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Vorsicht geboten

Verband für Wohnungslüftung rät SHK-Handwerkern: „Bei energetischer Sanierung und fehlendem Lüftungskonzept nicht wegschauen“

Installation einer Kontrollierten Wohnraumlüftung in einem Neubau.

Ob Neubau oder Sanierung: Auf lüftungstechnische Maßnahmen für den gesetzlich geforderten Mindestluftwechsel wird unverständlicherweise oftmals verzichtet. Mit mitunter fatalen Folgen.

 

Wer beim Neubau oder Renovierung eines Wohngebäudes auf eine Lüftungsanlage verzichtet, setzt sich im Fall von Schimmel, Feuchte und schlechter Raumluftqualität hohen Haftungsrisiken aus. Das gilt nicht nur für Bauherren und Planer, sondern auch für das ausführende Handwerk. Das ist das Ergebnis des aktuellen Rechtsgutachtens des Bundesverbands für Wohnungslüftung (VfW).

Überall im Lande bewerben Bauträger die hohe Energieeffizienz ihrer neusanierten und frisch erbauten Wohnungen und locken Käufer mit zinsgünstigen Krediten für KfW-Effizienzhäuser. Schaut man sich diese Wohngebäude genauer an, sind diese in der Regel gut gedämmt. Auf lüftungstechnische Maßnahmen für den gesetzlich geforderten Mindestluftwechsel wird unverständlicherweise oftmals verzichtet. Und das, obwohl für die Vergabe von Förderung von KfW-Effizienzhäusern ein Lüftungskonzept nach DIN 1946-6 Pflicht ist.
Viele in der Planung und am Bau Beteiligte sind offenbar mit der korrekten Umsetzung eines Lüftungskonzeptes nach DIN 1946-6 und den daraus folgenden notwendigen lüftungstechnischen Maßnahmen überfordert. Aufgrund des fehlenden lüftungstechnischen Fachwissens, aber auch der Scheu vor dem zusätzlichen Aufwand, erweisen sich die dann geplanten und umgesetzten Maßnahmen zum geforderten Mindestluftwechsel als Mogelpackungen, für die im Schadensfall nicht nur der Bauträger und Planer aufkommen muss, sondern wohlmöglich auch der SHK Handwerker. Nämlich beispielsweise dann, wenn er wohl wissend eine Umgehung des Lüftungskonzeptes nach DIN 1946 Teil 6 in Kauf nimmt.
So ist etwa Vorsicht geboten, wenn in Neubauwohnungen oder nach energetischen Sanierungen lediglich ein klassischer WC – bzw. Bad-Lüfter nach DIN 18017 vorgesehen ist. Gerne werden diese einfachen Geräte in Kombination mit Fensterfalzlüfter oder anderen Außenluftdurchlässen mit der Begründung ausgewählt, dass so die Lüftung zum Feuchtschutz ausreichend sichergestellt sei. Dabei wird bei der Berechnung des notwendigen Luftvolumenstroms zum Feuchteschutz nach DIN 1946 eindeutig gemogelt. Folgende Beispiele aus der Sachverständigenpraxis sollen dies zeigen:

