Werbung

„Mit Gas geht’s“

Eine aktuelle Studie kommt zu dem Ergebnis: Ein klimaneutrales Wohnen mit Gas ist möglich und bezahlbar

Für Dr. Timm Kehler steht fest: Mit Gas lässt sich eine Klimaneutralität im deutschen Gebäudesektor erreichen – und das auf bezahlbare Art und Weise. (Zukunft Gas / Lotte Ostermann)

 

Vor dem Hintergrund der gravierenden Veränderungen im Weltklima ist die in Deutschland notwendige Energiewende inzwischen allgegenwärtig. Sie hat auf alle Sektoren Einfluss – auch auf die Beheizungsstruktur im Gebäudebereich. Zukunft Gas, eine Initiative der deutschen Gaswirtschaft, hat eine Studie über das klimaneutrale Wohnen in Auftrag gegeben. Ein Ergebnis: Im Wohngebäudebestand ist eine Reduktion der CO2-Emissionen hin zur Klimaneutralität finanzierbar möglich.

Die Studie „Klimaneutral Wohnen“ der der Nymoen Strategieberatung ist eine Gesamtbetrachtung im Hinblick auf den Wohngebäudebestand und seinen Sanierungsmöglichkeiten. Mittels eines Berechnungsalgorithmus wurden für 974 Kategorien an Bestandsbauten detaillierte Wege zur Klimaneutralität bis 2050 ermittelt. Kriterien für die Berechnung waren u. a. Alter und Bauweise der Gebäude, aber auch ob das Gebäude selbst genutzt oder vermietet wird. Ziel der Berechnungen war es, die größtmögliche CO2-Einsparung unter der Randbedingung zu erreichen, dass die Eigentümer der Wohngebäude die erforderlichen Maßnahmen auch finanzieren können. Dabei spielt der Einsatz von dekarbonisierten Energieträgern1) eine sehr große Rolle.

Daraus folgernd werden im Jahr 2050 gasförmige Energieträger die beliebteste Heizquelle im Wohngebäudebestand sein. Strom, als zweite Säule der Wärmeversorgung, ist vor allem im Neubau als Heizoption attraktiv. „Schon heute heizt die Hälfte der Deutschen mit Gas. 2050 werden es dann fast 60 % sein. Dabei wird der heutige Energieträger Erdgas in den kommenden Jahren und Jahrzehnten sein Gesicht vollkommen verändern“, erklärt Dr. Timm Kehler, Vorstand der Brancheninitiative Zukunft Gas.

Laut Studie werden im Jahr 2050 zwei gasförmige Energieträger zum Einsatz kommen: ein Gasmix (80 % Biomethan, 20 % dekarbonisierter Wasserstoff) und reiner Wasserstoff. Kehler dazu: „Einsatz von dekarbonisiertem Gas als zuverlässigen Energieträger gelingt eine finanzierbare Wärmewende.“ Heutige und zukünftige Techniken können seiner Meinung nach diese Wende unterstützen: Brennwerttechnik, die Brennstoffzelle und Geräte, die mit reinem Wasserstoff betrieben werden können.

Die IKZ-HAUSTECHNIK hat bei Dr. Timm Kehler nachgefragt. Zunächst wollte sie wissen, wie sich die vielen Ergebnisse der Studie im Hinblick auf die CO2-Neutralität des Gebäudebestands in wenigen Sätzen zusammenfassen lässt.

Dr. Timm Kehler: Die Studie betrachtet die Entwicklung des Wärmemarkts bis 2050 und stellt ein detailliertes Abbild des tatsächlichen Gebäudebestands in Deutschland dar. Anhand der insgesamt 1760 abgeleiteten Sanierungsfahrpläne zeigt sich: Im Wohngebäudebestand ist eine Verringerung der CO2-Emissionen hin zur Klimaneutralität bezahlbar möglich. Einer der Schlüssel dazu ist der Einsatz von dekarbonisierten Gasen.

Die Ergebnisse besagen, dass auch 2050 gasförmige Energieträger weiterhin die beliebteste Heizquelle sein werden. Dabei haben Verbraucher die Wahl zwischen einem Gasmix, der zu 80 % aus Biomethan und 20 % aus dekarbonisiertem Wasserstoff besteht, und reinem Wasserstoff, der aus grünen, türkisen und blauen Wasserstoffrouten produziert wird2).

IKZ-HAUSTECHNIK: 80 % Biomethan?! Momentan wird dieses Gas in so geringen Mengen hergestellt, dass man von einer Substitution noch sehr weit entfernt ist. Wo soll das viele Gas herkommen?

Dr. Timm Kehler: Die Studie rechnet bis 2030 mit einem Bedarf von 29 Terrawattstunden Biomethan. Vergangenes Jahr wurden allein hierzulande rund 100 Terrawattstunden Biogas hergestellt, von denen bislang nur etwa 10 Terrawattstunden als Biomethan aufbereitet wurden. Entsprechende Rohstoffmengen sind also durchaus vorhanden. Und sie werden weiter ausgebaut, sowohl in Deutschland als auch im europäischen Ausland.

Somit eröffnen sich auch Möglichkeiten für Importe – schon heute beziehen wir etwa ungarisches Biomethan. Zusätzlich lässt sich, beispielsweise durch sogenanntes Wasserstoff -Boosting, also durch Zuführung von Wasserstoff, die ververfügbare Menge Biogas in Deutschland weiter erhöhen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Bei der Verbrennung von Biogas entsteht sehr wohl CO2, das ja vermieden werden soll. Biogas wird aber eine Berechtigung in der Energieversorgung beigemessen, indem von CO2-Neutralität gesprochen wird. Was bedeutet das?

Dr. Timm Kehler: Biogas wird aus Biomasse hergestellt – zum Beispiel aus Abfällen oder Gülle. Bei der Vergärung von organischem Material entsteht im Rahmen des natürlichen Vergärungsprozesses immer CO2, welches in die Atmosphäre gelangt. Handelt es sich dabei um Pflanzen, entweicht dabei nur Kohlenstoffdioxid, welches vorher durch Photosynthese aus der Umwelt aufgenommen wurde. Durch die Nutzung von Biogas als Energieträger entsteht also keine zusätzliche Belastung für die Umwelt. Deshalb gilt es als CO2-Neutral.

Zukünftig könnte man sogar negative Emissionen erzeugen – indem man Biomasse zur Herstellung von Wasserstoff nutzt und das im Prozess entstehende Kohlenstoffdioxid mittels Carbon-Capture- and-Storage einspeichert. Oder indem mittels Pyrolyse elementarer Kohlenstoff, ein Feststoff, erzeugt wird, der industriell weiterverarbeitet werden kann. Dies zeigt beispielsweise das Start-Up Graforce in Berlin. So werden sonst natürlich anfallende CO2-Emissionen dem Kreislauf vollständig entzogen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Werfen wir einen Blick auf den Wasserstoff, ebenfalls ein Gas, das neben dem Biomethan verstärkt zum Einsatz kommen soll, um CO2-Emissionen zu vermeiden. Seit Jahrzehnten werden Verfahren gesucht, diesen Brennstoff zu beherrschen. Einen Durchbruch hat es bisher nicht gegeben. Sehen Sie jetzt Licht am Ende des Tunnels?

Dr. Timm Kehler: Wir beherrschen den Umgang mit Wasserstoff doch bereits seit einer geraumen Weile. In das Stadtgas, beispielsweise hier in Berlin, wurden früher bis zu 50 % Wasserstoff beigemischt. Die meisten Leitungsmaterialien in Deutschland vertragen tatsächlich auch 100 % Wasserstoff.

Zudem nimmt der Wasserstoffzug deutlich an Fahrt auf, dank der klaren Klimaziele. Anders als in der Vergangenheit wird das Thema nun ernsthaft angepackt. So sehen wir stetig neue Entwicklungen in den Forschungszentren der Heizungsindustrie, wo sehr intensiv an Wasserstoffhermen gearbeitet wird. Das Ziel der „H2-readiness“, also die Fähigkeit auch mit Wasserstoffheizen zu können, wird in wenigen Jahren erreicht sein.

Und die Gigawatt an Elektrolyseleistungen, gepaart mit dem „blauen Wasserstoff“, beispielsweise aus Norwegen, werden ausreichende Mengen an bezahlbarem Wasserstoff bereitstellen.

Die entsprechenden Technologien, um Wasserstoff zu nutzen haben wir also bereits.

IKZ-HAUSTECHNIK: Sie sagen: Momentan heizt die Hälfte der Deutschen mit Gas, in 30 Jahren sollen es sogar 60 % sein. Wird auch tatsächlich mehr Gas, also in m3 oder Energiegehalt gerechnet, verbraucht oder verschieben sich nur die Anteile?

Dr. Timm Kehler: Obwohl bis 2050 verglichen mit 2020 rund ein Drittel der für Heizzwecke eingesetzten Endenergie durch Sanierung zurückgehen wird, bleibt infolge des erwarteten Zuwachses gasbasierter Heizungssysteme der Endenergieverbrauch von Gasheizungen auf einem nahezu einheitlichen Niveau. Es verschieben sich also vorrangig Anteile zugunsten gasförmiger Energieträger.

IKZ-HAUSTECHNIK: Das neue Vorhaben der Bundesregierung, Deutschland bereits 2045 in die Klimaneutralität geführt zu haben, hat Auswirkungen auf die Beheizungsstruktur von Neubauten in Deutschland. Manche sehen hier gar das Aus für Gasheizungen.

Dr. Timm Kehler: Unsere Studie macht deutlich, dass eine bezahlbare Wärmewende nur mit Gas möglich ist. Und wo heute noch Erdgas durch die Leitungen fließt, sind es zukünftig regenerative und synthetische Gase sowie Wasserstoff. Ein Verbot von Technologien würde Investitionen und Innovationen hemmen und sich somit vermutlich negativ auf den Fortschritt bei der Dekarbonisierung auswirken – dieses Signal senden wir auch ganz klar an die Politik.

IKZ-HAUSTECHNIK: Endkunden, die eine alte Heizungsanlage gegen eine neue ersetzen möchten, stehen doch nun vor der Frage: Soll ich das Risiko eingehen und weiter auf Gas setzen oder auf eine elektrische Wärmepumpe umstellen. Diese Frage stellt er dem SHK-Handwerker. Was kann dieser antworten?

Dr. Timm Kehler: Das hängt sehr stark vom individuellen Gebäude ab, hier ist in jedem Fall eine gute Beratung durch das Handwerk entscheidend.

Im Bestand bleiben gasbasierte Heizungssysteme sicher auch auf lange Sicht die günstigste Option zum Heizen, während die Preise für Strom und auch Heizstrom für Wärmepumpen bereits jetzt sehr hoch sind und sicher weiter steigen werden. Zugleich stehen auch effiziente Gastechnologien, die sich gut mit Erneuerbaren koppeln lassen, für ambitionierten Klimaschutz. Durch den Austausch einer veralteten Heizungsanlage durch eine moderne Gasheizung lassen sich bereits jetzt enorme Mengen CO2 einsparen – darauf machen wir unter anderem mit unseren jährlichen Raustauschwochen immer wieder aufmerksam.

Durch die sich zunehmende Veränderung in der Zusammensetzung des Gasmix in Richtung klimaneutraler Gase bleiben Verbraucher mit einer Gasheizung auch in Zukunft auf der sicheren Seite, während ihre Geräte mit der Zeit von der Nutzung eines umweltschonenden auf einen klimaneutralen Energieträger wechseln. Erklärtes Langfristziel der Branche ist die Klimaneutralität des Energieträgers.

IKZ-HAUSTECHNIK: Ich fasse zusammen: Ein klimaneutrales Heizen ist aus Ihrer Sicht absolut realistisch. Aber ist es auch finanzierbar? Oder anders gefragt: Werden die Immobilienbesitzer den Umstieg auch bezahlen können?

Dr. Timm Kehler: Seien wir realistisch: Klimaneutralität wird es nicht zum Nulltarif geben. Ziel muss es sein, mit möglichst geringem Kostenaufwand zu diesem Ziel zu kommen. Unsere Studie zeigt daher die Entwicklung des Wärmemarkts, wenn in jedem individuellen Sanierungsfahrplan für Wohngebäude die wirtschaftlichste Methode zur Erreichung von Netto-Null Emissionen bis 2045 gewählt würde.

Dass im Ergebnis insbesondere gasbasierte Heizsysteme zum Einsatz kommen, zeigt: Wenn es darum geht, wie wir für Eigentümer und Verbraucher Klimaneutralität bezahlbar umsetzen können, ist die Antwort: Mit Gas geht’s.

1) Die CO2-Bilanz bei der Verbrennung eines dekarbonisierten Energieträgers ist null.

2) Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse von Wasser hergestellt, wobei für die Elektrolyse
ausschließlich Strom aus Erneuerbaren Energien zum Einsatz kommt.
Grauer Wasserstoff wird aus Erdgas gewonnen.
Blauer Wasserstoff ist grauer Wasserstoff, bei dem das entstehende CO2 abgeschieden und gespeichert wird.

 


Artikel teilen:
Weitere Tags zu diesem Thema: