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Energiewende: Welchen Beitrag leistet die Gebäudeautomation?

IKZ-ENERGY-Interview mit Christoph Paul Ritzkat

Zur Person: Dipl.-Kfm. ­Christoph Paul Ritzkat ist seit ­Januar 2017 Geschäftsführer von Kieback&Peter. Der 51-jährige Ökonom war als Geschäftsführer, CFO und Controller für verschiedene internationale Unternehmen tätig. Er hat in Brasilien, Deutschland und Frankreich gearbeitet – unter anderem in der Automobil- und Metall­industrie sowie in den Bereichen Luftfahrt, MSR- und Wehrtechnik. Der gebürtige Kölner ist verheiratet und hat zwei Kinder. Bild: Kieback&Peter

Bei Großobjekten mit variabler Nutzung kann der Einsatz von Gebäudeautomation zu ­deutlichen Energieeinsparungen führen. Bild: Kieback&Peter

 

Christoph Paul Ritzkat ist im Januar 2017 als neuer Geschäftsführer bei Kieback&Peter eingestiegen. Das traditionsreiche Familien­unternehmen zählt mit weltweit 1400 Mitarbeitern zu den führenden Spezialisten für Gebäudeautomation und feiert in diesem Jahr sein 90-jähriges Bestehen. Ritzkat sieht die Gebäudeautomation als smarte Alternative oder Ergänzung zu konventionellen Effizienzmaßnahmen. Im Interview mit der IKZ-Redaktion spricht er über die Bedeutung der Energiewende für die Branche.

IKZ-ENERGY: Herr Ritzkat: Derzeit schießen viele trendige Startups aus dem ­Boden, die sich mit „Smart Home“ beschäftigen. Dagegen wirken die etablierten Firmen der Gebäudeautomation ziemlich langweilig und verstaubt. Trotzdem sind Sie Anfang des Jahres als Geschäftsführer bei Kieback&Peter – einem der gro­ßen Traditionalisten – eingestiegen. Was reizt Sie an dem Job?
Christoph Paul Ritzkat: Schicke Apps und Designs üben eine große Faszination auf uns Menschen aus. Aber bei vielen dieser angeblich smarten Produkte frage ich mich: Braucht man das wirklich? Hilft es uns konkret im Alltag oder ist es nur eine nette Spielerei?

IKZ-ENERGY:
Eine durchaus berechtigte Frage.
Christoph Paul Ritzkat: Stimmt. Und genau darum geht es bei meiner Arbeit: In der Gebäudeautomation entwickeln wir keine modischen Spaßprodukte für den schnelllebigen Konsum. Wir lösen echte Probleme, die wirtschaftlich und gesellschaftlich relevant sind. Wir machen Gebäude nicht nur intelligenter, sondern auch nachhaltiger – Automation sorgt für mehr Effizienz, Sicherheit und Komfort. Davon profitieren im Idealfall alle: Bauherren, Betreiber und Nutzer.

IKZ-ENERGY: Erläutern Sie uns das.
Christoph Paul Ritzkat: Gebäude verbrauchen in Europa etwa 40 % der gesamten Primärenergie. Und wir verbringen dort etwa 80 % unserer Lebenszeit. Das heißt: Gebäude spielen nicht nur im Klimaschutz und in der Wirtschaftspolitik eine zentrale Rolle. Sie sind auch die wichtigsten sozialen Orte, an denen wir leben und arbeiten. Wenn wir sie noch effizienter und lebenswerter machen, schaffen wir einen echten Mehrwert für die Gesellschaft. Das gibt mir das gute Gefühl, mit meiner Arbeit etwas Sinnvolles zu tun. Das reizt mich mehr als irgendeine fancy
App!

IKZ-ENERGY: Aber beim Thema Gebäudeeffizienz denken die meisten doch eher an Dämmung und moderne Brennwertkessel. Über die Gebäudeautomation spricht kaum einer. Warum? Ist sie nicht wichtig für die Energiewende?
Christoph Paul Ritzkat: Die Energiewende ist in erster Linie ein politisches Projekt. Es liegt in der Natur der Politik, dass nicht immer die beste Lösung zum Zuge kommt, sondern diejenigen, die am lautesten schreien. Die Arenen, in denen die Schreihälse gegeneinander antreten, sind schon gut besetzt – da müssen wir nicht auch noch mitmischen.

IKZ-ENERGY: Auch wenn Sie sich aus der Politik raushalten möchten: Können Sie uns trotzdem ein paar Zahlen nennen, die zeigen, wie wichtig die Gebäudeautoma­tion für die Energiewende ist?
Christoph Paul Ritzkat: Im Zeitalter von Fake-News klammern wir uns oft an Zahlen fest – sie wirken glaubwürdiger als bloße Behauptungen. Aber man muss kein Mathematiker sein um zu wissen, dass jede Statistik anfällig ist für Manipulationen. Als Controller wollte ich immer genau wissen, wer welche Kennzahlen mit welcher Methode berechnet hat. Diese gesunde Distanz zu Zahlen ist bis heute geblieben. Daher wäre es schlichtweg unseriös, wenn ich sagen würde: Gebäudeautomation spart pauschal 50 % Energie.

IKZ-ENERGY
: Zahlen würden trotzdem helfen, die Relevanz der Gebäudeautomation einzuschätzen.
Christoph Paul Ritzkat: In der Theorie helfen uns Normen, das Einsparpotenzial der Gebäudeautomation abzuschätzen. ­Unsere Branche orientiert sich hier an der
DIN V 18599-11 und an der EN 15232. Danach spart zum Beispiel ein vollautomatisiertes Bürogebäude „Automationsklasse A“ gegenüber einem wenig automatisierten Referenzgebäude „­Automationsklasse C“ 30 % Wärmeenergie und 13 % Strom. Ich halte solche Pauschalangaben in der Praxis jedoch für problematisch: Gebäudeautomation ist eine Querschnittstechnologie, die Heizung, Lüftung, Klima, Beleuchtung und andere Anlagen miteinander vernetzt. Weil so viele Systeme im Spiel sind, gibt es viele Stellschrauben. Hinzu kommt das Verhalten der Menschen, das man oft nur schwer abschätzen kann.

IKZ-ENERGY: Gibt es neben den theoretischen Berechnungen auch konkrete Zahlen aus der Praxis?
Christoph Paul Ritzkat: Die ­Hochschule Biberach hat im Rahmen einer zweijährigen Praxisstudie einmal konkret nachgemessen, wie groß der Unterschied zwischen einem A- und einem C-­Klasse-Gebäude ist. Sie kam auf eine Energieeinsparung von insgesamt 49 %.
Bei Kieback&Peter können wir auf den Erfahrungsschatz bauen, den wir über mehrere Jahrzehnte in Kundenprojekten aufgebaut haben. Grob über den Daumen gepeilt kann ich Ihnen diese Erfahrungswerte nennen: Eine smarte Einzelraumregelung mit Präsenzmelder spart im Schnitt etwa 20 % Heizenergie gegenüber einer ungeregelten ­Heizung. Die Optimierung der Lüftungsregelung kommt durchschnittlich auf 30 %. Wir hatten aber auch schon Lüftungsprojekte mit 70 % Einsparung – zum Beispiel im Arp Museum in Remagen. Es gibt immer Ausreißer nach oben und unten. Deshalb sind solche Mittelwerte mit Vorsicht zu genießen.

IKZ-ENERGY: Das sind trotzdem beeindruckende Zahlen. Wie tief müssen Ihre Kunden für eine smarte Effizienz-Lösung in die Tasche greifen?
Christoph Paul Ritzkat: Man sagt, dass bei einem Neubau etwa ein bis zwei Prozent der Erstellungskos­ten für die Gebäudeautomation anfallen. Das ist in der Relation nicht viel. Aber in absoluten Eurobeträgen auch keine Peanuts. Die Betreiber müssen jedoch bedenken: Durch die Automation sparen sie jedes Jahr eine Menge Betriebskosten, sodass sich die Investition in wenigen Jahren rechnet.

IKZ-ENERGY: Viele Bauherren verkaufen oder vermieten das Gebäude direkt nach der Fertigstellung. Die Betriebskos­ten können ihnen dann doch egal sein oder nicht?
Christoph Paul Ritzkat: Sie sprechen das „Nutzer-Investor-Dilemma“ an? Hier hat sich im Zuge der jüngsten Finanz- und Immobilienkrisen einiges getan: Sogenannte „Green Buildings“ mit anerkannten Zertifizierungen wie LEED, BREEAM oder DGNB sind auf dem Immobilien­markt äußerst gefragt, weil sie auch in Krisen eine hohe Wertstabilität genießen.

