgemein empfehle ich, sich nicht vorschnell für ein System zu entscheiden, weil vielleicht die Planung für ein zentrales System zunächst aufwendiger erscheint. Manchmal ist auch eine Kombination eine gute Lösung, wenn beispielsweise einzelne Räume nur schwierig in ein Zentralsystem einzubinden sind. Bei ausreichendem Platz im Neubau eines Einfamilienhauses würde ich auch immer ein zentrales System in Erwägung ziehen. Hingegen hat in der Sanierung das dezentrale System oft Vorteile.

IKZ-HAUSTECHNIK: Gibt es Hilfestellungen, wie z. B. Tools, zur Ermittlung einer auf das Objekt bezogenen Anlagenart?
Claus Händel: Die vorhandenen Tools werden gerade auf die neue Norm umgestellt. Es ist zu erwarten, dass bald auch von verschiedenen Verbänden online-Tools zur Verfügung gestellt werden. Die Auslegung wird wohl Systemherstellern und kommerziellen Anbietern vorbehalten bleiben, weil die Vielfalt der Kombi-Systeme groß wird. Auch wird das Beiblatt 1 der DIN 1946-6 gerade überarbeitet und darin werden die wichtigsten Beispiele erläutert. Zusätzlich plant der FGK zusammen mit BDH und ZVSHK im Herbst 2019 eine Kongressreihe, in der die neue Norm und verschiedene beispielhafte Lösungen vorgestellt werden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Oft in Vergessenheit gerät oder unterschätzt ist die Gefahr von Radon. Was genau verbirgt sich dahinter und wo kann die Gefahr auftreten?
Claus Händel: Radon ist ein natürliches radioaktives Edelgas, das aus dem Zerfall von im Untergrund vorkommenden Uran entsteht. Es kann über Undichtigkeiten in Keller- und Wohnräumen unterhalb der Erdgleiche eindringen. Nach medizinischen Erkenntnissen können durch das Gas gesundheitliche Schäden wie Lungenkrebs entstehen. Besonders hohe Radonkonzentrationen gibt es z. B. im Schwarzwald und im Erzgebirge.
Derzeit werden im Rahmen der Radonrichtlinie und begleitender Normen Vorgehensweisen erarbeitet. Ich betone allerdings, dass Radon (z. B. im Keller) kein primär lüftungstechnischer Aspekt ist. Wir sollten vermeiden, hier generell lüftungstechnische Lösungen in den Vordergrund zu bringen. Ausnahme ist, wenn die bauphysikalischen Ursachen soweit wie möglich ausgereizt sind. Hierbei gibt es dann aber möglicherweise Konflikte, z. B. Über- oder Unterduck durch Lüftung oder sommerlichen Feuchteeintrag, die gelöst werden müssen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Vorgaben nach Norm gilt es für Wohn- und Aufenthaltsräume unter der Erdgleiche zu erfüllen?
Claus Händel: Soweit es beheizte Nutzungsräume sind, gelten die gleichen Anforderungen wie in den übrigen, gleich genutzten Räumen des Gebäudes. Natürlich sind immer der bauliche Wärmeschutz und die Dichtigkeit, auch vor dem Hintergrund möglicher Radonbelastung in bestimmten Gebieten, zu berücksichtigen. Für andere Räume wie Lager oder Abstellräume gibt es Hinweise im Anhang der Norm unter Beachtung der sommerlichen Rahmenbedingungen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Von der Theorie hin zur Praxis: Was ist in puncto Schallübertragung bei zentralen bzw. dezentralen Systemen zu berücksichtigen?
Claus Händel: Beim Thema Schall haben sich durch die neue DIN 1946-6 keine Änderungen ergeben. Es wird immer noch die DIN 4109 in Bezug genommen. Die Thematik ist aber dennoch sehr wichtig und ernst zu betrachten, da hier einige Versäumnisse entstehen. Klar ist, dass die Schallübertragung durch die Außenwände bei raumweisen Geräten und Durchlässen differenzierter betrachtet werden muss, als bei zentralen Systemen. Leider wird das häufig vernachlässigt. Gleiches gilt für die Schallabstrahlung der Geräte (zentral und dezentral). Dies muss bei der Planung berücksichtigt werden. Die Hersteller können hier Hilfestellung geben.

