Werbung

Wohin mit ausgedienten PV-Anlagen? Recycling von Solarstrom-Modulen

Seit knapp einem Jahr ist PV Cycle in Betrieb, das freiwillige Rücknahmesystem der Solarwirtschaft. Sammelstellen im ganzen Bundesgebiet nehmen Alt-Module kostenlos zurück und leiten sie weiter zur Wiederverwertung. Eine der größten deutschen Recyclinganlagen gehört dem Modul-Hersteller Solarworld.

Die bislang größte Recyclinganlage für PV-Module in Deutschland steht in Freiberg in Sachsen…

 


…und gehört einer Tochterfirma des Modulherstellers Solarworld.

2010 war das Jahr der Photovoltaik. Nach Angaben des Bundesverbandes Solarwirtschaft wurden schätzungsweise bis zu acht GW Leistung in Deutschland neu installiert. Allein in den ersten sechs Monaten des Vorjahres wurden demnach mit 3,8 GW mehr installiert als im ganzen Jahr 2009. An Demontage und Wiederverwertung wird beim Kauf einer PV-Anlage meist nicht gedacht. Aber irgendwann nach 15 oder 20 Jahren ist auch die beste Anlage an ihrem Lebensende angekommen.

Solarbranche finanziert Rücknahmesystem

Aber wohin mit der Altanlage, wenn sie endgültig ausgedient hat? Bislang mussten sich Handwerk und Planer wenig Gedanken darüber machen. Nur selten mussten Module getauscht oder entsorgt werden, weil der Blitz einschlug oder das Dach abbrannte, auf dem die Anlage montiert war. In solchen Fällen landeten die Module meist im Müll; und das notgedrungen, denn Rücknahmesysteme gab es bislang nicht; weder konnte man die Module über den grünen Punkt entsorgen, noch konnte man sich sicher sein, dass kommunale Sammelstellen die Module als Sondermüll entgegennahmen.
Das passte nicht besonders gut zu einer Branche, die mit Umweltfreundlichkeit der Produkte wirbt und nicht müde wird, dies zu betonen. So oder ähnlich muss auch die Solarwirtschaft gedacht haben. Denn seit 2010 ist in Deutschland und Spanien ein Rücknahmesystem für PV-Module in Betrieb, das ausschließlich von der Solarbranche finanziert wird: PV Cycle.
Bislang gibt es in Deutschland 26 Sammelstellen (Adressen siehe Anhang), sogenannte collection points. „Kristalline Module aller Art und auch Dünnschichtmodule können kostenlos abgegeben werden“, sagt Meike Koithahn von AS Solar in Hannover. Wer die Module hergestellt hat, spielt keine Rolle, so Koithahn: „Wir nehmen alle Fabrikate an, egal ob die Hersteller Mitglied von PV Cycle sind oder nicht.“





