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Erdgas im Erdwärmesonden-Kreislauf

In Rothrist wurde 2005 ein Geothermiefeld erschlossen. In dem Wasser-Glykol-Kreislauf des Rohrsystems diffundiert Erdgas und wird mit dem Wärmeträgermedium in Richtung Heizzentrale transportiert. Dort reichert es sich im Kältespeicher an und muss kontinuierlich abgeführt werden. Um eine mögliche Explosionsgefahr in der Heizungszentrale auszuschließen, wurde deshalb ein automatisches Entlüftungsventil im oberen Bereich des Kältespeichers angebracht und eine separate Entlüftungsleitung über das Dach geführt. Da sich das Erdwärmesondenfeld unterhalb der Bodenplatte des Gebäudes befindet, steigen zusätzlich geringe Mengen von Erdgas aus Bohrungen des Erdwärmesondenfeldes auf und gelangen in das Gebäude. Folglich hat man an der Eintrittsstelle der Erdwärmesondenleitungen ein Absaugrohr installiert und dieses an das Abluftsystem angeschlossen. Ein Hintergrundbericht.

Bild 1: Lageplan von Rothrist mit dem eingezeichneten Geothermiefeld Blumenbörse (Stern).

Bild 2: Kohlenwasserstoffaustritte (Erdöl) während der Erstellung des Geothermiefeldes der Blumenbörse Rothrist. 2005 wurden in 70, 142 und 154 m Tiefe kleinere Erdöleintritte beobachtet. Das Geothermiefeld befindet sich heute unter dem Fundament der Blumenbörse.

Bild 3: Beprobung des aus der Erdwärmesonde No. 20 ausströmenden Erdgases. Eine unmittelbar vor Ort durchgeführte erste Messung ergab einen Methananteil von über 91%.

Bild 4: Kältespeicher für den primären EWS-Kreislauf (Volumen: 5000 l). Im Hintergrund ist ein Ausschnitt des EWS-Verteilers/Sammlers zu erkennen.

Bild 5: Ansicht des Schachtes, in welchem die einzelnen Erdwärmesonden in das Gebäude geführt werden. Kontrollmessungen ergaben, dass sich hier Erdgas angesammelt hat. Die nachträglich eingebaute stationäre Absaugleitung hat sich als wirksame Maßnahme gegen die Anreicherung von Erdgas erwiesen.

Bild 6: Installierter Sensor für brennbare Gase (z.B. Methan, Erdgas) im Bereich des EWS-Schachtes. Der Sensor ist Teil eines Überwachungssystems, welches bei Überschreitung eines Schwellwertes Alarm gibt.

Bild 7: Kugelhahn mit Abzweig (Beprobung, manuelle Entlüftung) und automatischer Entlüftung (links). Das abgeschiedene Gas aus dem primären Kreislauf (Kälte­speicher) wird in einer Edelstahlleitung direkt zum Dach geführt (rechts).

Bild 8: Ausschnitt aus dem Anlagenschaltschema im Bereich der Erdsonden.

Dr. Oliver Sachs.

 

Die Gemeinde Rothrist befindet sich etwa 16 km südwestlich von Aarau im Kanton Aargau, Schweiz (Bild 1). Aus geologischer Sicht liegt Rothrist im Kontaktbereich zwischen dem Faltenjura und dem nördlichen Rand des Schweizer Molassebeckens. In der Vergangenheit wurden bei Bohrarbeiten in und um Rothrist wiederholt kohlenwasserstoffhaltige Sand- und Mergelsteine der unteren Süßwassermolasse angetroffen (Wyss, 2009; Sachs und Eberhard, 2010). Meist handelte es sich bei den vorgefundenen Kohlenwasserstoffen um Erdöl, in einigen Fällen wurden zudem kleinere Erdgasvorkommen angebohrt.
Für den Neubau der Immobilie Blumenbörse Rothrist wurde 2005 ein Geothermiefeld mit 24 Erdwärmesonden (EWS) von jeweils 190m Tiefe erstellt. Dabei sind während der Bohrarbeiten mehrere erdölhaltige Schichten angetroffen worden (Bild 2). Zu diesem Zeitpunkt konnte noch kein Austritt von Erdgas nachgewiesen werden. Zum Einsatz kamen konventionelle Doppel-U-Sonden aus schwarzem Polyethylen. Insgesamt sind rund 18.240 m Erdleitungen im Untergrund verlegt worden. Die Geothermieanlage nahm Anfang 2006 den Betrieb auf und dient seither im Winter zur Beheizung und im Sommer zum Kühlen des Gebäudes.

Geothermiefeld mit Erdwärmesonden
Ein weiteres Erdwärmesondenfeld mit dem Namen Dienstleistungscenter Ausfahrt46 entstand etwa 100m nordöstlich der Blumenbörse in den Jahren 2010/2011. Beide Erdwärmesondenfelder hat die Eberhard & Partner AG, Aarau, geologisch begleitet und dokumentiert. In dem mehrstöckigen Objekt des Dienstleistungscenters Ausfahrt46 befinden sich rund 7000 m² Ausstellungs-, Verkaufs- und Büroflächen. Das Gebäude wird ebenfalls mittels eines EWS-Feldes mit 31 Sonden à 170m beheizt und gekühlt. Hierfür wurden im Mai 2011 rings um das Gebäude die ers­ten Bohrungen abgeteuft. Während des Einbaus der EWS No. 1 kam es zu einem schwachen Gasaustritt am Bohrloch. In den folgenden Wochen hat man in den umliegenden Bohrungen kein Erdgas gemessen. Am 6. Juli 2011 ist die Eberhard & Partner AG, Aarau, vom zuständigen Bohrmeis­ter informiert worden, dass an der Sonde No. 20 noch nicht ausgehärtetes Hin­terfüllungsmaterial herausgedrückt wurde und Erdgas am Bohrloch austritt. Das Gas ist noch am selben Tag für weitere geochemische und isotopengeochemische Analysen beprobt worden (Bild 3).

Gas im Kältespeicher
Einige Tage nach dem Gasausbruch von Sonde No. 20 teilte das Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau mit, dass im primären Sondenkreis der Blumenbörse Methangas gefunden wurde. Nach Auskunft von Herrn Studer (Geschäftsführer der Blumenbörse Rothrist, mündliche Mitteilung vom Juli 2011) reicherte sich bereits seit einiger Zeit Gas im Kältespeicher und anderen Anlageteilen an. Die mit Abstand größte Gasmenge akkumulierte sich im 5000-l-fassenden Kältespeicher (Bild 4). Dies hatte auch eine kontinuierliche Druckzunahme in der Anlage zur Folge. Pro Monat sammelte sich eine Gasmenge von bis zu 4m³ an, welche periodisch abgelassen wurde. Anfangs ahnte niemand, dass es sich hauptsächlich um brennbares Methangas handelte. Als während des Entlüftens eine offene Flamme an das ausströmende Gas gehalten wurde, bildete sich eine Stichflamme. Von da an war klar, dass zur Sicherheit verschiedene technische Maßnahmen ergriffen werden mussten. Ein geochemischer Vergleich der natürlichen Erdgasprobe vom Dienstleis­tungscenter Ausfahrt46 mit einer Gasprobe aus dem Primärkreislauf der Blumenbörse belegte zweifelsfrei, dass es sich um das gleiche Gas handelt (Sachs & Eberhard, 2011). Eine chemische Reaktion zwischen dem Erdgas und dem Wasser-Glykol-Gemisch aus dem Kreislauf konnte nicht belegt werden.

Technische Maßnahmen im Heizungskeller
Nachdem festgestellt wurde, dass sich Erdgas in der Heizungsanlage der Blumenbörse ansammelt, wurden Gasmessungen an verschiedenen Stellen im Gebäude durchgeführt. Es zeigte sich, dass im Bereich des Schachtes, durch welchen die Erdwärmesonden in das Gebäude geführt werden, Methangas vorhanden war (Bild 5). Eine Abdichtung der Durchgangsbohrungen hat nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Erst als eine stationäre Absaugleitung in den Schacht installiert wurde, konnte kein Erdgas mehr nachgewiesen werden. Die Absaugleitung ist an die Leitung für die Gebäudeabluft angeschlossen worden. Ergänzend wurde ein Warnsystem für brennbare Gase installiert. Bild 6 zeigt einen Sensor, welcher im Bereich des EWS-Schachtes installiert ist. Die Anlage dient ausschließlich zur Überwachung der Heizzentrale auf brennbare Gase. Bei Überschreitung eines Grenzwertes wird automatisch Alarm ausgelöst und ein Warnruf an den Betreiber der Anlage per Modem weitergeleitet.
Die Analyse des Heizungssystems zeigte, dass sich die mit Abstand größte Gasmenge im Kältespeicher (Pufferspeicher) anreichert. Aus diesem Grunde wurde an dieser Stelle nach einer möglichst effektiven Lösung gesucht. Im oberen Teil des Kessels war ein Kugelhahn installiert, durch welchen die Anlage sporadisch von Hand entlüftet werden konnte. Als Umbaumaßnahme wurde vor dem Kugelhahn ein Abzweig mit einer weiteren Absperrung geschaffen. Dadurch kann auch während des Betriebs eine Beprobung durchgeführt werden. Gleichzeitig kann jederzeit von Hand entlüftet werden. An der Haupt-
entlüftungsleitung wurde ein selbsttätiges Entlüftungsventil installiert. Das abgeschiedene Gas wird direkt über das Dach abgeleitet. Zum Schutz vor Korrosion besteht das gesamte Leitungssystem aus Edelstahl.

