Warenkunde: Ein Stück lebendige Vergangenheit
Wer sich mit alten Dingen umgibt, muss kein "Ewiggestriger" sein. Dafür gibt es auch andere Motive: ein ausgeprägtes Stilempfinden zum Beispiel, oder die Liebe zu individuellen Dingen, die man nicht mehr "von der Stange" bekommt. Gerade im Bereich Feuerstätten ist die Historie besonders facettenreich. Es lohnt sich, sich näher damit zu befassen.
Von Herbst bis Frühjahr behagliche Wärme im Haus (meist nur in einzelnen Räumen) genießen zu kön- nen, war vor 100 Jahren keine Selbstverständ-lichkeit. Komfortable Zentralheizungen nach heuti- gem Verständnis gab es noch nicht, weshalb sich die Öfen und Kamine, denen die Bewohner die wohlige Wärme zu verdanken hatten, einer besonders hohen Wertschätzung erfreuten. Das wiederum dokumen- tiert sich auch in ihrem aufwendigen "Design".
Historische Öfen und Kamine sind mit ihrer detailreichen Gestaltung oft ein außergewöhnlicher Blickfang im Haus. Darüber hinaus können sie - technisch in Top-Zustand versetzt - als Heizquelle auch heute noch echten Nutzwert bieten. Einen Vergleich mit aktuellen Feuerstätten brauchen sie nicht zu scheuen.
Während die geschlossenen Ofenmodelle, meist Guss- oder Kachelöfen, maßgeblich die Wärme-versorgung sicherstellen mussten, galten offene Kamine in den sogenannten "besseren Kreisen" schon früh als luxuriöses Statussymbol, das die repräsentative Architektur großer Villen unter-streichen sollte. Dabei kamen oft entsprechend hochwertige Materialien wie ausgesuchte Marmor- und Sandsteinarten zum Einsatz.
Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Firmen, die sich der Bergung, Aufarbeitung und Neuinstallation historischer Feuerstätten widmen. Wenn nachfolgend einige von ihnen namentlich genannt werden, erhebt das keinesfalls einen Anspruch auf Vollständigkeit. Manche Ofenbaubetriebe haben sich genau auf das Gebiet der Restaurierung antiker Öfen spezialisiert, andere, zum Beispiel Händler für historische Baustoffe, bieten Öfen und Kamine neben antiken Türen, Fenstern, Ziegelsteinen, Fachwerkbalken als eine Produktgruppe unter vielen an. Hier bekommt der Kunde die Ware üblicherweise auch nur in dem Zustand, in dem sie aus Abrissimmobilien geborgen oder im Zuge einer Sanierung ausgebaut wurden. Das ist ein entscheidender Unterschied, denn nach Jahrzehnten bis Jahrhunderten ständigen Betriebs und oft längeren Stillstandszeiten sind die meistens historischen Feuerstätten keineswegs sofort wieder einsetzbar, einige weisen sogar irreparable Schäden auf, die sie auf Dauer zum reinen Dekorationsartikel abstempeln. Bei einer antiken Kaminumrahmung spielt das keine große Rolle, denn hier wird der eigentliche Brennraum ohnehin beim Wiedereinbau individuell angefertigt. Dagegen muss beispielsweise ein alter Gussofen vor erneuter Inbetriebnahme in allen Bauteilen gründlich inspiziert und meist auch mit großem Aufwand repariert werden - ein eindeutiger Fall für den Fachbetrieb.
###newpage###
Dieter Klaucke mit seiner in Hünxe angesiedelten Firma Traumöfen ist so ein Spezialist für antike Küchenherde und Öfen. Er warnt auf seiner Inter-netseite sogar eindringlich vor gesundheits-gefährdenden Substanzen, die in einigen alten Feuerstätten zu finden sind. So enthalten fast alle deutschen, belgischen, französischen und kana- dischen Herdöfen ungefähr ab Baujahr 1945 Asbest, insbesondere bei Öfen aus Deutschland, Belgien und Frankreich wurde das gefährliche Material sogar schon ab ca. 1935 im gro-ßen Stil eingesetzt. Doch selbst in "modernen" Küchenherden und Öfen, gebaut und verkauft bis in die 1970er-Jahre, ist häufig Asbest zu finden. Wer sich so etwas unbedarft ins Haus holt, kontaminiert damit seine gesamte Wohnumgebung. Nicht grundlos trägt das Entsor- gungspersonal für solchen Müll "Astronauten- anzüge" und verlangt Unsummen für den Abtrans- port, eingeschweißt in Plastikfolie, damit ja keine Asbestfasern beim Transport in die Umwelt dringen. Dieter Klaucke, der in den letzten Jahren mehrere hundert (Herd-)Feuerstätten restauriert hat, kennt die "üblichen Verdächtigen" unter den Herdöfen, von denen er generell die Finger lässt. Von ihm unbe- kannten Öfen lässt er dennoch Proben in einem Labor der Stiftung Warentest analysieren, wozu er auch allen Endanwendern rät, die sich ihren Herd oder Ofen auf eigene Faust besorgen. Garantiert asbestfreie Küchenherde und unterschiedlichste von Grund auf sanierte Ofenmodelle bietet er mit seiner Firma "Traumöfen" in seiner großen Ausstellung im westfälischen Hünxe an. Einen Überblick über die lieferbaren Modelle bietet seine Internetseite "www.traumofen.de".
