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Was beim Neukauf oder der Nachrüstung zu beachten ist

Das Thema Diesel und damit einhergehende mögliche Fahrverbote wird SHK-Unternehmer 2019 zwangsläufig beschäftigen – ob sie wollen oder nicht

Transparenz: Während für die WLTP-Prüfung umfangreiche Abgas-Checks auf dem Rollenprüfstand vorgeschrieben sind (hier im neuen Abgasmesszentrum Hannover), käme für eine Euro 6d Temp-Zulassung noch ein zertifizierter RDE-Testzyklus im realen Fahrbetrieb hinzu. Ab Herbst 2019 wird diese Vorschrift auch bei Transportern eingeführt. Bild: VW Nutzfahrzeuge

Mustergültig auf Zeit: Was für das Modelljahr 2015 noch als Vorzeige-objekt galt, hat aufgrund der Euro 5-Zulassung seinen Glanz verloren. An ­einen Transporter-Diesel werden zukünftig in puncto Emissionen und Verbrauch deutlich höhere Anforderungen gestellt. Bild: Thomas Dietrich

Das Know-how ist da: Wird der Abgasstrang zusammen mit dem Dieselaggregat entwickelt und die Abgastemperatur aktiv gesteuert, kann ein stabiler Temperaturbereich aufgebaut werden, der die geforderten Grenzwerte für Emissionen unterbietet. Bild: Bosch

 

Drohende Fahrverbote in Städten, ein möglicher Preisverfall neuwertiger Dieselmodelle, zweifelhafte Hardware-Nachrüstung, lange Lieferzeiten für zeitgemäße Antriebstechnik: Das Reizthema Diesel wird das Jahr 2019 begleiten und Entscheider im Fuhrpark beschäftigen. Was ist vor dem Neukauf oder der Nachrüstung eines Nutzfahrzeugs zu beachten? Eine Orientierungshilfe.

Das Handwerk ist ein wichtiger Motor für Wachstum und Wohlstand in Deutschland. Damit das Schwergewicht der deutschen Volkswirtschaft weiterhin auf Kurs bleibt, sollen Handwerkerfahrzeuge in die komfortable Lage versetzt werden, auch mit einem betagten Dieselantrieb weiterhin innerstädtische Straßen nutzen zu dürfen. Für den SHK-Unternehmer ergibt sich zum einen die Möglichkeit, in seiner Region eine Ausnahmegenehmigung für jedes einzelne Vehikel mit Schadstoffklasse Euro 5 oder älter zu beantragen, falls Umweltzonen und sonstige Zufahrtsbeschränkungen ausgewiesen sind. Diese Praxis besteht, seit Umweltzonen eingerichtet wurden. Sie ist meist mit einer Gebühr verbunden, die beträchtlich sein kann.

Nachrüstung: 330 Mio. Euro vom Bund
Die für die Umwelt bessere Alternative ist ebenfalls mit Kosten verbunden: den Transporter im Handwerker-Fuhrpark durch eine Hardware-Nachrüstung zu modernisieren, sofern das technisch möglich ist. Das Bundesverkehrsministerium stellt mehr als 330 Mio. Euro Förderung bereit, damit Transporter bis 3,5 t bzw. 7,5 t Gesamtgewicht aus älteren Baujahren wegen ihrer hohen Emissionen nachgerüstet werden können. Das soll den NOx-Ausstoß (Stickoxide) je nach Modell um bis zu 85 % reduzieren.
An die Subvention des Verkehrsministeriums sind Bedingungen geknüpft. U. a., dass der Handwerksbetrieb im Umkreis einer vom Fahrverbot betroffenen Metropole seinen Sitz hat und eine gewisse Anzahl anfallender Aufträge nachweisen kann. Zudem muss eine Allgemeine Betriebserlaubnis des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) für das Nachrüstsystem bestehen. Für den Antrag zur Kostenbeteiligung ist die Bundesanstalt für Verwaltungsdienstleistungen zuständig (www.bav.bund.de). Zur Nachrüstung eines Transporters bis 3,5 t entstehen laut Ministerium Kosten zwischen 4000 und 8000 Euro, bei einem 7,5 Tonner zwischen 6000 und 12 000 Euro. Den Zuschuss pro Fahrzeug hat das Ministerium auf maximal 3800 Euro bzw. 5000 Euro limitiert. Er soll abhängig von der Unternehmensgröße sein.