IKZ-ENERGY: Die Vision vom „Smart Green Building“ klingt ja toll. Aber das ist doch eher Zukunftsmusik. Die größten Effizienz-Potenziale liegen heute im Gebäudebestand. Welche Rolle spielt Ihre Branche bei der energetischen Sanierung?
Christoph Paul Ritzkat: Wenn die Energiewende erfolgreich sein soll, müssen wir den Bestand anpacken. Trotzdem sind ­visionäre Projekte wichtig. Sie zeigen, was heute schon möglich ist. Um die Sanierungsrate zu erhöhen, brauchen wir nicht die einseitige Förderung bestimmter Maßnahmen. Sondern einen intelligenten Mix aus verschiedenen Instrumenten und technischen Lösungen. Und: Für die Akzeptanz der Energiewende ist es wichtig, dass Kosten und Nutzen
fair aufgeteilt werden. Hier sehe ich eine große Stärke der Gebäudeautomation: Sie bietet verschiedene geringinvestive Maßnahmen, die die Effizienz für wenig Geld deutlich erhöhen. Und gleichzeitig verbessern sie den Komfort für die Nutzer.

IKZ-ENERGY: Können Sie ein konkretes Beispiel für eine solche geringinvestive Maßnahme nennen?
Christoph Paul Ritzkat: Das Hochbauamt Coburg hatte ein Problem mit einer alten Schule. Die Heizkosten waren zu hoch. Eine Dämmung wäre zu teuer geworden. Also haben sie uns um Rat gefragt. Wir haben einfach alle Klassenräume mit einer intelligenten Heizungsregelung ausgestattet. Das Problem war gelöst. Die Ener­gieeinsparung lag bei fast 40 % und der Aufwand war minimal. Denn unsere Funk-Technologie ist schnell installiert – sie arbeitet ohne Batterie und Kabel. Das Projekt wurde sogar mit dem Bayerischen Umweltpreis ausgezeichnet.

IKZ-ENERGY: Das klingt nach einer ziemlich cleveren Lösung. Aber Smart-Heating haben inzwischen einige im Programm. Was ist das nächste Innovationsthema bei Kieback&Peter – woran arbeiten Sie gerade?
Christoph Paul Ritzkat: Ich will nicht zu viel verraten, aber wir beschäftigen uns gerade intensiv mit Themen wie Big Data, Künstliche Intelligenz, Virtualisierung und IT-Sicherheit …

IKZ-ENERGY:
… eine Menge Buzzwords, hinter denen sich alles und nichts verbergen kann. Könnten Sie vielleicht ein bisschen konkreter werden?
Christoph Paul Ritzkat: Nun, die Möglichkeiten der Digitalisierung sind noch lange nicht ausgereizt. Zum Beispiel arbeiten wir derzeit an einer prädiktiven Regelung, die nicht nur die Messwerte aus dem Gebäude nutzt, sondern über Schnittstellen auch externe Daten wie Wetterprognosen, Besucherströme oder Energiepreise in die Regelstrategie mit einbezieht.

IKZ-ENERGY:: Aber das ist doch riskant: In Zeiten von Terror und Hacker-Angriffen können Sie die technischen Anlagen eines Fußballstadions oder eines Kraftwerks doch nicht einfach so mit dem Internet verknüpfen?
Christoph Paul Ritzkat: Deshalb befassen wir uns ja auch intensiv mit dem Thema IT-Sicherheit. Wir gehen das proaktiv an und bieten unseren Kunden eine solide ­Sicherheitsarchitektur an. Ich warne jeden davor, seine Anlagen über eine unprofessionelle Eigenlösung ins Netz zu hängen. Auch beim Thema Ausfallsicherheit bieten wir vernünftige Lösungen: Zum Beispiel kann unsere Gebäudeleittechnik komplett virtualisiert und hochverfügbar in einem modernen Rechenzentrum betrieben werden.

IKZ-ENERGY: Aber ganz ehrlich: Nichts ist zu 100 % sicher – egal in welcher Branche.
Christoph Paul Ritzkat: Da stimme ich Ihnen zu. Es ist immer ein Wettlauf der Technologien. Bei meinem Radhändler habe ich mal einen guten Tipp bekommen: Ihr Fahrradschloss muss einfach nur ­dicker sein als das Schloss des Nachbarn.

IKZ-ENERGY: Gutes Stichwort: Wenn Ihnen die Nachhaltigkeit so am Herzen liegt, ­fahren Sie dann auch mit dem Rad zur ­Arbeit?
Christoph Paul Ritzkat: Nein, aber ich habe gleich zwei gute Ausreden: ­Erstens teste ich gerade ein Plug-in-Hybrid-­Fahrzeug. Zweitens bin ich als aktiver Marathon-Läufer wohl auch so ganz gut in Bewegung.

IKZ-ENERGY: Herr Ritzkat, vielen Dank für das Gespräch!

 


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