Kompromiss gefällig
Marktübersicht: Kastenwagen mit 3,5 t zulässiges Gesamtgewicht
Für das SHK-Handwerk empfiehlt sich der Kastenwagen als 3,5-Tonner, weil er dann mit vielen Talenten ausgestattet ist und zum Alleskönner taugt. Weder das Geschwindigkeitslimit von 80 km/h noch ein Mangel an Varianten bremst die Jobmaschine. Bis nahe 20?m³ bzw. mehr als 1,5?t Nutzlast können drin sein. Im Markt decken zehn Modelle diese Transporter-Klasse ab.
Im Handwerksbetrieb ist es gängige Praxis, besonders flexibel auf alltägliche Unwägbarkeiten reagieren zu können. Aufs Nutzfahrzeug bezogen stellt sich die Frage: Warum auf ein paar Hundert Kilogramm an Nutzlast verzichten und in einen 2,8- oder 3,3-Tonner investieren? Mit dem 3,5-Tonner (bezieht sich aufs zulässige Gesamtgewicht = zulGG) ergibt sich ein Maximum an Möglichkeiten – wobei in der Fahrzeuggröße Kompromisse geschlossen werden müssen. Die maximale Nutzlast eines Transportermodells mit 1,5 oder auch mit mehr als 2t wird nur durch einen kurzen Radstand in Kombination mit dem Normaldach erreicht werden können. Wer sich für diese Variante entscheidet, hat sich die Option für Großvolumiges verbaut. Wählt man das andere Extrem, den längsten Radstand plus einen langen Überhang, dann wird man einen Maxi-Transporter mit 17 Kubik oder mehr auf dem Hof stehen haben – wenn das Laderaumwunder überhaupt bis dahin rangieren kann! Auch wird ein solches Vehikel nicht mehr als Nutzlastriese gelten können, denn die verwindungssteife Konstruktion des Aufbaus beansprucht einen erheblichen Anteil des zulässigen Gesamtgewichtes: Rund 1200 kg Fracht bedeuten für solche Kasten-Jumbos bereits die Schmerzgrenze in der 3,5-Tonnen-Klasse. Wenn der Transporter dennoch mehr tragen müsste, wäre beim Kastenwagen mit mehr als 4?t zulGG automatisch ein Tachograph (max. 80 km/h) an Bord. Oder man müsste sich bei den nicht wetterfesten Pritschenvarianten umsehen bzw. für einen Kofferaufbau tiefer in die Tasche greifen. Deshalb der maximale Kompromiss: Mittelpunkt dieses Beitrages soll der vollverblechte oder teilverglaste Kasten mit seinen (Ausbau-)Möglichkeiten sein, der sich als Serienfahrzeug im Wechselspiel von Angebot und Nachfrage vergleichsweise günstig in Dienst stellen lässt.
Stehhöhe von 190 cm ist angenehm
Für viele erweist sich offenbar der Transporter mit mittlerem Radstand bei mittelhohem Dach (Stehhöhe 190 cm) als guter Kompromiss. Im Handwerk wird er von den meisten Betrieben favorisiert. Gut 10 m³ im Frachtraum können hier den alltäglichen Transportbedarf realisieren und mit einer Gesamtlänge von 6?m sowie einem Wendekreis von ca. 13,5?m ist auch die Liefertour in die City reine Routine. Über das allgemeine Handling in der Transporterklasse müssen nicht viele Worte gemacht werden. Fahrwerk, Bremsen und Sicherheitsausstattung im mehr oder weniger geräumigen Cockpit ist bei allen Transportern zumindest alltagstauglich, wobei Crafter/Sprinter zeigen, wo an der Fahnenstange „oben“ ist.
Manche Marken ähneln sich
Einzelne Marken können die Forschung und Entwicklung für Transporter kaum mehr allein bewerkstelligen. Kooperationen kennzeichnen deshalb diesen Markt, um die beträchtlichen Investitionen zumindest in einzelnen Bereichen mit Mitbewerbern zu teilen. Beim Duo Crafter/Sprinter sind beispielsweise Frachtraum und Cockpit gleich, doch die Motoren unterschiedlich. Seit vielen Jahren hat diese Zusammenarbeit Bestand, wird aber im Jahr 2016 auslaufen, weil VW ab da den Crafter auf eigene Räder stellen will.
Seit langem unzertrennlich zeigt sich dagegen die Entwicklung der Drillinge Boxer/Ducato/Jumper. Sie sind auch jetzt im gerade gestarteten Modelljahr 2015 bis auf Front und Akzente beim Interieur identisch. Gemeinsam rollen auch die Zwillinge Master/Movano vom Band und zeigen in diesem Jahr ein jeweils leicht modifiziertes Markengesicht. Das bleibt dem Dritten im Bunde, dem Nissan NV400 (noch) vorenthalten. Das war auch in der Vergangenheit so, denn die Strategie von Renault-Nissan und Opel sieht vor, dass Master und Movano im Vordergrund stehen sollen.
