Zentralverband – Störungsfreier Ablauf
Grundstücksentwässerung: Starkregen fällt ergiebiger als erwartet – regionale Berechnungswerte müssen korrigiert werden
Wie lässt sich unterhalb der Rückstauebene störungsfrei entwässern? Neue Hybridsysteme bieten ein Plus an Sicherheit. Leitungsschäden lassen sich nach bewährten Regeln sanieren, sogar in großen bewohnten Anlagen – wenn die Koordination stimmt.
Die DWA (Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall) veranstaltet in Zusammenarbeit mit dem ZVSHK seit vielen Jahren einen Expertentreff für den Bereich Entwässerung und Regenwasserbewirtschaftung. Wer wissen will, was es für neue Entwicklungen in der Entwässerungstechnik gibt, kann auf dem Expertentreff für das Fachhandwerk und für kommunale Entscheider wichtige Impulse mitnehmen. Das betrifft neue technische Geräte oder Sanierungsverfahren, die sich auch teilweise in einer Begleitausstellung begutachten lassen. Auch erfährt man in etlichen Vorträgen, was sich in Normen und Regelwerken ändert.
Und wer hätte das gedacht? Zunächst wollte der Normenausschuss der DIN 1986-100 nötige Änderungen mit nur ein, zwei Beiblättern auf einen aktuellen Stand bringen. Doch das war nicht zu machen. Auf den Entwässerungstagen in Fulda (25. und 26. Januar 2016) gab Klaus-Dieter Sondergeld einen Überblick zu den mittlerweile zahlreichen Änderungen in dieser wichtigen nationalen Ergänzungsnorm. In Kürze wird ein Gelbdruck herausgegeben und Ende 2016 könnte die Novellierung fertig sein. Einige bedeutsame Gründe für Änderungen:
- Starkregen ist in den letzten Jahren in so großer Stärke registriert worden, dass die sogenannten Kostra-Daten für Niederschlagsmengen in einigen Regionen Deutschlands korrigiert werden mussten.
- Für versiegelte Flächen auf Grundstücken bis zu einer Größe von 800 m2 ist kein Überflutungsnachweis erforderlich. Dort lassen sich auch in Zukunft Niederschläge ohne besondere Auflagen in den öffentlichen Kanal einleiten – kommunale Besonderheiten könnten dennoch hinzukommen. Bei großen Industrieflächen muss sich der Fachplaner allerdings auf Neuerungen einstellen, die eine kontrollierte Überflutung, Versickerung und den verzögerten Ablauf betreffen.
- Die Entwässerung von Balkon oder Loggia darf nur dann an die Fallleitung der Dachentwässerung angeschlossen werden, wenn mindestens 50 % der Brüstung einen freien Ablauf ermöglichen, sodass kein Aufstau entstehen kann. Auch soll die übermäßige Belastung des Entwässerungssystems bei Starkregen verhindert werden.
- Bei kleinen Kühlaggregaten auf dem Dach muss gemäß AwSV (Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen) eine vorgeschriebene Auffangwanne von max. 10 m2 unter Beachtung der max. Ablaufmenge von 1 Liter pro Sekunde in eine Fallleitung DN 100 entwässern (siehe Grafik). Voraussetzung dafür ist, dass für diese Neuerung die seit einiger Zeit auf Eis gelegte AwSV in Kraft tritt. Das könnte durchaus im Laufe 2016 erfolgen.
Gefahren möglichst ausschließen
Sind Abscheider für Fette explosionsgefährdet? Müssen Hebeanlagen zukünftig anders konstruiert werden, damit sich Faulgase nicht unter ungünstigen Bedingungen entzünden können? Wie lässt sich verhindern, dass Leichtflüssigkeitsabscheider bei Starkregen durch Überflutung versagen? Michael Ummenhofer berichtete über die Arbeit, die sich der Normenausschuss für die relevanten nationalen Regelwerke DIN 1999-100 sowie DIN 4040-100 vorgenommen hat. Im Laufe des Jahres finden Einspruchsberatungen statt und danach können Antworten und Lösungen für die oben genannten Fragen in die Normen eingearbeitet werden.
