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Regelrecht in Stein gemeißelt . . .

. . . ist in einigen Gebieten Deutschlands die Wärmelieferung für die Versorgung der Wohngebäude.

 

Solarkollektoren findet man auf den Dächern dieser Häuser eher selten. In den Kellern stehen auch keine Biomasse- oder Brennwertkessel geschweige denn Wärmepumpen. Stattdessen bilden Wärmeübergabestationen das Herz der Heizung. Die Energie gelangt in diesen Stadtteilen mittels Fernwärme zum Kunden. Anschlusszwang heißt das nüchtern im Fachjargon.
Frei übersetzen könnte man es mit Energiediktat. Fernwärmekunden haben schließlich keine Möglichkeit, den Energieträger zu wechseln. Sie sind abhängig, und das auf lange Zeit. Politiker sehen dies offensichtlich weniger eng. Sie schwärmen vielmehr von hohen Nutzungsgraden bei der Wärmeerzeugung, schließlich kommt in den energiespendenden Kraftwerken das Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung zur Anwendung. Und diese Technik will die Bundesregierung ja bekanntlich deutlich forcieren.
Jüngst erst hat die Landesregierung in NRW beschlossen, 50 Mio. Euro in den Ausbau der Fernwärme zu investieren, um diesen, nach den Worten von NRW-Umweltminister Johannes Remmel „echten Schatz“ zu heben. Ziel ist es, das 4300 km lange Fernwärmenetz in NRW zu erweitern. Laut einem Expertengutachten könnte ein Verbundnetz für Kraft-Wärme-Kopplung den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2050 um bis zu 3 Mio. Tonnen vermindern.
Klimaschutz, das klingt zunächst einmal gut. Doch ungeteilt ist die Freude für den Ausbau der Fernwärme bei Weitem nicht. Kritiker bemängeln etwa, dass der überwiegende Teil der Fernwärme über Gas- und Kohlekraftwerke produziert wird. Das widerspreche den Zielen der Energiewende, die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien zu stärken. Eine Untersuchung der Ostfalia Hochschule Braunschweig/Wolfenbüttel kommt ergänzend zu einem ernüchternden Ergebnis: Die Fernwärmeversorgung in Neubaugebieten, so heißt es, ist in der Regel unwirtschaftlich. Und auch der Neu- oder Ausbau von Wärmenetzen sei im Gebäudebestand selten zu rechtfertigen. Gleiches gelte für kleinstädtische Siedlungen mit mittlerer Anschlussdichte. Begründet wird das unter anderem mit hohen Rohrleitungsverlusten und sinkenden Wärmebedarfen von modernen Gebäuden. Lediglich in Regionen mit dichter Mehrfamilienhausbebauung mit jeweils mehr als 20 Wohneinheiten rechne sich die Technik, sofern die Wärme größtenteils aus Kraft-Wärme-Kopplung stamme.
Preisgünstig ist die (Ab)Wärme aus dem Kraftwerk auch nicht. Laut Statistik sind die Heizkos­ten in fernwärmeversorgten Wohnungen in den letzten sieben Jahren im Vergleich zu Öl oder Gas deutlich gestiegen. Wo die Konkurrenz fehlt, sind Preiserhöhungen Tür und Tor geöffnet. Immerhin können sich Verbraucher inzwischen zur Wehr setzen. Sie dürfen nach einem BGH-Urteil aus dem Jahr 2011 die Zahlungen verweigern, wenn sie die Preisanpassungsklauseln in ihren Lieferverträgen für unwirksam halten. Auch das Bundeskartellamt blickt bereits seit geraumer Zeit durchaus kritisch auf die Branche. Inzwischen wurden Verfahren wegen des Verdachts überhöhter Fernwärmepreise gegen sieben Versorgungsunternehmen eingeleitet. Die Ermittlungen konzentrieren sich dem Vernehmen nach auf rund 30 Wärmeversorgungsgebiete, verteilt über fast alle Bundesländer. Auf das Ergebnis darf man gespannt sein.

Markus Sironi
Chefredakteur
m.sironi@strobel-verlag.de

 


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