Entwicklung bei Fahrwerk und Motoren
Klarglasscheinwerfer und ein markentypisches Outfit der Front wären allerdings zu wenig, um die Transporter auf einen attraktiven und zeitgemäßen technischen Stand zu heben. Grundlegende Veränderungen hat es auch im Verborgenen gegeben: Beim Master/Movano/NV400 kann der Kunde seit 2010 einen Heck- oder Frontantrieb bekommen – diese Option gab es bis dahin nur beim Transit. Das Flaggschiff von Ford zeigt sich noch vielseitiger: Auch beim neuen Modell ist es möglich, sich entweder für einen Front- oder Heckantrieb zu entscheiden oder die Allrad-Variante zu wählen.
Emissionsreduzierte Motoren zu bringen, stand in den letzten Jahren ganz oben im Pflichtenheft der Hersteller. Mussten alle Transporter mit dem Modelljahr 2012 die Grenzwerte der Abgasstufe Euro5 erfüllen, so befindet man sich jetzt in der Übergangszeit zu Euro6, die bei den 3,5-Tonnern spätestens ab Herbst 2016 einzuhalten ist. Es gibt Marken wie Daimler, Iveco und VW, die konsequente Zeichen setzen wollen oder zumindest einen Teil ihrer Diesel-Aggregate fit für Euro6 gemacht haben. Andere dagegen zögern diesen Schritt pro Umwelt möglichst weit hinaus, weil das Plus an Motorentechnik die Fahrzeuge verteuert.
Frachtraum darf nicht spartanisch sein
Wenn auch der Frachtraum das Entscheidende am Transporter ist, mit dem der Handwerker Geld verdienen kann – bemerkenswert neue Entwicklungen haben die Hersteller dem Blech-Kubus in den letzten Jahren nicht zugute kommen lassen. Allenfalls in der Ladungssicherung hat es Aha-Erlebnisse gegeben, wie beispielsweise ausgewiesene Fixpunkte für Verzurrleisten auch im mittleren und oberen Frachtraumbereich. Dies sind allerdings Weiterentwicklungen, die man der Liste der Sonderausstattungen entnehmen kann. Die meist beeindruckenden Aufpreise lassen den plakativ günstigen Einstiegspreis beim Transporter schnell vergessen. Wer einen 3,5-Tonner in Basisausstattung haben will, der handelt sich nach wie vor einen Laderaum mit halbhohen Pappwänden ein und wird über die Verzurrösen am Boden hinaus kaum weitere Möglichkeiten finden, um seine Fracht möglichst sicher ans Ziel zu bringen.
Die Kritik geht weiter: An den Hecktüren können massive Rasterschienen für eine 90-Grad-Arretierung sorgen. Um Sie aufzuheben und die Flügeltüren weiter öffnen zu können, kann man beispielsweise einen komfortablen Druckknopf betätigen. Statt dass eine solche Erfolgsmethode prinzipiell von allen Mitbewerbern übernommen wird, muss sich der Praktiker mit teilweise hakeligem Gestänge (Klemmgefahr!) zufrieden geben.
Ausbau macht den Frachtraum tauglich
Großes vollbracht haben die Autobauer ohne Zweifel mit der üppigen Dimensionierung aller Ladeöffnungen, die bis ins Hochdach reichen. Auch an der Option einer zweiten Schiebetür besteht kein Mangel. Dadurch lassen sich selbst sperrige Teile komfortabel einladen. Doch seit Jahren bringen die Markenhersteller für den Laderaum kaum Innovationen. Es sind vielmehr die Ausbauspezialisten, die den Markt der Möglichkeiten bestimmen (siehe dazu Beitrag ab Seite 46).
Von der variablen leichtgewichtigen Werkstatteinrichtung (Sortimo Globelyst mit Easy-Click) bis hin zur Fertigkombination von Trennwand und Rücksitzbank (Snoeks Automotive) wird für die Frachtertauglichkeit Erstaunliches geleistet. Übrigens: Solche integrierten Doppelkabinen bieten einige Hersteller jetzt auch in ihren Wunschausstattungen direkt ab Werk. Doch das sollte der Kaufinteressent durch Selbststudium der Unterlagen selber in Erfahrung bringen. Im Nutzfahrzeugzentrum passiert es nicht selten, dass der Kunde kundiger ist als der vermeintliche Fachberater.