Unter Rückstauebene sicher entwässern
Wie schon auf der Tagung vor einem Jahr ging es um Lösungen für die Entwässerung unterhalb der Rückstauebene. Wenn Abwasser im Normalfall gerade noch im Freispiegel in den öffentlichen Kanal abfließen kann, kann eine Rückstauklappe im Notfall wirken. Doch das birgt ein Risiko, wenn diese einfache Technik versagen sollte und sichert nicht den weiteren Betrieb der Entwässerungsanlage.
Hat dagegen eine Hebeanlage nach heutigem Stand der Technik mehr Sicherheit zu bieten? Ja, kann die Antwort sein, doch ist dies nur mit Energieeinsatz (Stromanschluss) für die Hebeanlage möglich. Roland Priller (Fa. Kessel) schlug eine Hybridtechnik vor, die die Vorteile beider Systeme miteinander kombiniert: Im Normalfall kann das Abwasser ungehindert im Freispiegel fließen. Sollte ein Rückstau entstehen, schließt eine selbsttätige Sicherheitsklappe und je nach Behälterstand pumpt eine Hebeanlage über die Rückstauebene hinweg ab und hält somit den Entwässerungsbetrieb aufrecht.
Ohne Hebeanlage läuft nichts, wenn die unterste Geschossebene deutlich unter dem Niveau des öffentlichen Kanals liegt. Welche technischen Komponenten dann zu installieren und welche Regelwerke zu beachten sind, erläuterte Marco Koch (Fa. Jung-Pumpen) in einer Übersicht (siehe Grafik).
Lüfterhaube kann Funktion drosseln
Bernd Ishorst (IZEG, Infozentrum Entwässerung Guss) machte auf einen wichtigen Punkt in der Entwässerung von Gebäuden aufmerksam. Weil bereits sehr geringe Differenzdrücke darüber entscheiden, ob die einwandfreie Funktion gegeben ist oder der strömungstechnische Ablauf in der Fallleitung gestört wird, muss der Lüfterhaube „über Dach“ eine besondere Beachtung zukommen. Luftumlenkungen von mehr als 90 Grad, beispielsweise durch eine Glockenhaube, können da durchaus problematisch sein. Nicht Design darf Priorität haben, wie dies von manchen Architekten diktiert wird, sondern die einwandfreie Funktion. Darum sind SHK-Fachleute gut beraten, wenn sie ausschließlich Belüftungsventile verwenden, die nach DIN EN 12380 geprüft sind. Dies ist auch ein wichtiger Prüfpunkt, wenn der Fachbetrieb einen Entwässerungs-Check durchführt.
Die Bahn entwässert am häufigsten
Wenn es um die Entwässerung von Grundstücken geht, kommen bundesweit neben kommunalen Satzungen Dutzende weitere rechtliche Rahmenbedingungen der Länder zur Anwendung. Von der Kleingartenkolonie bis zum Hauptbahnhof: Der Großbetrieb Deutsche Bahn hat ein riesiges Arsenal an Grundstücken über die gesamte Republik verteilt und sieht sich deshalb mit besonders zahlreichen und unterschiedlichen Regelungen für die Grundstücksentwässerung konfrontiert. Jutta Eckl-Hüttemann präsentierte eine Auflistung und wusste von kommunalen Besonderheiten und Unterschieden sowie manchen schwierigen Genehmigungsverfahren, mit denen sich Fachplaner bei wesentlichen Änderungen in den Liegenschaften auseinandersetzen müssen.
Mängel richtig einschätzen
Für die Instandhaltung von Grundstücksentwässerungen wurden Vorgaben in der DIN 1986 Teil 30 geregelt und vor etwa vier Jahren auf einen aktuellen Stand gebracht. Als Sachverständiger in diesem Bereich erläuterte Olaf Kaufmann, welche Schäden und Fehler heute häufig vorkommen, wie man bei der Schadensdokumentation fachgerecht vorgeht, wie dringend eine Reparatur ausgeführt werden muss und welche typischen Fehler gemacht werden.
