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Wärmepumpen: Sind die Risiken durch Geothermie­bohrungen heute beherrschbar?

Wärmepumpen genießen einen hohen Zuspruch in der Bevölkerung: Etwa 60 000 Stück werden jedes Jahr installiert. Der Trend geht dabei in Richtung Luft/Wasser-Wärmepumpen. Ein Grund für diese seit Jahren zu beobachtende Verschiebung dürfte zum einen auf die verhältnismäßig niedrigen Preise, zum anderen auf die Schadensfälle bei Erdwärmebohrungen zurückzuführen sein. Das wohl bekannteste Beispiel ist Staufen im Breisgau. Dort kam es nach Bohrungen für Erdwärmepumpen in den Jahren 2006 und 2007 zu starken Bodenhebungen im historischen Ortskern mit erheblichen Schäden durch Risse an Gebäuden. Die geschätzte Schadenshöhe liegt bei 50 Mio. Euro. Wie sich herausstellte, hatten einige der Bohrungen versehentlich eine offene Verbindung zwischen der Grundwasserschicht und der Gipskeuperschicht hergestellt. Gipskeuper besteht aus Tonsteinen mit Einlagerungen von Anhydriten. Das eingedrungene Wasser hat sich mit dem Anhydrit zu Gips verbunden. Diese chemische Reaktion ist immer mit einer deutlichen Volumenzunahme verbunden. Unter dem Ortskern von Staufen baute sich ein hoher Druck auf, der das Gelände nach oben hob. Ähnliche Schäden gab es in ganz Deutschland, z. B. in Böblingen, Kamen, Rudersberg und Schorndorf. Die Ursachen lagen nicht immer in einer Hebung des Geländes. Es gibt auch Senkungen, z. B. wenn durch Bohrungen ohnehin im Boden vorhandene Risse vergrößert werden oder Grundwasser abfließt und einen Hohlraum entstehen lässt. Angesichts dieser Risiken stellt sich die Frage, ob Geothermiebohrungen mit den heutigen Methoden überhaupt vertretbar sind.

Prof. Dr. habil. Christoph Treskatis, apl. Professor am IWAR der TU Darmstadt

 

Pro

Seit dem Bekanntwerden von Schadensfällen im Zusammenhang von Erdwärmesonden wächst die Verunsicherung in der Bevölkerung. Die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadensfalls durch eine Erdwärmesondenbohrung in Baden-Württemberg liegt jedoch bei weniger als 0,002 %. Im Vergleich dazu ist die Wahrscheinlichkeit eines schweren nuklearen Unfalls in einem Kernreaktor 10-mal höher und liegt weltweit bei 0,02 %. Die Ursachen für die Schadensfälle aber lassen sich eingrenzen und können durch eine nachhaltige Qualitätssicherung und durch eine lokale Tiefenbeschränkung vermieden werden.

Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wurden neun Schadensfälle durch Erdwärmesondenbohrungen in Baden-Württemberg qualitativ und quantitativ untersucht. In 90 % der untersuchten Schadensfälle lag die Ursache bei einer unvollständigen und undichten Hinterfüllung der Erdwärmesondenbohrung, die zu auf- oder absteigendem Grundwasser führte. Die geforderte Hohlraumhinterfüllung zwischen Erdwärmesonde und Bohrlochwand ist grundsätzlich ein wichtiger Beitrag für den Grundwasserschutz und soll die Verbindung unterschiedlicher Grundwasserleiter unterbinden. Des Weiteren lag in fast 70 % der untersuchten Fälle eine Schadens­ursache darin, dass die Bohrung eine hydraulische Verbindung zwischen den Gesteinseinheiten des Keupers und Muschelkalks geschaffen hat. Die Untersuchungen haben ergeben, dass die Verbindung dieser beiden Gesteinseinheiten die Eintrittswahrscheinlichkeit für einen Schaden um das 40-Fache erhöht. In diesen Fällen kann es bei Grundwasserzutritt ebenfalls zum problematischen Anhydritquellen kommen, bei dem Anhydrit in Gips umgewandelt wird. Diese Umwandlung kann zu einer Volumenzunahme führen. Im Fall von Staufen als auch Böblingen führte es zu starken Bodenhebungen und erheblichen Gebäudeschäden.
Dennoch zeigen 820 erfolgreiche Erdwärmesonden, die die Grenze zwischen Keuper und Muschelkalk erreicht haben, dass auch schwierige Fälle grundsätzlich beherrschbar sind. Im Jahr 2011 hat das Land Baden-Württemberg Leitlinien zur Qualitätssicherung von Erdwärmesonden veröffentlicht. Diese beinhalten den Umgang mit der Hinterfüllung, das Vorgehen bei kritischem Stockwerksbau und gespannten Grundwasserleitern sowie den Umgang mit sulfatführenden Gesteinen. Des Weiteren wurde eine verschuldensunabhängige Versicherung mit einer Deckungssumme von mindestens 1 Mio. Euro in Baden-Württemberg eingeführt. Alle bisher bekannten Schadensfälle stammen aus der Zeit vor Erscheinen der Leitlinien. Zusätzliche Maßnahmen wie eine regionale Tiefenbeschränkung mindern das Risiko weiter.
Zu diesen bestehenden Maßnahmen wird derzeit im Rahmen von verschiedenen Forschungsvorhaben in Baden-Württemberg die Erdwärmesondentechnologie und speziell die Hinterfüllungstechnologie in Großlabor- und Feldversuchen eingehend untersucht. Auch diese neuen Erkenntnisse werden weiter dazu beitragen, dass das Risiko durch oberflächennahe ­Geothermiebohrungen weiter reduziert wird. Eine Technologie zur Energieversorgung mit Nullrisiko wird es auch in der Zukunft nicht geben, jedoch wurden viele Maßnahmen eingeleitet, um das Risiko durch Erdwärmesondenbohrungen zu minimieren. Damit könnte das verlorene Vertrauen der Bevölkerung wieder zurückgewonnen werden.

