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Neue Wärme aus der Ferne

Freiflächen-Solarthermieanlagen dienen Stadtwerken, ihre Netze zu dekarbonisieren

Blick auf das Kollektorfeld und die Wärmeübergabestation von Deutschlands größtem Solarheizwerk mit Röhrenkollektoren. Die Anlage befindet sich in Senftenberg (Brandenburg). (Stadtwerke Senftenberg; Ritter- Energie- und Umwelttechnik)

Deutlich zu sehen sind die Unterschiede zwischen den Ist-Soll-Werten der ersten beiden Messjahre in Senftenberg. Das Kollektorfeld erwirtschaftete im Supersommer 2018 Wärme deutlich über dem Erwartungshorizont. Die jahreszeitlichen Schwankungen bleiben zwar, doch in der Tendenz schieben sich die Ist-Werte nach oben. (Stadtwerke Senftenberg; Ritter Energie- und Umwelttechnik)

Die Messungen zeigen, dass auch im dritten Betriebsjahr (2019) über die ursprüngliche Prognose hinaus erwirtschaftet wurde. (Tabelle: Stadtwerke Senftenberg; Ritter Energie- und Umwelttechnik)

Das Feld in Senftenberg besteht aus Röhrenkollektoren. Diese sind zwar teurer als Flachkollektoren, aber auch effizienter. (Stadtwerke Senftenberg; Ritter Energie- und Umwelttechnik)

 

Immer mehr Stadtwerke in Deutschland bekunden ihr Interesse am Bau von großen Freiflächen-Solarthermieanlagen, die an Fernwärmenetze angeschlossen werden. Es gibt mehrere Gründe dafür. Der nachfolgende Beitrag beleuchtet das Thema an der bislang noch größten thermischen Solaranlage Deutschlands in Senftenberg (Brandenburg), auch angesichts des Klimawandels und seinen Auswirkungen auf die Erträge.

Diese Solarthermieanlage ging im August 2016 auf einer ehemaligen Deponie nach ca. 5-monatiger Bauzeit in Betrieb und unterstützt seitdem mit 8300 m2 Vakuumröhrenkollektoren ein städtisches Fernwärmenetz. Im Rekordjahr 2018 lieferte sie 1/4 mehr Fernwärme als durchschnittlich erwartet wird und 1/3 mehr als dem Energieversorger von den Erbauern der Anlage garantiert wurde. Dieser Mehrgewinn übersteigt weit die Abweichung der Jahreseinstrahlung vom Mittel. Ist das noch plausibel?

Zahlen aus den Wechseljahren

Am 15. August 2016 wurde die Solaranlage in Betrieb genommen. Vom 16. bis 18. August wurden unter Aufsicht eines Sicherheitsbeauftragten thermische Stagnationen bei wechselhaftem Wetter und bei voller Einstrahlung von ca. 1000 W/m2 getestet. In den ersten 3 Betriebsjahren speiste die Anlage dann 13,2 GWh in das Fernwärmenetz. Die Einspeisung der Solarwärme erfolgt wie im Heizwerk in den Vorlauf mit jahreszeitlich gleitenden Kollektortemperaturen zwischen 90 und 105 °C. Nur bei sehr schwacher Einstrahlung, vor allem morgens beim Anfahren und abends zur „Resternte“, schaltet die Solaranlage auf Rücklauftemperaturanhebung um, was übers Jahr weniger als 5 % ausmacht.

2017 brachte 0,6 % weniger Einstrahlung als im Durchschnitt erwartet, wobei die monatlichen Ist-Soll-Differenzen von -17 % (April) bis +18 % (August) reichten. Dank konservativer Planung wurde der Wärmegewinn ins Netz mit knapp 4 GWh um ca. 4 % überschritten. Von der gesamten Einstrahlung auf die Bruttofläche des Kollektorfelds kamen 41,8 % dem Wärmenetz zugute. Dagegen war 2018 mit 14,4 % Einstrahlung über dem Durchschnitt spektakulär, ebenso mit monatlichen Ist-Soll-Differenzen von +89,3 % (Februar) bis -38,7 % (Dezember). 7 Monate waren weit über Soll, nur der März, Juni und September waren halbwegs normal. Der Wärmegewinn ins Netz wurde mit 4,72 GWh um ca. 24 % überschritten. Von der gesamten Einstrahlung auf die Bruttofläche des Kollektorfelds kamen 43,2 % dem Wärmenetz zugute – ein noch höherer Jahresnutzungsgrad als 2017, weil der Mehrertrag überwiegend an Sommertagen mit höheren Tagesnutzungsgraden erwirtschaftet wurde.