Als wichtige Hilfe für den Fachmann hat der ZVSHK zusammen mit dem DIN/Beuth für Mitgliedsbetriebe die Norm plus Kommentar herausgegeben. In der Kommentierung werden alle Zusammenhänge von der Dokumentation über die Zustandserfassung, die Bewertung sowie die Sanierungsverfahren, Prioritäten und Zeiträume detailliert erläutert. Auch sind praxisgerechte Hintergrundinformationen zu allen Abschnitten der Norm enthalten. Mit mehr als 250 Bildern, Skizzen und Darstellungen werden die einzelnen Sachverhalte wie die Schadensklassen ergänzend erklärt – nicht zuletzt für den Sanitärfachbetrieb ein wichtiger Ratgeber im Baustellenalltag.
Mitglieder der SHK-Organisation erhalten den Kommentar einschließlich DIN 1986-30 zum Mitgliedspreis von netto 49,50 Euro plus Nebenkosten. Die Bestellung ist über den SHK-Onlineshop von www.zvshk.de möglich (Quicklink QL6614361).
Umfangreiche Sanierung im Bestand
Norbert Krückel (Ingenieurbüro Franz Fischer) berichtete von der erfolgreichen Sanierung des Entwässerungssystems einer Anlage mit 92 Wohnungen in Ingolstadt. Das Besondere: Sie konnte in Absprache mit den Bewohnern realisiert werden, ohne dass große Bereiche aufgrund der umfangreichen Baumaßnahmen unbewohnbar wurden. Der Bauherr hatte sich zu der Sanierung entschlossen, um eine klare Trennung zwischen Regenwasser und häuslichen Abwässern vorzunehmen und weil er immer wieder auftretende Störungen, zu denen auch ungenügende Reparaturen gehörten, nicht länger hinnehmen wollte. Seit Errichtung Anfang der 1970er-Jahre gab es verschiedenste Erweiterungen der Wohnanlage, die letztlich zu vielen verwirrenden Komplikationen in der Entwässerungstechnik führten. Das erfreuliche Ergebnis: Auch im Bestand können sehr umfangreiche Baumaßnahmen realisiert werden, wenn die Bauleitung zusammen mit der Hausverwaltung auf eine möglichst große Transparenz im Bauverlauf achtet und die beteiligten Baufirmen zu einer weitreichenden Koordination verpflichtet.
Die Entwässerung aller obenliegenden Wohnungen wird jetzt über abgehängte Leitungen geführt, die Souterrain-Wohnungen entsorgen Abwässer über rückstausichere Hebeanlagen, die teils in den Außenbereich (Grünanlage) verlagert wurden. Hauptstränge verlaufen wo immer möglich in abgedeckten Rinnen. So ließen sich ursprünglich 300 Meter erdverlegte Leitungen in Gebäuden bis auf 20 Meter reduzieren – für die Inspektion oder eine Sanierung bietet diese radikale Änderung des Entwässerungskonzeptes in Zukunft komfortable Bedingungen.
Auf einen Blick
Der jährlich stattfindende Treff bot eine ausgewogene Mischung an Themen, wie sich Regenwasser störungsfrei und umweltgerecht ableiten lässt oder wie häusliche Abwässer ohne Komplikationen über die Rückstauebene gefördert werden können. Schäden in Leitungen zu erkennen und dafür die geeignete Sanierung zu wählen, beschäftigte die Teilnehmer in vielen Punkten. Sowohl für Sanitärfachleute im Handwerk als auch für kommunale Entscheider bietet der Expertentreff wichtige Infos für ihre tägliche Arbeit in der Entwässerungstechnik. Für Fulda gibt es auch bereits den nächsten Termin: 24./25. Januar 2017. TD