Freies Gas im Heizungssystem
Die Erkenntnis, dass Gase in großen Mengen in Erdwärmesonden diffundieren, ist relativ neu. So stammen die ers­ten Berichte aus dem Jahre 2009, wo beschrieben wurde, wie im primären Kreislauf Kohlendioxid (CO2) eindiffundiert ist (z.B. Ameling, 2009). Bis zu diesem Zeitpunkt wurde das Problem der Gasdiffusion in Erdwärmesonden in der Fachliteratur nicht erwähnt. Insofern ist es neu, dass auch natürliches Erdgas durch das PE-Rohr einer EWS diffundieren und sich in signifikanten Mengen in der Heizungsanlage ansammeln kann. Das Beispiel der Blumenbörse hat gezeigt, dass es grundsätzlich zwei Möglichkeiten gibt, durch welche Erdgas in ein Bauobjekt eindringen kann: einerseits durch unter der Bodenplatte liegende Bohrungen, andererseits mittels Gasdiffusion durch das EWS-Kunststoffrohr. Hierbei wird die Sättigungsgrenze für Erdgas in dem Wasser-Glykol-Gemisch überschritten, wodurch es sich als freies Gas im Heizungssystem anreichern kann. Dieser Prozess war bislang nicht bekannt.

Beherrschbares Problem
Die relativ einfachen Umbaumaßnahmen in der Blumenbörse haben gezeigt, dass das Problem der Erdgas-Diffusion beherrschbar ist. Trotzdem muss sich der Fachmann darüber im Klaren sein, dass von dem Erdgas eine nicht unerhebliche Explosionsgefahr ausgeht. Dies bedeutet, dass essenzielle Regeln beim Umgang mit solchen Anlagen eingehalten werden müssen. So sollte beim Entlüften der Anlage ein Warnsensor für brennbare Gase eingeschaltet sein. Offenes Feuer oder Funkenbildung muss unbedingt vermieden werden. In bestimmten Fällen kann Erdgas in Hohlräume eindringen. Hierzu können EWS-Durchführungen, Aufzugschächte, Kanalisationsrohre, kleine Lagerräume oder die Schächte von Dachwasserversickerungsanlagen zählen. Folglich sollte ein besonderes Augenmerk auf Orte gelegt werden, wo sich unbemerkt im Laufe der Zeit Gas ansammeln kann. Seit den Umbaumaßnahmen in der Blumenbörse haben sich weder im primären Heizungskreislauf, noch im EWS-Schacht des Heizungsraumes kritische Erdgasmengen angereichert. Zur Sicherung der Anlage wurde ein Überwachungskonzept entwickelt, welches die größtmögliche Sicherheit für die Kunden und Mitarbeiter der Blumenbörse in Rothrist gewährleistet. Damit sind Untergründe mit kohlenwasserstoffhaltigen Gesteinen (Erdöl und Erdgas) für die Realisation von Erdwärmesonden kein Hinderungsgrund. Es muss jedoch für jedes Objekt individuell geprüft werden, welche Vorkehrungen getroffen werden müssen, damit sich kein brennbares Gas anreichern kann. Aus diesem Grund sollte für jedes gefährdete Objekt eigens ein Sachverständiger mit einbezogen werden.
Die Heizungsanlage im Dienstleis­tungscenter nahm übrigens Ende 2011 ihren Betrieb auf. Aufgrund der Vorkommnisse bei der Blumenbörse wurden vorab technische Vorkehrungen zur Gasabscheidung über das Dach getroffen. Es zeigte sich, dass auch bei dieser Anlage Erdgas in den primären Wasser-Glykol-Kreislauf hinein diffundiert.