Neuregelung wirft Fragen auf
Auch für Experten der Fahrzeugbranche drängen sich durch die Neuregelung zur Nachrüstung viele Fragen auf. Hier nur einige Aspekte: Um die Abgase sauberer zu bekommen, muss die Regelung im nachgerüsteten Abgasstrang exakt auf die Motorsteuerung abgestimmt sein – bei unterschiedlichen Betriebszuständen. Die Kennwerte des Motors gehörten bislang jedoch zu den Betriebsgeheimnissen der Hersteller und wurden nur in begrenztem Umfang den Entwicklern der Zubehörindustrie zugänglich gemacht.
Die Serienproduktion für erforderliche Nachrüstteile kann jetzt erst anlaufen. Lange Zeit war nicht definiert, welche Kriterien und Leistungsziele zu erfüllen sind, damit die geforderte Schadstoffreduktion eintritt. Zudem bestehen keine Erfahrungen aus einer Massenfertigung. Ungeklärt ist außerdem, wer für einen etwaigen Motorschaden aufkommen soll, der möglicherweise erst nach geraumer Betriebsdauer des modernisierten Abgasstrangs auftreten könnte. Die Reduzierung von NOx bewirkt nach Expertenmeinung Probleme, die sich z. B. in einem höheren Verbrauch oder einer Leistungsminderung zeigen können. Dies würde den zugesicherten Leistungsumfang des zugelassenen Fahrzeugs tangieren.
Die beträchtliche Investition in die Modernisierung des Gebrauchtwagens führt nicht automatisch zur Wertsteigerung. Experten weisen zudem auf die Tatsache hin, dass ein gemäß Euro 5 zugelassenes Fahrzeug auch nach Modernisierung des Abgasstrangs weiterhin ein Euro 5-Fahrzeug bleiben wird.

Neuwertigen Fahrzeugen droht Wertverlust
Unternehmer und Bürger stehen vor einem Dilemma: Ein unter drei Jahre alter Euro 5-Diesel kann je nach Region schon jetzt einen beträchtlichen Wertverlust aufweisen. Existenzbedrohlich wird es für Autohäuser, die mittlerweile Leasing-Rückläufer mit Euro 5-Diesel geparkt haben. Doch selbst wenn die Fahrzeughersteller für die Hardware-Nachrüs­tung eines Euro 5-Fahrzeugs komplett aufkommen würden und es auch keine Lieferfristen für die nötigen Zubehörteile gäbe, wäre es nicht vorstellbar, dass solche Fahrzeuge hierzulande einen Schnäppchen-Käufer finden würden. Dafür sind die Endverbraucher inzwischen zu skeptisch geworden.
Wer ein Euro 6-Fahrzeug (der ersten Generation Euro 6a bis c) gekauft hat, muss fürchten,  in wenigen Jahren ebenfalls vor einer Einfahrtbeschränkung für Innenstadtbereiche zu stehen. Denn zu problematisch sind hier (als legal eingestufte) Rahmenbedingungen, mit denen die Hersteller Emissionsgrenzen zu ihren Gunsten ausgelegt hatten. Ursprünglich hatte der Gesetzgeber für Euro 6 ambitionierte Grenzwerte nach europäischem Recht vorgegeben. Doch die Zulassungsbestimmungen wurden auf Betreiben von Herstellern so formuliert, dass die Vorgaben durch Öffnungsklauseln bei bestimmten Betriebszuständen außer Acht gelassen werden konnten. Das ist korrigiert worden und am Zulassungskürzel Euro 6d Temp zu erkennen. Nicht nur Pkws, auch erste leichte Nutzfahrzeuge im Modelljahr 2019 erreichen bereits diesen Status.

Energieverbrauch und Emissionen ermitteln
Dazu einige Erläuterungen: Seit September 2018 müssen Hersteller für die Typzulassung eines Fahrzeugs den Energieverbrauch und die Emissionen im längeren und aufwendigeren WLTP-Verfahren bei unterschiedlichen Betriebszuständen ermitteln lassen (WLTP = Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure). Dies gilt für die verschiedensten Kombinationen von Karosserie, Motor, Getriebe und Reifendimension. Werden dabei definierte Grenzwerte eingehalten, gibt es die Freigabe gemäß Euro 6c.

Übergangsfristen für Nutzfahrzeuge
Bei den Transportern (zulässiges Gesamtgewicht 2,8 t oder höher) haben die Hersteller den 1. September 2019 als Frist gesetzt bekommen, um nötige Modifizierungen einer Typzulassung vorzubereiten. Binnen eines Jahres müssen sie dann die Serienproduktion komplett auf die geltende Emissionsklasse umstellen. Man sollte sich daher vor einem Kauf erkundigen, wie die Zulassungsart für das ausgewählte Modell definiert ist. Warum eine möglichst zeitgemäße Motortechnik immer wichtiger wird, verdeutlichen die weiteren Erläuterungen.