Auf Werterhalt des Fahrzeuges achten
Wem es im Frachtraum auf eine solide Innenverkleidung ankommt, dürfte im Angebot der Blomberger Holzindustrie Hausmann (www.vanycare.de) fündig werden. Passend zugeschnitten für die verschiedensten Fahrzeugtypen kann man die werterhaltenden Abdeckungen für Wände und Boden auch selbst montieren. Sogar bei einigen Marken greift man auf das Sortiment aus Sperrholz oder Verbundwerkstoff zurück, um eine solche Lösung in der Wunschausstattung listen zu können.
Ladungssicherung hat hohe Bedeutung
Durch die vielfältigen Aufgaben im Handwerksbetrieb wird meist eine Menge Werkzeug, Hilfsmittel und Material benötigt, die im Transporter Platz finden sollen. Was jedoch macht diese Fülle im Laderaum, wenn der Fahrer eine Vollbremsung hinlegt oder den Crash nicht mehr vermeiden kann? Viele Fahrer trauen der meist obligatorischen Trennwand die Standhaftigkeit einer Sperrmauer zu, doch ist das dünne Blech nur eine Komponente in der Maßnahmenkette. Hinzu kommen muss die Ladungssicherung durch Zurrgurte oder Spannstangen, damit die Gefahr bereits an der Quelle gebannt werden kann. Sind schwere Teile nämlich nicht sicher untergebracht, können sie eine zerstörerische Flugbahn entwickeln, der die dünne Trennwand keineswegs gewachsen sein muss.
Beklagenswert ist, dass in Laderäumen oft keine definierten Verzurrpunkte im mittleren und oberen Bereich zu finden sind, obwohl große oder sperrige Teile dort häufig fixiert werden müssen, um ein Wanken zu verhindern. Wenn jedoch vollflächige Seitenverkleidungen in oberen Bereichen mit Verzurrleisten kombiniert sind – und die auch entsprechend genutzt werden – ist man mit Sicherheit besser unterwegs.
Schlussbemerkung
Bis mindestens zum Jahr 2020 soll die Reduzierung von Schadstoffen durch Verbrennungsmotore weitergehen – dies ist erklärtes Ziel der EU. In diesem Trend liegt auch die Schadstoffgrenze Euro6, die für Transporter spätestens ab September 2016 gilt und gegenüber Euro5 nochmals deutlich verschärfte Schadstoffgrenzen vorgibt. Wer sich jetzt bereits für einen modernen Euro6-Motor entscheidet, investiert in eine zeitgemäße Technik. Der Verkaufswert wird dies in einigen Jahren widerspiegeln.
Elektroantriebe werden für den Handwerksbetrieb und seine Belange auf absehbare Zeit keine Rolle spielen. Sie vermögen weder im Aktionsradius noch bei der Nutzlast oder gar im Kosten/Nutzen-Verhältnis konkurrenzfähig sein. Wer allerdings an einem besonders schadstoffarmen Fahrzeug interessiert ist, kann dies nach wie vor durch einen Erdgasantrieb realisieren. Bei den 3,5-Tonnern machen Sprinter, Daily und Ducato (ab 2015) dieses Angebot. In vielen Regionen steht eine ausreichende Infrastruktur bereit und oftmals wird dem Erdgas bereits ein biogener Anteil beigemischt, sodass Emissionen und Umweltbilanz in einem besonders guten Verhältnis zueinander stehen.
Autor: Thomas Dietrich, als freier Journalist hat er sich fachlich u.?a. auf Nutzfahrzeuge spezialisiert.
Punkte für die Kaufentscheidung
- Gibt es eine Stehhöhe von 190 cm, lässt sich der Frachtraum deutlich besser begehen und das Handling mit Material und Maschinen fällt leichter. Meist erfüllt das mittelhohe Dach diese Voraussetzung – möglich sind sogar Superhochdächer mit 210 cm Stehhöhe.
- In der Standardversion eines Kastenwagens ist der Frachtraum oftmals lediglich halbhoch mit dünnen Kunststoffplatten verkleidet. Der Boden kann völlig ungeschützt sein. Das ist nicht alltagstauglich. Deshalb sollten Sonderausstattungen ab Werk oder die Nachrüstung beim Fahrzeugausbauer für die nötige Verkleidung plus Verzurrmöglichkeiten im oberen Bereich sorgen.
- Ist der Kastenwagen nicht voll verblecht, sondern sind Trennwand und rechte Schiebetür verglast, hat der Fahrer eine bessere Sicht, beispielsweise bei vorfahrtberechtigten Straßen.
- Auch für die Baustelle wichtig: Eine Heckkamera oder zumindest Abstandswarner für den Heckbereich erleichtern das unfallfreie Rangieren ungemein.
- Unter den 3,5-Tonnern sind bereits Motoren mit Euro6 verfügbar – das ist sicher ein Beitrag zur möglichst schadstoffarmen Fortbewegung. In wenigen Jahren, wenn diese Technik Standard ist, kann sich dies auch im Wiederverkaufswert auszahlen.