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Wettbewerbsvorteil für Unternehmen

Nachhaltigkeitsbewertung als Kompass für Ressourceneffizienz von Produkten und Dienstleistungen

Auszug aus aktuell geltenden Normen und Zertifizierungssystemen.

Aufbau einer Ökobilanz.

Das Nachhaltigkeitsindikatorensystem und seine Gewichtung.

Das untersuchte Beispiel der Nahwärmeversorgungsvarianten im Detail.

Die Ergebnisse des kumulierten Energieaufwandes (KEA).

Grafische Darstellung der untersuchten Systemkomponente Systemgrenze.

 

Kleine wie große Unternehmen kämpfen sich regelmäßig durch den Dschungel an Gesetzen, Normen und Zertifizierungssystemen für Qualität, Umwelt und Energieeffizienz. Die Basis bildet die European Energy Directive – die europäische Richtlinie, wonach Staaten und Unternehmen verpflichtet sind, langfristig Energie einzusparen. Gepaart mit EEG, EDL-G, SpaefV, EnEV und den Gesetzen zur Einhaltung von Umwelt-/Arbeitsschutz ergeben sich viele Werte und Aussagen über den firmeneigenen Energie- und Ressourcenverbrauch. Um dies zu vereinfachen und klarer zu gestalten, wurde eine Berechnungsstrategie entwickelt, die einen Nachhaltigkeitsindex in Prozent ausgibt. Im nachfolgenden Beitrag wird die Bewertung an Beispielen vorgestellt.

Für zahlreiche Unternehmen war die Einführung von Umwelt- oder Energiemanagementsystemen der erste Schritt in Richtung nachhaltige Entwicklung. Bei energieintensiven Unternehmen ging es früher oft darum, dank Zertifizierungssystemen Steuerrückerstattungen aus der EEG-Umlage und Stromsteuer zu generieren. Inzwischen haben viele Betriebe erkannt, dass es wirtschaftlicher ist, Energie einzusparen, anstatt auf einen Steueranteil zu spekulieren. So wird bei der europäischen Norm zur Einführung eines Energiemanagementsystems gemäß ISO 50 001 erfasst, welche Verbraucher wie viel Energie benötigen und Maßnahmen entwickelt, um die Energieeffizienz zu erhöhen, also weniger Energie zu verbrauchen und damit CO2 einzusparen. Um den Überblick aus der Vielzahl der Einzelwerte und Zahlen aus den Management-/Zertifizierungssystemen nicht zu verlieren, soll ein Nachhaltigkeitsindex Entscheidern einen Wert neben der Umsatzrendite zum Vergleich bieten.

Zahlen, die Aufmerksamkeit verdienen
Der Bedarf der Menschheit an Energierohstoffen, Baustoffen und Metallen hat sich im Laufe des vergangenen Jahrhunderts verzehnfacht, auf nun etwa 85 Mrd. Tonnen pro Jahr. Laut UN-Prognose dürfte der Ressourcenverbrauch aufgrund des weltweiten Wohlstandswachstums bis 2030 auf 186 Mrd. Tonnen steigen. Der Bedarf an Lithium, das für Informationstechnik wie etwa Smartphones bislang unersetzlich ist, könnte sich bis zur Jahrhundertmitte vervierfachen. Da eine solche Menge nicht zur Verfügung steht, dürfte ein neues iPhone irgendwann den Preis eines Kleinwagens erreichen – vorausgesetzt, es ändert sich nichts am Produktionsverhalten. Genau hier setzt die präsentierte Nachhaltigkeitsanalyse an. Jedes Produkt oder jede Dienstleistung kann unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit betrachtet und damit im Hinblick auf soziale, ökonomische und ökologische Aspekte wie die Energie- und Ressourceneffizienz bewertet werden. Eine Lebenszyklusanalyse, die alle vorgelagerten Prozesse der Herstellung, den Rohstoffabbau, den Ener­gie und Ressourcenverbrauch in jeder Phase, die Transporte, die eigentliche Betriebsphase inkl. Entsorgung mit einfließen lässt. Von der Idee bis zum Upcycling. Egal für welche Anwendung diese Analyse genutzt und für Unternehmen modifiziert wird, es bietet eine Sachbilanz, Wirkungsabschätzung und Maßnahmenkatalog. Was im ers­ten Moment wie eine abstrakte Theorie klingt, wurde als ­Nachhaltigkeitsanalyse am Beispiel verschiedener Nahwärmeversorgungsvarianten entwickelt und angewendet.

