Sicheres Lüftungskonzept für hygienisch anspruchsvolle Anwendung
Wärmepumpe und adiabatische Verdunstungskühlung lösen komplexe Lüftungsanforderungen in Medizin-Labor – Propan und Wasser als Kältemittel
Spätestens seit der Corona-Pandemie ist die große Bedeutung von medizinischen Laboren für die Gesundheitsversorgung in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen – aber die Anforderungen an einen solchen Betrieb natürlich weniger. Welche Herausforderungen beispielsweise mit der Lüftungstechnik verbunden sind, wird im neuen Gebäude des IMD Labor Oderland in Frankfurt (Oder) deutlich.
Es geht zu wie im Taubenschlag: Ständig kommen Transportboxen mit medizinischen Probenahmen im IMD Labor Oderland an, werden mit größter Sorgfalt erfasst, den unterschiedlichen Abteilungen übergeben und dort analysiert. Das Großlabor in Frankfurt (Oder) ist Anlaufstelle für rund 700 Arztpraxen und andere medizinische Einrichtungen. Damit deckt das Unternehmen nahezu den gesamten östlichen Teil des weitläufigen Flächenlands Brandenburg ab. „Das ist eine große Verantwortung, denn die Menschen warten natürlich oft mit Spannung auf die Laborbefunde“, so die Marketingverantwortliche Christin Schneider: „Deshalb sind wir froh, am neuen Standort deutlich mehr Möglichkeiten durch mehr Nutzfläche zur Verfügung zu haben – statt der bisherigen 1700 m2 nun 4000 m2.“
Lüftungsanlage stellt bauliche Bedingungen
Die Suche nach einem neuen Standort gestaltete sich zunächst schwierig. Denn für die Unternehmensleitung ist nachhaltiges Wirtschaften ein zentrales Leitmotiv. Als erster Laborbetrieb ließ sich das IMD Labor Oderland daher gemäß den EU-Richtlinien der EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) validieren. Um ressourcenschonend zu expandieren, wurde deswegen auch kein Neubau, sondern die Nachnutzung einer bestehenden Immobilie angestrebt. Als geeignet stellte sich schließlich ein seit Jahren leerstehendes Bankgebäude im Zentrum von Frankfurt (Oder) heraus. Der Umwelt- und Projektmanager der IMD Oderland, Thomas Herfort, nennt ein besonderes bauliches Kriterium, das dieses Gebäude durch die Umnutzung erfüllen musste: „Die Belüftung der Laborräume spielt eine zentrale Rolle. Denn hier wird zum Teil mit hochinfektiösem Material gearbeitet. Außerdem sind die Anforderungen an die Temperaturhaltung in den Laboren sehr hoch, damit die Proben keine verfälschten Ergebnisse liefern. Viele Gebäude, die wir umnutzen wollten, schieden allein deshalb aus, weil sie schlicht die Deckenlast der erforderlichen Technik und Lüftungsanlage nicht tragen konnten“, so Herfort.
Der sechsgeschossige Gebäudekomplex des ehemaligen Bankhauses hingegen bot die Fläche und hatte die Statik, um drei Lüftungsanlagen zu installieren, die den hygienischen Anforderungen der verschiedenen Laborbereiche gerecht werden. Menerga aus Mühlheim an der Ruhr realisierte die anspruchsvolle Lüftungstechnik und arbeitet dabei eng mit dem Hersteller Systemair aus Boxberg zusammen, der die Wärmepumpentechnik lieferte – beide Unternehmen gehören zur Systemair-Gruppe. Durch diese Kooperation wurde eine ebenso energieeffiziente wie umweltgerechte Lösung möglich, denn es kommen ausschließlich die natürlichen Kältemittel R290 (Propan) und R718 (Wasser) zum Einsatz.
Lüftung mit Kreislaufverbundsystem
Der technische Hintergrund: Die drei verschiedenen Arten labortechnischer Analysen, die das IMD Labor Oderland anbietet, machen jeweils drei komplett getrennte Lüftungsanlagen erforderlich.
Zwischen dem Labor für Infektionsserologie – dazu zählen beispielsweise chemische Blutuntersuchungen – und dem Labor für Mikrobiologie darf es zu keiner Vermischung der Luftströme kommen. Daher wurde für jeden Laborbereich eine separate Lüftungsanlage installiert.
Der dritte Bereich, die Molekularbiologie, ist noch sensibler. Hier herrschen Reinraumbedingungen, um unter anderem PCR- und DNA-Tests einwandfrei auswerten zu können. Da keinesfalls die zugeführte Frischluft durch die Abluft kontaminiert werden darf, musste Menerga in dieser dritten Lüftungsanlage die Luftströme hermetisch abgrenzen. Eine konventionelle Wärmerückgewinnung im Gegenstrom wie bei den anderen beiden Lüftungsanlagen war daher nicht möglich. Stattdessen erfolgt die Wärmerückgewinnung über getrennte Wärmeübertrager im Ab- beziehungsweise Zuluftstrom, die Teile eines Kreislaufverbundsystems sind. Außerdem ist die Wärmepumpe „SYSAQUA BLUE“ von Systemair an das Kreislaufverbundsystem angeschlossen. Sie stellt ganzjährig die fehlende Energiemenge bereit, die nicht über die Wärmerückgewinnung der Lüftungsanlage gedeckt wird.
Silas Jäger, Produktmanager für Kältesysteme bei Systemair, erklärt das Prinzip des Kreislaufverbundsystems wie folgt: „Ein Hydraulikmodul mit einem Glykolgemisch und einem Volumenstrom von 1600 l/h überträgt die rückgewonnene Energie der Wärmeübertrager im Ab-/Fortluftstrom auf den Wärmeübertrager im Außen-/Zuluftstrom. Die rückgewinnbare Energiemenge, also Enthalpie, wird über Temperatur- und Feuchtigkeitssensoren im Abluftstrom gemessen. Reicht das für die geforderte Zulufttemperatur nicht aus, wird über ein Ventil die Energie aus dem Kreislauf der Wärmepumpe beigemischt. Der Hydraulikkreislauf der „SYSAQUA BLUE“ hat ein Volumen von 3400 l/h und verfügt über einen 100-Liter-Pufferspeicher zur Überbrückung der Abtauphase. Damit steht sofort und jederzeit die zusätzliche Heiz- oder Kühlleistung bereit, wenn die DDC-Steuerung der Menerga-Lüftungsanlage dazu das Signal gibt“, so der Experte für Klimatechnik.
Bei einer Außentemperatur von -16 °C liefert die Wärmepumpe eine Heizleistung von 20 kW mit einer Wasseraustrittstemperatur von 40 °C und einer Rücklauftemperatur von 35 °C. Die Kälteleistung bei einer Außentemperatur von 32 °C beträgt 38,8 kW bei einer Wasseraustrittstemperatur von 11 °C und einer Rücklauftemperatur von 22 °C.
Umweltleistung der Lüftungsanlagentechnik
Vor dem Hintergrund der EMAS-Validierung des IMD Labor Oderland hat Thomas Herfort in seiner Rolle als Umweltmanager aber nicht nur die Lüftungsleistung und hygienischen Anforderungen im Blick, sondern ebenso die Umweltleistung der Lüftungstechnik. „Ein Laborbetrieb ist enorm energieintensiv. Die Laboranlagen haben eine hohe elektrische Leistungsaufnahme und erzeugen viel Abwärme. Am Wochenende oder in der Nacht können wir die Anlagen nicht abschalten. Die kalibrierten Maschinen müssen durchlaufen, damit die Untersuchungsergebnisse nicht verfälscht werden. Um die Maschinenwärme abzuführen und die Raumtemperaturen zu halten, fördern deshalb die Lüftungsanlagen selbst in Betriebspausen hohe Luftvolumina“, erläutert Herfort.
Umso wichtiger ist die Energieeffizienz der Lüftungstechnik. Zwei wesentliche Merkmale steigern die Energieeffizienz der Lüftungsanlagen laut dem Serviceingenieur von Menerga, Gerhard Lohf: „Unsere Lüftungsanlagen sind mit drehzahlgeregelten EC-Ventilatoren ausgerüstet. Sie reagieren auf die tatsächlich angeforderte Lüftungsleistung über die Volumenstromregler im Kanalnetz. Nimmt der Volumenstrom ab, steigt der Kanaldruck. Automatisch regeln die Ventilatoren die Drehzahl bis auf 10 % ihrer maximalen Leistung herunter. So bleibt der Kanaldruck konstant und wir verschwenden keine unnötige Energie“, erläutert Lohf einen Aspekt der installieren Lüftungstechnik.
Ein zweiter, ebenso wichtiger Gesichtspunkt ist die Verwendung von natürlichen Kältemitteln und deren Effizienz. Die zwei Lüftungsanlagen für die Laborbereiche Infektionsserologie und Mikrobiologie sind mit einer indirekten adiabatischen Verdunstungskühlung der zugeführten Außenluft ausgestattet. Reicht die Leistung der Verdunstungskühlung nicht aus, wird die Zuluft im kombinierten Heiz-/Kühlregister gekühlt und entfeuchtet. Hier dient als Kältemittel Wasser (R718), das in einem geschlossenen Kältekreislauf im Vakuum schon bei Temperaturen von 10 °C verdampft. Die im Kreislaufverbund an die dritte Lüftungsanlage für das Labor der Molekularbiologie angeschlossene Wärmepumpe von Systemair arbeitet mit Propan als Kältemittel.
Besonders zufrieden zeigt sich Thomas Herfort, dass ausschließlich natürliche Kältemittel verwendet werden: „Das ist nicht nur ein wertvoller Umweltbeitrag, sondern mit Blick auf die stetige Verknappung klimaschädlicher Kältemittel durch die F-Gase-Verordnung auch ein wirtschaftlicher Pluspunkt. Zudem sind wir im Rahmen der EMAS die Selbstverpflichtung eingegangen, Ausgleichszahlungen für CO2-äq. Emissionen zu leisten, die beispielsweise durch Kältemittel mit einem potenziell hohen Beitrag zur Klimaerwärmung entstehen. Diese Kompensationsleistung entfällt nun“, resümiert Herfort.
Systemair-Gruppe: breit aufgestellte Kompetenz
Unter dem Dach des schwedischen Mutterkonzerns Systemair AB mit Sitz in Skinnskatteberg bündelt die aus weltweit rund 90 Unternehmen bestehende Gruppe Know-how aus den verschiedensten Bereichen. Die deutschen Unternehmen Systemair GmbH aus Boxberg und Menerga GmbH aus Mülheim an der Ruhr ergänzen sich zum Beispiel bei der Konzeption energieeffizienter Lüftungstechnik mit natürlichen Kältemitteln für den Objektbau. Das umfasst alle Komponenten für Lüftungsanlagen – vom Volumenstromregler bis zur Brandschutzklappe. Die Projektierung komplexer Lüftungsanlagen mit nur einem Ansprechpartner erhöht dabei nicht nur die Effizienz der Anlagentechnik, sie verschlankt auch die Planungsarbeit.