Wirkt als Gütezeichen: Euro 6d Temp
Von der jetzt noch möglichen Zulassungsart Euro 6c für leichte Nutzfahrzeuge haben erste Hersteller bereits Abstand genommen und streben stattdessen die wertigere Zulassung gemäß Euro 6d Temp an. Hierbei kommt zum WLTP-Verfahren noch ein zertifizierter Testzyklus hinzu, der die Realemissionen des Fahrzeugs in einem eingehenden RDE-Prüfverfahren im Straßenverkehr ermittelt (RDE = Real Driving Emissions). Dabei dürfen Benziner den NOx-Grenzwert von 126 mg pro km nicht überschreiten. Für Diesel gelten 168 mg. Diese Zulassungsart gesteht den Verbrennern noch eine großzügigere Toleranzbreite bei den Emissionen zu. Befristet hat das KBA diese Zulassungsart bis Ende 2019.

Weniger Schadstoffe ab 2021
Ab Anfang 2020 gilt Euro 6d (Final) mit nur noch geringen Toleranzen der bekannten vorgegebenen Grenzwerte. Das bezieht sich wiederum zunächst auf die Typzulassung einer Fahrzeugreihe. Alle daraufhin in Serie gebauten Fahrzeuge müssen diese Bedingungen spätestens Anfang 2021 erfüllen.
In größeren und teureren Fahrzeugen – gemeint sind sowohl Pkws als auch Transporter – wird man den nötigen Aufwand in der Abgasreinigung mit einem zweistufigen Katalysator samt ausgefeiltem Thermomanagement realisieren können. Davon sind Motorexperten überzeugt. Zweifel bestehen jedoch, ob dies aus Platz- und Kostengründen auch bei kleineren Pkws und Lieferwagen machbar ist.
Bosch ist als Zulieferer für die Motorenentwicklung etlicher Marken zuversichtlich. Mit Komponenten, die für Dieselaggregate in den vergangenen Jahren auf den Markt gekommen sind, haben Testfahrzeuge im realen Fahrbetrieb Messergebnisse mit durchschnittlich 13 mg Stick­oxid pro km geliefert. Euro 6d Temp definiert die Emissionsgrenze für den Diesel im Fahrbetrieb bei 168 mg. Übrigens: Diesen Grenzwert hat die EU-Kommission zu Unrecht so hoch angesetzt, urteilte der Europäische Gerichtshof im Dezember 2018. Vielmehr habe das ursprünglich festgelegte Limit von 80 mg pro km weiterhin Gültigkeit für die RDE-Prüfung.

Für CO2 gelten neue Flottengrenzwerte
Von den Stickoxiden zum klimarelevanten CO2 (Kohlendioxid). Hier gab es ebenfalls im Dezember eine richtungweisende Entscheidung durch die Europäische Gemeinschaft. Die Automobilhersteller sollen nach 2021 die CO2-Emissionen ihrer Flotten massiv senken: um 15 % bis zum Jahr 2025 und um 37,5 % bis 2030, jeweils gemessen am Zielwert für 2021. Dann dürfen die Flotten jedes Herstellers im Schnitt nur noch 95 g CO2 ausstoßen.
Für Verbrenner bedeutet dies, dass der Spritverbrauch möglichst weiter sinken sollte. Ein Pkw, der 95 g CO2 je Kilometer ausstößt – der Zielwert für das Jahr 2021 – muss sich folglich mit 4 l Benzin oder 3,6 l Diesel begnügen. Werden die Grenzwerte schärfer, muss der Durchschnittsverbrauch (Flottengrenzwert) eines Herstellers entsprechend sinken. Bei den Vorgaben handelt es sich allerdings um Idealverbräuche, wie sie bei der Zulassung von Fahrzeugtypen ermittelt werden. 2017 lag der Flottendurchschnitt in Europa nach Zahlen der Europäischen Umweltagentur bei 118,5 g. Bei Autos deutscher Marken lag er im Schnitt sogar bei 127,1 g.
Auch wenn Grenzwerte für leichte Nutzfahrzeuge etwas weniger stringent als bei Pkws festgelegt sind, lassen sich die Emissionsziele im Flottendurchschnitt bis 2030 nur erreichen, wenn möglichst viele Erdgas- und Elektroautos sowie Hybridfahrzeuge unter den Neufahrzeugen sind – aus heutiger Sicht. Denn wenn in den nächsten zehn Jahren möglichst technologieoffen nach Lösungen gesucht wird, könnte sich die Bewertung von Emissionen des Straßenverkehrs auch anders entwickeln. Denkbar wäre, dass beispielsweise sogenannte E-Fuels zur Marktreife kommen. Unter Laborbedingungen versprechen sie schon jetzt eine nahezu emissionsfreie Alternative. Doch solche Lösungen brauchen Zeit, selbst wenn genügend Subventionen vorhanden wären.

Autor: Thomas Dietrich, freier Journalist

 


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