Nahwärmenetze im Fokus

Obwohl im Fokus der aktuellen Diskussionen hauptsächlich die Stromerzeugung selbst liegt und die Wärmeerzeugung für Heizzwecke noch immer vernachlässigt wird, sprechen die Zahlen eine andere Sprache. So werden in einem normalen Endverbraucherhaushalt ca. 80 % des Gesamtenergieverbrauchs für Heizzwecke und ca. 10 % für Warmwasser in Form von Wärme benötigt. Dem stehen nur ca. 10 % für elektrische Geräte und Beleuchtung in Form von Strom entgegen. Eine erfolgreiche Energiewende bedingt also neben einer nachhaltigen Stromversorgung auch eine nachhaltige Wärmeversorgung. Mittels Gebäudesanierung und Ausbau der Erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) können CO2-Emissionen im Wärmesektor stark reduziert werden. Zahlen sprechen von rund 234 Mio. t vermeidbarem CO2/a bis 2050. Derzeit werden Nahwärmenetze aus Erneuerbaren Energien meist mittels Biogas oder Biomasse und fossiler Spitzenlast betrieben. Beim Einsatz von Biogas steht, bedingt durch das EEG, die Stromeinspeisung im Vordergrund. Die Ener­gieeffizienz sowie potenzielle Umweltbelastungen durch die Entnahme und Nutzung natürlicher stofflicher Ressourcen finden kaum Beachtung. Ebenso wenig wie die direkt eingesetzten Material-In- und Outputs, die zur Herstellung und Weiterverarbeitung notwendig sind. Deshalb bot die Frage nach der „nachhaltigsten“ Wärmeversorgung mittels Nahwärmenetz ein perfektes Beispiel, um eine Nachhaltigkeitsbewertung als Kompass für Ressourceneffizienz praktisch darzustellen.
Drei Nahwärmenetze mit verschiedenen Wärmeversorgungsvarianten inkl. Wärmenetz ohne Hausübergabestationen wurden auf Basis einer Machbarkeitsstudie berechnet. Die Frage, die damit beantwortet werden sollte: Welches Nahwärmesystem bietet die höchste Nachhaltigkeit, auch im Hinblick auf weitere Planungen? Zwei Areale wurden betrachtet. Einmal ein großes, 10 km langes Nahwärmenetz in der Gemeinde Speichersdorf, im Landkreis Bayreuth. Hier galt es, 168 Einzelnutzer, die ihre Öl- bzw. Gasheizungen aufgeben wollten, an das Nahwärmenetz anzuschließen. Als Versorgungsvarianten standen folgende Kombinationen zur Diskussion:

  • Fossiles Referenzszenario mit dezentralen Erdgas- und Heizölkesseln,
  • Festbrennstoffkessel mit Hackschnitzeln und Öl-Spitzenlastversorgung,
  • eine Hackschnitzelversorgung inkl. Bio­gasanlage BHKW,
  • eine Hackschnitzelanlage mit Solarthermie und Erdsondenspeicher, mit 20 % solarem Deckungsanteil und mit 40 %.

Auch ein kleineres, 6 km langes Nahwärmenetz wurde in dieser Gemeinde analysiert. Zwei mögliche Versorgungsszenarien wurden betrachtet – Hackschnitzelverbrennung oder zusätzliche Solarthermie mit 8 % solarem Deckungsanteil. Das zweite untersuchte Projekt liegt im oberpfälzischen Landkreis Tirschenreuth – ein kleineres Nahwärmenetz mit nur 360 m. Der Berechnung zugrunde liegt der Ansatz, dass sich eine nachhaltige Wärmeversorgung mittels Nahwärmenetz auf drei Bausteine stützt: den Einsatz Erneuerbarer Energien, die effiziente Nutzung der eingesetzten Roh- bzw. Brennstoffe sowie die Beachtung der Ressourcenbegrenzung.