Geschäft der Zukunft

Noch ist PV Cycle in erster Linie eine Geste des guten Willens der Solarwirtschaft; in ein paar Jahren wird es vermutlich anders aussehen: Dann ist es ein Geschäft. Eine Studie des Verbandes der europäischen PV-Industrie und des Bundesverbandes Solarwirtschaft aus dem Jahr 2007 sagt voraus, dass 2020 in Europa pro Jahr bis zu 35000 t alte PV-Module anfallen. 2008
waren es rund 3500 t jährlich; aktuell hat der Markt also nur einen Bruchteil seiner künftigen Größe. Es ist bereits jetzt abzusehen, dass sich das Wiederverwerten der Alt-Module lohnen wird: Zurzeit können Recyclinganlagen rund 75% des Siliciums (Si) in Wafern oder Solarzellen alter Module zurückgewinnen. Experten gehen davon aus, dass sich das Material bis zu viermal wieder aufbereiten lässt, ohne nennenswerte Qualitätsverluste. Tendenziell werden die Preise für neues Silicium an der Rohstoffbörse weiter steigen, weil die Nachfrage gerade in Schwellenländern wie Indien oder China zunimmt. So gesehen ist die Solarwirtschaft gut beraten, beizeiten in die Wiedergewinnung und damit Sicherung der nötigen Rohstoffe für die Produktion einzusteigen.
Das mit alten Modulen bald Geld zu verdienen ist, hat sich bis in das Speditionsgewerbe rumgesprochen. Die Firma Hellmann in Osnabrück hat 2009 ein bundesweites Logistikkonzept für die alten Module entwickelt und getestet, sagt Malte Dukat von Hellmann Process Management. Hellmann hat inzwischen einen Exklusivvertrag mit PV Cycle geschlossen. Die Spedition beliefert die deutschen Sammelstellen mit speziellen Transportboxen aus Kunststoff, die PV Cycle entwickelt hat. Jede Box fasst 25 Module; wenn sie wieder abgeholt werden sollen, meldet die Sammelstelle dies an PV Cycle und dann holt der Spediteur sie wieder ab. „Bislang hat das gut geklappt“, sagt Meike Koithahn von AS Solar. Ab einer Entfernung von 50 Kilometern holt PV Cycle die Module auf Wunsch auch direkt dort ab, wo sie abgebaut wurden. Die Aufträge wickeln auch die Sammelstellen ab.


Auf dem Firmengelände lädt ein Gabelstabler Alt-Module ab.



Waferbruch wird in Freiberg in Sachsen von einer Tochterfirma von Solarworld wieder aufbereitet zu Si-Blöcken für die Modulherstellung.

95% Recyclingrate
Die bislang größte Recycleanlage deutschlandweit für alte PV-Module steht in Freiberg in Sachsen. Betreiber ist die Deutsche Solar, eine Tochter des Bonner Modulherstellers Solarworld. 2002 hatte das Unternehmen begonnen, eine Pilotanlage zu bauen, seit 2005 ist sie in Betrieb. Das Bundesumweltministerium beteiligte sich mit Fördergeldern an den Entwicklungskosten.
Die Anlage zerlegt die alten Module in ihre Einzelteile; Recyclingraten von bis zu 95% werden dabei erzielt, heißt es bei Deutsche Solar. In der ersten, thermischen Stufe werden die Kunststoffanteile des Moduls entfernt, sagt Karsten Wambach von Deutsche Solar. Danach trennt man Si, Glas und Metalle; die zweite Stufe dient der Wafer-Rückgewinnung; dazu wird der Solarzellenaufbau mittels Ätzverfahren entfernt. Auch Wafer-Bruch aus der Modul-Herstellung kann auf diese Weise wiederverwertet werden. Es entstehe ein Si-Granulat, so Wambach, das beispielsweise als Zuschlagmaterial bei der Blockherstellung für Solarwafer diene. „Bei guter Qualität kann das Silizium im Prinzip wieder als Solarsilicium eingesetzt werden.“
Das ursprüngliche Recycling-Ziel, unbeschädigte Zellen zurückzugewinnen, wurde aufgegeben, da es aufgrund der heutigen geringen Solarzellendicken (<180 μm) und der starken Vorschädigung der Module nach deren Rückbau und Transport nicht mehr wirtschaftlich ist.
Die Anlage in Freiberg braucht noch vergleichweise viel Handarbeit und Energie; jetzt ist geplant, die Anlage auszubauen und zugleich umzustellen auf automatisiertes Recycling. Die Kapazität soll verzehnfacht werden von dato rund 200 auf 200000 t pro Jahr. Ob und wann der Bau beginnt, ist noch nicht klar, so Wambach weiter: „Im Rahmen eines Forschungsprojektes wurde die Technik für eine Demonstrationsanlage von 20000 t/a entwickelt. Die Überlegungen zum Bau der Anlage hängen allerdings von einem ausreichenden Abfallmengenaufkommen ab.“


PV-Cycle hat für den Transport der Alt-Module spezielle Faltboxen aus Kunststoff entwickelt; sie fassen etwa 25 Module.


Module von First Solar nimmt PV Cycle nicht an. Das Unternehmen hat ein eigenes Rücknahme- und Wiederverwertungsverfahren entwickelt.