Literatur:
Ameling, W. (2009). Studie über Störabschaltungen einer Erdreich-Wärmepumpe. Gesundheits-Ingenieur, 130/3, 169-170.
Sachs, O. & Eberhard, M. (2010). Erdgasausbruch bei einer Erdwärmesondenbohrung in Rothrist-Buchrain. Swiss Bulletin für angewandte Geologie, 15, 43-51.
Sachs, O. & Eberhard, M. (2011). Erdgas in Erdwärmesonden – eine Herkunftsanalyse. Geoscien­ces ACTUEL, 4/2011, 23-26.
Wyss, R. (2009). Eine Erdgasbohrung in Rothrist. Umwelt Aargau, 44, 31-34.

Autoren: Dr. Oliver Sachs, Dr. Mark Eberhard, Eberhard & Partner AG, 5000 Aarau (Schweiz), E-Mail: service@eberhard-partner.ch.

www.eberhard-partner.ch
www.info-geothermie.ch


Nachgefragt

IKZ-FACHPLANER: Sauerstoffdiffusion bei Kunststoffrohrleitungen in Heizungskreis­läufen kennt der Fachmann. Das Problem der Gasdiffusion in Erdwärmesonden ist dagegen in der Fachliteratur kaum erwähnt. Ist das Phänomen so neu?

Dr. Oliver Sachs: Das ist richtig. Dass Sauerstoff z.B. in die Kunststoffleitungen einer Fußbodenheizung diffundieren und dort
zu Korrosionsproblemen führen kann, ist lange bekannt. Hier wird allerdings die Sättigungsgrenze nicht überschritten. Damit reichern sich keine größeren Sauerstoffmengen in den Anlagenteilen an. Dass Kohlendioxid (CO2) in Regionen mit im Boden vorhandenen CO2-Quellen in Erdwärmesonden diffundieren kann, wurde erstmals 2009 bekannt. Der jetzt beschriebene Fall mit Erdgas ist insofern brisanter, weil sich wiederholt größere Mengen von Erdgas im Solekreis angesammelt hatten, was ohne besondere Vorsichtsmaßnahmen im Technikraum zu einer Verpuffung führen kann. Noch im Jahre 2010 hat uns ein Hersteller von Erdwärmesonden mitgeteilt, dass Methangas nicht in PE-Leitungen eindiffundieren kann. In 2011 haben wir aufgrund unserer Untersuchungen das Gegenteil festgestellt.

IKZ-FACHPLANER: Handelt es sich bei den beschriebenen Erdwärmesondenfeldern um Einzelfälle oder halten Sie es für denkbar, dass die Problematik in der Praxis weitaus häufiger auftritt?

Dr. Oliver Sachs: Ich vermute, dass diese Problematik in Gebieten mit erdöl-/erdgashaltigen Gesteinen häufiger vorkommt. Generell sollte der begleitende Geologe bei der Realisation von Erdwärmesonden ein besonderes Augenmerk auf kohlenwasserstoffhaltige Gesteine haben.

IKZ-FACHPLANER: Welche geografischen Regionen halten Sie diesbezüglich für relevant, insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland?

Dr. Oliver Sachs: Dem Geologen vor Ort dürften die lokalen geologischen Verhältnisse am besten bekannt sein. Schleichende Zutritte von Kohlenwasserstoffen sind beispielsweise aus den Gesteinen der Molasse bekannt. Damit könnten Regionen im Alpenvorland betroffen sein, aber auch erdöl-/erdgashaltige Gesteine im Oberrheingraben. In Norddeutschland trifft dies zum Beispiel auf Regionen mit kohlenwasserstoffhaltigen Sanden zu. Ob kritische Gegebenheiten vorhanden sind, muss projektbezogen geklärt werden.

IKZ-FACHPLANER: Welche Maßnahmen sind vom Planer zu treffen, wenn der Verdacht einer Gasdiffusion in Erdwärmeanlagen besteht? Und wer kann bei dieser bislang kaum erforschten Problematik überhaupt eine hilfreiche Unterstützung leisten?

Dr. Oliver Sachs: Hier gibt es kaum Erfahrungen. Weder in Deutschland noch in der Schweiz. Natürlich können wir als Eberhard & Partner AG, Aarau, Lösungen anbieten.

 


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