Eine Lebenszyklusanalyse mittels festgelegter Indikatoren
Das grundlegende Problem jeder Untersuchung ist die Festlegung der Systemgrenze. Denn eines ist klar, es kann nicht alles auf Nachhaltigkeit untersucht werden. Es würde dem Grundprinzip der Nachhaltigkeitsberechnung zu wieder laufen und Tausende Zahlen generieren, ohne weitere Aussagekraft zu liefern. So gilt, mit dem betrachteten „relevanten“ Systemkomponenten mindestens 80 % zu erfassen, um relevante Aussagen treffen zu können. Die Nachhaltigkeitsbewertung basiert auf dem CSR-Modell dem sogenannten „Drei-Säulen-Modell“ mit den Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales. Die Gewichtung der Indikatoren wurde nach dem Modell „starke Nachhaltigkeit“ vorgenommen, d. h. die ökologischen Faktoren wurden mit 60 % gewichtet. So sollte verhindert werden, dass eine erfolgreiche Ökonomie oder soziale Aspekte die Ökologie verdrängen. Die Gleichgewichtung aller Säulen wird als „schwache Nachhaltigkeit“ bezeichnet und ist in Fachkreisen umstritten, da es das Fundament, die Ökologie, zu gering berücksichtigt.
Basis für die Erstellung der Ökobilanz bildete die Datenbank und Software „GEMIS“, vom Ökoinstitut als kos­tenfreie Software angeboten, die jedes Unternehmen nutzen kann. Hier finden sich relevante Ergebnisse der jährlichen Emissionsmessungen und Wärmeberechnungen. Für die Entwicklung spezieller Datensätze für Unternehmen bietet die Hochschule Landshut die Zusammenarbeit im Rahmen von Diplom-, Master- oder Bachelorarbeiten an. Um die konkreten Umweltauswirkungen von Nahwärmenetzen auf Basis Erneuerbarer Energien im Vergleich zur herkömmlichen Wärmeversorgung durch fossile Energieträger bewerten zu können, wurden verschiedene Input-, Output-, Effizienz- und Bilanz-Indikatoren zur Identifikation von Umwelteinflüssen benannt und zur Bewertung und Quantifizierung der Umwelteinflüsse herangezogen. Die Input-Indikatoren:

  • Der kumulierte Energieaufwand (KEA) für den Ressourcenverbrauch aus (nicht) Erneuerbaren Energien und
  • der Flächenverbrauch.

Diese geben Auskunft über den Aufwand sowie den Material- und Ressourceneinsatz der für die Systemkomponenten des Wärmenetzes, die Erzeugung und Bereitstellung nötig sind. Maßgeblicher Indikator für den Energieaufwand ist der „KEA nicht erneuerbar“. Er bildet das Ergebnis der Lebenszyklusanalyse, also des Ressourcenaufwandes von der Herstellung bis zur Entsorgung, ab und wird deshalb am stärksten gewichtet. Während der „KEA erneuerbar“ aufgrund der Reversibilität der Ressourcen nur symbolisch gewichtet wird. Die relativ hohe, einstellige Flächengewichtung soll verhindern, dass die Nutzung fossiler Energie trotz hoher Emissionen, aber dank des geringen Flächenverbrauchs als nachhaltig eingestuft wird. Die Output-Indikatoren:

  • CO2-, SO2 (Versauerungspotenzial)- und TOPP (Ozonbildungspotenzial)-Äquivalent,
  • Abwasserverbrauch/Anfallender ­Abfall,
  • Spezifischer Wärmepreis und
  • Regionale Wertschöpfung.