Gute Performance

Der Ertrag stellt sich proportional zur Einstrahlung ein, der Tagesnutzungsgrad nimmt hingegen bei kurzen Tagen und schlechtem Wetter überproportional ab. Der Break-even-Point, ab dem die Anlage überhaupt etwas bringt, liegt dank der hohen Kollektoreffizienz bei nur etwa 1 kWh/m2 Tageseinstrahlung. Um täglich mindestens 10 MWh ins Netz einspeisen zu können, was im Mittel von der Anlage erwartet wird, sind Tageseinstrahlungen von mindestens 3 kWh/m2 notwendig.

Die mit stets über 42 % hohen Jahresnutzungsgrade sind ebenfalls Ausdruck einer hohen Kollektorflächeneffizienz, welche aktuelle Photovoltaik um Faktor 3 und Flachkollektoren bei den Senftenberger Netztemperaturen um Faktor 1,5 bis 2 übertrifft. Sie zeigen nebenbei, dass vor allem die Tage mit einer Einstrahlung über 2,5 kWh/m2 für den Solarertrag maßgebend sind.

Der Wärmebedarf für den Frostschutz wird, wie auch die Anfahrverluste, immer mit gemessen und spielt offensichtlich so gut wie keine Rolle. Der Frostschutzbedarf von ca. 1,3 % des Netzwärmeertrags entsteht jährlich von Oktober bis April. Davon wurden bisher erst 5,9 MWh, also nur 0,06 % des Netzwärmegewinns, wieder aus dem Fernwärme-Netz geholt. Zu über 99,94 % genügte dazu in Senftenberg die ungenutzte Restwärme, die bei Vakuumkollektoren auch bei wenig Strahlung noch übrig bleibt.

Blick auf das Anfahren

Die Anfahrverluste bestehen aus der erforderlichen Wärme zum Aufwärmen der Anlage, v. a. am Morgen, sowie aus den Verlusten nach dem Abschalten, v. a. nachts. Sie verteilten sich übers Jahr fast gleichmäßig. Dabei gleicht es sich aus, dass sie an Wintertagen natürlich viel höher sind, die Anlage dafür dann aber seltener startet. Insgesamt sind die Anfahrverluste umso geringer, je geringer die Speicherkapazität des Kollektorfeldes ist, weshalb dabei flinke Vakuumkollektoren mit Wasser als Wärmeträger besonders gut abschneiden, weil Wasser mit den geringsten Rohrquerschnitten und damit insgesamt mit dem geringsten Kollektorfeld-Wärmeträgerinhalt auskommt. Die Th eorie und eine weltweite ca. 40-jährige Solarthermiepraxis zeigten bisher, dass nur Hochleistungskollektoren Dank ihrer Vakuumdämmung auch bei Wintern wie in Mitteleuropa einen ganzjährigen Betrieb mit Wasser sinnvoll ermöglichen.

 

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Solare Fernwärmenetze

Vor dem Hintergrund, dass die Politik auch den Wärmesektor mit einem CO2-Preis belegt, rücken Energiequellen in den Fokus, die helfen, den Wärmesektor zu dekarbonisieren, z. B. auch die Wärme aus Fernwärme. Mittlerweile gibt es auch viel technische Erfahrung und Erfahrung im Betrieb solcher Heizwerke, die z. B. im Vorreiterland Dänemark gesammelt wurden. Aber auch hier in Deutschland, wo das Th ema solare Fernwärme vergleichsweise noch in den Kinderschuhen steckt, gibt es etliche Anlagen und bereits Erfahrungswerte, von denen neue Projekte jetzt profitieren können, so z. B. aus dem Projekt Senftenberg (Brandenburg). Den Platz der größten Anlage Deutschlands wird bald die in Ludwigsburg/Kornwestheim einnehmen (14 800 m2), die seit 2019 gebaut wird. Die offizielle Inbetriebnahme ist für Mai 2020 geplant. Allerdings werden hier Flachkollektoren verbaut, wohingegen das Feld in Senft enberg aus Röhrenkollektoren besteht, sodass Senft enberg weiter den Rekord als größtes Solarkollektorfeld dieser Art inne haben dürfte. Da Sonne und Wind nun einmal fluktuierende Energiequellen sind, stellt sich natürlich immer wieder die Frage, wie zuverlässig bzw. kontinuierlich eine solche Anlage Fernwärme liefern kann und wie effizient sie ist.

Nicht nur in Dänemark: Auch in Deutschland gibt es bereits etliche Anlagen, die solare Fernwärme ins Netz einspeisen. Die Dimensionen sind im Vergleich zum Nachbarland allerdings noch klein.

Bild: Ritter Energie- und Umwelttechnik

 

 

Erste Erkenntnisse Klimawandel

Für 90 % der erwarteten ins Netz zu speisenden Solarwärme bekamen die Stadtwerke Senft enberg eine pönalisierte Garantie als Grundlage einer seriösen garantierten Wirtschaft lichkeit, denn die Solaranlage entstand als unternehmerische Pionierleistung ohne Forschungsmittel unter Inanspruchnahme des KfW-Programms Erneuerbare Energien (271). Da die gemessenen Erträge die erwarteten bisher um 15 % übertrafen, wurden die garantierten Werte bisher um 28 % übertroff en. Ein Überschuss an Einstrahlung schlägt sich offenbar in einem prozentual viel höheren Überschuss an Gewinn nieder, weil sich die anlagenspezifischen Wärmeverluste, insbesondere die täglichen Anfahrverluste, bei mehr oder weniger Einstrahlung kaum ändern, denn vor allem verlängern sich bei mehr Sonnenschein die Betriebsstunden mit überdurchschnittlichem Nutzungsgrad. Dann wird „überschüssiger“ Kollektorertrag weitgehend, d. h. bis auf Wärmeverluste, die nicht den Anfahrverlusten zuzuordnen sind, in Systemertrag überführt. Von dieser Verstärkung profitieren thermische Kollektoren absolut (d. h. in Mehrsystemertrag pro Mehreinstrahlung) umso mehr, je größer ihr Kollektorertrag überhaupt ist. Etwas salopp ausgedrückt werden dabei Klimaschwankungen bzw. „der Klimawandel“ vorteilhaft verstärkt. Andererseits fällt in einem unterdurchschnittlichen Jahr der Systemertrag ebenfalls prozentual noch schwächer aus als die Einstrahlung. Da sich in Mittel- und Nordeuropa (mit wechselhaft em Wetter und im Weltmaßstab eher wenigen Sonnenstunden) Minderungen der Jahreseinstrahlung rasch negativ auf die Anfahrverluste auswirken, ist die Verstärkung in diese Richtung jedoch schwächer. Allgemeiner ausgedrückt nimmt der „Klimawandel-Verstärkungseff ekt“ mit zunehmend strahlungsreicherem Wetter und mit der Effizienz von Kollektoren zu.

Wettbewerbsreife Technik

Die Ergebnisse von Senft enberg zeigen, dass die Technik für den Markt solarthermischer Unterstützungen deutscher Fernwärmeversorgungen mit hohen Vor- und Rücklauft emperaturen zu wettbewerbsfähigen Wärmepreisen reif ist. Wo sich der Klimawandel in mehr Sonnenscheindauer niederschlägt, werden davon Solarthermieanlagen überproportional profitieren. Von allen erneuerbaren Optionen ist die Hochleistungs-Solarthermie eine der naheliegendsten, ausgereiftesten und umweltschonendsten. Dürft e sie als gleichberechtigter Wärmeerzeuger am CO2-Zertifikatehandel teilnehmen, wäre sie sehr bald unabhängig von Subventionen.

Das Vorbild Senft enberg sowie ähnliche, aber kleinere Solaranlagen für Bioenergie-Solardörfer motivierte bereits einige Nachahmer. Seit der öff entlichen Bekanntmachung des Baus dieser Anlage entstanden einige weitere Projekte mit dieser Technologie u. a. in den Städten Jena, Berlin, Dresden, Ulm, Erfurt und Potsdam sowie im ländlichen Raum im fränkischen Hallerndorf, in den Gemeinden Neuerkirch und Külz sowie in Ellern im Hunsrück, in Randegg nahe dem Bodensee, im schleswigholsteinschem Breklum, in Gimbweiler und Kempen.

Autor: Rolf Meißner, Leiter F&E solare Großanlagen, Ritter Energie- und Umwelttechnik

 


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