  • Die mit dem Blower-Door-Verfahren gemessene Gebäudeundichtigkeit ist oft kleiner als in der Berechnung angesetzt. Bei heutiger Standardbauweise liegt der natürliche Luftwechsel oft unter 10h-1. Der Grenzwert der EnEV beträgt bei Gebäuden ohne Lüftungsanlagen 3,0h-1 und bei Gebäuden mit Lüftungsanlagen 1,5h-1. Ist das dem Planer oder umsetzenden Handwerker bekannt, sind die lüftungstechnischen Maßnahmen entsprechend anzupassen, da die natürliche Infiltration von Außenluft geringer wird.
  • Die nach DIN 1946-6 definierte freie Lüftung ohne Ventilator (System: Querlüftung) wird mit einer „Lüfterlüftung“ nach DIN 18017 kombiniert, um beim Einsatz des Lüfters im Dauerbetrieb die Lüftung zum Feuchtschutz zu erreichen. Ein Badlüfter mit einer Luftumwälzung von 20 bis 40 m³/h erreicht bei normalen Wohnungsgrößen keine Nennlüftung. Die Vermischung von ventilatorgestützter Nennlüftung nach DIN 1946-6 und einer Lüftung zum Feuchtschutz als freie Lüftung nach DIN 1946-6 ist nicht zulässig.
  • Oft werden in Wohnräumen mit Schiebetüren zu Balkonen keine Fens­terfalzlüfter gesetzt. Wohn, -Schlaf,- und sonstige Aufenthaltsräume sind jedoch nach DIN definierte Zulufträume. In diesen Räumen müssen bei Anwendung von Außenluftdurchlässen Fens­terfalzlüfter eingebaut sein, da diese Räume sonst ohne Zuluft und somit ohne Querlüftung mit Überströmungen zu gegen­überliegenden Räumen der Wohnung ungelüftet bleiben.
  • Es werden Zuluftöffnungen in Ablufträume gesetzt, um auf die rechnerische Anzahl der Fensterfalzlüfter zu kommen. Dies führt dazu, dass die Zuluft, die zu anderen Räumen bei der Querlüftung überströmen soll, direkt abgesaugt wird. Die angestrebte Querlüftung kommt nicht zustande.
  • Es werden Öffnungen für Küchenabzugshauben (Abluftmenge z. B. 1000 m³/h) installiert, die in Kombination mit dem im Dauerbetrieb befindlichen Lüfter (40 m³/h) zum Schaden an dem Lüfter führen, da dieser beim Einschalten der Küchenabzugshaube dann rückwärts läuft.
  • Es wird in der Küche kein Lüfter nach DIN 18017 installiert und somit die Küchenabluft in andere Zulufträume wie Wohnzimmer zum Bad gesogen.


Ob Rechenfehler, geschönte Zahlen, mangelndes Wissen oder die Berufung auf benutzer­unterstützte Fens­terlüftung. Wenn es in solchen Fällen zu Bauschäden in den Wohnungen kommt und ein Sachverständiger feststellt, dass die Ursache die Nichteinhaltung der Regel der Technik, nämlich der DIN 1946-6 ist, dann ist unter Umständen der SHK-Handwerker, der den Einbau des Lüfters umgesetzt hat, mit in der Haftung, auch wenn es eine fehlerhafte Planungsvorgabe war. Natürlich muss in erster Linie der Planer, Energieberater und Bauträger die Beschaffenheitsvereinbarung der renovierten oder neu errichteten Wohnung sicherstellen. Wenn es jedoch zum Haftungsfall kommt, geht der schwarze Peter um, und dann trifft es erfahrungsgemäß oft den Handwerker. Der SHK-Handwerker der dann „nur“ einen DIN-18017-Lüfter eingebaut hat, gerät dann plötzlich bei der Lüftungsfrage in die Mithaftung.
Mit einem aktuellen Rechtsgutachten zu den Haftungsrisiken von Wohnräumen ohne lüftungstechnische Maßnahme will der VfW Orientierung für die Praxis geben. Das Gutachten berücksichtigt dabei die aktuellen Normen und Verordnungen. So kann laut Rechtsgutachten schon heute in Zweifel gezogen werden, ob die Sicherstellung des notwendigen Luft­austausches nur über Fensterlüftung noch den Regeln der Technik entspricht.
SHK-Handwerksbetriebe sollten es nicht soweit kommen lassen. Der VfW empfiehlt
den Betrieben, ihre Bedenken gegenüber dem Bauherrn schriftlich anzumelden ­(siehe Musterschreiben), wenn Sanierungsmaßnahmen am Gebäude auffallen oder bekannt sind. Dies trifft zu beim Austausch von Fenstern, bei neuer Dachdeckung, bei energetischen Sanierungen der Außenhülle. Eine einfache Überprüfung, ob eine lüftungstechnische Maßnahme erforderlich ist, bietet das VfW-Planungstool, das kos­tenlos unter www.wohnungslueftung-ev.de heruntergeladen werden kann. Grundsätzlich sollte der SHK-Handwerker nachfragen, ob es ein Lüftungskonzept nach DIN 1946-6 gibt.
Angesichts der steigenden Geschäftsvolumens mit Wohnungslüftungsanlagen im SHK-Handwerk (in den letzten vier Jahren hat sich das Geschäft fast verdoppelt) ist es Gebot der Stunde für den SHK-Handwerker, sich mit dem Lüftungskonzept auseinandersetzen und fortzubilden. Der Bundesverband Wohnungslüftung bietet in Zusammenarbeit mit dem Zentralverband Sanitär Heizung Klima ab 2015 unabhängige kostenpflichtige Seminare für das SHK-Handwerk an.