Diese messen die Ergebnisse und Auswirkungen, die sich aus dem Ressourcenverbrauch bzw. der eingesetzten Arbeit ergeben. Die höchste Gewichtung erhielt der Hauptverursacher des Klimawandels – CO2. Das Versauerungspotenzial der Luftschadstoffe sowie deren bodennahes Ozonbildungspotenzial wurden mit jeweils 10 % gewichtet. Abwasser wird vernachlässigt, da bei der Nahwärmeversorgung kaum etwas anfällt und wenn, der Klärtechnik zugeführt wird. Als letzter ökologischer Indikator wird das Abfallaufkommen bilanziert. Als Indikator für die Ökonomie wurde der spezifische Wärmepreis je MWh Nutzwärme gewählt, um die verschiedenen Szenarien vergleichen zu können. Zusammen mit der regionalen Wertschöpfung über den „sozialen Indikator“ haben diese eine Gewichtung von 15 %. Um der Energieeffizienz Rechnung zu tragen, wird der Indikator Systemnutzungsgrad inkl. Netzverlust aufgrund jahrzehntelanger Messwerte berücksichtigt. Die vermiedenen Umweltauswirkungen im Vergleich zur Ausgangssituation finden sich als „Bilanz-Indikator“.
Die Wärmeversorgungsvarianten liegen im Ranking nahe zusammen. Ein großes Problem für die klassischen mineralölbasierten Wärmenetzkomponenten (Kunststoffmantelrohre) sind Polyurethane. Der Kunststoff, der zum Dämmen der Leitungen und Rohre verwendet wird, besteht u. a. aus Isocyanate, ein als giftig geltender, aus Erdöl gewonnener Grundbaustein, der sich besonders negativ auf die Ökobilanz auswirkt. Die Variante mit der Geothermie schneidet trotz niedriger Emissionen aufgrund des vergleichsweise hohen KEA mit nicht Erneuerbaren Energien für Betriebsstrom etwas schlechter ab. Betrachtet man das Ergebnis, also den spezifischen Wärmepreis, liegt die Ausgangsbasis der Versorgung mit dezentralen Öl- bzw. Gasheizungen bei 149 Euro/MWh und damit höher als bei den Nahwärmeversorgungsvarianten auf Basis Erneuerbarer Energien – ausgenommen, die Variante mit dem hohen solaren Deckungsanteil.
Auch im direkten Vergleich der beiden solar gedeckten Varianten schneidet die Versorgung mit 40 % solarem Anteil etwas schlechter ab. Grund: der noch relativ hohe KEA, da viele Ressourcen bewegt werden müssen, um an die zum Teil seltenen Erden für die Solarkollektoren zu gelangen, sowie die hohen Investitionskosten für die Solarkollektoren und Erdsondenspeicher. Bei dem kleineren Versorgungsgebiet liegt der Wärmepreis bei 105 bzw. 112 Euro/MWh. Für das Nahwärmenetz Speichersdorf war die Kombination der Hackschnitzelverbrennung plus Bio­gasanlage am nachhaltigsten. Das liegt u. a. daran, dass sich der Anteil der Biogas-KWK dank der Gutschrift für kombinierte Strom- und Wärmenutzung positiv auswirkt. Negativ ist hier der hohe Flächenverbrauch. Denn, obwohl Hackschnitzel große Flächen zum Anbau benötigen, entsteht keine Nutzungskonkurrenz zu Lebensmitteln – im Gegensatz zu Biogasanlagen. Beim kleinsten Nahwärmenetz liegt der errechnete Wärmepreis bei rund 100 Euro/MWh. Und damit steht der Sieger fest: Für diese Umsetzung einer Nahwärmeversorgung ist sowohl aus ökologischen, ökonomischen und sozialen Gründen die Variante mit einem Hackschnitzel-Festbrennstoffkessel die nachhaltigste.
Zu Bedenken gilt, dass sich Nachhaltigkeitsberechnungen wie diese besonders stark an den aktuellen Rahmenbedingungen orientieren, wie dem bundesdeutschen Strom-Mix sowie den aktuellen Brennstoffkosten und Produktionstechniken. So würde sich durch den Einsatz effizienterer und ressourcensparender Produktionsschritte sowie steigende Brennstoffpreise die Bewertung der solaren Nahwärmeversorgung stark verbessern. Steigt der Anteil Erneuerbarer Energien in der Stromproduktion, würden auch Geothermieprojekte im Vergleich zur Biomasse gewinnen. Mittelfris­tig bleibt der Einsatz von Biomasse und KWK in dezentralen kleinen bis mittleren Anlagen auf jeden Fall sinnvoll und nachhaltig. Zudem werden künftige Speichertechnologien weitere Kombinationsmöglichkeiten von solarer und geothermaler Wärmeerzeugung sowie KWK voranbringen. Insbesondere der Einsatz von Wärmepumpen wird, dank eines hohen regenerativen Stromanteils, langfris­tig nachhaltiger – vor allem im Vergleich zur Verbrennung.

„Nachhaltigkeit“ erhält ein prozentuales Gesicht

Mit dieser Berechnungsstrategie steht praktisch für alle Produkte oder Dienstleistungen ein Verfahren zur Bewertung „starker“ Nachhaltigkeit zur Verfügung. Die verwendeten Nachhaltigkeits-Indikatoren können für fast jede Frage angepasst und berechnet werden. Aus den gewählten Indikatoren ergibt sich am Ende eine einzige Prozentzahl, anhand dieser Unternehmen Entscheidungen auf Basis der Nachhaltigkeit treffen können. Damit gehören die Zeiten, in denen man sich durch unzählige Seiten eines Umwelt-, Energiemanagement oder Nachhaltigkeitsberichts kämpfen musste der Vergangenheit an, und der Vollkosten- oder Deckungsbeitragsrechnung steht nur noch eine Zahl gegenüber – der Nachhaltigkeitsindex in Prozent.

Autoren: Jacqueline Koch, freie Journalistin; Prof. Dr. Diana Hehenberger-Risse, Professorin an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Landshut für die Lehrbereiche Energieeffizienz, Energie- und Umweltmanagement, Energiewirtschaft, Erneuerbare Energien, Ökobilanzierung, Chemie Energieberaterin, Energieauditorin  – Frau Dr. Hehenberger-Risse, die die Nachhaltigkeitsanalyse entwickelt hat, fungiert auch als Kontakt für alle Fragen rund um die Berechnung: diana.hehenberger-risse@haw-landshut.de

Bilder: Prof. Diana Hehenberger-Risse

 


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