EE-Technologien und die RoHS-Richtlinie

Wer schon mal Pfandflaschen an einem Rücknahmeautomaten abgegeben hat, kennt das: Manche Flaschen nimmt der Automat nicht an, weil sie entweder im falschen Laden gekauft wurden oder es überhaupt keine Pfandflasche ist. Bei PV Cycle ist es ähnlich: Module ohne Anschlussleitungen oder ohne Frontglas werden nicht zurückgenommen. Das gilt auch für Module mit Brandspuren, etwa von einem Dachstuhlbrand, sagt Stefan Wendlandt vom Berliner Photovoltaik Institut (PI). PI ist eine der wenigen Sammelstellen von PV Cycle in Ostdeutschland. Bislang sei man mit dem System zufrieden, sagt Wendlandt. “Jüngst haben wir die Boxen mit den Alt-Modulen zum ersten Mal abholen lassen. Am nächsten Tag wurden automatisch wieder leere Boxen gebracht.” Etwa 25 Module hat PI bisher entgegengenommen; dazu kamen noch etwa 50 bis 60 Module aus dem eigenen Labor. Das Institut testet in Kooperation mit dem TÜV Süd Solarmodule, ob sie die Kriterien des IEC-Standards erfüllen. Auch Dünnschichtmodule des US-Herstellers First Solar nimmt PV Cycle nicht zurück.
First Solar hat ein eigenes Verwertungsverfahren entwickelt, das unter anderem im Werk in Frankfurt/Oder in Betrieb ist. Alt-Module holt das Unternehmen nach eigenen Angaben kostenlos ab. First Solar hat auf der Homepage ein Kontaktformular eingerichtet, mit dem das Abholen in Auftrag gegeben werden kann, so das Unternehmen. Auch einzelne Module oder Kleinstmengen werden abgeholt, heißt es.
Dünnschichtmodule waren im November in die Schlagzeilen geraten wegen der Anteile von Schwermetallen, die die Module enthalten. Cadmiumtellurid zum Beispiel wird von der US-Umweltbehörde EPA als krebserregend betrachtet; die Internationale Agentur zur Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation stuft den Werkstoff ebenfalls als gefährlich ein. Dünnschichtmodule enthalten etwa 100 g Cadmium pro installiertem Kilowatt, heißt es in einem Bericht der Tageszeitung taz.
Experten wollen das beenden. Im vorigen September hatte eine internationale Wissenschaftlerinitiative die EU aufgefordert, auch die PV in die Richtlinie über die Verwendung gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten, die sogenannte RoHS-Richtlinie, aufzunehmen – und damit entsprechende Produkte zu verbieten. Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt,
Energie hatte im Mai vorigen Jahres in einer Stellungnahme geschrieben: „Cadmium und Blei in Marktprodukten sollten ersetzt werden, wenn Ersatzstoffe vorhanden sind – und das ist bei der PV der Fall.“
Gleichwohl stimmte der Umweltausschuss des Europaparlaments bereits im Juni dafür, die gesamten Erneuerbare-Energien-Technologien von der RoHS-Richtlinie auszunehmen. In seinem Bericht heißt es, die Richtlinie dürfe „der Entwicklung von Technologien für Erneuerbare Energienquellen nicht entgegenstehen, die umweltfreundlich, nachhaltig und wirtschaftlich rentabel sind.“ So sollten „photovoltaische Solarzellen vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen“ werden. Im November schloss sich das EU-Parlament dieser Sicht an.
Die Wissenschaftler des Wuppertal Instituts halten dies für falsch; sie setzen auf das Vorsorgeprinzip: „Um zu verhindern, dass gefährliche Substanzen im Müll landen, dessen angebrachte Entsorgung niemand garantieren kann, muss zuallererst von ihrem Einsatz abgesehen werden“, heißt es in einer Stellungnahme.

Autor: Holger Dirks

 


Artikel teilen:
Weitere Tags zu diesem Thema: