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Warenkunde: Alles aus einem Guss

 

Als Ofenbaumaterial hat Gusseisen eine jahrhundertealte Tradition. Trotzdem ist es wegen seiner vorteilhaften Eigenschaften auch aus der modernen Feuerstättenfertigung nicht wegzudenken, und kaum ein Ofenbaustoff lässt sich vielseitiger verwenden. Doch Gusseisen ist nicht gleich Gusseisen.


Abstich: Das glühende Gusseisen rinnt aus dem Schmelz-ofen in Tiegel.

Eisengießereien zählen hierzulande zu den letzten Unternehmensbereichen der klassischen Schwerindustrie, und das Hantieren mit der glühenden Schmelze ist nach wie vor eine äußerst spektakuläre Angelegenheit. Im Feuerstättenbereich reichen die Verwendungsmöglichkeiten von Gusseisen vom einfachen Feuerrost über gusseiserne Heizeinsätze bis zu kompletten Gussöfen. Seine gute Wärmeleitfähigkeit, verbunden mit hoher Temperatur- und Korrosionsbeständigkeit prädestiniert Gusseisen geradezu für den Ofenbau.

Gusseisen gibt es nicht nur in zahlreichen unterschiedlichen Varianten (zum Beispiel Weißguss, Grauguss, Temperguss - jeweils mit Unterformen wie Sphäroguss, Lamellenguss, schwarzer oder weißer Temperguss), sondern es wird auch auf sehr unterschiedliche Weise verarbeitet.


Das Gießerhandwerk erfordert körperliche Belastbarkeit und viel Erfahrung.

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Die Sandform-Gusskästen werden mit flüssigem Eisen gefüllt.

Chemisch betrachtet ist Gusseisen eine Eisen-Kohlenstoff-Legierung mit mehr als 2 Prozent Kohlenstoff, (meist sind es zwischen 2 und 4 Prozent). Zusätzlich enthält Gusseisen Zuschlagstoffe wie Silizium und Mangan. Beim Schmelzprozess im Kupolofen nimmt das Eisen den Kohlenstoff aus dem Brennstoff Koks auf. Im erkalteten Gusseisen liegt der Kohlenstoff in Form von Karbid oder elementar als Graphit vor. Die Art des Gusseisens ist von der genauen Zusammensetzung und der Abkühlgeschwindigkeit abhängig. Der hohe Kohlenstoffanteil im Gusseisen bewirkt die große Härte und Sprödigkeit des Materials. Es ist deshalb im Gegensatz zu Stahl (Kohlenstoffanteil zwischen 0,06 und 2 Prozent) gewöhnlich nicht plastisch formbar (zum Beispiel durch Schmieden), sondern neigt zum Brechen. Je nach Farbe der Bruchflächen unterscheidet man zwischen weißem Gusseisen (Ledeburit-Hartguss) und grauem Gusseisen (Grauguss).


Die Königshütte im Harz zählt zu den Traditionsstandorten der Eisengießerei.

Die Gusseisentypen werden mit für Laien kaum noch durchschaubaren Kürzeln bezeichnet, die auf alten und neuen DIN- beziehungsweise EU-Normen beruhen. Zusätzliche Ziffernkombinationen charakterisieren das mechanische Verhalten. So wurde Gusseisen, in dem das Graphit kugelförmig eingelagert ist (Sphäroguss), früher mit "GGG" für "globularen Grauguss" bezeichnet, heute trägt es das Kürzel "GJS". Gusseisen mit vermicularem Graphit wird als "GJV" gekennzeichnet. Die Bezeichnung "EN-GJS-600-3" (früher: GGG-60) bedeutet zum Beispiel, dass das Material eine Zugfestigkeit von 600 N/mm2 bei einer Mindest-Bruchdehnung von 3 Prozent aufweist.

Für die konstruktiven und dekorativen Elemente im Ofenbau wird am häufigsten der einfache Lamellen-Grauguss (Kürzel "GJL") verwendet, in dem das Graphit lamellenförmig eingelagert ist. Das Material weist zwar eine höhere Zug- und Bruchneigung auf, dafür besitzt es eine sehr gute Wärmeleitfähigkeit.


Ein gusseiserner Ofen mit Kochstelle bietet einen echten Zusatznutzen.

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Die meisten Gusseisenteile werden noch heute überwiegend im Sandformverfahren hergestellt. Dabei spricht man (im Gegensatz zum Guss beispielsweise in eine wieder verwendbare Kokille) vom Guss in eine "verlorene Form", weil diese zwangsläufig beim Entnehmen des Gussguts zerfällt. Ein präzises Modell des Gussgegenstands (meist aus Holz oder Metall) wird in feinem, verdichtetem  Quarzsand abgeformt. Damit der Sand nicht zusammenfällt, wird er mit quellfähigen und bindenden Zusätzen, zum Beispiel dem Mineral Bentonit, aufbereitet. Das verleiht der Form eine optimale Druck- und Scherfestigkeit (wichtig für die Stabilität von Kanten). Eine Alternative zu tongebundenem Sand ist der chemisch gebundene. Körner reinen Quarzsandes werden mit einer dünnen Kunstharzschicht umhüllt, die entweder selbstaushärtend ist, oder beim Erwärmen bindend wirkt. Vor dem Guss wird das Modell entfernt und der verbliebene Hohlraum mit geschmolzenem Metall ausgegossen. Das Metall fließt dank seines Eigengewichts durch ein System von Zuleitungen in die Sandform, ein System von Austrittskanälen erleichtert in manchen Fällen das Entweichen der Luft aus den Hohlräumen. Die Herstellung von Teilen mit komplizierten Formen und kleinen Materialquerschnitten erfordert großes Wissen und Erfahrung.


Bei Buderus sind heute über 300 Kunstguss-Ofenplatten nach historischem Vorbild lieferbar.


Moderne Heizeinsätze aus Gusseisen überdauern Jahrzehnte.


Das Modell Unica von Leda interpretiert den historischen Säulenofen neu.

Außer dem Guss in eine "verlorene Form" können Gussteile auch mit einem "verlorenen Modell" hergestellt werden, wenn dies in der Gussform verbleibt und durch den Gussvorgang ebenfalls zerstört wird. Das ist zum Beispiel beim Wachsausschmelzverfahren von Feingussteilen oder auch beim Vollformguss der Fall, wo die Modelle aus Polystyrol bestehen. Das Wachs wird durch das glühende Gusseisen aus der Form verdrängt, Polystyrol vergast beim Einfüllen der glühenden Eisenmasse. Nach dem Trennen der Gussteile von der Form müssen die Teile gesäubert sowie von Gussstielen und Graten befreit werden. Auch die Oberflächen sind gegebenenfalls mechanisch nachzubearbeiten.

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Kamine und Kachelöfen wurden seit dem Mittelalter oft mit reich verzierten gusseisernen Ofenplatten ausgestattet. Diese werden auch heute noch nach traditionellem Verfahren hergestellt, das als "Kunstguss" bezeichnet wird. Eine berühmte Kunstgießerei betreibt Buderus an einem der ältesten Eisengießerei-Standorte im hessischen Hirzenhain bei Wetzlar. Über 300 Ofenplatten mit historischen Motiven, aber auch gusseiserne Plastiken und andere Kunstgegenstände aus Gusseisen sind von Buderus noch heute ab Katalog erhältlich, und die Palette wird ständig erweitert. Wer mehr über diesen interessanten und individuellen Zweig der Eisengießerei erfahren möchte, sollte einen Besuch des Hirzenhainer Eisenkunstguss-Museums mit seinen teils mehrere hundert Jahre alten Gussexponaten ins Auge fassen.


Dieser historische Biedermeier-Kastenofen (datiert 1846) ist ein Replikat mit limitierter Auflage.


Historische Gussöfen stehen modernen Öfen nach fachgerechter Restaurierung in nichts nach.


Wenn es etwas teurer sein darf: Gussofen aus massiven Sterlingsilber.

Ebenso interessant wie die Ofenplatten nach historischen Vorbildern sind antike Öfen aus Gusseisen. Solche individuellen Feuerstätten erfreuen sich bei stilbewussten Baufamilien wachsender Beliebtheit. Die nostalgischen Unikate müssen auch nach 150 Jahren noch (oder besser: wieder) keinen Vergleich mit ihren modernen Nachfahren scheuen, weder bei der Heizleistung noch bei den Emissionen. Voraussetzung ist allerdings eine fachgerechte Bestandsaufnahme und Restaurierung der alten Stücke, wie sie von Firmen wie der "Antik Ofen Galerie" in Burrweiler oder der Firma "Märchenofen" in Neu-Ulm  angeboten werden. Markus Stritzinger von der "Antik Ofen Galerie", der sich seit 1982 als Amateur und seit 1985 als Profi der Materie verschrieben hat, gibt zu bedenken, dass "nur ein kleiner Teil der noch vorhandenen original historischen Gussöfen, im Sinne und nach den Vorschriften der Feuerungsverordnung, restauriert werden können." Vor einer Restaurierung muss deshalb grundsätzlich eine fachgerechte Beurteilung des Ofenzustands erfolgen. Um die volle Funktionsfähigkeit wieder herzustellen, werden von Stritzinger wie auch dem gleichermaßen idealistischen Wilfried Schrem (Fa. Märchenofen) dem Original entsprechende oder gar technisch verbesserte Ersatzteile eingebaut. Ein Austausch der Schamotteauskleidung im Feuerraum stellt dabei nur den absoluten Routineteil der Arbeit dar, der ohnehin turnusmäßig nach zirka 15 Betriebsjahren anfällt. Oft müssen aber auch Gusskomponenten instand gesetzt werden, was vor allem bei gebrochenen Teilen schwierig ist, denn Grauguss lässt sich nicht schweißen. Nach der Restaurierung sind die historischen Heizobjekte wieder voll einsatzbereit. Angesichts der Fülle an Modellen und Varianten aus unterschiedlichen Epochen, lässt sich eigentlich für jede Wohnumgebung ein geeignetes Exemplar finden. Falls nicht, können Kunden allerdings auch auf eine ganze Palette moderner Gussöfen zurückgreifen, die von Traditionsunternehmen wie Brunner oder Leda angeboten werden, um nur einige wenige zu nennen.

Ganz gleich, ob neuer oder alter Gussofen, ob Eisenguss-Ofenplatte oder gusseiserner Heizeinsatz - das Material wird dank seiner idealen Eigenschaften auch in Zukunft aus dem hochwertigen Ofenbau nicht wegzudenken sein. Im Gegenteil: es scheint im Moment geradezu eine Renaissance zu erfahren.

Martin Henze

 

 


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