Contra

Die Gewinnung oberflächennaher Erdwärme mittels Erdwärmesonden (EWS) ist eine preiswerte und einfache Methode der Energieversorgung von Gebäuden. Die rasante Zunahme in den letzten Jahren bei den EWS-Bohrungen ist im privaten Bereich inzwischen aus wirtschaftlichen Gründen (niedriger Erdölpreis) und aufgrund von Vorbehalten („schlechte Erfahrungen“) gebremst.
Mit jeder Einzelbohrung ist ein Eingriff in den Untergrund und das Grundwasser verbunden. Die Ausführung der Bohrungen beeinflusst in einem besonderen Maße sowohl den Schutz der Ressource als auch die Funktion der gesamten Anlage. Die Funktion einer EWS ist von vielfältigen Ausführungsfaktoren abhängig. Die Bohrung sollte möglichst lotrecht abgeteuft werden, um das Sondenbündel allseitig mit einer wärmeleitfähigen Abdichtungsmasse zu umgeben. Nur damit kann eine wirksame thermische Anbindung an den Untergrund und eine langfristige Funktion gewährleis­tet werden. Gleichzeitig wird mit dieser Anbindung eine Abdichtung des Bohrloches vorgenommen, die vertikale Kurzschlussströmungen zwischen den durchbohrten geologischen Schichten und unerwünschte stoffliche Einträge über das Bohrloch in das Grundwasser verhindern soll.
Die grundlegenden technischen Anforderungen sind in der Praxis von den Bohr­unternehmen kaum vollständig umsetzbar, da die üblichen Herstellungstechniken und die meisten verwendeten Materialien für die komplexen Wechselbeziehungen unzureichend sind. Ferner fehlt aus wirtschaftlichen Gründen vor allem die fachlich notwendige Überwachung der Arbeiten vor Ort sowie die fachliche Prüfung der Bauausführung. Herstellungs- und systembedingte Fehlfunktionen an der Anlage und gleichzeitig unvorhersehbare Risiken für das Grundwasser sind nicht auszuschließen. Beispiele mit besonders spektakulären Schadensfällen sind aus Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen bekannt geworden. Sie zeigen, dass das Risiko vor allem aufgrund mangelhafter Ausführung nicht vollumfänglich beherrschbar ist.
Fehlfunktionen sowie negative Einflüsse auf das Grundwasser werden wahrscheinlicher, wenn die Bohrung aus der Lotrechten verläuft, dadurch eine vollständige Ummantelung der Sondenrohre unmöglich wird und Verfüllbaustoffe keine hydraulisch dichtende Funktion haben (z. B. bei zu hohen Wassergehalten). Undichtigkeiten durch ungeeignete Materialien und unsachgemäße Bohrungen fördern im Bohrloch hydraulische Kurzschlüsse und schleichende Stoffverlagerungen. Die Höhe des Risikos einer Grundwasserbeeinträchtigung ist auch von den örtlichen hydrogeologischen Verhältnissen abhängig. Die Risiken steigen mit der Unkenntnis der Beteiligten und dem wirtschaftlichen Druck des Auftraggebers. Dieser wird oft an Planer und Ausführende weitergegeben. Die damit ausgelöste Spirale führt zu unsachgemäß hergestellten und risikobehafteten Anlagen, die aufgrund fehlender Kontrollmöglichkeiten ungeprüft übernommen werden müssen.
Die bekannten Risiken von EWS-Bohrungen würden besser beherrschbar, wenn die Kenntnisse der Planer zu den standortspezifischen Randbedingungen sowie die handwerklichen Fähigkeiten der Bauausführenden zur Risikominimierung ebenso wie die Qualitätssicherung auf der Baustelle erheblich verbessert würden. Der Kostendruck darf kein Feigenblatt für eine Art der Energienutzung sein, die vom Grunde her gesehen attraktiv ist.

 


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