Auch Markus Stritzinger, Inhaber der Antik-Ofen- Galerie (www.antik-ofen-galerie.de) in Burrweiler, hat sich vor 23 Jahren auf die behutsame Wieder-herstellung alter Ofenmodelle spezialisiert. Er weist darauf hin, dass sich die Mehrzahl alter Öfen wegen erheblicher Vorschäden als irreparabel erweisen. Bei Gussöfen, die sich retten lassen, geht für Stritzinger die historische Authentizität sogar so weit, dass er die schonend glasperlgestrahlten Oberflächen mit "historisch korrekter" grafitierter Ofenschwärze behandelt. Das verleiht den alten Stücken einen besonderen seidigen Glanz, der allerdings in Spuren auch an den Fingern haften bleiben kann - ein Grund, weshalb die meisten Mitbewerber zur Versiegelung heute auf moderne Ofenlacke zurück-greifen. Zur Sicherheit soll ein TÜV-Gutachten die gesundheitliche Unbedenklichkeit der antiken Ofenschwärze belegen.
###newpage###
Ein dritter Betrieb im Bunde der "gusseisernen" Ofenhändler ist die Firma "Märchenofen" von Wilfried Schrem in Neu-Ulm (www.maerchenofen.de). Auch Schrem hat sich gemeinsam mit Partnerin Karin Michelberger auf die Restaurierung historischer Ofenmodelle spezialisiert, schwerpunktmäßig han- deln die beiden seit 1979 mit antiken Gussöfen. Und auch bei Märchenofen gibt es feuerungstechnischen "Ausschuss" - Öfen, die sich beim besten Willen nicht mehr für den praktischen Einsatz eignen. Zum Verschrotten sind viele dieser Kunstobjekte dennoch zu schade. Die schönsten Exemplare werden deshalb in einem fünfstufigen Verfahren optisch aufgearbeitet und als "Sammleröfen" zur Dekoration und für museale Zwecke angeboten. Seit Jahren ist bei Märchenofen zudem ein nagelneues historisches Gussofenmodell, der 2B Classic von Morsøe, erhält- lich. Dieser Etagenofen wird bei Morsoe seit 1935 gefertigt, und seine lange Brennraumform sollte zu Zeiten eines Holznotstands das Verfeuern von Butterfässern ermöglichen. Solche "Geschichten", die zu der Entwicklung bestimmter Ofenmodelle führten, machen einen besonderen Reiz antiker Feuerstätten aus.
Wer sich in das Stil- und Geschmacksempfinden sowie die Heizkultur längst vergangener Epochen hineinversetzen möchte, wird im Kachelofenbereich unter anderem bei Leutschacher (www.leut-schacher.de) fündig. Der Betrieb aus Grafing bei München fertigt "historische" Kachelöfen, Kamine und Herde vom überbordend ornamentalen Barock bis zum formreduzierten Bauhaus-Stil neu an. Das ermöglicht nach Kundenwunsch gestaltete Ofen-lösungen, die präzise auf die örtlichen Gegebenheiten maßgeschneidert sind.
###newpage###
Wer originale keramische Feuerstätten sucht, wird bei Theo Holtebrincks Restaurationsbetrieb für antike Kachelöfen (www.antike-kacheloefen.de) fündig. Auch Holtebrinck hat bei seiner Arbeit einen denk- malgerechten Restaurierungsansatz. Das heißt, so viel von der originalen Substanz zu erhalten wie irgend möglich und so wenig zu ersetzen oder aus- zubessern wie nötig. Sämtliche Hinzufügungen sollten beschädigungsfrei und leicht wieder zu ent-fernen sein. "Alle unsere Versuche, antike Ofenkacheln zu kopieren und nachzubrennen, konnten nicht zufriedenstellen", sagt er, "fehlende Kacheln versuchen wir durch ähnliche zu ergänzen. Wo das nicht möglich ist, kopieren wir auf so- genanntem kaltem Wege, das heißt, die kopierten Kacheln werden kalt gegossen und später mit lösemittelfreien, hitzebeständigen Farben behandelt und nicht gebrannt." In Holtebrincks Lager warten ständig zirka fünfzig historische Kachelöfen auf ihren neuen Einsatz.
Zur Branche der historischen Baustoffhandlungen zählt die Münchner Firma "Habit arte" von Georgia Wittmaack (www.habit-arte.com), bei der historische Feuerstätten einen wesentlichen Anteil am Repertoire haben. Die Inhaberin hat sich auf offene Kamine von der Renaissance bis ins 20. Jahrhundert spezialisiert. Zahlreiche ihrer Exponate stammen aus Frank-reich. Dazu liefert Habit arte Stein-, Holz- oder Terracotta-Böden ebenfalls aus dem 18., 19. und 20. Jahrhundert. So ist das Gesamtbild rund um den Ofen perfekt.
Sie sehen: Mit historischen Feuerstätten lässt sich nicht nur Wärme erzeugen wie mit heutigen Kaminen und Kaminöfen, sie erfüllen auch den Anspruch nach Individualität und Stil in einer Weise, wie es Groß- serienobjekte kaum schaffen. Die aber sollen sie ebenso wenig ersetzen wie die handwerkliche Kachelofengestaltung mit aktuellen Formen und Farben. Sie stellen aber auf jeden Fall eine interes- sante Ergänzung des Portfolios dar, das Ofenbauer als Nischenmarkt für eine besondere Klientel im Hinterkopf haben sollten.