Autor: Peter Paul Thoma, Geschäftsführer Bundesverband für Wohnungslüftung (VfW)

Bilder: Bundesverband für Wohnungslüftung

www.wohnungslueftung-ev.de

Rechtsgutachten

Das Gutachten kann beim VfW – Bundesverband für Wohnungslüftung zum Preis von 42,80 Euro plus Versandkosten bestellt werden unter Tel.: 069 269128043 oder per E-Mail: info@wohnungslueftung-ev.de.

Musterschreiben:: Bedenkanmeldung für fehlendes Lüftungskonzept im Gebäudebestand

Der VfW-Bundesverband für Wohnungslüftung empfiehlt SHK-Betrieben, Bedenken gegenüber dem Bauherrn anzumelden, wenn Sanierungsmaßnahmen am Gebäude anfallen oder bekannt sind, wie bspw. der Austausch von Fenstern und neue Dachdeckung und kein Lüftungskonzept vorliegt. Dazu bietet der VfW folgendes Musterschreiben an:
„Sehr geehrter Bauherr,
wir sind in Ihrem Objekt beauftragt, die „SHL-Anlage zu modernisieren und stellen fest, dass Sie den Wärmeschutz durch Austausch von Fenstern und Außendämmung verbessern. Wir weisen darauf hin, dass ein Lüftungskonzept nach DIN 1946 Teil 6 bei Ausführung dieser Maßnahmen zur Sicherstellung eines Mindestluftwechsels erforderlich ist.
Gerne beraten wir Sie über die sicherste und komfortabelste Lösung, dem Einbau einer kontrollierten Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung. Bei solchen Anlagen werden drei wichtige Aspekte erledigt: 1. Sie erhöhen die Energieeffizienz anrechenbar bei KfW-Anträgen und wirtschaftlich abbildbar. 2. Sie schützen Ihre Bausubstanz nachhaltig. 3. Sie sorgen für ein gesundes und hygienisches Raumklima (Beseitigung von Ausdunstungen aus Baustoffen und Möbel usw.)...“

Urteile

„In welchem Umfang ist die Sicherstellung eines hinreichenden Luftwechsels allein dem Nutzer zu überlassen?“ Das Rechtsgutachten listet dazu Urteile auf (Auszug):
Landgericht Aurich, Beschluss vom 09.02.2005, Az.:3 T 51/05
„Es ist nämlich zu bedenken, dass die von manchen Gutachtern empfohlenen Lüftungsmethoden im bürgerlichen Alltagsleben ungewöhnlich, unüblich und schwer zu praktizieren sind.…Es fragt sich deshalb ernsthaft, ob nicht ein Haus baulich von vornherein so beschaffen sein muss, dass auch mit weniger aufwendigen Lüftungsmaßnahmen die Schimmelbildung verhindert werden kann. Dabei ist insbesondere an die Ausrüstung mit Fenstern mit Zwangsbelüftung, an die Einrichtung von Lufttauschern mit Wärmerückgewinnung oder an die adäquate Wärmedämmung des Mauerwerks außerhalb der Fensterlaibungen zu denken...“
Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 11.02.2000, Az.:19 U 7/99
„Zwar kann trotz Einhaltung der DIN-Normen im Einzelfall ein Werkmangel vorliegen, wenn eine normale Nutzung der Wohnung bei üblichem Wohnverhalten nicht möglich ist.“
BGH, Urteil vom 21. 03. 2002, AZ. VII ZR 493/00
„Da die Parteien die für eine ausreichende Lüftung der Wohnung erforderliche zweimalige Stoßlüftung und den erforderlichen erhöhten Heizungsaufwand als Beschaffenheit und eine entsprechende Gebrauchstauglichkeit nicht vereinbart haben, schuldet der Beklagte die Beschaffenheit und die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung, die der Kläger nach der Verkehrssitte erwarten durfte. Das Berufungsgericht hat den Vertrag rechtsfehlerfrei dahingehend ausgelegt, dass der Beklagte vertraglich eine Gebrauchstauglichkeit der Wohnung schuldete, die besondere Lüftungsmaßnahmen des Erwerbers und einen erhöhten Heizaufwand nicht erfordert.“

 


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