IKZ-HAUSTECHNIK: Inwiefern sind bei zentralen Anlagen Brandschutzanforderungen zu beachten?
Claus Händel: Bei raumweisen Anlagen sowie bei zentralen Anlagen in einer Wohneinheit oder einem Einfamilienhaus sind in der Regel keine brandschutztechnischen Anforderungen zu erfüllen. Es sind aber immer die regionalen Verordnungen zu überprüfen, da es durchaus unterschiedliche Sichtweisen in den Bundesländern geben kann. Bei Zentralanlagen über mehrere Wohneinheiten gelten die jeweiligen Lüftungsanlagenverordnungen, die Brandschutzmaßnahmen vorsehen.
Bei der Fortluftführung von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern werden oft Aspekte der Entrauchung und Rauch­übertragung diskutiert. In vielen Bundesländern hat sich aber die Sichtweise durchgesetzt, dass diese Öffnungen eher Fensteröffnungen gleichzusetzen sind und diese Anlagen keine Lüftungsanlagen im Sinne der LÜAR sind. Dies ist aber im Einzelfall zu überprüfen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Bei zentralen Anlagen kommt mitunter eine Be- und/oder Entfeuchtung zum Einsatz. Was ist für die Planung und Installation hierbei wichtig?
Claus Händel: Hier muss man zwischen aktiven und passiven Systemen unterscheiden. Passive Systeme arbeiten über Enthalpiewärmeübertrager und unterscheiden sich damit in der Auslegung kaum von sensiblen Systemen. Vorsichtig sollte man bei hohen Feuchtequellen in den Wohnungen sein, z. B. bei einer Sauna oder einem Whirlpool. Eine aktive Befeuchtung ist meist dort anzutreffen, wo die Nutzer erhöhte Anforderungen an die Behaglichkeit stellen oder wo feuchteempfindliche Gegenstände im Raum sind, z. B. ein Klavier oder andere Holzeinrichtungen. Es gibt mittlerweile spezialisierte Systeme für Wohnungslüftungsanlagen, die umfänglich die hygienischen Anforderungen erfüllen. Wichtig ist, dass die Systeme richtig geregelt und gewartet werden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche gesundheitlichen Probleme kann es im Zusammenhang mit der Raumluftfeuchte geben?
Claus Händel: Trockene Schleimhäute können ihre Aufgabe der Schmutz- und Keimfilterung aus der Atemluft nicht mehr so effizient erfüllen. Deshalb verbleiben in diesem Fall infektiöse Keime länger im Atemtrakt. Bei weiteren begünstigten Wachstumsbedingungen für die Erreger können dann typische Atemwegserkrankungen wie Husten, Schnupfen, Nebenhöhlenentzündungen und Bronchitis entstehen.
Die Staubbelastung der Raumluft ist ebenfalls feuchteabhängig und nimmt bei niedrigen Feuchten zu. Welche Raumluftfeuchte nun aber konkret von einem Menschen als angenehm empfunden wird, ist individuell verschieden. Personen, die unter allergischen Reaktionen und Asthmaanfällen leiden, bevorzugen beispielsweise Raumluftfeuchten zwischen 40 und 60 %.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wann ist eine Raumluftbefeuchtung notwendig? Und was sagen Normen zur Raumluftfeuchte?
Claus Händel: Eine Befeuchtung sollte grundsätzlich in allen Bereichen vorgesehen werden, in denen vergleichsweise viel Frischluft notwendig ist, wie in Büros, Einkaufszentren, Versammlungsräumen, Gaststätten usw. Im Wohnbereich kann man mit einem handelsüblichen Hygrometer die Raumluftfeuchte ermitteln. Treten bei angemessener Lüftungsrate langfristig Werte unter 30 % auf, ist auch in Wohngebäuden eine Befeuchtung empfehlenswert. Insbesondere während der kalten Wintermonate, wenn die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fallen, ist die Raumluftfeuchte auch im Wohnbereich häufig zu niedrig.
In der zurückgezogenen EN 13779 wurde eine relative Feuchte von 30 bis 70 % empfohlen und in der Nachfolgenorm, der EN 16798-3, gibt es hierzu keine entsprechenden Werte mehr. In der EN 15251, die Ende 2019 durch die EN 16798-1 abgelöst wird, wird eine Raumluftfeuchtigkeit im Befeuchtungsfall von 20 bis 30 % klassifiziert. Dies erscheint wenig zielführend, deshalb wurde im nationalen Anhang zu dieser Norm die höchste Komfortklasse auf 40 % angehoben. Dies entspricht etwa den Forderungen des Fachverbands Gebäude-Klima e. V. und den Forderungen von Arbeitsmedizinern, die eine Raumluftfeuchtigkeit von 40 % rel. Feuchte als vorteilhaft ansehen. Streng genommen gelten diese normativen Anforderung nur für Nichtwohngebäude.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Befeuchterarten werden für Wohnhäuser angeboten?
Claus Händel: Für die Wohnraumnutzung werden Dampfbefeuchter, Verdunster und Ultraschallbefeuchter angeboten. Diese Geräte sind mittels eines Hygrostaten regelbar, sodass eine zu niedrige oder zu hohe Raumluftfeuchte vermieden wird. Wichtig ist auch eine periodische Wartung und Reinigung der Geräte nach den Herstellervorgaben. Aufgrund der hohen Temperaturen sind Dampfbefeuchter hier meist einfacher in der Handhabung.
Auch werden vielfach sogenannte „Alternative Luftbefeuchtungssysteme“ angeboten. Propagiert werden z. B. Heizkörperverdunster, Zimmerspringbrunnen und Zimmerpflanzen. Auch Wäschetrocknen im Wohnbereich wird empfohlen. Diese „Hilfsmittel“ können moderne Luftbefeuchtungssysteme aber nicht ersetzen, da entweder zuviel oder zu wenig Feuchtigkeit (Pflanzen und Springbrunnen) freigesetzt wird oder zum falschen Zeitpunkt zuviel (Wäsche trocknen) oder hygienisch mangelhafte Zustände erreicht werden (Heizkörperverdunster).

 


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